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Between the fronts
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eBook696 Seiten10 Stunden

Between the fronts

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Über dieses E-Book

Kurz nach dem Tod ihres Vaters erfährt Jess, dass ein Monster sie umbringen will und ihre selbst ernannten Bodyguards, ein Sunnyboy und ein Badboy, bringen ihr ganzes Leben durcheinander.
Was hat das alles zu bedeuten und ist das Monster das Einzige, was es auf sie abgesehen hat?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum6. Jan. 2022
ISBN9783754181126
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    Buchvorschau

    Between the fronts - Alexandra Eck

    Fantasyroman

    Für alle, die ihre Träume leben

    La vie est belle

    Per aspera ad astra

    graphics2

    Kapitel 1

    Ich wachte schweißgebadet auf. Schon wieder hatte ich von dieser dunklen Macht mit den roten Augen geträumt. Sie verfolgten mich jetzt schon vier Monate lang, um genau zu sein, vier Monate seit mein Vater verstorben war. Er war bei einem Jagdunfall getötet worden. Ich blickte auf den Wecker. Er zeigte 4.30 Uhr an. Mein Unterricht startete aber erst um 8 Uhr. Das bedeutete, ich hatte noch 2 ½ Stunden. Denn obwohl ich hier in Virginia eigentlich sehr zentral lebte, benötigte ich dennoch eine Stunde um zu meiner Schule zu fahren. Der Blackwood High. Normalerweise brauchte ich genau eine Stunde, um mich fertig zu machen, zu duschen und zu essen. Ich hätte mich eigentlich wieder ins Bett legen können und weiter schlafen aber ich war noch zu aufgewühlt von meinem lebhaften Traum, sodass ich beschloss laufen zu gehen. Ich zwängte mich in eine schwarze Nike Hose, stülpte mein neonblaues Top über und zog die Schuhe an. Ich schnappte mir mein Handy und schrieb meiner Mutter einen Zettel, damit sie sich keine Sorgen machen würde, wenn sie aufwachte und ich immer noch nicht da wäre. Seit dem Tod meines Vaters wollte sie über alles informiert werden, was ich tat. Sie wurde allmählich zur Klammermutter. Ich öffnete unsere Haustür und lief los. Draußen war es noch angenehm kühl für diese Jahreszeit. Während durch meine Kopfhörer Katy Perry´s Song Firework dröhnte, lief ich die Straße entlang. Als ich am Ende der Straße angelangte, bog ich nach rechts ab und lief in Richtung des kleinen Waldes, der in der Nähe unseres Hauses lag. Während ich durch das leicht mit Ahorn bewachsenen Wäldchen joggte, fiel mir plötzlich etwas vor die Füße. Vor Schreck stolperte ich nach vorne und landete ungeschickt auf dem moosigen Boden. Langsam rappelte ich mich auf und sah, was mich erschreckt hatte. Ein Vogel. Beim näheren Betrachten dieses Tieres fiel mir auf, dass sein linker Flügel (trotz meiner mangelnden Fachkenntnisse) auf komische Weise vom Körper ab stand. Das sah nicht gesund aus. Mein Vater war immer strikt dagegen gewesen, dass ich mit Tieren zu tun hatte. Ich durfte nie in den Wald, Zoo oder gar ein eigenes Haustier haben. Aber, obwohl ich nicht viel über Tiere wusste und keine Bekanntschaft mit ihnen gemacht hatte, konnte ich dieses arme Ding da nicht liegen lassen. Also versuchte ich den Vogel vorsichtig mit den Händen aufzuheben. Zuerst wich er zurück aber irgendwie schien er zu verstehen, was ich sagte. »Ganz ruhig! Ich will dir bloß helfen«, sagte ich mit einfühlsamer Stimme. Daraufhin ließ er sich von mir hochheben. »Scheiße!!«, stieß ich hervor und schaute auf meine blutende Hand. Das Drecksvieh hatte mich gekratzt! Ich hatte nicht gewusst, dass Vögel so scharfe Krallen haben. Der Eichelhäher schaute mich wehleidig an, als wäre er ein Unschuldslamm. Aber er tat mir leid, hier würde er nicht lange überleben können. Wahrscheinlich würde schon in ein paar Minuten ein Habicht oder ein größeres Raubtier kommen und ihn verspeisen. Warum in alles in der Welt tat er mir leid?! Vielleicht wegen seiner großen Glupschaugen. Mir war klar, dass ich ihn nicht hochheben konnte ohne, dass er mir, vielleicht sogar unabsichtlich, wehtat. Deshalb suchte ich nach etwas in das ich ihn einwickeln konnte, fand aber nichts Passendes. Ich schaute an mir herab und tat das Dümmste, was ich je gemacht hatte. Ich zog das Top aus, wickelte es um den Vogel und hob ihn hoch. Wer sollte mich um diese Uhrzeit schon sehen? Während ich das Tier unter meinem Arm unterbrachte und wieder Richtung Straße ging, bemerkte ich nicht, wie sich mir zwei Personen näherten. Als ich aufblickte stand ich Matz und seinem Freund gegenüber. Matz war ein hochgewachsener, blonder Quaterback mit blauen Augen. Er war eigentlich recht schön, man könnte ihn sogar fast perfekt nennen, wäre da nicht sein Charakter. Er war 17, also genauso alt wie ich. Sein Freund war braun gebrannt und hatte lange schwarze Haare. Er sah aus wie ich mir einen Native Amerikan vorstellte. Matz war in meiner Klasse und entsprach dem Klischee eines Quaterbacks, gut aussehend und total von sich überzeugt. Außerdem hatte er jede Woche eine Neue. Er hatte auch versucht sich an mich ranzuschmeißen, aber ich habe ihn abblitzen lassen. Das hatte ihm gar nicht gefallen und nun suchte er jede erdenkliche Möglichkeit, um mich bloßzustellen. »Hi, Baby! Heißes Outfit«, sagte er. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich ja nur einen Sport -BH trug. Wie peinlich! Ich versuchte ganz lässig zu wirken aber die Röte, die mir ins Gesicht schoss, verriet mich. »Was willst du?«, motzte ich ihn an. »Warum trägst du einen Vogel mit deinem Oberteil?«, fragte sein Freund und starrte mich an, als hätte ich ein geistiges Problem. »Erstens: Tu nicht so, als würde ich nackt vor dir stehen. Und zweitens: Siehst du nicht, dass der Vogel verletzt ist«, stellte ich klar. »Oh Ed, ich glaube mir tut mein Arm schrecklich weh«, rief Matz Ed zu und griff sich melodramatisch an den Arm »Denkst du, Jess könnte mir auch helfen?« Jetzt wandte er sich mir zu »Mh? Würdest du bitte so aufopfernd sein und mir dein verbliebenes Oberteil (Dieses Wort betonte er) ausleihen?« »Wahrscheinlich könnte ihn dein Anblick nach der Hilfeleistung allein schon heilen oder du könntest ihn auch mit anderen Mitteln wieder heilen«, erklärte mir sein Freund. »Wobei ich mich auch nicht so gut fühle«, fügte er mit einem anzüglichen Grinsen, mir zugewandt, hinzu. IIIihhhhhhh!!! »Ihr seid solche perversen Arschlöcher! Euch würde ich nur über meine Leiche helfen oder mit einem Arschtritt!«, rief ich ihnen empört zu und wollte schon davon stapfen, als Matz mit seinem Handy ein Foto von mir machte. Ich warf beiden einen vernichtenden Blick zu und trug den Eichelhäher zu mir nach Hause. Ich hasste die zwei, sie waren so eingebildet!

