Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Krieg
Der Krieg
Der Krieg
eBook592 Seiten8 Stunden

Der Krieg

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Mittelalter. Als ein glamouröser Strippenzieher ihr Land in einen sinnlosen Religionskrieg treibt, stellt sich für Militärchirurg Cornelis und seine Freunde die Frage: Mitmachen oder aufstehen? In einer Zeit, in der sich des Weihrauchs Wohlgeruch mit dem Qualm der Scheiterhaufen mischt, ringen sie mit der Erkenntnis, dass es auf die Frage nach Gut und Böse keine einfachen Antworten mehr gibt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum1. Apr. 2017
ISBN9783742794246
Der Krieg
Autor

Barbara E. Euler

geb. 1963 in München 1998 bis heute freie Journalistin für Gastronomie- und Hotellerie-Fachmagazine; PR-Autorin 2017 2-SatzGeschichte im Kundenkalender des Standaard Boekhandel 2018 Kurzgeschichte im Jahrbuch des Puchheimer Seniorenschreibtisches 2018 Gedichts in Anthologie „Dreh mir die Zeit zurück“, Schreiblust-Verlag 2020 "Raphael Rückkehr", Band 1 der Raphael-Rozenblad-Krimis 2021 "Raphael Reloaded", Band 2 der Raphael-Rozenblad-Krimis 2022 "Just another Christmas Story" Monocle Alpino

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Der Krieg

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Der Krieg

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Krieg - Barbara E. Euler

    ERSTES BUCH

    Erstes Kapitel

    Er erreichte die Kathedrale, als die ersten schweren Tropfen fielen. Wie in Trance drückte er das hohe Portal auf, taumelte über den marmorbelegten Mittelgang und sank auf eine durch langen Gebrauch blank gewetzte eichene Chorbank, während draußen grüngraue Wolken wuchtige Wasserströme entließen.

    Das himmelhohe Dämmerdunkel der Klosterkirche umfing Gabriel und barg ihn sanft. Er schloss die Augen und überließ sich den Liebkosungen der silbrigen Orgelklänge, die von ferne an sein Ohr drangen. So würde es sein… vielleicht… vielleicht…

    Als ein Schatten auf ihn fiel, erwachte er. Ein Priester stand vor ihm. Gabriel sah ihn an. „Ich sterbe, Vater", sagte er leise und ohne Bedauern. Die Schlacht war siegreich gewesen und seine Königin hatte ihn in Ehren entlassen. Er hatte einen guten Anteil am Töten und Verwunden gehabt und nun war er selbst an der Reihe. Es würde nicht mehr lange dauern – ein paar Stunden, ein paar Tage. Wenn nur der Schmerz ein wenig nachließe.

    Wenn nur der Schmerz ein wenig nachließe.

    Erschrocken beugte der Priester sich zu ihm herab und wollte ihm aufhelfen. Gabriel schüttelte sanft den Kopf. Berührt oder gar bewegt zu werden, bereitete ihm mehr Schmerzen, als er noch ertragen konnte.

    Aber da war noch etwas, das er sagen musste. Gabriel schloss die Augen. Von Stunde zu Stunde wurde es schwerer, klar zu denken. In seinem Kopf stürzte alles durcheinander, wahllos, haltlos. Es wäre leichter, jetzt zu gehen. Aber er durfte nicht.

    Schließlich befreite ein gnädiger Engel ihn von dem verworrenen Geflecht seiner Gedanken und legte mit zarten Händen den reinen Kern dessen bloß, was von ihm geblieben war, das, weshalb er es bis hierher geschafft hatte trotz allem. Ja, das war es. Gabriel richtete seinen Blick auf den Priester und sagte: „Holt Schwester Agnes."

    Die Verrückte.

    Der Priester zuckte zusammen. Keine der Schwestern durfte das nahe gelegene Kloster je verlassen außer der Schwester Oberin, und die Verrückte schon gar nicht. Agnes. Schwester Agnes. Jede andere wäre längst dem Scheiterhaufen zum Opfer gefallen, doch über diese hier hatte die Obrigkeit ihre schützende Hand gehalten, Gott weiß, warum. Und jetzt wollte dieser wappengeschmückte Kämpfer, dass sie herauskäme. „Nein", sagte der Priester rundweg und wandte sich zum Gehen. Er würde später nach ihm sehen. Vielleicht wäre er dann schon... Und kein Wort von Agnes. Zu niemandem.

    „Das ist ein Befehl, sagte der Ritter unerwartet scharf. Der Priester fuhr herum und sah in das fahle Gesicht des Verwundeten. „Oder… der letzte Wunsch… eines Sterbenden, ergänzte dieser matt, aber lakonisch. Sucht es Euch aus, hätte er hinzugefügt, wenn er noch die Kraft dazu gehabt hätte, doch der Priester verstand ihn auch so.

    Klopfenden Herzens warf der Priester seinen Mantel über und durchschritt den prasselnden Wolkenbruch, um zum Kloster hinüberzugehen. Schwester Oberin ließ ihn ein. Er schluckte und versuchte, die Worte „Bringt Schwester Agnes zu mir hervorzubringen, doch da hörte er sie schon schreien. „Schwester Agnes, sagte Schwester Oberin entschuldigend. „Bringt sie zu mir, würgte der Priester hervor. „Das ist unmöglich, Hochwürden, wollte Schwester Oberin wahrheitsgemäß und mit der gebotenen Höflichkeit antworten, doch das war nicht nötig, denn da kam sie schon, kreischend und um sich schlagend und die zwei kräftigen Schwestern, die sie an den Armen halten wollten, entschlossen abschüttelnd. Jetzt stand sie vor ihm, wilden Blickes, außer Atem, stumm und zum Gehen bereit, als sei dies das Selbstverständlichste auf der Welt. „Wir sind gleich zurück", keuchte der Priester, packte Agnes bei der Schulter und eilte mit ihr hinaus und war schon von den dunklen Regenmassen verschluckt, ehe Schwester Oberin ihre Stimme wiedergefunden hatte.

    Sie war da. Mühsam richtete Gabriel seinen Blick auf die Frau. Sie war da. Jetzt würde alles viel leichter werden und viel schwerer. Gerne hätte er seine Tränen niedergekämpft, doch er musste sich auf andere Dinge konzentrieren. Im tropfnassen Habit stand sie vor ihm. „Habt… keine…, er atmete hastig. „Ich habe keine Angst, Herr, versicherte ihn das Mädchen. Entschieden löste es sich aus dem Griff des neben ihm stehenden atemlosen Priesters. „Bitte lasst uns alleine, Hochwürden, sagte es bescheiden, aber fest. „Ich komme dann zu Euch… in die Sakristei…. Da war etwas in ihrer beider Blicke, das Gabriel irritierte, aber er wusste, dass er keine Zeit mehr haben würde, es zu ergründen. Der Priester nickte und zog sich zurück.

    „Guten Tag… Goedele", flüsterte Gabriel (sprich: chúddele). Wehrlos brach da die Frau in die Knie, ohne ihren Blick von dem Mann zu lösen. Goedele. Keiner hatte sie so genannt, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war. Auf einmal begriff sie. Das war er. Er, nach dem sie sich verzehrt hatte, er, nach dem sie gefragt und geschrien hatte, solange sie zurückdenken konnte. Ihr Bruder. Sie hatte wirklich einen Bruder. Alle hatten sie gelogen. Es war alles wahr, alles, was sie gedacht und gefühlt hatte.

