Kurzgeschichten: ...wie sie das Leben schreibt
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Über dieses E-Book
Sie führen den Leser über Deutschland in die Schweiz, nach Kamerun - ja selbst bis in das ferne Indien und gar Tibet.
Einige heiter, manche traurig, doch alle unterhaltsam und geeignet zum Nachdenken.
Der Autor bemüht sich um eine gefeilte, gehobene Sprache und ist weit entfernt vom heutigen, leider oftmals gebrauchten 'Telegramm-Stil'.
Bernd Michael Grosch
Der Autor, Bernd Michael Grosch, geboren 1954 in Rheinland-Pfalz, sieht sich als eine Art 'Weltenbummler', der bereits 1973, im Alter von 18 Jahren zum ersten mal Deutschland verließ, um einen Gutteil der Erde und ihrer Bewohner kennenzulernen und fast neun Jahre in Indien zu leben. Die so gemachten Erfahrungen wurden zum Teil in mehreren Büchern verarbeitet. Seit März 2009 lebt der Autor wieder in Deutschland.
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Kurzgeschichten - Bernd Michael Grosch
Kurzgeschichten
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Kurzgeschichten
...wie sie das Leben schreibt
32 Kurzgeschichten
von
B. Mich. Grosch
© 2010 Bernd Michael Grosch
Neuauflage 2017
Umschlag und Bilder: Bernd Michael Grosch
Alle Rechte beim Autoren.
Ludwig-Zellerstr. 24
83395 Freilassing
bmg@b-mich-grosch.de
Publisher: epubli ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Titel
KAMLA RAM
Kamla Ram war Sepohi, das ist Wachbeamter, zuletzt im Distrikt-Gefängnis von Benares –
oder Varanasi , wie die Stadt nunmehr wieder heißt.
Von Geburt der Gerberkaste zugehörig, sah Kamla im Gefängnisdienst eine gute Chance, zu viel Geld zu kommen; zuerst jedoch galt es, eine nicht unerhebliche Summe Schmiergeldes zu bezahlen, um überhaupt erst an den begehrten Posten zu gelangen.
Mit Diebereien und dem Verkauf von Drogen hatte sich Kamla die benötigte Summe angespart und konnte somit seine Eignung zum Gefängnis-Sepohi belegen. – Er bekam den Posten und konnte nun damit beginnen, das ausgegebene Geld wieder zu verdienen. –
Man mag sich jetzt wohl fragen, wie denn ein kleiner Gefängnispolizist bei solchem Dienst zu Reichtümern gelangen könne. Nun - recht einfach: Man stiehlt, betrügt – und bringt den Gefangenen verbotene Dinge, für welche man sich gut bezahlen lässt....
Genau dies tat Kamla nun auch – und er erwies sich als wahrer Meister in diesem Fach. Von Anbeginn kannte er keinerlei Tabus. – Wollte Jemand Kautabak, so brachte der Polizist Kautabak; wollte Einer Drogen, so bekam er diese auch, wobei keine Rolle spielte, ob es sich dabei um Heroin oder lediglich Marihuana oder Bhang handelte. – Für Kamla zählte nur der Verdienst.
Ging es um Drogen, so bekam er mindestens das Doppelte des wahren Preises - meistens jedoch gar das Dreifache oder mehr. Der junge Sepohi kam zu Geld, konnte heiraten, ein Haus bauen – und bekam drei Töchter und zwei Söhne.
Kamla verzichtete weitgehend auf zustehende Beurlaubung und sprang gar für Kollegen ein, wenn Not am Manne war. – Keinen einzigen Tag wollte er versäumen; keine einzige Rupie sollte ihm verloren gehen! - Kamla dachte an den Ruhestand. Bis dahin wollte er genug verdient haben, um ein unbeschwertes und geruhsames Leben führen zu können.
- Dreimal erwischte man ihn beim Schmuggeln von Marihuana, doch die korrupten Vorgesetzten gaben sich jeweils mit einem großen Schmiergeld zufrieden – und brachten den Sünder nicht zur Meldung.
Somit blieb Kamla im Amt – und wurde noch vorsichtiger; jedoch nicht weniger geldgierig. – Er fand heraus, wann und wo mit Taschenkontrollen zu rechnen war – und verkaufte nicht mehr an jeden Gefangenen, welchen er nicht gut genug kannte. – Dafür schreckte er auch vor wahrlich kriminellen Machenschaften nicht zurück....
