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HELICOPRION: Horrorthriller
HELICOPRION: Horrorthriller
HELICOPRION: Horrorthriller
eBook682 Seiten9 Stunden

HELICOPRION: Horrorthriller

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Über dieses E-Book

Eine Reihe von brutalen Haiangriffen vor der Küste Nordkaliforniens erregt das Aufsehen des pessimistischen Detectives Luke Jansen. Trotz der Berichte von Augenzeugen über Hai-Sichtungen erinnern die Verletzungen der Opfer eher an einen Kettensägen-schwingenden Irren als an Bisse durch Haie.
Die Vorfälle werden noch mysteriöser, als die Marinebiologin Elise Sheldon der Kreatur begegnet. Ihre Behauptung, dass es sich um einen Helicoprion handeln würde, wird schnell abgetan. Diese Kreatur, die als ausgestorben gilt, besaß kreisförmig angeordnete Zähne, die sich durch alles fräsen konnten, was sich ihr in den Weg stellte. In ihrer Verzweiflung wendet sich Sheldon an Detective Jansen und gemeinsam stellen sich die beiden einem gewalttätigen menschenfressenden Hai und dem grauenerregenden Grund seiner Existenz.
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum1. Dez. 2023
ISBN9783958358041
HELICOPRION: Horrorthriller

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    Buchvorschau

    HELICOPRION - Michael Cole

    Helicoprion

    Michael Cole

    übersetzt von Wolfgang Schroeder

    This Translation is published by arrangement with SEVERED PRESS, www.severedpress.com

    Title: HELICOPRION. All rights reserved. First Published by Severed Press, 2021. Severed Press Logo are trademarks or registered trademarks of Severed Press. All rights reserved.

    Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.

    Impressum


    Deutsche Erstausgabe

    Originaltitel: HELICOPRION

    Copyright Gesamtausgabe © 2023 LUZIFER Verlag Cyprus Ltd.

    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

    Cover: Michael Schubert

    Übersetzung: Wolfgang Schroeder

    Dieses Buch wurde nach Dudenempfehlung (Stand 2023) lektoriert.

    ISBN E-Book: 978-3-95835-804-1

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    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Inhaltsverzeichnis


    Helicoprion

    Impressum

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Kapitel 38

    Kapitel 39

    Kapitel 40

    Kapitel 41

    Kapitel 42

    Kapitel 43

    Kapitel 44

    Kapitel 45

    Kapitel 46

    Kapitel 47

    Kapitel 48

    Kapitel 49

    Kapitel 50

    Kapitel 51

    Kapitel 52

    Kapitel 53

    Kapitel 54

    Kapitel 55

    Kapitel 56

    Kapitel 57

    Kapitel 58

    Kapitel 59

    Kapitel 60

    Kapitel 61

    Kapitel 62

    Kapitel 63

    Kapitel 64

    Kapitel 65

    Kapitel 66

    Kapitel 67

    Kapitel 68

    Kapitel 69

    Kapitel 70

    Kapitel 71

    Kapitel 72

    Kapitel 73

    Kapitel 74

    Kapitel 75

    Kapitel 76

    Kapitel 77

    Kapitel 78

    Über den Autor

    Kapitel 1

    Nach Jahren der Gefangenschaft war es dem Fisch endlich gelungen, ins offene Meer zu entkommen. Er war nicht mehr zwischen grauen Stahlwänden eingesperrt und musste sich nicht mehr von seinen Wärtern antreiben und herumschubsen lassen. Jetzt konnte er sich frei dorthin bewegen, wohin auch immer er wollte.

    Es hatte einen Tag gedauert, bis sich die Kreatur an ihr Leben in Freiheit gewöhnt hatte. Jahrelang hatte sie nichts anderes gekannt, als in endlosen Kreisen in ihrer vom Menschen geschaffenen Umgebung herumzuschwimmen. Diese Routine hätte beinahe ihre Flucht vereitelt, als sie zum ersten Mal ins offene Wasser gelangte. Erst der aggressive Versuch ihrer Wächter, sie wieder einzufangen, durchbrach diese Gewohnheit. Zunächst lernte die Kreatur, zu kämpfen. Dabei kostete sie zum ersten Mal den Geschmack von Menschenblut. Diese Landbewohner waren so essbar wie jeder Fisch im Meer.

    Danach lernte die Kreatur das Geheimnis des Überlebens. Sie war sich einer Existenz, die über den Drang, zu schwimmen und zu fressen, hinausging, nicht bewusst. Aber sie hatte jetzt erkannt, dass der offene Ozean die Umgebung war, die am besten zu ihren Bedürfnissen passte. Die Kreatur war wie ein Vogel, der zum ersten Mal sein Nest verlässt. Sie betrachtete die Menschen nicht mehr als Wächter, die Zackenbarschstücke in ihr Gefängnis warfen. Die Menschen gehörten nun zur wachsenden Liste von Feinden und Beutetieren. Und drittens lernte das Wesen, seine Sinnesorgane optimal einzusetzen. Seine bisher kaum genutzten Instinkte, die ihm eigentlich von Geburt an zur Verfügung standen, wurden wie ein Hightech-Computer aktiviert. Das Wesen nahm unzählige fremde Gerüche wahr, die ihm aus allen Richtungen des Ozeans entgegenströmten. Mit seiner Laterallinie registrierte er die Bewegungen der anderen Meeresbewohner. Seine Nase nahm den Geruch von Blut, Urin und anderen Flüssigkeiten wahr, der die Spur von potenzieller Beute markierte.

    In den vierundzwanzig Stunden seit seiner Flucht hatte das Wesen noch nichts gefressen. Es bewegte sich weiter nach Osten und gelangte allmählich in flachere Gewässer. Hier gab es Beute im Überfluss. Das Sonnenlicht sorgte dafür, dass das Wesen selbst mit seinen kleinen Augen gut sehen konnte. Mit seiner Laterallinie nahm er starke Wasserbewegungen an der Oberfläche wahr. Das Wesen näherte sich vorsichtig und erfasste mit seinen Nasenlöchern einen unbekannten Geruch, der von einem großen Gebilde über ihm ausging.

    Es ähnelte dem Gebilde, das seine Wärter benutzt hatten. Das Gebilde war viel größer als der Fisch selbst, und wäre er nicht so hungrig gewesen, hätte er sich sofort abgewandt. So aber entdeckte er ein anderes Ding, das in der Nähe in engen Kreisen dahinschoss. Dieses Etwas war zwar schnell, aber berechenbar und bewegte sich kreisförmig über die Oberfläche. Es war deutlich kleiner, sodass ein Angriff erfolgversprechender erschien. Angestachelt durch den verlockenden Geruch, bewegte sich der Fisch näher. Die ersten Meter legte er noch vorsichtig zurück und wartete auf den richtigen Moment, um dann zuzuschlagen.

    ***

    »Oh, Gott! Das tut mir leid, Kyle.« Terrie Forbes ging wie eine gewöhnliche Putzfrau auf die Knie. Mit einem Lappen wischte sie den verschütteten Wein auf. Wie dumm von mir, dachte sie. Sie wusste doch, dass das Glas direkt neben ihrem Fuß stand, schließlich hatte sie es selbst dort abgestellt. Aber der Wunsch, die letzten Tage der Sommerferien zu genießen, bevor sie zu einem Haufen chaotischer Teenager zurückkehren musste, hatte ihr Urteilsvermögen getrübt. Alles, was sie wollte, war, angeheitert zu bleiben und das bevorstehende Elend zu vergessen. »Wie teuer ist dieser Wein?«

    Kyle lachte. »Ach, Terrie, mach dir darüber keine Gedanken.«

    »Auf keinen Fall«, antwortete sie.