    *

    Erst als ich vor der Haustür stand wurde mir bewusst was gerade passiert war. Die Hirnverbrannten hatten ein Foto. Von mir. Im BH! Das konnte nicht gut ausgehen. Ich zückte meinen Haustürschlüssel und öffnete die Tür. Mum war immer noch nicht wach. Ich beschloss den Vogel zuerst in mein Zimmer zu bringen und dann ins Bad zu gehen, um mich zu duschen und die Kratzer an meinen Händen zu versorgen. Ich schlich die Treppenstufen hinauf und setzte den Vogel auf meinem Queensize Bett ab. Zu meinem Glück hatte ich ein eigenes Badezimmer genau gegenüber von meinem Zimmer. Es war geräumig. Ich hatte eine Dusche, schwarz -graue Fließen und sogar meine eigene Badewanne mit goldenen Füßen. Außerdem hatte ich eine kleine Palme neben der Wanne. Gerade als ich aus der Dusche stieg, piepte mein Handy. Ich zog den vanillefarbenen Bademantel an und öffnete die Nachricht. Sie war von Matz. Dieser Arsch hatte das Bild von mir und dem Vogel auf Instagram gepostet. Das bedeutete, jeder auf der Schule würde das Bild sehen. Doch bevor ich richtig in Panik verfallen konnte, rief ich mich zur Ordnung. In meinem Zimmer lag ein verletztes Tier. Ich musste ihm helfen, sonst hätte ich ihn ja auch einfach im Wald liegen lassen können. Aus dem Spiegelschrank im Bad holte ich Desinfektionsmittel und Verbände. Ich hatte keine Erfahrung in Sachen erste Hilfe, aber glücklicherweise gab es YouTube. Ich suchte mir ein Video raus, in dem beschrieben wurde, was man bei einem gebrochenen Arm tat. Man sollte zuerst versuchen ihn zurechtzubiegen und ihn schienen. Das Problem war, dass ich dazu eine Schiene brauchte. Woher bekam ich die so schnell? Zu meinem Glück hatte mich mein Vater oft vor den Fernseher gesetzt, weshalb ich aus diversen Filmen wusste, dass man einen Eisstab verwenden konnte. Leise lief ich die Treppen wieder hinunter ins Wohnzimmer und nahm die rechte Tür, die in die Garage führte. Dort stand ein Gefrierschrank. Ich wühlte mich bis zur dritten Schublade durch, erst dann fand ich, was ich gesucht hatte: zwei Packungen Magnum Eis. Ich öffnete eins davon und ließ es in der Mikrowelle auftauen, um an den Stab zu gelangen. Das zweite schob ich mir in den Mund. Schnell rannte ich die zwölf Stufen von der Küche aus in mein Zimmer hoch. Dort lag der Eichelhäher immer noch wie ich ihn zurückgelassen hatte. »Na, Kumpel. Jetzt wird´s ernst«, sagte ich um meine Unsicherheit zu überspielen. Zögerlich griff ich nach dem gebrochenen Flügel. Ich war sehr erstaunt als der Vogel ruhig blieb. Zuerst schaute ich, ob er äußerliche Verletzungen am Flügel aufwies. Obwohl das nicht der Fall war, sprühte ich vorsichtshalber fast die halbe Flasche Desinfektionsmittel drauf. Nur zur Sicherheit, man wusste ja nie. Dann streckte ich seine Schwinge aus, legte auf Ober- und Unterseite ein Eisstäbchen und band diese, wie im Video beschrieben, fest. Ich war stolz auf mich, denn für den ersten Versuch war es mir richtig gut gelungen. Mein Sozialkundelehrer wäre beeindruckt. Schon allein an Schule zu denken beförderte mich zurück in die Realität. Ich hatte nur noch eine halbe Stunde, dann musste ich fahren. Am liebsten wäre ich zu Hause geblieben, aber meine Mutter würde das nie erlauben. Ich schaute den Vogel an, ihm schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen. (Wenigstens einen von uns beiden.) Gleich nach der Schule würde ich mit ihm zu einem Tierarzt fahren. Ich öffnete meinen großen hellbraunen Kleiderschrank. Ich suchte mir eine Hotpants und dazu ein lässiges grünes Militär T-Shirt heraus, das perfekt zu meinen brünett -goldenen Haaren passte. Den Bademantel ließ ich von meinen Schultern gleiten und kleidete mich in Unterhose und schwarzen BH ein, dass der Eichelhäher zuschaute, ignorierte ich geflissentlich. Es war ja nur ein Vogel. Ich ging in die Küche, um zu frühstücken. Das Tier ließ ich oben, damit meine Mum ihn nicht entdeckte, auch sie war nicht sehr tierlieb. Wir hatten keine große Küche. In einer der Ecken stand eine cremefarbene Küchenzeile. In der anderen eine vanille-rot gestreifte Eckbank. Alles war farblich aufeinander abgestimmt, sogar die Regale an der Wand. Ich holte mir eine Schüssel Cornflakes und Milch und machte mir ein Müsli. Als meine Mama die Treppen herab stieg und um die Ecke bog, warf sie mir einen tadelnden Blick zu und ging zur Kaffeemaschine: »Jessy Schätzchen, du weißt wie ungesund dieses Zeug ist.« Sie warf der Flakes Verpackung einen missbilligenden Blick zu. (Blicke hatte sie echt drauf.) Sie verabscheute Cornflakes, allerdings konnte ich nicht nachvollziehen, was an Kaffee besser war. Natürlich trank ich ihn ab und zu aber meine Mutter war geradezu abhängig von dem Zeug. »Ja, das weiß ich«, lenkte ich ein, um keine erneute Diskussion über Gesundheit vom Zaun zu brechen. Da ich keine Lust auf eine Unterhaltung mit ihr hatte, schlang ich das Müsli herunter und verschwand mit der Ausrede zur Schule zu müssen. Ich packte meinen Galaxy Rucksack, sowie mein Handy und gab meiner Mum einen Kuss auf die Wange, damit sie nicht meckern konnte ich sei zu beschäftigt für sie.