Er führte Telefongespräche für Bandenmitglieder, bei welchen es auch schon einmal um
Mordaufträge ging. – Hauptsache war, dass Kamla gut bezahlt wurde!
Eines Tages werde er an seiner Gier ersticken, hielten ihm Freunde, - ja, selbst die Ehefrau vor, doch Kamla Ram wollte auf Niemanden hören. Schließlich tat er, was er tat, schon seit vielen Jahren; somit wüsste er ja wohl, was er täte.
Kamlas Name war bekannt bei Kriminellen innerhalb sowie außerhalb der Gefängnismauern und Aufträge gab es für ihn genug, so dass er schon bald eine erkleckliche Summe Geldes erspart hatte und wahrhaft ein reicher Mann zu nennen war, auch wenn er diesen Umstand streng geheim zu halten versuchte.
Wechselnde Gefängnisse; wechselnde Arbeitsplätze - doch überall die gleiche korrupte Einstellung, welche aus allen Ritzen und Löchern zu kriechen schien.
Endlich kam Kamla Ram nach Benares-Chowkaghat, wo er die letzten drei Jahre bis zur
Pensionierung verbringen sollte, um sich danach endlich, wie jahrzehntelang erträumt, ein
angenehmes Leben zu machen.
Benares, - eine der Hochburgen krimineller Elemente jeglicher Art und durchsetzt von Korruption in hohen und höchsten Stellen, schien das richtige Pflaster für Kamla Ram. – Er bekam Kontakt mit den rechten Stellen und verdiente mehr als je zuvor.
`Mafia-Kamla ́ wurde er im Distriktgefängnis hinter vorgehaltener Hand von Häftlingen und
Kollegen genannt – und es war ihm lieb, da ihm ein solcher Name Respekt verschaffte....
Es waren nur noch vier Monate bis zu Kamla’s Pensionierung, als der Sardar, also Hauptmann einer Gang mit dem Ansinnen, seinen im Distrikt-Gefängnis einsitzenden Bruder zu befreien, an Kamla herantrat. Er erklärte dem Sepohi auf das Genaueste, was – und wie alles zu tun sei und versprach Diesem für seine Mühe 200 000 Rupien.-
Zum ersten mal in seinem Leben war Kamla unsicher. – Zwei Lakh waren eine Menge Geld, doch es waren nur noch wenige Monate bis zur Pensionierung. Konnte er ein solches Risiko eingehen? Erwischte man ihn, so wäre es in einem solchen Falle mit der bloßen Zahlung eines Schmiergeldes nicht mehr getan. – Man würde Kamla einsperren und enorme Kosten kämen auf ihn zu; außerdem hätte er mit dem Verlust seiner Pensionsbezüge zu rechnen.
Kamla hatte zwei Tage und Nächte Zeit zum Überlegen – und er nützte jede Minute dieser beiden Tage. Er rechnete und rechnete – und kam zu dem Ergebnis, dass die Nachteile im Falle eines Erwischtwerdens überwögen.....
Er ging schließlich zu dem Gangster und lehnte Dessen Angebot ab, wobei er ihm die von ihm befürchteten Probleme vor Augen führte. – Der Gangster sah scheinbar ein, dass hier nichts mehr zu machen sei und äußerte sich nicht mehr weiter zu dieser Sache.-
- - Drei Wochen später kam der Bandit in Kamla’s Haus und erschoss Diesen, ohne ein Wort dabei zu sprechen. – Darauf ging er zu einem Kollegen des Getöteten und erzählte ihm die ganze Geschichte, um anschließend von dem verängstigten Sepohi die Befreiung seines Bruders zu verlangen.....
„Es gibt Kamla Ram’s wie Sand am Meer," murmelte der Bandit zufrieden, als er nach einer halben Stunde das Haus des Sepohi's wieder verließ....