    Plötzlich war auch sein Name wieder da.

    „Lelle", hauchte sie.

    Gabriel nickte. „Oh, du mein Gott…, wisperte Agnes und berührte den Mann an der Wange, sehr sachte nur. Zum Kloster gehörte ein Hospital und sie hatte genug Elende gepflegt, um zu wissen, dass sie einen Sterbenden vor sich hatte, der Qualen litt. Lelle. Mein Gott, Lelle… „Ich hole Hilfe, stammelte sie. Gabriel schüttelte den Kopf. Jetzt musste er es sagen. „Wir sind Zwillinge, Goedele", flüsterte er. Agnes erstarrte und schlug die Hände vor den Mund.

    Zwillinge waren Teufelszeug, von Müttern geboren, die es mit zwei Männern zugleich getrieben hatten. Sie mussten getötet werden oder zumindest einer von ihnen. Und ihre Mütter… wurden als Hexen verbrannt. Die seltsamen Blicke, das Getuschel, die hämischen Gesichter, die vielen Verbote, plötzlich bekam alles einen Sinn. Aber ihre Mutter war nicht tot. Ab und zu brachte jemand Kunde von ihr.

    Längst war der silberhelle Klang der Orgel erstorben. „Madeleine… sie ist nicht… unsere Mutter, sagte Lelle in die Stille hinein. Er konnte ihre Gedanken lesen. Goedele sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Und unsere Mutter… wurde sie…? Lelle nickte. Er dachte an alle, die um das Geheimnis wussten und wie er sie in Schach gehalten hatte dank seines Ranges und seines Geldes und dass er Goedele nun nicht mehr würde schützen können vor den gierigen Griffen der unersättlichen Henker. Er wollte so viel erklären, doch er konnte nicht. „Flieh…", flüsterte er nur und zu seinem Erstaunen nickte sie voller Vertrauen.

    Das war gut. Gabriel schloss die Augen. Nun kam das Schwerste und er wusste nicht, ob er es können würde. Aber er musste. Er musste…

    Sein Bewusstsein kam und ging jetzt in Wellen, deren Abstände immer größer wurden. Aber sie war da – sie – sie! und er konnte sich an ihr festhalten. Als die nächste Welle kam, heftete er fest seinen Blick auf die Schwester und sagte ruhig: „Nimm mein Gewand."

    Mein Gott.

    Diese Bedachtheit. Dieser Mut. Goedele wusste, dass die kleinste Bewegung Lelle unsägliche Schmerzen bereitete, doch er wollte es für sie wagen. Jetzt konnte auch sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Nein. Nein! Er sollte so nicht leiden.

    Er musste nicht.

    Sie zog ein irdenes Fläschchen aus den durchnässten Falten ihres Habits. Wenn die Männer über sie kamen – oh du mein lieber Gott, sei gepriesen dafür, dass Lelle das nie erfahren würde – trank sie davon. Man spürte keinen Schmerz. Und man vergaß. Sie nahm oft davon.

    Sie bereitete den Trank selber. Sie hatte Geschick mit Heilpflanzen und nach einer Weile hatte Schwester Oberin sie gewähren lassen, weil ihre Gebräue, Salben und Pillen den Siechen halfen. Sie musste es von ihrer Mutter haben. Einer „Hexe"… Vage nahm sie wahr, wie sich auf einmal alles zu einem Ganzen fügte.

    Sie entkorkte das Fläschchen und hielt es Lelle behutsam an den Mund. Der schwarze, bittere Trank tropfte auf seine Zunge und zu ihrem Erstaunen schluckte er ihn voller Vertrauen.

    Während sie ihm den starken Sud einflößte, beobachtete sie ihn aufmerksam. Sie hatte selber mit der Menge experimentiert und mehr als einmal war sie beinahe über die Grenze gegangen, weil die Fühllosigkeit und das Vergessen nicht kommen wollten. Aber Lelle brauchte mehr. Viel mehr.

    Wie weit konnte sie gehen? Sie wollte nicht diejenige sein, die ihn tötete.

    Aber vielleicht war es das ja. Vielleicht sollte sie seine Erlöserin sein. Vielleicht musste sie es tun…

    „Du musst es nicht tun, sagte Lelle sanft. „Es ist meine Sache. Goedele nickte stumm. Langsam verschloss sie das Fläschchen und barg es unter ihrem Gewand. Sie sahen einander lange an. Mit Blicken bedeutete Lelle ihr schließlich, dass sie anfangen konnte. Goedele nickte und wischte die Tränen fort. Sie legte ihr durchnässtes Skapulier ab und rollte die weißen Ärmel ihres Unterkleides hoch. Vorsichtig schlug sie Lelles schwarzen, brokatsamtenen Umhang mit dem ritterlichen Wappenemblem zurück. Sie hatte eine Menge Blut erwartet, aber da war nichts. Sie wusste, was das bedeutete. Er verblutete innerlich. Es gab keine Hilfe. Keine.

    Große Schweißperlen sammelten sich auf Lelles Gesicht, als sie behutsam begann, den gepolsterten Gambeson zu öffnen, den Ritter unter ihrer Rüstung tragen. Lelle war aschfahl, aber bei Bewusstsein. Er atmete hastig und sah sie an, um Trost ringend. Jede Berührung durchfuhr seinen Leib wie der harte Stoß von Isobolds Lanze, der ihn im Galopp gefällt und ihm die Eingeweide zerrissen hatte.

    Agnes arbeitete zügig, mechanisch, sie hatte gelernt, wie man alles ausblendet, was dabei stört, Geräusche, Gerüche, Gedanken. Gefühle. Als sie in Lelles wächsernes, schweißgebadetes Gesicht sah, begann sie unwillkürlich zu murmeln, einen Singsang, den sie kannte, den sie erinnerte, eine hypnotisierende Weise, sie hatte nicht gedacht, dass sie es können würde. Dass sie es versuchen würde. Es war Teufelszeug, Tobi hatte es getan, der schwarze Sklave, den man ihnen eines Tages gebracht hatte, tödlich geschwächt von einer Krankheit, die nicht zu heilen war – Heimweh. Er hatte ihre Nähe gesucht. Er hatte sie erkannt mit ihren Gaben. Er hatte ihr gezeigt, wie man mit Worten und Gesang tröstlichen Schlaf bringt. Sie hatte gelauscht, erschrocken und entzückt, hatte wohl auch daran gedacht, es ihm gleichzutun, doch sie wusste: Der pechschwarze Mann war des Teufels. Ihn aufzunehmen, war Christenpflicht, doch wer seinen Lehren anhing, war der Hölle gewiss. Und jetzt war sie hier und ihre Zunge und ihr Herz liefen über von dem heilenden Gesang, der in ihr gewesen war die ganze Zeit. Die ganze Zeit. Für diesen einen Augenblick. Und Lelle wurde ruhig, seine Gesichtszüge entspannten sich und die Lider wurden ihm schwer. „Danke, Tobi", flüsterte Goedele, als sie ihren Bruder behutsam aus den Kleidern schälte.