    Das Dröhnen des Jetskimotors wurde lauter, als ihr Mann Martin dicht am Boot vorbeifuhr. Er stoppte das Fahrzeug und betrachtete den Rotwein, den seine Frau verschüttet hatte und der eine rote Lache im Wasser bildete. Aus einem Dutzend Meter Entfernung sah es aus wie eine Blutwolke, die von einem großen Wal herrührte.

    Martin stieß einen bewundernden Pfiff aus, als er den Körper seiner Frau betrachtete, die noch immer kniete, um das Deck zu säubern. »Ahoi, Kumpel! Vergiss nicht, die Kapitänskajüte zu kalfatern, wenn du damit fertig bist!«

    Sie sah zu ihm hinunter. »Kalfatern? Was zum Teufel ist das für ein Wort?«

    »Du unterrichtest doch Englisch. Solltest du das dann nicht kennen?«

    »Genau, ich unterrichte Englisch, du Idiot. Und dieses Wort gibt es nicht.«

    »Doch, das gibt es!«, rief Martin hoch. »Es ist zwar etwas ungebräuchlich, aber es wird von Seeleuten benutzt, die die Wände und das Deck eines Schiffes abdichten müssen.«

    »Toll. Wenn wir wieder zu Hause sind, vergiss bloß nicht, die Dusche zu kalfatern, wie du es versprochen hast.« Sie begann erneut zu schrubben. Terrie merkte, dass ihr Mann sie immer noch beobachtete. Schlimmer noch, er hatte inzwischen dieses scheißfreche Grinsen aufgesetzt. »Kann ich dir irgendwie helfen?«

    »Dreh dich ein bisschen nach rechts.« Widerstrebend entschied sie sich, ihm nachzugeben. »Ein bisschen mehr … nur ein kleines bisschen … DA! Danke!«

    Sie blickte an sich herunter und stellte fest, dass sie ihm einen direkten Blick auf ihr Dekolleté gewährte. Sieben Jahre waren sie jetzt verheiratet, und jedes Mal, wenn er ihre Brüste sah, tat er so, als wäre es das erste Mal.

    »Du bist ein Schwein!« Terrie wischte ein letztes Mal über das Deck und kehrte dann zu ihrem Liegestuhl zurück. Sie bemerkte Kyle, der sie lachend von der anderen Seite des Decks aus dabei beobachtete. Er saß im Schneidersitz, mit einer Margarita in der Hand, und sah zu, wie sein Marketingdirektor sich gerade sein eigenes Grab schaufelte. »Ich würde ja mit dir meckern, weil du dich vor deinem Chef so unreif benimmst, aber andererseits …«

    Kyle und Martin lachten gleichzeitig. »Hallo? Er hat mir doch alles beigebracht, was ich draufhabe!«

    »Stimmt!« Kyle hob sein Glas.

    Terrie schüttelte den Kopf und murmelte: »Jungs!« Sie sah wieder Martin an. »Also, wann bin ich endlich dran, mit dem Ding zu fahren?«

    Martin tat so, als müsse er husten. »Wie war das, Schatz? Ich habe dich nicht verstanden.«

    Terrie zeigte ihm den Mittelfinger, als er wieder davonraste.

    Wenigstens hatte Martin von seinem Mentor und Arbeitgeber noch etwas anderes gelernt, als Frauen anzustarren. Kyle mochte ein Sprücheklopfer sein, aber er war auch ein sehr selbstbewusster und erfolgreicher Geschäftsmann. Seine Sanitärfirma in Los Angeles lief bereits gut, als Martin an Bord kam. Ihr Mann hatte gerade sein Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen, als ihm eine Stelle im Vertrieb der Firma angeboten wurde – alles dank Kyle Woodville, der in ihm Potenzial gesehen hatte. Gute Arbeit führte zu höheren Umsätzen, was wiederum viele Überstunden und Dienstreisen nach sich zog. Terrie erinnerte sich, dass sie sich in den ersten beiden Jahren über die langen Arbeitszeiten beschwert hatte, aber als die ersten Bonuszahlungen eintrafen, änderte sie ihre Meinung ganz schnell. Im Jahr 2018 kündigte Kyle an, dass er ein neues Büro eröffnen würde und dass er Martin als Büroleiter ausgewählt hätte. In den folgenden sechs Monaten nahm Kyle Martin unter seine Fittiche, und im Januar 2019 übernahm Martin die Leitung des Büros in Amadea. Bis Ende des Jahres hatte allein die Verkaufsabteilung einen Umsatz von mehr als 500.000 Dollar erzielt. Und trotz der Pandemie gelang es ihm, im darauffolgenden Jahr, ein Plus von weiteren 100.000 Dollar zu erwirtschaften.

    Trotz seiner kindischen Mätzchen war Martin ein ausgezeichneter Geschäftsmann. Mit etwas Glück und Ausdauer könnte sie vielleicht sogar ihren unbefriedigenden Job als Lehrerin aufgeben. Vor vier Jahren hatte sie sich absolut nicht vorstellen können, nur Hausfrau zu sein. Und heute? Es war schon erstaunlich, wie Not die Sichtweise eines Menschen verändern konnte.

    Jahr für Jahr schien sie ein weiteres Stück ihrer Seele zu verlieren. Die Kids von heute raubten ihr jede Hoffnung für die Zukunft. Sie schienen alle egozentrisch zu sein, sich nur auf ihre elektronischen Spielzeuge zu konzentrieren und Beziehungen nur als Gelegenheit für Sex zu sehen. Jegliches Mitgefühl, das sie ihren Schülern entgegenbrachte, stieß auf eine Mauer der Selbstgefälligkeit, weil die Kids nur auf sich selbst fixiert waren. Als sie sich deswegen nach einer anderen Stelle umgesehen hatte, musste sie feststellen, dass die Situation an fast allen Schulen in der Nähe genauso schlimm war, wenn nicht sogar schlimmer. Außerdem herrschte zu Hause immer ein ziemliches Durcheinander, und sie hatten beide auch schon darüber nachgedacht, selbst Kinder zu bekommen. Und dann wäre es schön, wenn öfter jemand zu Hause wäre.

    Sie beobachtete ihren Spinner von Ehemann dabei, wie er auf dem Jetski seines Chefs seine Runden drehte. Aber sie sollte nicht zu hart mit ihm ins Gericht gehen – dieser dumme Kerl war ihre beste Chance, dem Schuldienst zu entkommen.

    Martin vollführte eine weitere Reihe abrupter Wenden, die eher oval als kreisförmig waren.

    Sie und Kyle zuckten zusammen, als er sich dabei ziemlich stark zur Seite lehnte.

    »Hey! Sei vorsichtig! Lass das Ding nicht kentern!«, rief Kyle.

    Martin tat so, als hätte er Kyle verstanden, und fuhr im Zickzack weiter, wobei er bei jedem Richtungswechsel das Wasser aufspritzen ließ. Sie sahen ihm noch einige Minuten lang beim Fahren zu. Als Terrie das Herumsitzen zu langweilig wurde, stand sie auf. Sie winkte ihrem Mann zu.