Titel
DER IDIOT
Nach mehrjährigen blutigen Stammeskriegen hatte eine neue Macht die Regierungsgewalt in
Awadistan übernommen und die vorherige Regierung ins Exil vertrieben. Nun galt es, das Land von unerwünschten Elementen zu säubern, auf dass wieder Ruhe in der Heimat einkehre. Als unliebsam galt Jeder, der auch nur im geringsten Verdacht stand, Sympathien für die vorherige Regierung – oder für irgendeine andere Gruppierung, welche nicht zu der jetzigen Führungsmacht sich bekennen wollte, zu hegen. –
Bei der Besoldungsstelle des Wehramtes, welches seinen Sitz in der Hauptstadt Awad hatte, arbeitete der sechsundzwanzigjährige Herod Bahl als einer von mehreren Rechnungsprüfern. – Gemeinsam mit den anderen Mitarbeitern des Wehramtes wurde auch Herod Bahl verhaftet und in ein Gefangenensammellager gebracht.
Während des mehr als zwanzig Kilometer weiten Fußmarsches hatte der intelligente Herod eine Szene am Straßenrand beobachtet, welche ihm zu denken gab:
Drei Polizisten waren damit beschäftigt, vorüberkommende Bürger anzuhalten, um nach Deren Woher und Wohin zu fragen, als sich ein etwa Vierzigjähriger scheinbar unkontrolliert an ihnen vorbeischleichen wollte. Einer der Polizisten hatte bereits seinen Schlagstock erhoben, als aus der Menschenmenge ein Ruf ertönte:
„Schlagt ihn nicht; - er ist ein Idiot !"
Der Polizist ließ den Stock wieder sinken und sah sich nach dem Rufer um.
„Stimmt das auch ?!"
Der Polizist hatte den Rufer herbeigewunken und Dieser stand nun vor dem Uniformierten.
„Es stimmt – ich kenne ihn - er ist ein harmloser Idiot, der oft nicht weiß, was er tut,"
bestätigte der Passant seine vorherigen Worte.
„Ja, ja," ließen sich nun zwei oder drei weitere Stimmen vernehmen, „er ist verrückt, aber
harmlos !"
- Der Verrückte kam ungeschlagen davon – und war bald schon Herod’s Augen entschwunden.
Im Durcheinander des Aufnahmeverfahrens gelang es Herod, sich von der Gruppe seiner Arbeitskollegen zu trennen und im Gewühl verängstigter Menschen zu verschwinden.
Er ließ sich im Menschenstrom treiben und kam schließlich in einer Baracke unter, welche weit entfernt von der seiner Kollegen lag.
Herod zeigte keine Eile, sich eine passende Lagerstatt auszusuchen, sondern wartete, bis alle
Anderen ihre Plätze gefunden hatten, um sich sodann in einer Ecke einfach auf dem Boden nieder zu legen.
Die halbe Nacht lag er wach und arbeitete an seinem Plan, den Trottel zu spielen. – Herod war intelligent genug, zu wissen, dass jede Übertreibung ihn nicht nur den Ruf des harmlosen Idioten, sondern sogar das Leben kosten könne; also galt es, mit Maßen zu agieren – und sich eher zurückhaltend und ruhig-verängstigt zu verhalten.
Mit ausdrucksloser Miene stand Herod am nächsten Tage an der Stelle der Essensausgabe. -
„Wo ist dein Napf?"
Hilflos blickte der Gefangene den Sprecher an.
„Wo hast du dein Geschirr gelassen?!"
Die Frage klang nun ungeduldiger, als beim erstenmal.
„Ich..., ich...; - Zuhause," stotterte der Unglückliche.
Gelächter ringsum.
„Er ist ein Einfaltspinsel ! Gebt ihm ein Essgeschirr !"
Herod bekam einen Napf – und man füllte diesen bis zum Rand mit Suppe, welche er nahebei ungestört löffeln durfte. –
„Bist du satt geworden ?"
Der Essensausgeber wies auf den Kessel, in welchem noch Suppe vorhanden war. Herod schüttelte den Kopf.
„Bin satt," erklärte er, gab den Napf zurück und trollte sich. Grinsend sahen die Umstehenden ihm hinterher.
Man wusste nun, dass ein Idiot im Lager weilte – und man kümmerte sich um den hilflos
Erscheinenden. Auf Fragen gab Herod zu verstehen, dass er in einem Büro Akten hin – und her getragen und die Schreibtische abgestaubt hatte, bis er, warum wusste er nicht zu sagen, auf der Straße, nach Verlassen des Büros , verhaftet wurde.
Der Lagerkommandant hörte von dem Geistesschwachen und ließ Diesen zu sich rufen.
„So, du bist also Derjenige, den man ungerechterweise verhaftet hat! Sage mir, was du selbst denkst; warum verhaftete man dich und brachte dich hierher?"