    Lelle schlug die Augen auf. „Nimm... das… hier…. Er versuchte etwas unter dem leinenen Hemd hervorzuziehen, doch er war zu schwach. Goedele ergriff seine Hand und half ihm, während unablässig der weiche Singsang aus ihrer Kehle strömte. Ihrer beider Hände ertasteten eine lederne Kapsel, die an einem Riemen um seinen Hals hing. Goedele öffnete die Kapsel. Sie enthielt ein gesiegeltes Schreiben der Königin. „Zeig es… den Wachen…, wisperte Lelle matt, „… verlier… es nicht…". Goedele nickte und verstaute den kostbaren Passierschein wieder in der Kapsel und nahm Lelle das Kleinod behutsam ab und streifte den Riemen über ihren Kopf. Dabei fasste sie an das grobe Holzkreuz um ihren Hals, an dem man die Mitglieder des Ordens genauso gut erkannte wie an ihrem Habit. Hastig riss sie es ab und berührte damit behutsam Lelles schweißnasse Brust unter dem Leinhemd. Gott segne dich. Gott segne dich. Dann legte sie das Kreuz auf das Skapulier am Boden. Sanft breitete sie den dicken Umhang über den in seinem weißen Untergewand daliegenden Ritter.

    Lelle versuchte den Kopf zu schütteln. „Du… brauchst ihn", hauchte er. Goedeles Augen brannten, während sie die grobleinene Tunika ablegte und in Beinkleider, Gambeson und Stiefel schlüpfte. Steh uns bei, Herr. Steh uns bei.

    Der Gambeson war weich gepolstert und warm. Sie zog die Schlaufen über ihrem Körper fest, der schmal war wie der eines Knaben, und schnürte die Stiefel. Langsam hob sie jetzt den schützenden, weit wallenden, schweren Umhang vom Körper ihres Bruders und hüllte sich hinein. Dann erstarb ihr Gesang. Es war vollbracht.

    Sie stellte ihr irdenes Fläschchen neben Lelle auf die Chorbank. „Danke, sagten seine Augen. Goedele richtete sich auf, das zusammengeknüllte, nasse Skapulier mit dem Kreuz unter dem Arm. „Begrab es… brachte er kaum hörbar hervor. Sie nickte.

    Die Zwillinge sahen einander ein letztes Mal an. Lelle bewegte die Lippen.

    Drei Worte. Komm schon. Nur noch drei Worte. Das kannst du. Für sie kannst du das.

    „Geh nach Norden!", sagte er endlich, sehr deutlich und sehr fest. Dann schloss er die Augen.

    Sacht machte Goedele ein Kreuzzeichen auf seiner Stirn. Dann zog sie die Kapuze über ihr feines Antlitz und trat ins Freie. Auf dem Friedhof war ein frisches Grab. Entschlossen schob sie die weiche, sandige Erde beiseite, legte ihr Habit hinein und häufte die Erde wieder darüber.

    Der Regen hatte aufgehört und eben brach ein erster Sonnenstrahl durch die Wolken. Goedele erhob sich von dem Grab und schritt durch das Friedhofstor hinaus.

    Der Pfarrer kam aus der Sakristei zurück. Agnes war verschwunden. Der Ritter lag bewegungslos, im weißen leinenen Untergewand. Durch die bunten Glasfenster fiel ein Sonnenstrahl auf sein lächelndes Gesicht.

    Zweites Kapitel

    „Nicht jetzt…, keuchte Herigold. Das Kaminfeuer, das sich in seinen dunklen Augen spiegelte, funkelte hell wie die lodernden, reinigenden Scheiterhaufen, die man jetzt allenthalben im Lande sah. Im Land des Südens. Seinem Land - bald schon. Herigold sog genüsslich die Luft ein, die nach Wein und kostbarem Räucherwerk duftete. Und nach Jolanthe. Seiner Gespielin. Seiner Königin. Ihre Haut auf seiner. Heißer als das Feuer machte sie ihn glühen. „Nicht jetzt! stieß er hervor, lauter jetzt, als es wieder an die schwere, geschnitzte Türe des Gemachs klopfte. Das Klopfen mischte sich mit dem seines Herzens, das schnell und immer schneller schlug und den treibenden Rhythmus ihrer Bewegungen vorgab, schneller, schneller, bis das Glück in ihm explodierte und Königin Jolanthe erfüllte und sie beide reglos liegenblieben.

    Im Gemach unter ihnen versuchte König Andurkan nicht auf das Keuchen zu hören. Aber jetzt klopfte es oben laut an die Türe. Mühsam setzte Andurkan sich in den Kissen zurecht. Man hatte ihm ein Gemach zu ebener Erde eingerichtet. Nach seiner Verwundung in der ersten Angriffsschlacht gegen die Nördlichen Lande hatte er lange gebraucht, um wieder laufen zu können. Er würde niemals wieder ein Pferd besteigen, hatten die Ärzte gesagt. Und was Jolanthe zu Recht von ihrem Gemahl forderte, er würde es ihr nicht mehr geben können. Nie mehr.

    Sie waren einander versprochen worden, als Jolanthe noch ein Kind und er ein junger Knabe war. Füreinander bestimmt waren sie gewesen, zwei Seelen wie eine, zwei Herzen so stark und treu, einander so wie ihrem Land, auf immer.

    Von allen Wunden diese.

    Über ihm hämmerte es erneut gegen die Tür der Königin. „Unak? Von der Matte vor seiner Bettstatt schoss ein Mann hoch. „Sieh nach, wer das ist! Lautlos glitt der kräftige Leibwächter zur Tür. „Nein – bleib…" sagte Andurkan leise. Spionieren war seine Art nicht. Er bevorzugte den Kampf mit offenem Visier. Mit unruhigen Händen fuhr er sich durchs Haar, während im wachsenden Licht eine weitere schlaflose Nacht in einen neuen namenlosen Tag hinüberglitt. Jolanthe war die Königin dieses Reiches und konnte tun und lassen, was sie wollte. Er war nur ihr Gemahl.

    Andurkan schloss die Augen.

    Wie durch einen Schleier sah er endlich auf das erste Licht des heraufziehenden Tages hinter den bunten Bleiglasfenstern. Was geschehen war, war geschehen und er hatte gehandelt, wie es eines Herrschers geziemt. Eines Tages würde er es akzeptiert haben. Eines Tages, vielleicht.

    Langsam schob Andurkan die reich bestickten Decken aus Wolle, Pelz und Atlas beiseite. Vorsichtig stand er auf und besprengte sein Gesicht mit dem klarem, kaltem Wasser, das Unak in eine Porzellanschüssel gegossen hatte. Da pochte es leise an die Tür. Wie alle Morgen kamen vier Kammerdiener, den König anzukleiden, weil es die höfische Sitte verlangte. Mit einem Wink schickte Unak sie wie alle Morgen fort. Sein König ertrug das nicht mehr.