    Seit mein Vater verstorben war redeten wir zwei nicht mehr so viel miteinander und wenn doch, so lief es meist auf einen Streit hinaus, bei dem sie zu weinen anfing. Ihre Standard-Sprüche waren: »Jess, ich will das doch gar nicht. Bitte streite nicht mit mir. Lass mich nicht allein. Wir müssen doch zusammen halten, jetzt wo Geronimo nicht mehr bei uns ist.« All das sagte sie in weinerlichem Ton. Wie ich diese Sprüche hasste! Aber wer konnte seine weinende Mutter so zurücklassen? So hatte sie mich die ganze Zeit davon abgehalten, auf Partys zu gehen oder etwas mit Freunden zu unternehmen. Freunde, war eh ein schweres Thema für mich. Mein Vater hatte immer versucht, mich zur Außenseiterin zu erziehen, nach dem Motto: »Du brauchst keine Freunde, sie machen dich schwach. Du wirst nicht abhängig von ihnen sein!«

    Das bedeutete ich durfte nie zu Geburtstagen oder ähnlichem. Trotzdem hatte ich eine beste Freundin. Liss. Wir waren unzertrennlich, bis sie letztes Jahr aus Hampton Virginia wegzog und nach New York ging. Wir hatten zwar immer noch Kontakt aber das war nicht dasselbe. Auch in der Schule war ich jetzt auf mich allein gestellt. Dazu kam, dass die meisten mir jetzt auch noch mitleidige Blicke zuwarfen. Sie verstanden es doch sowieso nicht. Sonst interessierten sie sich auch nicht für mich. Außerdem war ich auf gewisse Weise froh, dass er tot war. Ich stieg in meinen roten Honda, den ich letztes Jahr zum Geburtstag bekommen hatte, und fuhr aus der Einfahrt heraus. Ich bog nach links ab, um auf die Hauptstraße zu kommen. Dann schaltete ich das Radio ein. Gerade sagte der Wetterbericht für den Nachmittag 34°C an. Ich fuhr an den typischen kleinen amerikanischen Häusern vorbei. Am Highway angekommen, sah man nur noch Fastfoodshops, wie KFC oder Holly´s.

    Als ich nach meiner Fahrt auf dem Schulparkplatz einfuhr und aus meinem Auto ausstieg, schauten mich alle an. Na Klasse! Ohne auf die Blicke oder Kommentare der Anderen einzugehen, schritt ich durch den großen Bogen, der den Eingang des Pausenhofs markierte. Zuerst kam man durch den Pausenhof und dann zum Hauptgebäude. Dieses bestand eigentlich aus nur einem breiten langen Gang, an den sich blaue Spinde und Türen, die in verschiedene Klassenzimmer führten, entlang reihten. In der ersten Stunde hatten wir Biologie, was bedeutete, dass ich erst noch die Bücher holen musste. Vor meinem Spind stand die Kapitänin unseres Cheerleader-Teams mit ihrer Gefolgschaft. Schon von weitem strahlte sie mich mit ihrem gehässigen Lächeln an. »Schaut mal, wer da kommt. Hast du echt versucht dich an meinen Freund ranzuschmeißen? In dem Aufzug..«, sie hielt mir das Foto vor die Nase. »So verzweifelt kannst ja nicht mal du sein!«, meinte sie gehässig. Mir war klar, was sie vorhatte. Alle hörten jetzt zu und dann wurde die Wahrheit so verdreht, dass ich schlecht dastand. Folglich würde keiner wissen, dass ich nur um einem Vogel zu helfen, im BH war. Die Schüler würden denken, ich hätte das alles nur getan, um Matz zu gefallen. Jetzt glaubten wahrscheinlich alle, ich würde wirklich so verzweifelt sein und mit jedem rummachen. Klasse! Am liebsten hätte ich Vanessa den Hals umgedreht, aber dann würde ich von der Schule verwiesen werden. Also versuchte ich ruhig zu bleiben: »Weißt du was, Loch Ness? Glaub doch was du willst. Aber warum eigentlich dein Freund? Ich habe gehört, er hat letzte Woche bei der Football-Party Regina flachgelegt.« Ich lächelte sie zuckersüß an, schlug die Spindtür zu und ging Richtung B3. Hinter mir hörte ich das aufgebrachte Streiten von Nessi, die sich mit ihrer „Teamkollegin" stritt. Regina tat mir fast Leid, sie würde schon bald keine Cheerleaderin mehr sein. Außerdem hatte sie jetzt das Lochness Monster zur Feindin.

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    Kapitel 2

    Außer dem Vorfall am Morgen ließen mich die Anderen in Ruhe. Als es zum Ende der letzten Stunde klingelte, packte ich meine sieben Sachen zusammen und fuhr wieder nach Hause. Ich schloss die Tür auf und fand in der Küche einen Zettel von Mum:

    Liebling, ich komme heute etwas später nach Hause.