„Ich weiß es nicht, antwortete Herod vorsichtig, „ich weiß nicht, warum die Polizei mich mitnahm, - aber es wird schon seine Richtigkeit haben - werden doch jetzt ohnehin Alle verhaftet.
„Weißt du, warum dies so ist," wollte der Kommandant wissen.
„Nein, war die Antwort, „aber ihr Herren werdet es schon wissen und verstehen.
- Der Kommandant nahm den harmlosen Idioten als seinen persönlichen Burschen zu sich in
sein Büro und ließ ihn putzen und Botengänge unternehmen. –
- Herod Bahl war nun im Genuss der erwünschten `Narrenfreiheit ́ und konnte sich im gesamten Lager unbehelligt bewegen, wobei er allerdings genau darauf achtete, von seinen einstigen Kollegen nicht gesehen und erkannt zu werden. – Schon bald wurde auch diese seine Sorge hinfällig, denn die ehemaligen Kollegen wurden verurteilt und in ein reguläres Gefängnis verschickt.
Herod fühlte sich nun vollkommen frei - und streifte auf dem gesamten Barackengelände umher. Man bemutterte den `Idioten, ́ gab ihm, obwohl es ihm doch ohnedies schon besser als den Anderen ging, zu essen – und Herod plauderte zum Dank für die erwiesenen Freundlichkeiten vor den Ohren des Kommandanten `unschuldsvoll ́ aus, was er in den Baracken aufgeschnappt; - was so manchem Gefangenen eine harte Bestrafung einbrachte.
Zufrieden war der Lagerkommandant mit dem vermeintlich unschuldig Plaudernden. Er schrieb einen Brief an eine vorgesetzte Stelle, in welchem er darum bat, den durch ein Missgeschick zu Unrecht Verhafteten wieder freizulassen – und nahm den Idioten, nach Dessen erfolgter Freilassung, mit sich in sein privates Heim, wo er ihn, unter Regie seiner Frau, bei der Hausarbeit zur Hand gehen ließ. –
Zuweilen nahm er ihn auch mit ins Lager, um weiterhin Informationen aus den Baracken zu
erhalten – und etwas Abwechslung vom tristen Lagerleben zu erfahren. – Herod war mit diesen Veränderungen zufrieden und wartete auf den Zeitpunkt, da sich das Leben im Lande wieder normalisiert habe – und er wieder als `Normaler ́ durchs Leben gehen könne. –
Schon nach wenigen Monaten kannte man ihn im Umkreis als des Lagerkommandanten `verrückten Burschen ́ und ließ ihn in Ruhe seiner Wege gehen, wann immer es Herod gelüstete, etwa einen ausgedehnten Streifzug zu unternehmen.
Auch während dieser Streifzüge hielt Herod die Augen offen und die Sinne wach, um des Abends, durch argloses Stellen anscheinend dummer Fragen, Bürger anzuschwärzen:
„Darf man auf einer fast menschenleeren Straße gegen eine Hauswand pinkeln? – Darf man Schnaps in Blechdosen auf der Straße verkaufen? – Nein? – Aber die Leute tun es doch!"
Solcherart waren die Dienste, welche Herod dem Kommandanten – und Dieser dann der
örtlichen Polizei erwies, während Herod weiterhin die bereits erwähnte `Narrenfreiheit ́ genießen konnte.
Allerorten beschenkte man den Idioten, so dass Herod sammeln und sparen konnte für die
kommende, bessere Zeit.
Knapp zwei Jahre nach seiner Verhaftung hatte sich Herod Bahl eine erkleckliche Summe erspart, mit welcher er ein neues Leben an einem anderen Ort zu führen gedachte. -
Gedanklich waren seine Pläne soweit ausgereift, dass Herod jederzeit den Kommandanten verlassen konnte, um im Süden des Landes endlich wieder ein normales Leben zu führen.
- Just zu jenem Zeitpunkt jedoch erhob sich Unruhe im Lande; - Aufständische forderten den
Rücktritt des Machthabers und Dessen Weggang ins Exil. – Herod sah sich deshalb genötigt, weiterhin den Idioten zu spielen und zu bleiben, wo er gerade war, um gefahrlos leben zu können.
