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Raphael Reloaded: Krimi
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eBook183 Seiten2 Stunden

Raphael Reloaded: Krimi

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Über dieses E-Book

Im Dienst verlor er seine Beine, dann nahm ihm die Armbrust eines Mörders fast das Leben. Aber noch immer ist der berühmte Polizei-Hauptinspektor Raphael Rozenblad auf Verbrecherjagd im flämischen Brügge und schont dabei weder sich noch andere. Morphin ist seine Rettung, ein Rollstuhl sein treuester Begleiter. Doch als sein enger Freund und Kollege ins Visier der Ermittlungen gerät, droht Raphaels mühsam erkämpfte Professionalität zu zerbrechen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Sept. 2021
ISBN9783753198132
Raphael Reloaded: Krimi
Autor

Barbara E. Euler

geb. 1963 in München 1998 bis heute freie Journalistin für Gastronomie- und Hotellerie-Fachmagazine; PR-Autorin 2017 2-SatzGeschichte im Kundenkalender des Standaard Boekhandel 2018 Kurzgeschichte im Jahrbuch des Puchheimer Seniorenschreibtisches 2018 Gedichts in Anthologie „Dreh mir die Zeit zurück“, Schreiblust-Verlag 2020 "Raphael Rückkehr", Band 1 der Raphael-Rozenblad-Krimis 2021 "Raphael Reloaded", Band 2 der Raphael-Rozenblad-Krimis 2022 "Just another Christmas Story" Monocle Alpino

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    Buchvorschau

    Raphael Reloaded - Barbara E. Euler

    Kapitel 1

    RAPHAEL RELOADED

    Barbara E. Euler

    For Wolf, always

    Früher hatte er die Boots in die Pedale gestemmt.

    Raphael seufzte.

    Früher hatte er nicht solche Schmerzen gehabt.

    Aber der Wind war derselbe und das Tempo und das Geräusch und der Geruch von Benzin. „Ich will verdammt sein, Azif!", grölte er in die Gegensprechanlage in seinem Helm.

    „Mal sehen, was ich tun kann!" Der Afrikaner peitschte den Motor hoch.

    Raphael sah auf den Tacho und grinste. Sie waren Bullen. Sie durften das.

    Manchmal jedenfalls.

    „Nicht", sagte er nüchtern, und der Mittzwanziger bremste sanft.

    Dort hinten kam die Küstenlinie in Sicht. Raphael kniff die Augen zusammen. Das milchige Morgenlicht nahm der massigen Häuserfront ihre Härte; der hohe Himmel warf Meerblau zurück.

    „Ich will verdammt sein", wiederholte er voll Inbrunst. Das hier war sein Revier. Immer noch.

    Am Strand flatterte ein Absperrband in der steifen Brise. Köpfe fuhren herum, als die beiden Männer auf dem Trike näherkamen. Es klang fast wie ein Helikopter. Dann waren sie da. Azif machte den Motor aus, legte seinen Helm ab und stieg vorsichtig von der Maschine. Bis auf den Wind und die Wellen war es jetzt sehr still.

    Azif zeigte seinen Ausweis: „Polizei." Zwei Streifenbeamte stapften heran, ein Mann und eine Frau.

    Unauffällig dehnte Azif die Glieder. Früher war er geschmei­diger gewesen.

    Früher hatte er keine Schrauben im Körper gehabt.

    „Azif Ibrahim, Federale Politie. Mein Kollege Hauptinspektor Raphael Rozenblad", er wies auf seinen Beifahrer. Die Beamten nickten steif und nannten ihre Namen.

    „Vandeputte."

    „Lodewijk."

    Raphael zog den Helm vom Kopf. „Lokale Politie Brugge", er grinste freundlich von seinem Sitz herab. Mit einem Blick streifte er den Horizont und das Wasser und den Sand und die Hand, die daraus hervorstak. Eine Möwe schrie.

    Es war schön, am Strand zu sein, selbst neben einer Leiche.

    Raphael sog Seeluft in die Lungen. Er kam selten hierher; er brauchte Hilfe dazu und er mochte keinen fragen. Grit hatte es gemacht, es war ihr Job gewesen. Er dachte daran, wie sie ihn in dem breitbereiften Strandrollstuhl bis ans Wasser bugsiert hatte, wie sie bei ihm gelegen hatte, an warmen Sand zwischen den Fingern und den Geruch von Sonnenöl auf Haut.