    Andurkan legte sein Nachtgewand ab und schloss die Bruech um seine Lenden, von niemandes Blick berührt. Unak sah aus dem Fenster. Unak, der über ihm gewacht hatte, als er in schweren Fiebern lag wie nicht von dieser Welt, hinüberzusegeln bereit; Unak, der ihn gehalten hatte. Unak, der ihn verstand. „Manchmal wünschte ich, du wärst es, mit dem Jolanthe…, brach es aus ihm heraus. Unak drehte sich zu ihm herum. „Schsch…, machte er und legte Andurkan seine starke, warme Hand auf die Schulter.

    Andurkan spürte, wie unter der Berührung sein heftig schlagendes Herz ruhig wurde. Er straffte sich. Wenn er aus dieser Kammer träte, würde er ein anderer sein. Nur Unak kannte ihn so. Für die Welt war er der König, mutig, stolz und unverzagt.

    Er zügelte das Zittern in seinen Händen, während er die samtenen Beinkleider anlegte. Bald würden glorreiche Zeiten anbrechen. Das schändliche Gewürm der Hexen und Teufelsanbeter krümmte sich unter der starken Hand des Gesetzes. Viel zu lange hatten sie triumphiert mit dunkler, zersetzender Macht. Hexer, Teufelsbuhlen, zwiegesichtige Zwillingsbrut… Jetzt wurden sie zerschmettert, vernichtet, ausgelöscht, allesamt und ohne Gnade, zu des Allerhöchsten Wohlgefallen, Die letzten Schlachten waren siegreich gewesen; die besten Ritter warfen sich für sein Land in den Kampf gegen die brutalen Ketzerbanden aus dem gottlosen Norden.

    Andurkan befestigte die Beinkleider an der Bruech. Seine Hände waren jetzt ganz ruhig. Großmeister Herigold, wenn auch bis zur Würdelosigkeit exzentrisch, war ein politisches Genie, milde gesagt, und sich der Loyalität des Klerikers zu versichern oberstes Gebot für einen König, der nicht so stark war wie er sich gab vor seinen Leuten. Jolanthe schätzte es wohl auch ganz richtig ein und tat, was sie für klug hielt. Sie war noch sehr jung. Ah, und, so durchfuhr es ihn wider Willen, sie brauchte einen Thronfolger. Ein Kind. Die Tränen schossen ihm in die Augen und rasch warf er Hemd und Tunika über den Kopf. Eine Weile nestelte er an seinem Gürtel, dann war es vorbei und er nickte Unak zu und ließ sich von ihm in die aus geschmeidigem Ziegenleder gefertigten Reitstiefel helfen. Dann trat er hinaus, hoch aufgerichtet und mit einem Lächeln.

    Im Gemach über ihnen zog Jolanthe Herigold ganz nah zu sich heran. Zu lange hatte der Geliebte im Nebenraum mit dem Boten beratschlagt. Ihr war kalt. Herigold strich ihr über die Wange und überließ sich dem Spiel ihrer feinen, reich beringten Finger. „Alles wird gut, Hoheit", wisperte er ihr zu und berührte mit den Lippen den diamantenen Schmuck an ihrem Ohrläppchen, den er ihr geschenkt hatte nach ihrer ersten Begegnung. Selbst des Nachts trug sie ihn… Der Großmeister dehnte sich behaglich auf dem warmen Fell. Agnes würde ihm nicht mehr gefährlich werden. Wahrlich, zu manchen Zeiten, wenn seine hoch gestellten Compagnons die Dienste der Nonne schier über die Maßen genutzt und gepriesen hatten, hatte er sich mit wohligem Schauder der Verstrickung ergeben, geschmeichelt und erschrocken und vollkommen unfähig, dem allen ein Ende zu machen. Nun hatte die Hexe ihr Schicksal selber besiegelt. War weggelaufen, das debile Ding. War Freiwild jetzt. War immer Freiwild gewesen.

    Einem einfältigen Pfaffen war sie entwischt dank ihrer teuflischen Magie. Die Beichte hatte er ihr abnehmen wollen, hieß es. Herigold ließ seine warmen Finger über Jolanthes bereitwilligen Körper spielen und dachte voll Genugtuung an das Entsetzen in des Boten Augen, als der ihm mit Agnes’ Entlaufen auch deren schmählichstes Geheimnis verraten hatte, dass sie nämlich – der Himmel sei tausendfach gepriesen für seine ewig reichen Gnaden – ein Zwilling war, des Teufels eigene, widerwärtige Brut, der ewigen Verdammnis gewiss und zu erhaschen um jeden Preis. Auch den ihres Lebens, hatte der Bote fast tonlos der Oberin Worte widerholt.

    Heiliges Feuer hatte Herigold da in seinen Augen entfacht, und dem Boten Lob und Dankbarkeit für Schwester Oberin aufgetragen, deren Verrat, so versicherte er, der frommen Taten die allerhöchste war, denn er, Herigold, er allein, vermöchte die Verruchte der Höllen Feuer zu entreißen, indem er sie brennen ließe in reinigenden Flammen, brennen! Auf kostbares Pergament hatte der verehrte Großmeister seine huldreichen und gottgefälligen Befehle an das erschreckte Kloster gesetzt, mit leichter, sicherer Hand, und hatte sein Siegel darauf gedrückt und den Boten entlassen, zur nötigen Eile väterlich ihn mahnend.

    Die kleine Nonne würde nicht weit kommen, ohne aufzufallen. Es würde schnell vorbei sein.

    Mit geübten Fingern entlockte Herigold Jolanthe ein lang gezogenes Stöhnen. Alles war zum Besten geregelt. Während er sogleich seine Königin abermals mit dem höchsten Glück erfüllen würde, lief das Signalement der verruchten Hure bereits von Posten zu Posten durch das eben erwachende Land.

    Ein Zwilling, der aus einem Kloster kam… Herigold verzog das Gesicht. Das musste das Volk nicht wissen. Die Leute ängstigten sich schon genug. Und hatte er erst mal die eine, würd’ sich wohl auch die andere noch finden lassen und das Feuer zwiefach lodern machen, zwiefach! Aber gemach. Gemach…

    „Eine mächtige Hexe wird alsbald zu Fall gebracht werden, zu Ehren Gottes und unseres ehrwürdigen Königs Andurkan, wisperte er der Königin in das kleine Ohr. Jolanthe nickte wohlig und sah ihn dankbar an. „Es wird ihm zu mächtiger Stärke gereichen im ganzen Land, ergänzte der Kleriker ernst, „und Euch zu Ruhm und Ehre, meine Königin – doch gebt Acht, er fuhr mit dem Finger ihre schöne Nackenlinie nach, „es ist unser beider Geheimnis. Verschont den siechen König mit dem Bösen und seid stark für zwei. Wenn’s erst vollendet ist, das fromme Werk, und die Ketzerin lodernd brennt, wird unser König siegreich triumphieren vor dem Volke. Jetzt endlich ließ der Kleriker mächtiges Verlangen in sich aufsteigen, um seine Königin galant zu beglücken. Das Schicksal hatte entschieden. Bei Tagesanbruch würde Agnes von den Hunden gehetzt werden.