Ein weiteres Jahr verging – und die Unruhe im Lande wuchs. Herod zählte mittlerweile
neunundzwanzig Jahre – und er sah keinerlei Möglichkeit, das Haus des Kommandanten unter
diesen Umständen zu verlassen, sondern musste sich gedulden, in der Hoffnung, dass ein Umsturz bald erfolgen möge.
Er verlegte sich nun darauf, linientreue Anhänger des jetzigen Regimes anzuschwärzen, indem er in gleicher Manier wie zuvor unschuldsvoll am Abend seine scheinbar dummen Fragen stellte.
Man verhaftete unzählige, im Grunde regierungstreue, Menschen und machte, wiederum auf
geschicktes Betreiben des Idioten, den Weg in manch hohes Amt für heimliche Rebellen und
Unzufriedene frei, wobei Herod’s Rolle doch stets im Dunkeln blieb.
Mehr und mehr fand Herod Gefallen an seinem Tun. – Er liebte es, als vermeintlicher Idiot die sogenannte Intelligentia auszutricksen – und ließ keine sich bietende Gelegenheit dazu aus. – Das Risiko, eines Tages enttarnt zu werden, spornte seinen Ehrgeiz nur noch mehr an, so dass er seine Spielchen nach und nach auf die Spitze trieb, wobei er nicht davor zurückschreckte, auch Personen in hohen und höchsten Positionen anzuschwärzen. – Bislang wurde er vom Erfolg belohnt – und die Überzeugung, dass dies auch so bliebe, steckte tief verwurzelt in seinem Inneren.
Der Umsturz kam kurz nach Herods dreißigstem Geburtstag. – Das von Anbeginn marode Staatswesen, von innen sowie von außen gleichermaßen angefressen und letztendlich attackiert, hatte nichts mehr entgegenzusetzen - und brach endlich zusammen.
Der regierende Machthaber flüchtete ins Exil – und der neue Regent ward ausgerufen.
Wie groß die Freude des `Idioten ́ Herod Bahl über diese nun endlich eingetretene
Änderung! – Doch Herod war beileibe nicht der Idiot und Dummkopf, als welchen er sich all die Jahre ausgegeben hatte; also beschloss er, abzuwarten, anstatt seine Rolle vorschnell aufzugeben.
So spielte er denn seinen Part einstweilen weiter, bis denn der rechte Zeitpunkt endlich gekommen sei.
Der neue Machthaber war ein überaus ehrgeiziger Mann, der aus seinem Lande nunmehr einen `Vorzeigestaat ́ zu machen gedachte – und sein Lieblingswort war: `Reinigen. ́
Das Land von unliebsamen Elementen reinigen – das hatte bisher jedes Regime versucht; - doch der neue Despot wollte mehr: Die Bürger seines Landes sollten zur Führungsmacht der gesamten Welt erzogen werden und heranwachsen! - In geheimen Sitzungen wurde ein Zweijahresplan erörtert, in welchem es unter Anderem darum ging, die Bewohner Awadistan’s umzuerziehen.
Zwangsweise sollte jeder Einzelne unterrichtet werden. Staatliche Schulen für Erwachsene würden zu diesem Behufe neben den bereits existierenden, gewöhnlichen Schulen, ins Leben gerufen werden. – Alle Bürger würden, anhand schon bestehender – oder noch zu erstellender Listen registriert – und auf ihre Eignung und Tauglichkeit getestet und erfasst werden, denn der Machthaber war fest entschlossen, eine neue – alle anderen dominierende – Rasse heranzuziehen. –
Reinigung; - Reinigung von innen und von außen. – Hygiene – Alles betreffend. – Das
Unbrauchbare würde ausgemerzt werden ! - -
- Zu jenen Unbrauchbaren zählten Behinderte, Krüppel, Kriminelle, Lernunwillige und
des Lernens Unfähige – wie beispielsweise Geistesschwache und Idioten.....
Titel
DIE QUELLE
Einst saßen in einer Herberge drei Kaufleute beim Mahle und stritten sich über der Frage, welche denn wohl die Beste der Religionen sei.
Ein hochbetagter, ehrwürdiger Greis, der etwas abseits saß, folgte aufmerksam dem Gespräch und lächelte dabei still in seinen langen, weißen Bart.
Da nun die Drei sich gar nicht einigen wollten und der Streit immer heftiger wurde, wandte sich schließlich der jüngste der Kaufleute an den Alten:
„Sagt, ehrwürdiger Patriarch; Ihr habt mittlerweile ein gesegnetes Alter erreicht – und im Leben gewiss so manche Erfahrung gemacht, welche uns noch nicht beschert wurde; könnt Ihr vielleicht unseren Streit schlichten – und die Lösung zu unserem Problem geben?"