    Vorbei.

    Raphael blinzelte in die Morgensonne und setzte sich zurecht. Mit dem Trike war es eh cooler. Leider brauchte man ein Verbrechen dazu; normalerweise waren Trikes am Strand streng verboten. Er sah auf Azif, der unter dem Absperrband durchtauchte, mit den Kollegen sprach und sich dann neben die Hand in den Sand hockte. Eine Joggerin hatte die Hand entdeckt. Oder besser ihr Hund. Die Frau war sehr durcheinander gewesen und hatte mit Mühe ihren Namen zu sagen gewusst. Die Kollegen hatten sie nach Hause geschickt.

    Azif betastete die Hand und sah zu ihm herüber und schüttelte den Kopf.

    Raphael biss sich auf die Lippen, als der Kollege jetzt mit bloßen Händen konzentriert zu graben anfing, langsam und eben­mäßig. Es sah aus wie ein exotisches Ritual. Raphael beobachtete die Szene schweigend. Die Hand war aufgequollen und bleich und schwammig, das konnte er bis hierher sehen; es ging nicht um Leben und Tod. Es ging um Tod.

    Niemand rührte sich, als der Sudanese handvollweise den Sand abtrug und den Körper freilegte oder was davon übrig war. Die beiden Streifenbeamten verschlangen das seltsame Schauspiel wie einen Film und dachten nicht daran, die Strandgänger zu verscheuchen, die in einer Traube gegen das dünne Absperrband wogten und Handys in den mattblauen Morgenhimmel reckten. Es gab keine Kinder, immerhin, die Sommerferien waren lange vorbei.

    Kinder. Bice hatte immer Kinder gewollt. Almeno quattro. Vielleicht weil sie aus Sizilien kam. La famiglia war für sie immer das Größte gewesen.

    Raphael fuhr sich über das Gesicht. Drei Wochen vor dem Unfall hatte seine Freundin Schluss gemacht. In der SMS hatte was davon gestanden, dass er den Hintern nicht hochkriegte. Das war verdammt richtig.

    Jetzt war das verdammt richtig.

    „Hoi, Raphael, komm mal!", rief jetzt der Kollege, ohne von seiner Tätigkeit aufzusehen.

    Gehorsam rutschte Raphael in den Sand und robbte los. Für Azif war er ein gewöhnlicher Kollege.

    Für Azif war er normal.

    Er fühlte sich auch normal, bis die ersten Handys in seine Richtung schwenkten.

    Da war es wieder. Dieses Gefühl in der Magengrube, erst klein und dann fordernder. Raphael schwitzte. Lächelte. Fixierte den Boden. Stemmte die Fäuste in den Sand und hangelte sich vorwärts, während die Gedanken Saltos schlugen. Gleich würde es vorbei sein.

    Plötzlich war er ganz ruhig. Am Rand seines Blickfeldes sah er Azif, der aufgestanden war und langsam näherkam, die schmalen Hände aneinanderreibend. Raphael hob den Kopf.

    Azif hatte feine Nerven, er spürte, wenn was nicht stimmte. Immer.

    Der Afrikaner schwang das Plastikband hinter sich und bezog bei Raphael Stellung.

    „Ihre Handys sind beschlagnahmt."

    Die beiden Männer hatten es wie aus einem Mund gesagt. Sie tauschten erstaunte Blicke. Grinsten. Es war nicht abgesprochen gewesen. Azif wies nach den Streifenbeamten: „Die Kollegen werden die Handys einsammeln und Ihre Personalien aufnehmen."

    Die Ersten traten den Rückzug an. Raphael sah, wie sie sich vorsichtig aus der Traube lösten, die Handys fest umklammert.

    Dann sah er, wie Azif auf das Trike sprang und den Motor aufdonnern ließ. Sand spritzte, als die mächtige Maschine losbrach. Die Leute spritzen auch weg, aber sie hatten keine Chance. Azif verstellte ihnen den Weg und trieb sie zu den anderen zurück wie ein Gaucho. Er machte den Motor aus und stieg ab. Man hörte erregtes Gemurmel.