    »Hey! Jetzt bin ich dran! Bring den Jetski her!« Sie merkte, dass er sie unter dem Vorwand, ihr Rufen nicht gehört zu haben, ignorieren wollte. Doch dann sah es so aus, als würde er zurückkommen.

    Terrie lächelte. Manchmal hörte ihr Mann doch zu. Andererseits konnte man nie wissen, was er auf dem Rückweg zur Jacht für einen Unsinn anstellen würde.

    ***

    Der Fisch wartete. Fast hätte er angegriffen, als das Ziel zum Stillstand kam, aber er verpasste die Gelegenheit, und das Ding nahm wieder Fahrt auf und beschleunigte. Die Beute über ihm änderte ihren Kurs und begann, sich in langen Hin- und Herbewegungen von dem großen Gebilde zu entfernen.

    Der Hai beobachtete das Ding dabei. Er bemerkte, wie es ein weiteres Mal wendete und zurückkam. Auf seinem Weg zum Boot bewegte es sich in der gleichen wellenförmigen Weise vorwärts wie zuvor. Der Hai schwamm ebenfalls los und passte seine Bewegungen sorgfältig der Bahn seiner Beute an. Er schwamm darunter mit, wartete auf die nächste Wende.

    Das Ziel war jetzt fünf Meter entfernt. Mit einem kräftigen Schlag seines sichelförmigen Schwanzes schoss der Hai wie eine Rakete nach oben. Mit seiner spitzen Schnauze erwischte er das Ding von unten, kippte es um und schleuderte den Insassen ins Wasser.

    ***

    Martins Gehirn registrierte seine prekäre Lage kaum. Eben war er noch über den Ozean gerast, jetzt war er plötzlich unter Wasser. Er sank ein, zwei Meter tief, bevor ihn seine Rettungsweste wieder nach oben zog.

    Martin durchbrach die Wasseroberfläche. Er sah den Jetski mit der Unterseite nach oben im Wasser treiben und erschauderte. Dann drehte er sich zur Jacht um und entdeckte Kyle Woodville, der sich völlig aufgelöst über den Decksrand beugte. Sogar Terrie war errötet, weil sie es nicht wagte, sich die Folgen der Aktion anzusehen.

    »Ich habe dich gewarnt, Mann«, sagte Kyle.

    Martin blickte sich um. »Ich habe keine Ahnung, was passiert ist.«

    »Was passiert ist? Du bist viel zu enge Schlangenlinien gefahren. Das ist passiert!«, sagte Kyle. Er warf Martin ein Seil zu. »Wickel das um den Lenker, dann ziehen wir den Jetski heran. Hoffentlich hast du nicht den Motor beschädigt.«

    Martin befestigte das Seil am Lenker und schwamm dann zurück zur Jacht. Natürlich ließ sich seine Frau die Gelegenheit nicht entgehen, die Arme zu verschränken und das bekannte tisk-tisk- tisk-Zischen von sich zu geben.

    Seltsamerweise stoppte sie beim zweiten tisk. Ihr Gesicht zeigte nun keine gespielte Verachtung mehr, sondern schiere Panik. Sie zeigte mit dem Finger auf ihn.

    Nein, nicht auf ihn, sondern an ihm vorbei!

    Noch beunruhigender war jedoch, dass Kyle einen ebenso entsetzten Gesichtsausdruck zeigte. Der Mann hatte zwei Dienstzeiten im Irak absolviert, für die er jeweils mit dem Purple Heart ausgezeichnet worden war. So leicht ließ er sich nicht erschrecken.

    Martin schaute gerade noch rechtzeitig über die Schulter, um die Rückenflosse auftauchen zu sehen. »SCHEISSE!« Instinktiv trat er danach aus. Der Hai schnappte sich sein Bein und zog ihn unter Wasser.

    Luftblasen schossen aus Martins Mund, als er aufschrie. Im Bruchteil einer Sekunde spürte er, wie die Zähne seine Muskeln und Sehnen zerfetzten und seinen Oberschenkelknochen trafen. Es war nicht annähernd so, wie er sich einen Haibiss vorgestellt hatte. Er hatte Druck und das Eindringen von Dutzenden von Zähnen erwartet. Das hier fühlte sich viel kompakter an – wie ein gerader Schnitt, aber nur auf einer Seite seines Beins, als hätte jemand eine Kreissäge in seinen hinteren Oberschenkelmuskel gerammt. Um ihn herum trübte sein Blut das Wasser. Eine neue Welle des Schmerzes überflutete ihn.

    Plötzlich wurde er losgelassen.

    Martin verschwendete keine Zeit damit, herauszufinden, was passiert war. Die Rettungsweste zog ihn an die Oberfläche, wo er sofort in Richtung der Jacht losstrampelte. Innerhalb von Sekunden fühlte er sich trotz des Adrenalins, das ihn durchströmte, ziemlich benommen. Jeder Tritt fiel ihm schwerer als der vorherige. Und obwohl er sich mit beiden Füßen abstieß, schien er doch stark nach rechts abzudriften.

    Die Stimme seiner Frau, die »Oh mein Gott!« schrie, ließ ihn zurückschauen. Der ganze Ozean hinter ihm war rot. Als er weiter schwamm, bemerkte er, dass nur sein linker Fuß die Wasseroberfläche durchbrach. Martin tastete nach seinem rechten Bein, doch seine Fingerspitzen fanden nur zerfetztes Fleisch und einen gezackten Knochen, der unter der Hüfte hervorragte. Alles andere war mit einem fast glatten Schnitt verschwunden und hatte etwas zurückgelassen, das fast so flach war wie ein sauber abgesägter Baumstumpf.

    »Fang!«, rief Kyle ihm zu. Martin hörte das Plätschern eines Seils, das vor seinem Gesicht im Wasser landete. Er griff danach und ließ sich von seinem Boss zur Jacht ziehen. In wenigen Augenblicken hatte er den Rumpf des Bootes erreicht. Kyle und Terrie beugten sich beide zu ihm hinunter.

    »Holen wir ihn da raus!«, rief Terrie. Jeder griff nach einem Riemen von Martins Rettungsweste.

    Gerade als sie daran zogen, tauchte der Angreifer von links wieder auf. Seine schwarzen Augen rollten zurück und seine Kiefer öffneten sich weit. Terrie schrie auf, als sie sah, wie sich das kreisrunde Gebiss um die Mitte ihres Mannes schloss. Martin, der kurz vor einer Ohnmacht gestanden hatte, erwachte mit einem ohrenbetäubenden Schrei. Blut spritzte in hohem Bogen aus seinem Bauch und bedeckte das Deck und alle, die darauf standen.

    Martin krümmte sich schreiend. Dann verschwand der Hai so schnell, wie er gekommen war und bespritzte Terrie und Kyle mit einem letzten Zucken seiner Schwanzflosse mit rotem Meerwasser. Beide stürzten nach hinten, und ihr Schwung riss den wesentlich leichteren Martin an Deck. Terrie richtete sich auf und wollte sich gerade neben ihren Mann knien, als sie abrupt erstarrte.

    Sie hatten nur die obere Hälfte seines Körpers an Bord ziehen können. Alles unterhalb des Rumpfes war bis auf ein paar heraushängende Eingeweide im Wasser versunken. Unter der roten Wolke entfernte sich ein dunkler, schmaler Schemen vom Boot und verschwand in der Ferne.