    Das machte mir gar nichts aus. Ich ging auf mein Zimmer. Es hatte ein großes Fenster, mit einer wundervollen Sicht auf unseren Vorgarten. Meinen Rucksack warf ich auf das Queensize Bett, auf dem eine pastellfarbene Tagesdecke lag. Der Eichelhäher saß auf meinem Schreibtisch. »Na, mein Kleiner. Jetzt fahren wir zum Tierarzt«, erklärte ich ihm. Schon im Geografie-Unterricht hatte ich eine Praxis in der Nähe gegoogelt. Die nächste Klinik war in Virginia Beach. Ich lief noch kurz in die Küche, schnappte mir eine Schüssel und eine Flasche Wasser, rannte wieder hoch und legte den Vogel samt T-Shirt in die Schüssel. Dann setzte ich mich gleich wieder in den Honda. Schon fünf Kilometer vor den Tunneln, die durch das Meer führten, war Stau. Das bedeutete es würde noch etwas dauern und ich spürte schon wie die Hitze sich im Auto breit machte. Deshalb hatte ich das Wasser für mich und den Vogel dabei. Ich öffnete die Flasche und tröpfelte etwas davon in meine Hand und führte sie zum Schnabel des Tieres heran. Dieser trank etwas davon. Auch ich selbst nahm einen großen Schluck.

    Nach einer gefühlten Ewigkeit, die mindestens zwei Stunden dauerte, und nachdem 20-mal derselbe Song im Radio gelaufen war, kam ich an der Tierarztpraxis an. Es war ein großes Backsteingebäude, auf dem die Aufschrift Danny´s Klinik prangte. Ich parkte auf einem kleinen Parkplatz, der sich vor der Praxis befand. Dann stieg ich aus und lief über den kleinen Grünstreifen, der mit Stachelpalmen bepflanzt war. Ich schnappte mir den Vogel und den Geldbeutel. Im Inneren des Hauses erwartete mich eine Rezeption. »Hallo. Wie kann ich ihnen helfen?«, fragte mich die Dame hinter dem Tresen. Sie war um die fünfzig Jahre alt, hatte goldenes hochgestecktes Haar und trug eine Brille auf ihrer spitzen Nase. »Ähhm … Ich habe diesen Vogel hier gefunden und wollte ihn mal durchchecken lassen«, erklärte ich ihr. Sie blickte mich misstrauisch mit ihren braunen Augen an und beugte sich leicht über die Theke, um den Eichelhäher besser betrachten zu können. »Name?«, fragte sie. »Jessica Flynn«, antwortete ich wie aus der Pistole geschossen. »Wohnort?«, kam sogleich die nächste Frage. »Hampton Virginia. Santa Clara Drive 118.« Sie schrieb alles auf und bedeutete mir im Wartezimmer Platz zu nehmen. Es war nicht sehr geräumig aber hatte einen gewissen Charme. Ich setzte mich auf einen der fünf schwarzen Lederstühle und wartete. In der Mitte des Raums war ein Tischchen, auf dem Zeitungen lagen. Kaum saß ich drei Minuten, wurden wir auch schon wieder aufgerufen. Die Empfangsdame zeigte auf eine Tür, die gegenüber des Pults lag und in die ich eintrat. Drinnen stand eine Doktorin, die mich anlächelte. Sie war mittelgroß und hatte einen roten Lockenkopf. »Mein Name ist Dr. Müller«, sie machte einen freundlichen Eindruck. »Ich bin Jess. Diesen Vogel hab ich beim Joggen gefunden und bin so schnell wie möglich hierhergekommen.« Die Frau begutachtete den Flügel und schmunzelte. »Wie ich sehe haben Sie Erste Hilfe geleistet. Haben sie das schon öfter gemacht?« Ich verneinte. Sie nahm die Verbände ab, röntge den Flügel und diagnostizierte einen Bruch. Wie ich vermutet hatte. »Ich gebe Ihnen ein Medikament mit, das er morgens und abends einnehmen muss«, erklärte sie mir. Da ich nicht wusste, was Vögel fressen, nutzte ich die Gelegenheit. »Entschuldigung, jetzt da ich mich um das Tier kümmern muss, wäre es gut zu wissen, was er frisst«, sagte ich unsicher. Dr. Müller antwortet: »Der Eichelhäher frisst Körner aber er braucht auch unbedingt Würmer, damit er Proteine bekommt. Außerdem benötigen seine Knochen Mineralien, um zusammenzuwachsen.« Sie begleitete mich noch bis zur Rezeption. Die Sprechstundenhilfe wartete bereits mit einer Packung auf mich. »Sie wissen, wie man es einnehmen muss?«, fragte sie mich mit strenger Stimme. »Ja«, bejahte ich. »Gut. Das macht dann 65 Dollar Arztkosten und 50 Dollar für die Medikamente«, sagte sie. Mir blieb der Atem weg. 115 Dollar insgesamt! »Entschuldigung, haben Sie gerade 115$ gesagt?«, fragte ich vorsichtshalber noch mal nach. »Ja«, erklärte sie mir nun mit einfühlsamerer Stimme. Also zahlte ich 115 Dollar für ein beknacktes Vieh, das mir nicht einmal gehörte.

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    Kapitel 3

    Während ich heute in Bio den Worten von Mr. Hellington lauschte, wanderte ein Zettel zu mir. Zu mir wanderte normalerweise kein Zettel. Als ich ihn las, blieb mir fast das Herz stehen.

    Hi, Jess, vielleicht hast du ja Lust, mit mir auf ein Date zu gehen

    K.B.