    Drittes Kapitel

    Als die Sonne sich zum Abend neigte und ihr immer noch die meiste Zeit ins Gesicht schien, war Goedele endlich auf einen Pfad abgebogen, der nach rechts abzweigte, nach Norden. Bis dahin hatte sie ihre Hoffnung auf die festgestampfte Straße gesetzt, die unweit des Klosters vorbeiging, in zahllosen verspielten Windungen und Wendungen, erbaut vom alten König Rodewig und schrullig wie dieser. Die Straße war voller Leben gewesen, lärmig und bunt, hoch beladene Ochsenkarren, Marktweiber, krumm gebeugt unter riesigen Kiepen, Kinder, Hunde, Pferde, Herren hoch zu Ross in prachtvollen Gewändern und immer wieder Kriegsknechte mit ihren Lanzen, in losen Gruppen, lachend. Niemand hatte sie beachtet. Manchmal hatte sie innehalten müssen, um die baumelnden Ketzer zu betrachten, die am Wegesrand von den Galgen hingen. Bisweilen war sie an die kleinen Tafeln herangetreten, die der Sünder Vergehen auflisteten. Buhlschaft mit einer Hexe gehabt. Eine Hofstatt niedergebrannt mit dem Bösen Blick. Auf eine Heilige Hostie gebissen. Goedele war erschauert.

    Wer schon länger hing, hatte der Krähen Hunger gestillt. Goedele hatte sich die Knochen und die Gedärme besehen, die sie bislang nur erahnt hatte und erfühlt unter ihren empfindsamen Händen, wenn sie im Hospiz über die Leiber der Leidenden gestrichen hatte, um Schmerz oder Brüche zu ertasten oder Salben und Tinkturen aufzutragen. Ganz genau hatte sie hingeschaut. Einmal hatten zwei Krähen um eine frische Leber gestritten. Einmal hatte sie ein Herz gesehen.

    Als sie sich noch einmal nach dem Turm der Kathedrale umblickte, war er hinter dem Horizont verschwunden. Sie marschierte weiter, trotzig und treu, auch nun, da die Nacht sich senkte über diese neue Welt mit ihrem weiten Himmel, der so ganz anders war als das lichte Viereck über dem Kreuzgang; der sich weltenweit wölbte über sie hin und bis an die Enden der Erde reichte.

    Die Enden der Erde. Rasch befahl sie sich in Gottes Hand. Sie hatte die Bilder gesehen von den Sündern, die dort herabstürzten in gnadenlose, allesverschlingende Tiefen.

    Salve regina, mater misericordiae, vita, dulcedo, et spes nostra, salve! Ad te clamamus, exsules filii Evae. Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac lacrimarum valle…

    Seit Stunden lief sie, doch nun drohten Hunger und Durst und der Schmerz in ihren Füßen sie zu bezwingen. Im Kloster hatten sie längst die Abendmahlzeit bekommen. Brot und Käse und ein Krug frischen Wassers auf dem großen eichenen Tisch des Refektoriums, die vertraute Stimme der Schwester Oberin, die den Schwestern im Schein einer Kerze aus dem Stundenbuch vorlas, während sie aßen, schweigend, wie die Klosterregeln es geboten…Mechanisch fingerte Goedele nach dem magischen Fläschchen, doch es war nicht mehr da. Natürlich nicht. Sie hatte es weggegeben. Es war…

    Nein! - - - NEIN!!!!

    Mit aller Gewalt hielt sie die hervorquellende Erinnerung nieder, dass nicht das Herz ihr bräche vor der Zeit. Geh nach Norden. Laufen, laufen, einen Schritt vor den andern. Nicht denken. Nichts. Flieh!

    Plötzlich stand sie an der Uferböschung eines Flusses. Mehr hörte sie ihn, als dass sie ihn noch sah in der hereinbrechenden Nacht. Heftig rauschten unter ihr die Wasser, zum Bersten satt von der Schneeschmelze und dem heftige Regen. Goedele kniff die Augen zusammen und maß die Entfernung bis zum drüberen Ufer. Sie musste hinüber, wollte sie die Richtung nicht verlieren.

    Der Weg hinunter war steil und felsig. Mit der einen Hand raffte Goedele Lelles Mantel, während sie sich mit der anderen von Ast zu Felsvorsprung zu Wurzel hangelte. Die Füße in den weichen Stiefeln tasteten nach festem Grund, stolperten jetzt, glitten, abwärts, abwärts, nichts fanden ihre Hände plötzlich mehr in der Dunkelheit, sie schrie. Krallte sich in den Boden, blieb liegen, schwer atmend. Unter ihr die Wasser rauschten ungerührt, sie sah jetzt gut das andere Ufer hinter dem breiten, aufgewühlten Band. Sie konnte nicht schwimmen.

    Es dauerte länger, wieder hochzuklettern. Sie klopfte den Dreck aus ihrer Kleidung und leckte über die Schrammen auf den Händen. Wie dumm sie war. Sie spuckte aus und sah am Ufer entlang. Links oder rechts? Sie legte einen Finger auf die oberste Lasche des Gambesons und fuhr die Reihe entlang bis nach unten. Links, rechts, links, rechts, links, rechts…. Links. Sie zog den Umhang fest um ihren schmalen Körper und stiefelte los.

    Über ihr glitzerten die Sterne. Schwester Theresia hatte gesagt, dass auch sie den Menschen den Weg wiesen, doch Goedele wusste nichts Genaues darüber. Hatte es nie gebraucht. Es war auch viel Teufelszeug dabei. Besser, man versuchte nicht, in den Sternen zu lesen. Mühsam riss sie ihren Blick von der funkelnden Pracht. Das war etwas für Heiden. Sie bekreuzigte sich und lief weiter. Es musste doch eine Furt geben oder besser noch, eine Brücke.

    Der Pfad entlang des Hochufers begann sich im Gestrüpp zu verlieren. Goedele bog Äste beiseite, stieg über knorriges Wurzelwerk, schrammte an dornenbesäten Zweigen entlang, die ihr die Hände aufrissen und ihren Mantel festhielten. Sie zog und zerrte, bis sie ihn losbekam. Sie weinte, aber sie lief weiter. Das ferne Tosen des Flusses an ihrer rechten Seite wies ihr den Weg.

    Sub tuum praesidium confugimus, sancta Dei Genitrix: Nostras deprecationes ne despicias in necessitatibus, sed a periculi cunctis libera nos semper, virgo gloriosa et benedicta.

    Jungfrau, erhaben und gesegnet. Unerwartet endete das Gestrüpp. Sie stand am Rande einer breiten Fuhrstraße, die geradewegs auf eine Brücke zulief. War es Rodewis Sraße? Hätte sie ihr nur weiter folgen müssen? Egal. Sie hatte es geschafft. Freudig ging sie auf die Brücke zu.

    Magnificat anima mea Dominum et exsultavit spiritus meus in Deo, salutari meo; quia respexit humilitatem ancillae suae ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes…

    „Die Losung!"

    Goedele hielt abrupt inne. Sie hob die Hand vors Gesicht, weil jemand ihr eine Fackel vor die Augen hielt. Die Flamme widerspiegelte sich auf einem polierten Harnisch. Breit schob der Soldat sich ihr in den Weg. Aus der Hütte, die sie vage hinter ihm ausmachte, trat ein zweiter hinzu. Das Metall seiner Rüstung klirrte. Die Männer waren sehr groß. Goedele starrte sie an. Wachen. Die Brücke war bewacht. Wachen.