    Terrie fiel rückwärts aufs Deck. Kyle lief sofort zu ihr hin. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Sie atmete. Dennoch schien sie bewusstlos zu sein. Er berührte ihr Gesicht ein paarmal, nur um festzustellen, dass sie in einen katatonischen Zustand gefallen war.

    Terrie Forbes Wunsch, den Lehrerberuf aufzugeben, würde in Erfüllung gehen, denn sie würde die nächsten Jahre wohl in einer psychiatrischen Klinik verbringen müssen.

    ***

    Währenddessen bewegte sich der Fisch auf flacheres Wasser zu. Obwohl er gefressen hatte, war sein Appetit nicht gestillt. Er betrachtete die Menschen nun auf zwei verschiedene Arten. Zum einen als Beute, die ihm ausreichend Nahrung bot. Zum anderen waren die Menschen, die ihn in den vergangenen Jahren herumgeschubst, immer wieder mit dem Lasso eingefangen, geschlagen und gequält hatten, für den Helicoprion auch eine Bedrohung, die er sofort vernichten musste, sobald er sie entdeckte.

    Als sich der Hai dem Ufer näherte, erregten neue Signale im Wasser seine Aufmerksamkeit. Er wandte sich nach Süden und folgte dem Riff bis zu dem Punkt, von dem die interessanten Signale ausgingen. Die Bewegungen versprachen langsamere Beute, und zwar mehr als reichlich. Und eines war sicher: Es waren Menschen.

    Kapitel 2

    Es war einfach ein perfekter Tag. Der Himmel war wolkenlos, die Wellen plätscherten sanft an den Strand, und die Brise war gerade kräftig genug, um die Sommerhitze ein wenig zu lindern. Die Familie Stuckey war zwei Jahre zuvor nach Amadea, Kalifornien, gezogen. Bis jetzt war der Ort genau so, wie sie es sich erträumt hatten. Es war gerade so viel los, dass Amadea nicht als verschlafenes Nest durchging, aber die Stadt war auch nicht überfüllt. Sie lag im Norden des Bundesstaates, weniger als eine Autostunde von der Grenze entfernt. Im Gegensatz zu den Großstädten wie L.A. und San Francisco ging es hier draußen deutlich ländlicher zu.

    Allen Stuckey bestückte den Grill mit Holzkohle, bespritzte die Kohle anschließend mit flüssigem Grillanzünder und entfachte damit eine Stichflamme. In einer Parodie auf Tom Hanks wandte er sich mit ausgestreckten Armen seiner Frau Katie zu und rief: »Ich habe Feuer gemacht!«

    »Ganz toll. Damit bist du zum Höhlenmenschen aufgestiegen«, antwortete Katie. Allen bewunderte die Figur seiner Frau, als sie sich im Liegestuhl ausstreckte. Ihr blondes Haar passte perfekt zu den neuen California Looks, die sie sich hier zugelegt hatten. Auch wenn seine Frau immer wieder betonte, dass das nicht stimmte. Katie war zweiundvierzig, und obwohl sie seit ihrer Hochzeit gerade mal drei Kilo zugenommen hatte, fühlte sich das in ihren Augen fast wie hundert an. Aber ihr Humor war derselbe wie an jenem besonderen Tag vor zwanzig Jahren.

    Allen nahm ihr das Magazin aus der Hand.

    »Entschuldigung!«, rief sie. Er ignorierte ihr Armwedeln und legte sich auf sie. Ihr Ächzen verwandelte sich in Kichern, ihr Widerstand in Nachgiebigkeit. Sie schlang die Arme um den Hals ihres Mannes und ließ sich auf seine Liebkosungen ein. Die vermeintlichen Beschimpfungen gehörten zu ihren üblichen Neckereien. Sie war wirklich glücklich, dass sie selbst nach zwanzig Jahren immer noch eine so erfüllte Ehe führten. In diesen zwei Jahrzehnten hatte sie miterlebt, wie sich Freunde, Arbeitskollegen und Familienmitglieder von ihren Ehepartnern getrennt hatten. Diese Ehen endeten entweder in einer Scheidung oder sie stagnierten in einem Zustand, in dem die beiden Partner eigentlich nur noch Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft waren, bei denen die Chemie nicht mehr stimmte.

    Sie schloss die Augen und genoss es, wie Allen ihr sanft den Nacken kraulte. »Du weißt schon, dass dein Bruder jeden Moment hier auftauchen wird, oder?«

    »Gut. Dann kann er wenigstens etwas lernen.«

    Katie schlug seine Hand zur Seite. »Du bist widerlich!«

    In diesem Moment hörten sie, wie die Hintertür geöffnet wurde. Dann war es still. Allen sah auf und entdeckte ihren achtzehnjährigen Sohn Howard, der sie anstarrte.

    »Okay … ich werde mir jetzt schnell die Augen ausstechen, damit dieses Bild wieder aus meinem Kopf verschwindet«, sagte Howard.

    Katie blickte kurz zu Allen hoch und wandte sich dann wieder ihrem Sohn zu. »Hey Kleiner, ohne diese Magie gäbe es dich gar nicht!«

    Howard verzog das Gesicht und seine Eltern lachten. Er war überrascht, dass dieser Satz von seiner Mutter kam. Normalerweise war es sein Vater, der die anzüglichen Bemerkungen machte.

    Mit dem Football in der Hand ging er zum Wasser. »Vielleicht muss ich mir von Brad auch einfach nur mit diesem Ding den Schädel einschlagen lassen.«

    Sie hörten, wie auf der anderen Seite des Hauses eine Autotür zugeschlagen wurde. Allen stieß sich von seiner Frau ab. »Wenn man vom Teufel spricht …«

    »Ja, klar. Für ihn tust du so, als wärst du anständig«, sagte Howard.

    »Das musst du gerade sagen«, erwiderte Allen und deutete auf die Badehose seines Sohnes. »Dein Arsch hängt praktisch aus dem Ding raus. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hoffst, dass es jemand merkt. Aber da dein Cousin und seine Schwester zu Besuch kommen …« Howard verzog angewidert das Gesicht, während er die Kordel an der Badehose zuzog.

    »Ich habe dir doch gesagt, welche Größe ich brauche.«

    »Sondermeldung, Kumpel, du hast ein Auto. Es wird Zeit, dass du dir dein Zeug selbst kaufst.«

    »Würde ich ja gerne, wenn mich diese verdammten Lehrbücher nicht jeden Cent kosten würden.«

    Katie seufzte. Es war schwer zu akzeptieren, dass ihr kleiner Junge zu einem schlanken Mann heranwuchs, der gerade dabei war, seine Reise ins Erwachsenenleben anzutreten. Das erinnerte sie an ihr eigenes fortschreitendes Alter und daran, wie bedauerlich es war, dass sie kein zweites Kind bekommen hatten. Allen hingegen konnte nicht glücklicher sein. Er konzentrierte sich mehr darauf, dass sein Sohn die Highschool mit einem Notendurchschnitt von mindestens 3,1 abschloss und das, ohne dabei irgendein Mädel zu schwängern. Auf dem College würde es noch genug Liebesaffären geben, über die man sich Sorgen machen musste, aber Howard schien ein ziemlich gutes Urteilsvermögen zu haben.

    Allen kehrte zu seinem Grill zurück und wendete die Holzkohle. Er konnte hören, wie die Familie seines Bruders durch das Haus zur Hintertür kam. Die Tür wurde geöffnet, und die vier traten heraus.