    Kevin Ballister hatte mich zu einem Date eingeladen! Er hatte an den Seiten kurz geschorenes Haar und in der Mitte lange schwarze Haare, die er zu einem kurzen Pferdeschwanz zusammen band. Außerdem hatte er braune Augen und war ein Basketballspieler an unserer Schule. Deshalb war er auch sehr durchtrainiert. Letztes Jahr hatte ich ihm sogar Nachhilfe in Mathe gegeben. Das war auch der Grund, warum wir uns näher kannten. Aber ich hätte nie gedacht, dass er sich für mich interessieren würde! Ich schaute zu ihm hinüber und er blickte mir genau in die Augen. Sofort wandte ich meinen Blick ab. Jetzt war meine Konzentration vollkommen hinüber. Ich war so vertieft in Gedanken über Kevin, dass ich gar nicht bemerkte, wie die Schulglocke klingelte, und sich der tollste Typ auf mich zu bewegte. »Hi, Jess. Ich hol dich dann heute so gegen sieben Uhr ab. Okay?«, er warf mir ein süßes Lächeln zu. Ich konnte ihn nur anstarren und nicken. Woher wusste er wo ich wohnte? Wir hatten uns doch sonst nur in Starbucks getroffen. Er ging und zwinkerte mir zu. »Sabbere dich nicht voll Flynn, das macht dein Outfit kaputt. Aber was rede ich denn da, bei dir kann man eh nichts mehr kaputt machen!«, hörte ich das Gackern von Vanessa und ihrer Crew. Heute beachtete ich sie erst gar nicht. Warum auch? Ich hatte ein Date! Noch dazu mit einem der nicht gerade unbeliebtesten Jungen der Schule. In der nächsten Stunde hatte ich Musik. Wir schauten glücklicherweise einen Film und in der sechsten Stunde hatten wir Mathe. Miss Miller ließ uns zwei Seiten im Unterricht rechnen, dann war die Schule vorbei. Ich schnappte mir meine Sachen zusammen und lief lächelnd durch die Flure zum Parkplatz. Am Parkplatz wartete eine Traube an Schülern auf mich. Natürlich waren Matz und Nessi unter ihnen. »Na, wie geht’s unserer kleinen Jungfrau?«, fragte eine Freundin von Vanessa. Doch heute waren sie mir egal. Das einzige, was ich erwidern konnte, war: »Sorry, ich hab heute echt keine Lust auf euch Pussys.« Ich öffnete einfach mein Auto und stieg ein. Die Leute starrten mich verdutzt an. Dann ließ ich den Motor anspringen und fuhr los. Als sie mich durch die Seitenfenster anschauten konnte ich mir nicht verkneifen ihnen lächelnd den Mittelfinger zu zeigen. Ich fuhr nicht gleich nach Hause, sondern bog an der Michael Street nach rechts ab, um zu Petko und Wallmart zu gelangen, denn ich benötigte noch Wimperntusche und Würmer für Mr. Duddle, so hatte ich den Vogel getauft.

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    Kapitel 4

    Mr.Duddle gab fröhliche Laute von sich, als ich ihm einen Wurm vor die Füße legte. Zuvor hatte ich ihn auf den Schreibtisch gesetzt, damit er nicht mein Bett voll sabbern konnte. »Na, schmeckt es dir?«, auch ich biss genüsslich in einen Apfel. Nachdem wir gegessen hatten, nahm ich den Eichelhäher auf den Arm und ging mit ihm an die frische Luft. Irgendwann mussten ja auch Vögel aufs Klo und besser draußen, als in meinem Zimmer. Konnte man mit fliegenden Tieren überhaupt Gassi gehen? Na ja, ich tat es einfach. Ich ließ ihn in meinem Garten herumhüpfen. Dieser erblühte in allen möglichen Farben, weil meine Mutter Blumen liebte. Wir hatten sogar ein kleines Gemüsebeet in dem Tomaten und Zucchini wuchsen. Auf unserer Holzterrasse stand nicht nur ein Grill, sondern auch zwei Liegen. Ich setzte mich auf eine Hollywoodschaukel, die sich perfekt unter die große Buche einfügte und schaute mich nach dem Vogel um. Er hüpfte ein wenig herum und verschwand kurzzeitig unter einem Busch, wahrscheinlich um sein Geschäft zu verrichten. Er wirkte happy draußen zu sein. Die Sonne schien immer noch. »Mr.Duddle, komm wieder her, ich muss jetzt schauen, was ich anziehen möchte«, rief ich dem Tier zu. Das Vogelvieh hob den Kopf, als würde er verstehen. Deshalb hüpfte er mir wahrscheinlich auch nach. Ich ging über die Terrasse in das Wohnzimmer und über das Wohnzimmer zurück in meinen Raum. Der Eichelhäher folgte mir ohne zu zögern. Das war vielleicht ein komischer Vogel. Nachdem ich (natürlich ohne Duddle) geduscht hatte, stand ich vor meinem Kleiderschrank, um ein passendes Outfit zu finden. Zuerst versuchte ich es mit einem schönen hellblauen, luftigen Strandkleid, entschied mich aber dagegen, weil es irgendwie zu elegant wirkte. Das schwarze Cocktailkleid hatte mir einen zu extremen Ausschnitt. Ich posierte die ganze Zeit vor dem Spiegel und vor dem Vogel, den ich um Rat bat. Wie dumm war das denn? Nach Zick versuchen fand ich etwas das mir gefiel. Eine schwarze Hotpants mit einem grau schillerndem T-Shirt. Mein Haar, das ich meist zu einem Pferdeschwanz trug, öffnete ich, sodass es mir die Schultern bedeckte. Ich legte nur dezentes Make-up auf, wobei ich meine rosa-roten Lippen hervorhob. Um dem Ganzen die Krönung aufzusetzen, zog ich schwarze Glitzer-Pumps an. Das ganze wirkte nicht zu aufgemotzt aber man sah, dass ich mir „ein wenig" Mühe gegeben hatte, machte aber auch nicht den Eindruck, als hätte ich lange gebraucht um mich für ihn fertig zu machen. Es war lässig aber doch sexy. Es war perfekt. »Na, kann ich so gehen? Würdest du mich so mitnehmen?«, fragte ich den Eichelhäher aus Spaß. Da ich noch genügend Zeit hatte und meine Mum bei einem Geschäftsessen war, nahm ich Mr. Duddle und setzte mich mit ihm noch vor den Fernseher. Er lag, obwohl wir uns noch nicht lange kannten, gerne auf meinem Schoß. Nebenbei gab ich ihm seine Tablette, die er widerwillig schluckte. Es lief die Wiederholung von THE MASKED SINGER.