    Zeig es den Wachen. Endlich fasste Goedele nach der Kapsel um ihren Hals. Mit fliegenden Händen fingerte sie das kostbare Dokument heraus. Verlier es nicht. Sie hielt es dem Mann mit der Fackel hin, ohne es loszulassen.

    „Die Losung", wiederholte der Mann.

    Sein Kamerad schob ihn beiseite. Grob zog er das Papier zu sich heran, um es betrachten zu können. Goedeles Finger krampften sich um das Pergament. Tief unten rauschte der Fluss.

    Endlich ließ der Mann das Dokument los. „Es ist ein Schwarzer Falke, sagte er, zu dem anderen gewandt. „Er zieht in die Schlacht. Er sah ihm ins Gesicht. „Lass ihn gehen!" Der andere nickte und trat beiseite.

    Während Goedele hastig das Dokument faltete, fühlte sie, wie ihr schwindlig wurde. Die Wachen wollten den taumelnden Ritter am Arm fassen, doch er schüttelte sie wütend ab.

    Ein Schwarzer Falke. Goedele straffte sich und marschierte über die Brücke. Er zieht in die Schlacht. Unter ihr tosten die Fluten. Sie fühlte die Macht des Wappenemblems auf ihrem Rücken. Er. „Ich bin hier für uns beide, flüsterte sie und grub ihre Hände in Lelles Mantel, der nach Rauch roch und kostbaren Ölen und nach Lelles Schweiß. „Für uns beide.

    Kräftig schritt sie aus. Die breite Straße zog sie weiter, weit jenseits jeden Hungers, jeder Schwäche, jeder Angst, weiter. Niemand störte mehr ihren nächtlichen Weg unter dem weiten Firmament. Bei Tagesanbruch würde die Straße sich wieder mit Truppen füllen, die an die Front zogen, doch jetzt war Goedele ganz allein.

    Im ersten Morgenlicht begann sie zu zittern. Es war genug. Genug. Fiebrig suchten ihre Augen den Wegesrand nach etwas Essbarem ab. Als sie die kleinen Erdbeeren sah, ließ sie sich fallen. Halb im Schlaf aß sie und aß und aß, bis Hunger und Durst ihr gestillt waren. Dann kroch sie weiter ins Dickicht hinein. Sie konnte hier nicht bleiben. Weiter! Unter einer mächtigen Eiche sank sie endlich nieder. Die verschlungenen Wurzeln bildeten eine Kuhle, in der noch das Laub des letzten Herbstes lag. Sie schmiegte sich unter ihrem Mantel in das schützende Blätterbett, das nach Erde und Pilzen roch, und blieb reglos liegen. Endlich durfte jetzt alles in ihr zusammenstürzen, das sie aufrecht erhalten hatte über die Enden ihrer Kräfte hinaus. Endlich, endlich durfte sie sich überwältigen lassen von den mächtigen Wogen aus himmlischem Glück und einem Schmerz, der ihr die Seele zerriss. Ein wilder Klagelaut würgte sich aus ihrer Brust empor. Einen Augenblick lang hatte sie die Seligkeit zurückerlangt und im nächsten Moment war alles verloren – zerbrochen, zerschnitten, zerschmettert, zerstört – und sie fiel, fiel…..

    Das Bellen der Hunde war noch sehr, sehr weit weg. Aber sie hörte ohnehin nichts mehr.

    Viertes Kapitel

    Andurkan betrat das Vorgemach. Mit freundlichem Nicken bedankte der junge König sich bei den Kammerdienern, die geduldig auf sein Erscheinen gewartet hatten, um ihm das Ornat anzulegen, und sich jetzt ehrerbietig vor ihm verbeugten. Andurkan schob die Arme in das bereit gehaltene golddurchwirkte Brokatdoublet und Sonbats dunkle, behände Finger schlossen die bronzenen Knebel über Andurkans Brust. Der mit schwerem atarkanischem Silberwerk beschlagene Ledergürtel mit dem Damaszener-Schwert wurde um seine schmalen Hüften gelegt. Die Silberintarsien auf dem polierten Ebenholzheft und die mit bunten, diamantgeschliffenen Edelsteinen besetzte Scheide funkelten in der Morgensonne, die jetzt mit voller Kraft durch die bunten Bleiglasfenster des großen Gemachs hereinschien.

    Der schöne Frühling war gekommen. Das Gras für die Rösser gedieh, die Wege waren trocken und fest. Gute Zeiten zum Kämpfen und Töten. Andurkans stolze Augen gingen über seine Dienerschaft hinweg in blutige, siegreiche Fernen, die die seinen nicht mehr waren. „Den Mantel", sagte er rau, und sie legten ihm den purpurnen, pelzverbrämten Atlasmantel mit dem eingewebten königlichen Wappen um und schlossen die massivgoldene Fibel über seiner linken Schulter. Wie jeden Morgen senkte Andurkan jetzt leicht das Haupt, dass sie ihm die samtene Haube und die fein ziselierte Königskrone aufsetzten. Abermals verneigten die Diener sich und Andurkan dankte es mit einem Lächeln und trat durch die reich geschnitzte Tür, die man ihm jetzt öffnete, hinaus. Unak, der die Ankleidezeremonie aus einem Winkel des Gemachs stumm bewacht hatte, folgte ihm wie ein Schatten.

    In der Hofkapelle war es kühl und dämmrig. Leise schob Andurkan einen Goldflorin in den Opferstock, nahm eine der kostbaren honigduftenden Bienenwachskerzen, die in einer Nische aufgereiht standen, und schlug Feuer, um sie zu entzünden. Sorgfältig platzierte er sie vor dem Schrein Orestuns, des Patrons aller Reiter und Krieger, und schlug ein Kreuzzeichen. Bedächtig nahm er dann den schweren Mantel ab und breitete ihn auf den von Abertausenden frommer Tritte glatt geschliffenen Marmorboden vor dem Schrein. Er entledigte sich auch seines ledernen Waffengurtes mit dem kostbaren Schwert und bettete ihn auf den Atlasmantel. Endlich hob er auch Krone und Samtkappe vom Haupt und legte sie dazu, dass sein Haar frei auf die breiten Schultern fiel.

    Es war nicht mehr geschnitten worden seit jener Schlacht, er trug es, weil niemals noch jemand im Kampf ihn am Schopfe packen würde, unsoldatisch lang; wie die Priester, die Atarkanier, die Bauern, die Alten, die Frauen. Der Priester Missfallen darüber wuchs wie sein Haar, sie warfen ihm tadelnde Blicke zu deswegen; mehr nicht.

    Behutsam kniete Andurkan sich in eine Betbank und bedeckte sein Gesicht mit den harten, schwieligen Ritterhänden. Nicht Unaks wegen; Orestun war es, der seiner schändlichen Tränen nicht gewahr werden sollte; Orestun, der doch alles wusste und alles sah. Vergib mir, bat der König stumm, und wartete, bis es vorüberging. Dann entbot er in hingebungsvollem Ernst die vorgeschriebenen Sieben Heiligen Gebete, die Rechte über dem Herzen und den Blick andächtig auf die steinerne Statue gerichtet. Unak, dem es nicht erlaubt war, zu Orestun zu beten, bewegte stumm seine Lippen mit, wider alle Gebote vertrauensvoll.