    »Guten Tag!«, sagte Gary. Seine Frau Sasha folgte ihm, sie trug eine Schüssel mit Kartoffelsalat und russischen Eiern. Gary hatte natürlich das Wichtigste dabei: Budweiser.

    Ihre Kinder, Brad und Danielle, trugen bereits ihre Badesachen. Als sie Howard bis zur Hüfte im Wasser stehen sahen, stürmten sie sofort auf ihn zu. Nur die siebzehnjährige Danielle hielt lange genug inne, um ihrer Tante und ihrem Onkel Hallo zu sagen.

    »Hey, Kleine!«, antwortete Allen und sah den Geschwistern hinterher, die sofort ins Wasser sprangen. Dann wandte er sich seinem Bruder Gary zu, während ihre Frauen über Arbeit, Hobbys und das Leben im Allgemeinen plauderten. Sofort schnappte er sich das Bier, das ihm angeboten wurde, und drehte grinsend den Deckel ab. »Spät dran, wie immer.«

    Gary schüttelte den Kopf. »Was glaubst du wohl, warum?« Sie blickten beide aufs Meer hinaus.

    »Danielle oder Brad?«, fragte Allen.

    »Beide!« Gary nippte an seinem Bier. »Aber hauptsächlich der Junge. Danielle ist im letzten Jahr reifer geworden. Vielleicht sind die Hormone inzwischen wieder im Gleichgewicht. Ich habe keine Ahnung.« Er zuckte mit den Schultern.

    Allen entdeckte einen eifersüchtigen Unterton in der Stimme seines Bruders. Nichts Ernstes. Gary wünschte sich einfach nur, Brad wäre so ausgeglichen wie Howard. Als Elternteil durchlebte er das übliche Karussell der Schuldgefühle, fragte sich, ob er ein schlechter Vater war, ob er zu viel arbeitete, ob er zu streng war oder nicht streng genug. Oder ob es nur eine Phase war, die von selbst vorbeigehen würde?

    »Und was ist in Richtung College passiert?«, fragte Allen.

    »Der Junge ist stinksauer, dass er kein Football-Stipendium bekommen hat. Anscheinend ist das eine Ausrede, um gar nicht erst aufs College zu gehen.« Gary kicherte. »Zumindest sagt er das. Bei Gott, ich schwöre, die Footballbesessenheit des Jungen wird noch mein Tod sein.«

    Allen beobachtete, wie Brad seinem Sohn den Ball abnahm und damit weit ausholte. Howard und Danielle wateten beide mehrere Meter tief ins Wasser. Als Brad den Ball warf, standen sie bereits bis zum Hals im Wasser. Danielle stieß Howard zur Seite, fing den Ball und jubelte dann triumphierend. Die ganze Gruppe kicherte, während sie über Howard, als er endlich wieder aus dem Wasser auftauchte, herzogen.

    »Gut gemacht, Junge! Du lässt dir von einem Mädchen den Arsch aufreißen? Da kannst du ja gleich für die Patriots spielen.«

    »Hey!«, rief Gary, ein Patriots-Fan.

    Die Teenager gingen wieder in Position. Howard fing nun auch zu lästern an, machte ein paar Bemerkungen über Danielles Haare und das Delfintattoo, das er als Thunfisch bezeichnete.

    Die Taktik schien aufzugehen. Beide bewegten sich vorwärts, und Danielle versuchte zu blocken. Diesmal nutzte Howard seine überlegene Körpergröße, um über ihren Kopf zu greifen und sich den Ball zu schnappen.

    »Ha-ha! Das Delfin-Tattoo steht dir eigentlich ganz gut, wenn man bedenkt, dass du spielst, als wärst du in Miami.«

    »Bah!« Danielle gab ihm einen spielerischen Klaps auf die Brust. »Wirklich, Klugscheißer? Es ist leicht für dich, den Ball zu fangen, wenn dieser Typ da wirft, als spiele er für die Browns.« Sie zeigte mit dem Daumen auf ihren Bruder.

    Alle lachten, nur Brad nicht. Er sah nicht wütend aus, aber er wirkte auch nicht gerade amüsiert. Der Schmerz darüber, es nicht ins College-Team geschafft zu haben, war immer noch da. Nachdem Howard ihm den Ball zurückgeworfen hatte, fing er ihn auf und hob ihn in die Luft.

    »In Ordnung, Kleine! Du willst also einen weiten Pass? Mal sehen, ob ihr Typen eure Köpfe über Wasser halten könnt, wenn ihr den hier zu fangen versucht!«

    »Passt auf!«, rief Gary vom Grill herüber.

    Danielle und Howard pflügten durchs Wasser und versuchten, sich gegenseitig die Sicht auf den Ball zu versperren.

    »Lass mich los!«, zischte Danielle und spritzte ihrem Cousin Salzwasser in die Augen. Die Taktik ging auf, Howard nahm seine Hand von ihrem Gesicht und gab ihr freie Sicht auf das Ufer.

    Brad ließ den Ball fliegen. Es war ein beeindruckender Wurf über 32 Meter, der den Ball in einem langen Bogen direkt in Howards Arme beförderte. Danielle hatte schon Mühe, sich über Wasser zu halten, während Howard eine ganze Kopflänge über sie hinausragte. Geistesgegenwärtig griff sie mit einer Hand nach seiner Schulter und zog sich hoch, was ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Sie streckte den anderen Arm aus und fing den Ball zum Erstaunen aller mit einer Hand auf, dann drückte sie ihn an ihre Brust.

    Als sie spürte, wie ihr Cousin ins Taumeln geriet, stieß sie sich von ihm ab und schwamm in Richtung Ufer. Der zusätzliche Ruck, der ihn noch mehr aus dem Gleichgewicht brachte, ließ Howard zurücktaumeln.

    Danielle hielt den Football in die Höhe und jubelte erneut triumphierend. Sie wartete darauf, dass Howard wieder auftauchte, damit sie ihre Nimm-das-Nummer abziehen konnte. Aber wie immer brauchte der Tollpatsch ewig, um wieder auf die Beine zu kommen.

    Dann würde sie sich eben so lange im Lob der Erwachsenen am Ufer sonnen. Danielle drehte sich mit dem Ball in der Hand um und hielt ihn ihrer Familie entgegen. Doch statt zu klatschen, zeigten die Erwachsenen mit den Fingern auf sie. Ihr Onkel und ihr Vater rannten über den Strand auf sie zu, ihre Gesichter waren vor Schock und Entsetzen verzerrt. Die beiden Frauen waren aufgesprungen, ihre Mutter hielt sich den Mund zu und starrte mit weit aufgerissenen Augen ins Meer.

    In diesem Moment begriff sie, dass die Erwachsenen nicht auf sie, sondern an ihr vorbei auf etwas anderes zeigten.

    Danielle drehte sich um.

    Eine ungewöhnliche Welle kam auf sie zugeschossen, vor sich hergetrieben von einem massiven Objekt, das wie ein Mini-U-Boot aussah. Es war größtenteils untergetaucht, bis auf eine über einen halben Meter lange Rückenflosse und eine noch größere vertikale Schwanzflosse. Ein Duo, das nur ein Hai aufwies.

    »Oh, mein Gott …«

    Howard war direkt auf dem Rücken gelandet, seine Füße zappelten über ihm im Wasser. Einen Moment lang starrte er auf die glitzernde Welt über sich und bereitete sich auf die höhnischen Kommentare vor, die er sicher hören würde, wenn er wieder an die Oberfläche kam. Er war gerade von einer knapp 1,60 m großen Kunststudentin fertiggemacht worden. Verdammt, er war völlig überrascht, dass Brad diesen Wurf überhaupt geschafft hatte. Hätte er in der Highschool so gespielt, hätte er vielleicht bessere Chancen auf ein Stipendium gehabt.