    „Bitte, Azifs drahtiger Arm wies nach den Kollegen in Uniform, während er über den Sand lief wie ein Tänzer. „Ich habe alles mit meiner Bodycam aufgezeichnet, schob er nach.

    Raphael grinste. Azif trug keine Bodycam, ebensowenig wie er, es hatte zu viel Orwell und zu wenig Raffinesse, aber es machte Eindruck.

    Das Gemurmel erstarb. Matte Hände streckten den Kollegen Smartphones hin, blasse Münder würgten Namen heraus.

    „Sie können die Handys im Politiehuis in Brügge abholen. Sobald wir mit der Untersuchung fertig sind. Azif wies auf Raphael. „Hauptinspektor Rozenblad leitet die Ermittlung. Wenn Sie noch Fragen haben, bitte!

    Raphael wühlte die Beinstummel in den Sand, während ein Hagel von Blicken auf ihn niederging. Er konnte es nicht verbergen, verdammt. Er konnte nicht nichts verbergen.

    Aber wegstarren, das konnte er. Ziemlich gut sogar. Raphael schaute hoch.

    Als er ihnen in die Augen sah, rissen die Leute ihre Blicke von ihm weg und vertrollten sich eilig. Raphael schnaubte. Keiner hatte ihn angesprochen. Natürlich nicht. Er war ein Monster. Raphael robbte zu Azif rüber, der wieder weiterbuddelte, heftiger jetzt. „Was wolltest du mir zeigen?"

    Azif hörte zu graben auf. „Das ist so … die sind so … , er ribbelte klebrigen Salzsand von den Fingern, mit mäßigem Erfolg. „… eklig.

    Raphael hob die Schultern. „Lass sie."

    Er wies mit dem Kinn nach der Leiche. „Was liegt an?"

    Azif hatte die Schultern, den halben Kopf und einen Teil des Rückens aus dem hartgebackenen Sand gemeißelt. Der schlaffe Körper lag bäuchlings, verwrungen, von Textilresten undefinierbarer Farbe bedeckt. Raphael dachte an Werners Scheuertücher, an Putztage, an Streit. An Grit, deren Rolle Werner jetzt ausfüllte. Soweit das ging. Er seufzte und sah auf Azif, der still neben dem Toten hockte, die Hände unter die Achseln geklemmt.

    „Was?", wiederholte er irritiert.

    „Nichts … Doch …, zögernd löste der Kollege sich aus seiner Starre. „Das sind Stammesnarben da, seine dunklen Finger wiesen auf graues, aufgedunsenes Fleisch.

    Raphael kniff die Augen zusammen. Man nennt das Waschhaut. Das ist typisch. Das und der Tierfraß. Wasserleichen werden von hinten her aufgefressen. Der Kopf bleibt unberührt bis zuletzt. Raphael fuhr sich über die Stirn. Vor dieser Lektion hatte er immer Angst, weil er die Wirklichkeit hinter den Worten kannte und im Unterricht ebenso offen darüber war wie über alles andere auch.

    Raphael liebte seinen Beruf bedingungslos und seine Schüler sollten das auch und darum mussten sie Klarheit haben, in allem. Love hurts, dachte er und beugte sich über die schwammige Wange, die wie eine Qualle aus dem Sand ragte.

    „So sah es jedenfalls aus, Azif schob die Hände wieder unter die Achseln. „Ashanti.

    „Wo denn?", Raphael musterte den Kollegen, dessen Gesicht keinen bestimmten Ausdruck trug.

    „Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, Azif stand auf. „Es war nur … so ein Schatten … Komm. Hier können wir nichts mehr tun. Die Spurensicherung ist informiert, die Kollegen kümmern sich um alles. Komm, wiederholte er, schon fast bei seinem Trike.

    „Warte, verdammt", Raphael rutschte eilig hinter ihm her. „Jetzt warte doch mal. Azif!", er keuchte.

    Der Kollege ließ den Motor an.

    „Was, verdammt. WARTE!" Er zog sich auf den vibrierenden Fußtritt, fischte nach dem Helm, stülpte ihn über und kletterte hoch, Azifs halbherzige Hilfe harsch abweisend. Er konnte das alleine, verdammt.