„Nun ja, räusperte sich der Gefragte, strich über seinen Bart und rückte näher zu den Streitenden heran, „die Lösung zu Eurem Problem müsst Ihr wohl schon selbst zu finden wissen - doch will ich Euch gerne eine Geschichte erzählen, welche Euch vielleicht dieser Lösung näher kommen lässt.
„So ist’s recht, stimmten auch die beiden Anderen erfreut diesen Worten zu, „kommt, Vater; nehmt an unserem Mahle teil – es ist reichlich vorhanden – und erzählt uns Eure Geschichte.
So geschah es denn auch. Dem Alten wurde vorgesetzt; zum bequemeren Sitzen ihm weitere Kissen gereicht - und er begann:
„Ein Vater hatte drei Söhne - und alle Drei waren sie wohlgeraten und folgsam. –
Nur in einer einzigen Sache wollten sie gar nicht übereinstimmen: Einmal im Monat nämlich
begaben sie sich gemeinsam in einen entfernten Ort, in welchem Markt abgehalten wurde, um Lebensmittel einzutauschen.
Ein Jeder der Drei aber hatte eine besondere Vorliebe für eine ganz bestimmte Speise, für welche wiederum die anderen Beiden einen Abscheu empfanden:
Der älteste Bruder nämlich aß für sein Leben gerne Joghurt - der Zweite war nur für Käse zu begeistern – und der Dritte schwur Stein und Bein, dass einzig und alleine Butter das Richtige sei.
So erhandelte sich denn jeder Einzelne der Brüder seine Ware und sah mit Widerwillen den beiden Anderen zu.
„Wie kann man nur Käse und Butter essen, rief der Älteste voller Ekel, „es schmeckt nicht und man kann gar krank davon werden!
„Unsinn, riefen die beiden Gescholtenen jeder für sich, „von Joghurt und Butter
– und:
„von Käse und Joghurt wird man krank!"
Ein Wort gab das andere und sie zerstritten sich tüchtig und traten Jeder für sich – mit Groll im Herzen – den Rückweg an.
Zuhause angekommen, versuchte Jeder neuerlich, seine Brüder von seiner eigenen Ansicht zu überzeugen; doch Keiner war bereit, nachzugeben oder ein Zugeständnis zu machen.
Jeder war felsenfest davon überzeugt, er – und nur er – habe recht – und die Brüder täten schweres Unrecht, eine solch’ ekle Sache zu essen.
Eines Tages nun; - es war wieder Markttag gewesen - stritten sich die Brüder so arg, dass ihr alter Vater sich einmischte und ihnen Ruhe gebot:
„Wisst ihr eigentlich, schalt er, „wo jene Dinge, für welche ihr eine solche Vorliebe habt, her kommen?
„Ei freilich, Vater, rief der Jüngste, „vom Markte bringen wir sie uns halt mit!
„Freilich vom Markte, lachte der alte Mann, „aber wisst ihr auch, von woher sie auf den Markt gelangen? Wie man angefertigt hat, was ihr gar so gerne esst?
Für eine kleine Weile herrschte Schweigen in der Stube - dann meldete sich der zweite Sohn:
„Nun, ich denke doch, dass mein Käse auf Bäumen in irgendeines Bauern Garten wächst.
Von daher wird Dieser ihn auch auf den Markt bringen, wo ich ihn erstehen kann."
„Auf Bäumen, höhnte der Älteste, irgendein räudiger Hund wird ihn wohl ausgebrütet und gleich noch sein Ungeziefer darinnen gelassen haben!
„Still," rief der Vater, da der Streit von Neuem auszubrechen drohte, „sag’ du mir doch, wie
wohl dein Joghurt beschaffen ist, der dir ja gar so wohl bekommt!"
Doch auch der Älteste konnte keine Auskunft geben; - genausowenig der Jüngste – aber dennoch wollte Keiner von seiner Überzeugung auch nur eine Handbreit abweichen.
Traurig schüttelte der greise Vater sein Haupt:
„Es ist meine Schuld; ich hätte euch besser lehren sollen. – Aber was ich versäumt habe, will ich beim nächsten Markttage nachholen."