    Aber jetzt wollte Howard sich nur noch an Danielle rächen. Er stellte sich ihr Gekreische vor, wenn er sie angreifen und ins Wasser werfen würde, als wäre er ein Verteidiger beim Football. Der Gedanke zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht.

    Howard kniete auf dem Grund, bereit, sich abzustoßen und an die Oberfläche zu schießen. Als er das entgegenkommende Objekt auf sich zurasen sah, hielt er inne. Zuerst war es nur eine Silhouette in der Ferne. Einen Augenblick später verkürzte es den Abstand wie ein Geschoss. Was noch an Luft in seiner Lunge war, wurde durch den knochensplitternden Aufprall herausgepresst.

    Howard krümmte sich vor unerträglichen Schmerzen, als ein kreisrunder Gegenstand seine Hüfte aufschlitzte. Ohne große Anstrengung schnitt das Ding sauber durch, der Knochen leistete kaum Widerstand. Die Welt um Howard herum färbte sich dunkelrot und machte ihn blind für den nächsten Angriff der Kreatur. Das Tier zielte auf seinen Hals. Mit einem knackenden Geräusch wurde der Kopf des Jungen von seinen Schultern gerissen.

    »Oh, Jesus! Oh, Gott!«, schrie Allen. Selbst aus einigen Metern Entfernung konnten er und sein Bruder das blutrote Wasser sehen. Gary rannte bis zum Rand des Stegs und erstarrte, als er eine Rückenflosse aus dem Zentrum der Blutwolke auftauchen sah. Sie drehte sich und schoss nun direkt auf seine Tochter zu. Es blieb keine Zeit, Danielle zu warnen. Seine Tochter verschwand unter der Wasseroberfläche, als würde sie vom Meeresboden angesaugt werden.

    Die Erwachsenen mussten mit ansehen, wie das Wasser aufgewirbelt wurde und sich schnell eine neue rote Wolke ausbreitete. Die Frauen schrien und hielten sich die Hände vors Gesicht. Brad stand nur geschockt da und starrte fassungslos vor sich hin.

    Gary sprang ins Wasser und paddelte wie wild, um seiner Tochter zu helfen. »Ich komme, Süße! Daddy kommt!«

    Er tauchte an der Stelle, an der sie untergegangen war. Das Salzwasser brannte in seinen Augen und in der dicken, wogenden Mischung aus Blut und aufgewirbeltem Sand konnte er kaum etwas erkennen. Suchend streckte er seine Hand in das wirbelnde Chaos. Wie durch ein Wunder berührte er etwas. Einen Arm oder ein Bein. Auf jeden Fall war es Danielle. Er griff danach und zog. Gary war überrascht, wie wenig Kraft er brauchte, um Danielle an die Wasseroberfläche hinaufzuzerren. Das Blut wich aus seinem Gesicht, als er erkannte, dass er nur den abgetrennten Arm seiner Tochter in den Händen hielt.

    Vor Schreck bemerkte er die rote Wasserwand nicht, die sich vor ihm aufbaute. Eine kegelförmige Schnauze durchbrach diese Wand, das Maul, das nach rechts abgewinkelt war, war weit aufgerissen.

    Zwei Hände packten ihn an der Schulter und rissen ihn nach hinten, während die Kiefer wie eine Streitaxt seinen Bauch aufschlitzten.

    »Komm! Raus aus dem Wasser«, schrie Allen. Er hatte zu zittern begonnen, sein Blick war starr auf die heftigen, schlagenden Bewegungen zwischen den schwimmenden Körperteilen und Kleidungsstücken gerichtet.

    Als sie das Ufer erreicht hatten, schleppte Allen seinen Bruder auf den Strand. Katie war hysterisch, schrie und raufte sich die Haare. Sasha schob den immer noch erstarrten Brad beiseite und kniete sich neben ihren Mann. Beim Anblick der Darmschlingen, die aus seinem Bauch quollen, musste sie sich abwenden und kotzen.

    »Ruft einen Krankenwagen!«, schrie Allen mit tränenüberströmtem Gesicht. Niemand rührte sich. Sasha war ohnmächtig geworden, Brad stand unter Schock, und Katie war in einem hysterischen Gedankenkarussell gefangen. Allen versuchte, Gary mit einer Herzdruckmassage wiederzubeleben, aber nach dem dritten Versuch war klar, dass sein Bruder genauso tot war wie sein Sohn und seine Nichte.

    Allen ließ sich auf den Rücken fallen, in seinem Kopf drehte sich alles, während er auf die Überreste des Gemetzels starrte, die vor ihm in den seichten Wellen dümpelten. Mittendrin trieb der Football an Land und landete schließlich neben Garys schlaffem Fuß.

    Kapitel 3

    Die Schmerzen waren heute mal wieder besonders schlimm. Luke Jansen starrte auf das Supermarktregal und blieb dabei steif wie eine Statue stehen. Er interessierte sich nicht für das verpackte Fleisch, das er gerade ansah. Stattdessen fragte er sich, wann die geschädigten Nerven in seinem Gesicht ihre Sensibilität wiedererlangt hatten, denn inzwischen feuerten sie los, wann immer ihnen danach war. Als er das Gesicht verzog, spürte Luke, wie sich die Haut auf seiner linken Wange spannte. Auch nach zwei Jahren hatte er sich noch nicht daran gewöhnt. Aber das war nichts im Vergleich zu den Schmerzen.

    Luke lehnte sich auf den Einkaufswagen und atmete langsam durch die Nase. Er schloss die Augen, um nicht länger sein Spiegelbild in der Glastür des Tiefkühlregals betrachten zu müssen. Sich auf das einzulassen, was er dort sah, würde den Schmerz nur noch schlimmer machen. Stattdessen konzentrierte er sich auf den kühlen Luftzug, der aus Regal hinter ihm herüberwehte. Die Kühle wirkte betäubend, sowohl auf sein Gesicht als auch auf seine Psyche.

    Ein Schrei riss ihn aus seiner meditativen Trance. Er kam aus Richtung seiner blinden Seite. Luke drehte sich nach links und griff instinktiv nach seinem Holster. Doch dann entdeckte er eine Mutter, die verlegen ihre kleine Tochter von ihm wegzog, und entspannte sich ein wenig. Die Frau zuckte zurück und murmelte leise ein Sorry. Sie brachte es nicht über sich, die Entschuldigung laut auszusprechen, denn alles andere, was sie jetzt noch sagte, würde die Situation nur peinlicher machen.

    Die Frau packte ihre Einkäufe in den hinteren Teil des Einkaufswagens und setzte ihre Tochter auf den frei gewordenen Platz.

    »Was ist denn mit dem Mann los, Mami?«

    »Psst! Das ist unhöflich.« Die Mutter wendete ihren Einkaufswagen und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen, schnell in den hinteren Teil des Ganges. Kunden und Mitarbeiter, die von dem Schrei angezogen worden waren, machten ihr Platz. »Es ist alles in Ordnung«, informierte die Frau die Menge. Doch die Blicke der Zuschauer richteten sich wieder auf Luke.