    *

    Um Punkt sieben Uhr klingelte es an der Tür und Kevin stand davor. Er trug eine blaue Jeans und ein graues Shirt, das so eng saß, dass man einige Muskeln sehen konnte. Als er mich sah, stieß er einen Pfiff aus: »Du siehst gut aus«, sagte er. »Danke, du aber auch«, erwiderte ich. Er lächelte. »Möchtest du noch kurz mit reinkommen? Ich muss meinen Vogel noch in mein Zimmer bringen«, erklärte ich ihm. »Du hast einen Vogel? Seit wann?«, fragte er erstaunt. »Also ich war joggen und da fiel er mir vor die Füße. Ich hab ihn dann mitgenommen, deshalb auch das Foto von Matz. Ich hab den Eichelhäher daraufhin zum Tierarzt gebracht und jetzt kümmere ich mich so lange um ihn, bis er keine Medizin mehr nehmen muss«, sagte ich. »Wow! Nicht nur schlau, sondern auch herzensgut«, erwiderte er. Ich lief zurück ins Wohnzimmer um ihm Mr. Duddle vorzustellen. Kevin wollte das Tier anfassen, aber das versuchte nach ihm zu schnappen. Davon peinlich berührt sagte ich: »Sorry, ich weiß nicht, was er hat. Ich bring ihn kurz hoch!« Während er von mir hochgetragen wurde, flüsterte ich ihn wütend an: »Du Ratte, du! Du kannst ihn doch nicht einfach beißen!« Der Vogel funkelte mich böse an. Ich setzte ihn auf meinem Bett ab und verschloss die Tür. Unten wieder angekommen hielt mir der Ballister-Boy den Arm hin und führte mich zu seinem Auto. Meiner Mutter schrieb ich eine WhatsApp Nachricht, damit sie wusste, wo ich war. Ich staunte nicht schlecht, als ich den Ferrari sah. Kevin öffnete mir die Beifahrertür und stieg dann auf der Fahrerseite ein. Kurz nachdem wir losgefahren waren, ging die Sonne schon unter und machte den Sternen allmählich Platz. Im Inneren sah es so aus wie ich mir ein Cockpit vorstellte. »Na, gefällt es dir?«, fragte Kevin. »Ja! Der Wagen ist richtig toll und vor allem dieses rot«, ich deutete auf die Motorhaube. »Hast du Lust auf Sushi?« Ich verzog den Mund. »Ich dachte, alle Mädchen lieben Sushi«, sagte er belustigt über meinen Gesichtsausdruck. »Na ja ….Vielleicht mögen Leute wie Vanessa Sushi. Ich esse lieber ein Steak oder so was.« Kevin lachte: »Da bin ich aber froh. Ich kann Sushi nämlich nicht ausstehen. Fisch isst man nicht roh!« »Ganz genau«, stimmte ich ihm zu. »Aber um das Steak aufzugreifen, wie wär´s wenn wir zu Apple Beas fahren?«, schlug er vor. »Sehr gute Idee.« »Übrigens geht es mir in Mathe jetzt richtig gut. Alles nur dank deiner Nachhilfe.« »Das ist echt gut. Wen hast du denn als Lehrer?« »Mr. Struck.« »Ist er gut?«, fragte ich. »Ja, er kann echt gut erklären.«

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    Kapitel 5

    Wir fuhren zu einem naheliegenden Restaurant in Newport News. Es war ein kleiner Laden aber er war Rechtgemütlich. Es gab rote Lederbänke und grün, rot und gelbe Lichter. Wir wurden von einer kleinen dunklen Kellnerin in Empfang genommen und von ihr in eine ruhige Ecke gebracht: »Hi, ich bin Nanzi und bin heute für Sie da.« Ich bestellte mir ein Wasser, zudem ein Steak mit Kartoffelbrei und Gemüse. Kevin nahm auch ein Steak, allerdings mit Pommes. Zum Schluss teilten wir uns einen Eisbecher. »Wie schaffst du es eigentlich so viel zu essen und immer noch so schlank zu bleiben? Ich meine Vanessa ist auch schlank aber die ernährt sich quasi nur von Grünzeug?«, fragte er mich. Bei dieser Frage musste ich lächeln. Er hatte mir ein Kompliment gemacht, über mein Aussehen! Und das nicht nur wegen meines Wissens. »Na ja …ich geh halt laufen. Ich glaube Nessa würde sicher nichts Anstrengendes tun, bei dem sie großartig schwitzen müsste!«, antwortete ich. »Warum bist du keine Cheerleaderin?«, kam gleich die nächste Frage. »Weil ich es albern finde, wie sie sich so aufmotzen und tun als wären sie die Queens der Schule, allerdings so dumm sind und sich von der ganzen Footballmannschaft flach legen lassen!«, beantwortete ich. »Und du würdest dich von niemanden flach legen lassen?«, fragte er grinsend. »Ich würde halt nicht zu jedem ins Bett steigen, nur um Spaß zu haben«, stellte ich klar. »Die Basketballmannschaft würdest du nicht gerne anfeuern?........ Ich mein bei deinem Körperbau, wäre es ja Verschwendung«, sagte er verschmitzt und ich wurde rot. »Du machst Witze, oder?« »Nein. Falls du Interesse hast, die Basketball Cheerleaderinnen treffen sich immer mittwochs nach der Schule«, erklärte er mir verschmitzt. »Was machst du denn so in deiner Freizeit?«, versuchte ich ein weniger schweres Thema anzugreifen. »Ich spiele Basketball aber das weißt du ja bereits, ich würde dich gerne mal in den Zuschauerrängen sehen oder auf einer After Game Party. Nicht nur die Footballer haben gute Feiern«, sagte er, »Und ich gehe auch gerne schwimmen. Und du?« »Ich schwimme auch gerne, gehe laufen und spiele Schach und backe gerne Kuchen«, zählte ich auf. »Dein Geburtstag ist am?«, löcherte er weiter. »Am 21. Juli. Und deiner?« »Am 13. Januar. Hast du einen Freund?« »Nein! Wie kommst du da drauf?« »Bei deinem Aussehen und Wissen. Außerdem hat der Quaterback damit geprahlt, er hätte dich, na ja, um den Finger gewickelt, du weißt schon was ich meine? Und dich dann abserviert….« »WAS! Das stimmt auf jeden Fall nicht! Und ich hab sein Bett noch nie gesehen! So ein Arsch!!«, rief ich empört. »Das dachte ich mir schon… Du magst ihn auch nicht?«, stellte er erfreut fest. »Du etwa auch nicht? Ich dachte alle Sportler mögen sich.« »Gott bewahre. Nein. Er ist ein Angeber und ein Blender, außerdem ein Weiberheld. Ich versteh gar nicht, warum die Mädchen ihn so gernhaben. Er behandelt sie ja nicht einmal gut.« Und noch etwas, das wir gemeinsam hatten. »Ich find deine Einstellung total toll«, gestand ich ihm. So etwas gab es selten. »Hast du eine Freundin?« »Nein, bis jetzt ist mir die richtige noch nicht begegnet«, erklärte er.