    Jedenfalls, seit Azif ein paar Haltegriffe an das Ding geschweißt hatte. Raphael schwang sich in seinen Sitz und klickte brav den Gurt zu, den der Afrikaner für ihn angebracht hatte. Azif ließ den Motor aufheulen und das Trike brach los und zog eine weite Kurve. Raphaels breiter Rücken presste sich in den Sitz. Wenn die Sandwolke sich gelegt hatte, würden sie auf und davon sein.

    Was für ein Spinner. Raphael schüttelte den Kopf. Er dachte an das erste Mal, dass er mit Azif unterwegs gewesen war nach den Anschlägen. Der Afrikaner war neben seinem Bett gestanden, noch aufgekratzter als sonst, das eigene Elend hinter einem ge­übten Grinsen verstaut. „Los, komm! Wir drehen eine Runde!"

    Raphael hatte höflich genickt, ehe der Strudel aus Schwindel und Schmerz ihn wieder in die Tiefe riss.

    Das Nächste, woran er sich erinnerte, war ein sehr blauer Himmel und Benzingeruch und ein dumpfes Dröhnen, das durch seinen ganzen Körper bebte. Er hatte geschrien. Vor Überraschung, vor Glück, weil da Azif auf seiner Harley war und er daneben, in einem Soziuswagen, sorgsam gebettet. Der Afrikaner hatte zu ihm rüber gesehen und das Visier hochgeschoben und gegrinst. Als sich die warmen Beats von Vasco Rossi in seinen Helm ergossen, waren Raphael die Tränen gekommen. Den ganzen Rest der Fahrt über hatte er geweint.

    Daran dachte er, als sie jetzt auf dem neuen Trike Richtung Brügge brausten. Azif hasste Vasco Rossi. Und die Schrauben und Platten in seinem Körper, die sein Traumgewicht ruinierten. Damals war das alles noch so frisch gewesen. Raphael presste die Lippen zusammen.

    Wie in Trance hatte er zugesehen, als der Mann Azifs Maschine rammte. Azif stürzte und flog hinter der Harley in hohem Bogen auf das Pflaster, weit genug, um nicht unter ihr begraben zu werden. Verdammtes Glück, hatte Raphael noch gedacht. Dann hatte er gesehen, wie der Mann seine ausbrechende Enduro fing, die gefallene Harley umkurvte und Azif überfuhr.

    Raphael starrte auf Azifs Rücken und die Straße, die unter ihnen hinwegrauschte. Azifs Softail war repariert worden wie auch der Mann selber; bei der Softail schien es besser geglückt zu sein.

    Raphael blinzelte in das helle Morgenlicht. Er hatte Azif nie gefragt, der wievielte Anschlag auf sein Leben das gewesen war. Azif war ein Gaukler und ein Trickser und ein Clown. Einer, der über Leichen ging und weinte, wenn er glaubte, dass es keiner sah. Und ein Freund.

    „Du kanntest ihn", sagte Raphael geradeheraus. Oder sie? Nein. Dafür war der Rücken zu breit gewesen.

    „Fuck." Azif bremste abrupt und hielt.

    Raphael umklammerte die Lehne. „Arschloch." Der Gurt schnitt schmerzhaft in seine Eingeweide oder was davon noch übrig war.

    Der Motor bullerte. Autos hupten. Azif hatte das Visier hochgeschoben und starrte ihn an. „Sag das nie wieder."

    „Was? Arschloch?" Raphael grinste matt. Der Tag fing ja gut an.

    Azif blaffte irgendwas. Dann schmiss er das Visier zu und gab Gas.

    * * *

    Es ist nichts. Raphael starrte dem davonstiebenden Trike nach, als er wieder in seinem Rollstuhl vor dem Politiehuis saß. Im herbstkühlen Wind spürte er Schweiß, unter den Achseln, auf der Brust, auf der Stirn. Sie hatten nichts mehr gesprochen die ganze Fahrt. Nur grad eben, als Azif vor Zittern das zweite Rollstuhlrad nicht auf die Achse gekriegt hatte und gesehen hatte, dass Raphael es auch gesehen hatte, da hatte er nochmal „Fuck" gesagt. Schließlich war er wortlos abgerauscht, in sein

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