    Vor und auch hinter sich hörte Luke leises Gemurmel. Er drehte sich um und entdeckte eine weitere Gruppe von Menschen, die sich am Ende des Ganges versammelt hatte. Einige weniger taktvolle Kunden zuckten zusammen, als sie sein Gesicht sahen. Andere waren fasziniert vom Anblick seiner Smith & Wesson Modell 29. Die Spitze des über sechzehn Zentimeter langen Laufs ragte aus dem Lederholster. Einige Zuschauer drehten sich um und wichen nervös zurück, selbst als sie Marke mit der Aufschrift Amadea Police Department – Mordkommission bemerkten, die neben der Pistole klemmte. Andere starrten wie das Mädchen auf sein Gesicht, wenn auch nur für einen Moment. Lukes Schmerzen wurden schlimmer. Wut hatte diesen Effekt auf ihn.

    Luke beugte sich in Richtung der Gaffer. »Buh!«

    Die Menge verstand den Wink und zerstreute sich. Innerhalb weniger Sekunden stand Luke Jansen wieder allein im Gang. Sein Blick kehrte zu dem Fleisch zurück, das er ursprünglich hatte kaufen wollen. In der Scheibe des Kühlregals, in dem die Hamburger lagen, wurde sein Spiegelbild reflektiert, – genau das, was er nicht sehen wollte. Sein verbliebenes Auge blinzelte beim Anblick des verbrannten Fleisches und des schwarzen Flecks auf seiner linken Gesichtshälfte. Das Haar an seiner Schläfe war zwar nachgewachsen, aber es war jetzt eher grau als braun, was seine natürliche Haarfarbe war.

    Dieser Anblick ließ seinen Blutdruck nur noch mehr ansteigen. Ihm war nicht mehr nach Grillen zumute. Schon roch er wieder sein eigenes, brutzelndes Fleisch, den Gestank von brennendem Benzin und Metall und den Geruch von …

    Als ihn die Erinnerungen wieder überfielen, verließ er fluchtartig den Gang und ließ seinen Einkaufswagen mit den verschiedenen Lebensmitteln einfach stehen. Irgendein Angestellter würde sich schon darum kümmern. Schließlich wurden sie dafür bezahlt.

    Er marschierte zur Spirituosenabteilung, schnappte sich je eine Flasche Jim Beam und Southern Comfort und ging dann zur Kasse. Natürlich musste es eine Warteschlange geben, selbst auf der Expressspur. Während er anstand, musste er einige verstohlene Blicke über sich ergehen lassen. Wenigstens tat die Kassiererin beim Bezahlen so, als würde sie nichts Besonderes bemerken.

    Luke hielt die Papiertüte verkrampft in der Hand, als er auf den Parkplatz hinaustrat. Er stieg in seinen Dodge Journey, startete den Motor und fuhr zügig auf die Ausfahrt zu. Eine leichte Linkskurve, nach einer Meile gefolgt von einer Rechtskurve, und er würde zu Hause sein – und sofort mit dem Prozess der Selbstmedikation beginnen.

    Aus seinem Polizeifunkgerät drangen verschiedene Meldungen. Wie üblich hätte er sie ignoriert, aber ein bestimmtes Wort erregte seine Aufmerksamkeit. Hatte der Streifenpolizist da gerade Todesopfer gesagt? Luke stellte das Funkgerät lauter.

    »… ein absolutes Chaos. Vielleicht sollte jemand den Chief alarmieren. Der Bürgermeister will vielleicht die Strände sperren

    Die nächste Stimme war die des Dispatchers. »Ich habe gerade die Rettungskräfte alarmiert. Sie machen sich sofort auf den Weg.«

    Luke schaltete schnell auf Kanal Vier, gerade rechtzeitig für die nächste Meldung.

    »… medizinische Nothilfe bei 4822 Lucero Drive erforderlich. Es gibt Berichte über einen Haiangriff.«

    Luke schaltete die Signalleuchte seines Wagens ein, riss das Lenkrad nach rechts und raste in Richtung Küste.

    Kapitel 4

    Auch zwei Jahre nach seiner Versetzung hatte sich Luke Jansen immer noch nicht daran gewöhnt, dass er einfach geradeaus fahren konnte, ohne alle dreißig Sekunden anhalten zu müssen. Und dabei spielte es keine Rolle, ob er die Signalleuchte eingeschaltet hatte oder nicht. Das war eine der positiven Veränderungen seit seiner Versetzung vom LAPD. Das, und noch viel mehr. Er mochte die Menschen hier, die Kultur, das Fehlen von Protesten, die Tatsache, dass in Amadea wirklich nur qualifizierte Polizisten eingestellt wurden, und dass hier keine Notrufe für Angelegenheiten abgesetzt wurden, die keine Notfälle waren, auch wenn die aufgebrachten Anrufer sie als solche bezeichneten. Generell riefen hier deutlich weniger besorgte Bürger bei der Polizei an als in Los Angeles. In Amadea gab es gerade so viel Schwerkriminalität, dass sich die Polizei eine eigene Mordkommission leisten konnte, und nicht auf die County-Ermittler angewiesen war. Bei den meisten Fällen handelte es sich um häusliche Gewalt, und der Rest wurde von Banden begangen, die aus L.A. kamen, um Raubüberfälle zu begehen, und die sich dann wieder in ihre sicheren Verstecke zurückzogen.

    Sechs Minuten, nachdem Luke den Supermarkt verlassen hatte, bog er auf die LeMay Street ab, die parallel zur Küste verlief. Die Küste von Amadea bestand hauptsächlich aus weißen Sandstränden und einigen felsigen Halbinseln.

    Für eine kurze Zeit fuhr er nur an Häusern mit Meerblick vorbei. Dann näherte er sich dem Hafen. Der Anblick eines Seenotrettungshubschraubers, der schnell landeinwärts flog, veranlasste ihn zu einer Vollbremsung. Im Hafen lagen zwei Einsatzboote der Feuerwehr. Zwei Polizeiautos und ein Krankenwagen parkten in der Nähe des Piers.

    Was zum Teufel war denn los? Dies war zwar nicht der Lucero Drive, und doch gab es hier einen Notfall, der zum letzten Notruf passte.

    Er hatte keine Ahnung, was vor sich ging, aber der Anblick einer Trage und eines schwarzen Leichensacks, der daran festgeschnallt war, ließ vermuten, dass hier etwas Schlimmes passiert sein musste. Luke fluchte leise, weil er die Abfahrt verpasst hatte. Ohne zu zögern, lenkte er den Wagen auf die Auffahrtspur. Der Fahrer des Lastwagens, der ihm entgegenkam, wich zur Seite aus, hupte wild und streckte ihm den Mittelfinger aus dem Fenster entgegen. Da sich der Mann auf der Seite mit seinem kaputten Auge befand, bemerkte Luke die Beleidigung nicht. Er fuhr auf einen kleinen Parkplatz und stieg aus.

    Luke entdeckte Corporal Randy Shane, der neben der Trage stand. Die Miene des vierunddreißigjährigen Streifenpolizisten verfinsterte sich, als er den Detective am Einsatzort eintreffen sah. Captain Dalton Zeiler, der kleine, untersetzte, aber souveräne Leiter der örtlichen Feuerwehreinheit, konnte sein Unbehagen etwas besser verbergen.

    »Guten Tag, Detective«, sagte er, als Luke den Steg betrat.

    »Was haben wir denn hier?«, fragte Luke und ignorierte den angebotenen Handschlag. Er starrte auf den Leichensack.