    »Entschuldigung, das wäre die Rechnung«, unterbrach uns Nanzi. Kevin nahm die Rechnung sofort in Empfang. »Ich lade dich natürlich ein«, stellte er fest. »Wirklich? Ich kann auch meinen Anteil bezahlen.« »Nein, nein, ich bin doch gut erzogen worden.« War das zu fassen? Er übernahm die Rechnung, das hatte noch niemand für mich getan. Er war ein richtiger Gentleman! Natürlich brachte er mich auch heim.

    Beim Nachhauseweg waren wir recht still und hörten langsame Musik im Radio. Ich warf ihm immer wieder flüchtige Blicke zu. Er brachte mich sogar noch genau vor die Haustür. Dann starrte er mich an. »Hat dir eigentlich schon mal einer gesagt, dass du wunderschöne Lippen hast?«, fragte er mit sanfter Stimme, »Ich würde gerne wissen, wie sie sich anfühlen.« Schon wieder lief ich bei seinen Worten rot an und musste schlucken. »Probiers doch einfach aus«, riet ich ihm mit quietschender Stimme. Bevor mir bewusst wurde, was ich gesagt hatte, spürte ich seine Lippen auf meinen und schloss die Augen. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Seine Lippen fühlten sich weich an. Langsam löste er sich von mir und schaute mich lächelnd an. »Danke, für den schönen Abend. Das könnten wir ja mal wiederholen«, meinte er und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Ich nickte: »Ich geh dann mal rein….. Wir sehen uns?« »Ja, wir sehen uns. Heb dir nächsten Freitag frei, da hab ich ein Spiel«, sagte er noch und stieg dann in seinen Wagen. Ich winkte ihm noch nach. Was für ein Abend. Es war schon dunkel aber schlafen gehen wollte ich noch nicht. Außerdem war mir trotz meines kurzen Outfits heiß. Ich musste mich erst beruhigen. Also zog ich mir die Heels aus und ging die Straße auf einem Grasstreifen hinunter. Vereinzelte Straßenlaternen leuchteten. Kein einziges Auto war zu sehen, somit war es eine ruhige Atmosphäre. Eine leichte Brise ließ mein Haar wehen. In Gedanken ging ich noch mal alles durch. Was war gerade passiert? Hatte Kevin mich wirklich geküsst? Ich konnte es nicht fassen. Ich hatte ihn auch noch ermutigt. Allerdings war er ein guter Küsser, soweit ich beurteilen konnte, bis jetzt hatte ich keinen Vergleich. Er wollte mich sogar bei seinem Spiel dabei haben. Aber Cheerleaderin werden? Nein, das war unter meiner Würde. Es zog mich immer weiter, bis die Lichter weniger wurden und ich auf einmal in einer dunklen Gasse stand. Neben meinen beiden Seiten türmten sich große Häuser auf, die aus Beton bestanden. Sie waren mit Graffiti besprüht und an einer Seite befanden sich Mülltonnen. Ein dünner Nebel kroch am Boden entlang. Mein Puls, der sich gerade erst vom Kuss erholt hatte, schoss in die Höhe, als ich plötzlich ein tiefes Knurren hörte. Meine Nackenhaare stellten sich bei diesem Geräusch auf. Ich drehte mich langsam um. Hinter mir war eine Kreatur mit lederner Haut, sie hatte rot glühende Augen und ähnelte einem Wolf. Das Monster besaß schwarz blitzende Zähne, an denen blutiger Geifer herab lief. Schon im nächsten Moment bewegte es sich mit gekrümmter Haltung auf mich zu. Ich blieb wie erstarrt. Das war das Ungeheuer, von dem ich schon so oft geträumt hatte, nur das es jetzt in der Realität vor mir stand! Was sollte ich tun?! Das Monster schob sich immer weiter voran und drängte mich in eine Ecke, als wäre ich seine Beute. (Was ich ja auch irgendwie war.) Langsam regte sich mein Fluchtinstinkt. Ich hatte die High Heels als Waffen, die Absätze konnten hoffentlich tödlich sein. Aber es war zu spät, das Ungeheuer spannte seine Hinterläufe an und sprang, ehe ich überhaupt reagieren konnte. Plötzlich wurde ich zurück geschleudert, doch nicht von den Pranken der Wolfsmutation, sondern von menschlichen Händen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Augen geschlossen hatte. Erst als ich sie aufschlug konnte ich einen Jungen sehen, der versuchte das Ungetier zu vertreiben. Während ich in einer der Ecken kauerte packte er es im Genick, wie einen Welpen und schleuderte es an die Wand. Dann nahm er in Sekundenschnelle eine Fackel und zündete sie an. (Hatte er die etwa bei sich getragen?). Die Kreatur wich vor den Flammen zurück. Der Junge näherte sich mir rückwärts, immer noch mit der Fackel fuchtelnd. Die Mutation bewegte sich nun raubtierhaft auf uns zu. Seine Augen funkelten mich an. Ich fing an zu zittern. Als das Vieh das erblickte, hätte ich schwören können, dass es sein Maul zu einem Fratzenlächeln verzog. Ohne eine Vorwarnung seines Muskelspiels warf es sich auf den Unbekannten. Doch statt vor dem Monster zu weichen, hob er einfach seine Fackel und bohrte sie in das Herz des Ungetüms. Dieses stieß daraufhin einen gruselig hohen Schrei aus und zerfiel zu Asche. Zurück blieb nur ein schwefelhaltiger Gestank. Und ich, mit dem Typen, der eindeutig kein Mensch war. Ich glaubte nicht, dass ein Normaler so ein etwas erledigen könnte. Mühsam versuchte ich mich aufzurappeln und spürte einen stechenden Schmerz in der Seite. Sofort sackte ich stöhnend zurück auf den Boden. Langsam kam der Junge auf mich zu. Er hatte schwarze Haare und stechend grüne Augen. Eindeutig kein Mensch. Vielleicht ein Alien, wegen dem grün? Ich hatte mir auf jeden Fall den Kopf gestoßen. Sein schwarzes T-Shirt schmiegte sich perfekt an seinen Oberkörper an, was seine Muskeln stark hervorhob. Irgendwie sah er selbst aus wie ein Schatten. Ich rückte noch weiter in die Ecke, verzog aber sogleich das Gesicht. Der Junge blieb auf Mitte des Weges stehen und sagte mit leiser Stimme: »Sssshhh. Ganz ruhig. Alles ist gut. Ich will dir nichts tun.« Er duckte sich zu mir runter und streckte mir die Hand aus, als wäre ich eine Katze, die er verschrecken könnte oder die weglaufen würde. »Ich bin Cayden und du musst Jessica sein«, fuhr er fort. Woher kannte er meinen Namen?! Ich war mir sicher, ihm noch nie zuvor begegnet zu sein. »Bist du verletzt?«, fragte er mich weiter. Ich schüttelte den Kopf, immer noch leicht geschockt von dem was gerade geschehen war. Dann verschwand er einfach. Keine Ahnung wohin, er war einfach weg. Ein zweites Mal versuchte ich aufzustehen, dieses Mal zog ich mich an den alten Mülltonnen hoch und es klappte. Ich schaute mich um. Müssten nicht andere Menschen etwas mitbekommen haben? Doch keine Seele war zu sehen. Ich war immer noch in der Gasse, doch kein Nebel, kein Junge, keine Bestie und auch der Geruch war verweht worden. Meine Schuhe konnte ich bei der Dunkelheit nicht mehr finden. Es waren zwar meine lieblings Heels aber ich wollte nicht länger als nötig hier verweilen. So schnell es eben ging, mit stechendem Schmerz in der Seite, eilte ich nach Hause. Meine Mum war nicht zu Hause. Ich ging straight ins Bad. Als ich in den Spiegel blickte, erkannte ich mich kaum wieder. Meine Augen waren vor Schreck geweitet und mein Gesicht war mit dem Dreck des Straßenbodens beschmutzt. Auch mein restlicher Körper war mit Schrammen übersät und meine Haare waren verwuschelt. Aus dem Schränkchen unter dem Waschbecken kramte ich nach einer Heilsalbe, die ich nach dem Duschen auftrug. Dann ging ich in mein Schlafzimmer. Im Bett kramte ich in meinem Gedächtnis, aber diesen Cayden hatte ich noch gesehen. Daran hätte ich mich erinnert. Wenn ich jedoch so darüber nachdachte, kam er mir bekannt vor. Vielleicht wegen den Augen? Doch bevor ich weiter grübeln konnte viel ich in einen unruhigen Schlaf.