    Da auf einmal blitzte was in ihren Augenwinkeln und mächtiger Orgelklang brandete auf, von einer herrischen Bewegung der behandschuhten und beringten Hand Herigolds entfacht, der eben mit seiner Dienerschaft in die Kapelle einfiel und lautstark eine Faust voll Silberlinge in den Opferstock rinnen ließ. Unak und Andurkan tauschten einen kurzen Blick. Noch einmal presste Andurkan die Rechte gegen sein Herz und erhob sich dann langsam, von Unak diskret assistiert. Gemeinsam sammelten sie des Königs Insignien vom Boden auf und trugen sie hinaus, wo blau die Frühlingsluft wehte und sie freier atmen konnten, und der König gürtete sein Schwert und legte Mantel, Kappe und Krone an und schritt durch den weiten Brunnenhof hinüber zum Alabastersaal. „Warte hier!", gebot er Unak mit harter Stimme und öffnete das Portal, allein. Alles war noch so neu. Falls er die Fassung verlor, sollte der raue Eisländer nicht dabei sein.

    Andurkan betrat den Saal, nickte dem Seneschall und den Tischdienern, die ihn mit tiefer Verbeugung empfingen, einen Gruß zu und trat hinter seinen Stuhl und legte die unruhigen Hände an die hohe Lehne und wartete.

    Die lange Tafel war reich gedeckt. Die Königin liebte Fasant-Pasteien am frühen Morgen, weiches Rosinengebäck und gewürzten Räucherschinken und konfierte orientalische Früchte und die heiße, schäumende Schafsmilch, die gleich aufgetragen werden würde, wenn Ihre Hoheit den Saal betrat.

    Und da war sie auch schon, die kupferfarbenen Locken im grünen, jadefunkelnden Netz gebändigt, die dunkelgrünen Augen lebendig, funkelnd auch sie. Andurkan löste die Hände von der Lehne und ging ihr entgegen.

    Sie standen einander gegenüber, nahe genug dass ihrer beider Hände sich hätten fassen können. Andurkan begegnete ihrem Blick aufmerksam und demütig und wollte wohl auch, seiner Verwundung nicht achtend, den höfischen Kniefall tun, doch Jolanthe schüttelte, da sie sein Ansinnen erkannte, lächelnd den Kopf und sagte „So nehmt doch Platz", und winkte dem Seneschall, dass er die Magd mit der heißen Milch hereinrufe, und setzte sich an das andere Ende der Tafel, während der Kammerdiener ihr den samtbeschlagenen Sessel zurechtschob und zwei Zofen zur Linken und Rechten ihr adrett das üppige Gewand drapierten. Andurkan ließ sich behutsam auf seinen Stuhl nieder. Der Seneschall legte jedem einen kaneelfarbenen Spekulatius mit dem Wappen der Königin auf den silbernen Teller – das Zeichen, dass das Mahl begann.

    „Habt Ihr wohl geruht, Hoheit?, sprach Andurkan nun die vorgeschriebenen Grußworte. „Wohl geruht hab ich und bin behütet und gesund erwacht, Dank sei Gott dem Herrn, warf ihm Jolanthe leichthin die Antwortformel zu, während ihre Augen lustvoll die dargebotene Schale mit den süßen orientalischen Früchten nach dem besten Stück abtasteten. „Ich hoffe dasselbe von Euch, Exzellenz", fuhr sie fort und fasste nach einer kandierten Feige.

    Andurkan brach seinen Keks entzwei. Für seine Nächte gab es keine Formel. „Ebenfalls wohl geruht hab ich und bin behütet und gesund erwacht, Dank sei Gott, dem Herrn", sagte er ergeben. Jolanthe kaute eifrig auf der reifen, gezuckerten Feige und lächelte mit vollem Mund, weil jetzt die Magd mit der Milch kam. Mit beiden Händen griff Jolanthe den durchscheinenden Porzellanbecher wie ein Kind und führte ihn an die vollen Lippen und trank die weiße, schäumende Milch mit einer Lust, deren Vertrautheit Andurkan erbarmungslos durchfuhr.

    Entschlossen wandte er den Blick ab. Er war ein Ritter. Einer der besten. Nicht umsonst hatte der alte König unter allen ihn zu seinem Tochtermanne auserkoren, seiner Herkunft uneingedenk. Wenn er dies hier ertrug, würde er alles ertragen. Langsam tauchte er ein Stück Spekulatius in den Becher mit Hypocras, den der Seneschall vor ihn hingestellt hatte, und nahm einen Bissen; anderes aß er des Morgens nicht mehr und bis vor kurzem hatte er auch nicht in den Alabastersaal kommen können dafür und hatte das Morgenmahl mit Unak alleine in seinem Gemach eingenommen; sie hatten den Königinnenspekulatius geteilt, verbotenerweise, und gemeinsam in den Hypocras getaucht, verboten auch dies. Andurkan hob den Becher gegen die Königin hin und benetzte dann andächtig seine Lippen. In der ersten Zeit hatte Unak ihm, wenn er anders nichts zu sich nehmen konnte, geduldig den kostbaren, starken Würzwein eingeflößt, dass das feine Lebensfädlein ihm nicht zerrisse. „Unak!", sagte Andurkan halblaut. Er würde die Fassung nicht verlieren.

    Einen Wimpernschlag später glitt Unak, der mit dem scharfen Gehör der eisländischen Jäger begabt war, durch das hohe Portal herein. Er blieb in der vorgeschriebenen Distanz vor seiner Königin stehen. Nicht ehe er mit rasch getauschten Blicken sich von seines Herrn Wohlbefinden überzeugt hatte, ging er vor Ihrer Majestät in die Knie und legte Handflächen und Stirne auf den Boden und verharrte bewegungslos, wartend. „Dank Dir", gab endlich die Königin das Zeichen, als sie nach einer Weile von einer Plauderei mit ihrer Lieblingszofe aufsah und die Ankunft des Leibwächters bemerkte, und Unak erhob sich und nahm stumm hinter Andurkans Stuhl Aufstellung.

    „Sprecht mir vom Krieg, Hoheit, sagte, als die Königin schließlich ihr Mahl beendet hatte, Andurkan, weil sie wohl auf den offiziellen Part vergessen hatte und weil er es wissen musste und weil er den Klang ihrer Stimme liebte. Jolanthe blickte auf. Andurkan sah, wie mit einem Mal alles Kindliche von ihr abfiel. „Seid ohne Sorge, Exzellenz, sagte sie ernst, „unsere Truppen sind stark, das hat die letzte Schlacht endgültig bewiesen. Doch wir werden weiter kämpfen und nicht ruhen, bis die Heidengefahr gebannt ist und die gute Sache endgültig obsiegt. Die Moral des Heeres ist hoch; die besten Ritter kämpfen für unsere Sache… Plötzlich unterbrach sie sich. Andurkan wartete. „Es hat weitere Verluste gegeben, Exzellenz, begann die Herrscherin vorsichtig. Andurkan sah ihr in die Augen. „Wer?"