    »Der Typ war Jetski fahren und wurde von einem Hai angegriffen«, erklärte Corporal Shane. Luke öffnete den Sack und blickte auf die Leiche, oder besser gesagt, auf den halben Körper darin. Ein paar andere Streifenpolizisten, die in der Nähe standen, mussten sich abwenden, weil sie den Anblick des durchtrennten, blutleeren Torsos nicht ertragen konnten. Eingeweide quollen wie Würmer aus dem Sack. Die Haut des Toten war faltig, blass und aufgedunsen, seine Augen waren zugeschwollen.

    Luke blickte wieder den Corporal an. »Der Hai hat ihn angegriffen, als er auf dem Jetski saß?«

    Shane musste schlucken. Er hatte schon viele Leichen gesehen, aber diese war eine der schlimmsten. Er starrte auf den Toten hinunter und sah dann wieder den Detective an. Der Kerl machte sich ernsthaft Gedanken darüber, ob der Typ auf dem Jetski gesessen hatte, als ihn der Hai erwischte?

    Er zuckte mit den Schultern. »Laut Zeugenaussagen ist er ins Wasser gefallen, bevor der Hai ihn angegriffen hat. Wahrscheinlich ist er wie ein Idiot herumgerast.«

    Luke untersuchte den Körper weiter. Er zog einen Gummihandschuh an und strich über die Bisswunde. »Ziemlich sauberer Schnitt.«

    »Kann ich mir vorstellen«, antwortete Shane. »Immerhin wurde er von einem Hai angegriffen.«

    »Sind Sie sicher? Ich sehe keine Zahnspuren«, fragte Luke.

    »Äh? Entschuldigung?« Shane betrachtete die Leiche noch einmal und schüttelte dann den Kopf. »Verzeihen Sie, wenn ich auf das Offensichtliche hinweise, Detective, aber ich vermute, dass sich die Zahnabdrücke, nach denen Sie suchen, auf der fehlenden Körperhälfte befinden, die abgerissen wurde.« Lukes Gesichtsausdruck änderte sich nicht.

    »Es ist ein gerader Schnitt.«

    »Ja … und?«

    »Haizähne sind scharf, aber sie schneiden nicht sauber durch Gewebe.«

    »Interessante Beobachtung, aber es war tatsächlich ein Haiangriff«, sagte Captain Zeiler. Er klang jetzt etwas verärgert. »Hören Sie, Ihr Gerichtsmediziner wurde bereits verständigt. Er wird Ihnen genauere Informationen geben können. Wenn Sie jetzt bitte …?« Er forderte Luke mit einer Geste auf, zur Seite zu treten, damit er den Leichensack schließen und in den Krankenwagen transportieren lassen konnte.

    Doch Luke rührte sich nicht. Er untersuchte weiter die Wunde. Selbst die Wirbelsäule schien glatt durchtrennt und nicht gebrochen worden zu sein. »Wenn Sie es so eilig haben, warum haben Sie die Leiche dann hierher gebracht?«

    Jetzt starrte ihm Zeiler direkt ins Gesicht. »Wovon zum Teufel reden Sie da?«

    »Der Angriff fand am Lucero Drive statt, aber Sie haben die Leiche bis hierher gebracht. Mit dem Boot.«

    Der Feuerwehr-Captain lächelte spöttisch. »Detective, das ist doch ein ganz anderer Vorfall.«

    »Sie sagten, es sei ein Haiangriff gewesen. Das habe ich auch im Radio gehört«, antwortete Luke.

    .»Ja …«

    »Wollen Sie damit sagen, dass es zwei Haiangriffe gab?«

    »Wow! Sie sind ja wirklich ein Detektiv, Detective!« Der Captain tat so, als würde er applaudieren. »Ja, zwei verschiedene Vorfälle. Beides Haiangriffe. Es ist ein unwahrscheinliches Szenario, aber so etwas kommt immer mal wieder vor. Immerhin leben wir an der Küste. Würden Sie jetzt bitte zur Seite treten?«

    Luke machte schließlich den Weg zur Trage frei. Er zog seine Handschuhe aus und warf sie in einen nahen Mülleimer, dann schnippte er mit den Fingern in Richtung des Corporals, der widerwillig näher kam.

    »Ich will alle Informationen über die Zeugen. Ich will wissen, was sie da draußen gemacht haben, ob es Filmmaterial von dem Vorfall gibt, in welcher Beziehung sie zum Opfer standen …«

    »Einer der Zeugen ist sein Arbeitgeber, der andere seine Frau«, antwortete Shane. »Sie hingen auf einer Jacht ab. Es ist Samstag … und August. Was zum Teufel glauben Sie, was die gemacht haben? Es war ein Haiangriff, Luke!«

    Luke drehte sich um. Wenn Vornamen ins Spiel kamen, erhitzten sich oft die Gemüter, es sei denn, die Personen, die die Namen verwendeten, waren Freunde. Was für Luke nicht infrage kam, denn er war mit niemandem in dieser Abteilung befreundet.

    »Das ist immer noch ein Fall für die Mordkommission«, sagte Luke. »Schicken Sie mir die Berichte so schnell wie möglich auf meinen Schreibtisch.«

    »Vielleicht muss ich mir das von Ihrem Captain bestätigen lassen.«

    »Nur zu. Rufen Sie sie an ihrem freien Tag an.«

    »Schon erledigt. Sie ist drüben auf der Lucero. Schalten Sie Ihr Funkgerät nicht ein?« Luke antwortete nicht. Er stieg in seinen Dodge und wendete. Dabei bemerkte er, wie sich die Polizisten und Feuerwehrleute miteinander unterhielten. Einige schüttelten verärgert den Kopf, andere grinsten. Luke wusste, dass sie über ihn tuschelten. Shane mochte ihn nicht, und die meisten Streifenpolizisten des Reviers auch nicht.

    Luke dachte an seine letzte Sitzung mit der Abteilungs-Psychiaterin, die ihm sein Captain aufgezwungen hatte. Die Ärztin hatte ihn nach seinen fehlenden Freundschaften gefragt, woraufhin er ihr erklärt hatte, dass es ihm so lieber sei. Diese Situation erleichtere ihm das Leben und ermögliche es ihm, objektiv zu bleiben. Das fehlende Zugehörigkeitsgefühl zu seinen Kollegen habe ihn noch nie um den Schlaf gebracht. Die Schmerzen dagegen schon.

    »Nehmen Sie das Gabapentin?«, hatte sie gefragt.

    »Das macht mich schläfrig und benommen. Manche sagen auch, dass ich davon launisch werde.« Er erinnerte sich an ihr Lächeln nach dieser Aussage. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, welche Antworten sie runterschlucken musste. Luke machte sich sogar einen Spaß daraus, zu erraten, was sie eigentlich sagen wollte, aber nicht konnte. Er entschied sich für: Sie nehmen also jeden Tag Gabapentin?

    Verdammt, damit wäre sie wahrscheinlich sogar durchgekommen. Er hätte sich nicht die Mühe gemacht, eine Beschwerde einzureichen, und selbst wenn, wäre diese wahrscheinlich nur dreißig Sekunden lang geprüft worden, bevor sie im Reißwolf gelandet wäre.

    Als er das Stoppschild erreichte, trat er auf die Bremse. Bevor er nach rechts in die LeMay Street abbog, sah er im Rückspiegel eine Gruppe von Streifenpolizisten. Einer von ihnen machte, während er sich mit den anderen

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