    Jolanthe senkte die Lider. Endlich hob sie den Blick. „Andur, Gabriel ist tot…", sagte sie leise und plötzlich gab es nur noch sie beide in dem großen Saal. Lange sahen sie einander wortlos an. Eine edle Seele hatte sie verlassen. Ein Held. Und ein Freund.

    Stumm hielt Andurkan Jolanthes Blick. Er verbarg sich nicht und gab ihr alles preis – sein ungläubiges Entsetzen, seine Trauer und seine heillose Verlassenheit, die dieser Tod ihm ebenso bewusst machte wie die trügerische Innigkeit des Augenblicks.

    „Weine nicht", sagte Jolanthe sanft.

    Das Ihrzen hätte es ihm leichter gemacht. Der Seneschall gab ihm ein Tuch. Andurkan dankte und trocknete sein Gesicht. Dann gab er das Tuch zurück.

    „Lass ihn uns fürstlich begraben, Jo", sagte er mit fester Stimme.

    Unak erlöste die angehaltene Luft aus seinen Lungen. Er hatte es gewusst; die Nachricht von Gabriels unerwartetem Tod am Tag nach der Schlacht und von den seltsamen Umständen seines Auffindens war am Vorabend schon in der Dienerschaft herumgegangen wie ein Fieber. Doch niemals hätte er seiner unwürdigen Zunge erlaubt, dem König eine solche Botschaft zu übermitteln. Ein Knecht sprach nicht über Höhere vor seinem Herrn und eine Meldung dieser Tragweite war so weit entfernt von allem, was ein Diener sagen durfte, wie der Ost vom Abend. Unak wusste, dass man den König beizeiten informieren würde. Inbrünstig hatte er gehofft, dass es Jolanthe selber sein würde, aus deren Mund Andurkan die Unglücksnachricht erfuhr, und war gegangen, um zu trauern nach seiner Art. Heimlich, bei den Abtritten, hatte er sich mit dem Jagdmesser ein weiteres Kreuz in den Unterarm geschnitten und beobachtet, wie sein Blut in die Erde rann. Seit damals Ukatai gestorben war, hatte er schon so viele Kreuze machen müssen. Es war ein heidnisches Ritual seines Volkes und streng verboten, aber es war das Einzige, was ihm half. Nach einer Weile tat Unak ein Spinnweb auf die Stelle und wand einen Lappen darum und zog den Ärmel darüber und ging zu Andurkan zurück.

    Fünftes Kapitel

    Steif und durchgefroren wühlte Goedele sich aus dem raschelnden Laub. Vorsichtig bewegte sie die schmerzenden Glieder. Die Wärme der Sonne, die schon hoch über dem Horizont stand, würde gut tun. Langsam stand sie auf, während die Blätter von ihr rieselten wie von einem Herbstbaum. Sie sah sich um.

    Da hockte was.

    Ein Gnom. Nein. Ein Kobold. Ein Zwerg… Goedele blinzelte.

    Ein Kind.

    Die Kleine sah sie aus sehr großen, dunklen Augen an. Sie lächelte nicht.

    Goedele wusste nicht, wie lange sie einander angestarrt hatten, als ein Eichelhäher leise rief und das Wesen mit einem Mal verschwunden war.

    Goedele bekreuzigte sich und sank in die Knie. Liebe Gottesmutter Maria, bewahre uns vor dem Bösen. Sie bekreuzigte sich abermals und brachte abermals ihr Gebet vor, aber es half nichts.

    Sie hatte Angst.

    Da hockte sie nun im hellen Sonnenschein, tief in Gabriels Kapuzenmantel vergraben, die Hände auf die Ohren gepresst und die Augen fest geschlossen, dass sie nichts mehr hörte oder sah. Vielleicht, dass sie sich wegwünschen könnte. Heim.

    Als sie hochfuhr, war es zu spät.

    Die belfernde Hundemeute schoss geradewegs auf sie zu. Harte, schmale Augen, heraushängende Zungen, die Ohren gespitzt, gelbgezackt die Zahnreihen, scharfe, große Zähne, die heranstürmten, näher, näher - - - Das war das Ende. Goedele rollte sich zusammen und schloss die Augen.

    Nach einer sehr, sehr langen Zeit fühlte sie etwas Feuchtes an ihrer Stirne. Sie konnte das Fell riechen. Das Gebell war verstummt. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Sie sah geradewegs in die Augen eines riesigen Köters. Er saß ganz still und stupste sie mit seiner Schnauze. Goedele fühlte, wie ihr sämtliche Kräfte entrannen. Sie blieb einfach liegen.

    „Was ist Euch, Herr?, rief jetzt ein Bursch, außer Atem. Sein buntseidenes Doublet stach aus den Tönen des Waldes hervor. Die Farben der Königin. Jetzt sah Goedele auch das Wappen auf seiner Brust. „Rikko, hörte sie ihn leise sagen, und das Tier trottete an seine Seite und setzte sich. Auch die anderen Hunde saßen jetzt dicht gedrängt um ihn herum, hechelnd. Es war ein gutes Dutzend, sicher, oder mehr.

    „Seid Ihr verletzt, Herr?", fragte der Bursch besorgt und kam näher, während die Tiere ruhig sitzen blieben. Sehr langsam stand Goedele auf. Waldvögel sangen. Irgendwo schlug ein Kuckuck. Sie konnte auf ihren Beinen stehen. Sie konnte wirklich auf ihren Beinen stehen. Gabriels Mantel verbarg ihr Zittern.

    Immer noch saßen die Hunde ruhig beisammen. Goedele straffte sich. Es musste der Mantel sein. Du brauchst ihn. Lelles Mantel, Lelles Gambeson, seine Beinkleider, seine Stiefel… Sie trug Lelles Geruch. An ihr und über ihr und um sie war er, wie eine schützende Hülle, sicher und warm. Sein Geruch. Ihrer. Nimm mein Gewand. Tief unter der großen Kapuze füllten ihre Augen sich mit Tränen. Sie biss sich auf die Lippen, um nicht zu schluchzen.

    „Vergebt mir, Herr, fuhr der Mann fort, da der Fremde stumm blieb. „Wir suchen eine Nonne, Herr… „, er scharrte mit den Füßen im Laub, „Sie muss hier entlang gekommen sein, von der Brücke… Habt Ihr sie vielleicht gesehen? Mechanisch schüttelte Goedele den Kopf. Der Häscher nickte. „Selbstverständlich nicht. Verzeiht. Verzeiht, dass ich Euch belästigt habe. Ihr wart in der Schlacht, nicht wahr? Ehrfürchtig besah er den Schwarzen Falken. „Ich wünsche Euch allzeit Glück, Ritter…?

    „Gabriel", sagte Goedele rau.

    „Gabriel!, rief jetzt der Mann aus. Vorsichtig kam er näher. „Man sagt, Ihr seid verwundet worden… Behutsam berührte der Häscher ihren Mantel. „Ich kann Euch zu einem Arzt bringen!"

    „Es ist gut", wisperte Goedele heiser und zog den Mantel an sich. Der Mann sah fragend auf den Ritter. Goedele hielt den Atem an. Sie sollte jetzt die Hand von dem Baumstamm nehmen und losgehen.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1