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    Kapitel 6

    Die ersten Sonnenstrahlen weckten mich auf. Mein ganzer Körper schmerzte, aber nicht so sehr wie letzte Nacht. Ich setzte mich auf und dachte nach. Erst jetzt wurde mir bewusst, was am Vorabend geschehen war und ich bekam Panik. Ich hätte gestern sterben können! Aber ich war am Leben. Es stellte sich nun die Frage: Wer oder was war Cayden und warum war er dort gewesen? Doch die wichtigere Frage: Was hatte mich da angegriffen? Obwohl ich kein Genie war, wusste ich, dass es dieses Tier oder was es auch war, eigentlich nicht geben dürfte. Je länger ich darüber nachdachte, wäre ein Laborunfall wohl am logischsten. Das viele Denken machte mich hungrig. Bevor ich mit meiner Mutter frühstücken konnte, musste ich unbedingt noch mal ins Badezimmer. Nachdem ich den Bademantel ausgezogen hatte, fiel mir sofort ein blauer Fleck an meinen Rippen auf. Die Rippen taten mir zwar weh aber es war zum Aushalten. Auch heute schmierte ich mir die Wunden mit Bepanthen ein. Meine Füße hatten viel abbekommen, das bedeutete ich würde die nächsten Tage, trotz Hitze, keine kurzen Hosen tragen können, wenn ich meine Mutter nicht beunruhigen wollte. Deshalb entschied ich mich für eine hautfarbene Strumpfhose, die ich unter ein knielanges, rotes Kleid zog. Meine Haare flocht ich zu zwei Zöpfen, die ich über meine Schulter fallen ließ. Kevin hatte mir in der Zwischenzeit eine Nachricht geschrieben, in der er mich fragte, wie es mir ging und ob ich gut geschlafen hätte. Wie süß! Als ich in der Küche ankam, saß meine Mum bereits auf der Bank mit (wer wundert sich?) einem Kaffee. »Morgen. Wann bist du zu Hause gewesen?«, fragte ich meine Mutter. »Ich war um 12 Uhr zu Hause. Ich bin nämlich Mr. Shell begegnet und er wollte mich unbedingt noch zu einem Drink einladen.« Mr. Shell war ein Mann des Bestattungsinstituts, der auf meine Mama stand. Um heute nicht schon am Frühstückstisch einen Streit zu verursachen, aß ich nur eine Banane. Am Wochenende aß meine Mutter immer etwas und legte sich dann wieder ins Bett, um zu lesen. Ich wartete also schweigend, bis sie fertig war, dann fuhr ich sofort zu Wallmart. Dort besorgte ich mir Pfefferspray, ein kleines Messer und eine Taschenlampe. Außerdem nahm ich ein Feuerzeug mit. (Die gab es wirklich in allen Farben und Formen, ich nahm mir ein blaues mit Glitzer.) Das war nun die Grundausstattung meiner Handtasche. Die Lampe und das Feuerzeug kaufte ich, weil das Monster mit Feuer vernichtet wurde. Nach dem Einkauf fuhr ich zum Starbucks am Riverdale Circle. Es war eine kleinere Filiale, die an einer Nebenstraße des Highways lag. Ich bestellte mir einen Caramell Frappochino. Das Tolle an diesem Laden war, dass er erstens nicht so viele Gäste hatte und zweitens freies Wifi hatte. Ich setzte mich in die Nähe eines Fensters, das Aussicht auf ein paar Fliederbüsche gab. Ich packte meinen Apple Laptop aus und stellte ihn auf den Tisch. Zuerst googelte ich Menschen mit Superkräften, das hätte ich mir allerdings sparen können, denn daraufhin kamen nur die Treffer für die Avengers und X-Man Filme. Dann versuchte ich es mit Wolfsmutationen aber auch hier konnte ich nichts zu meinem Angreifer finden. Zum Schluss versuchte ich es mit dem Namen meines Retters, kombiniert mit dem Wohnort Virginia und tatsächlich gab es einen Ausschnitt. Es ging um Cayden Lockwood, der vor 5 Jahren als vermisst gegolten hatte. Sein Vater hatte Geronimo Flynn, meinem Vater, das Verschwinden seines Sohnes angeschuldet. Mir stockte der Atem. Der Vater von Cayden hatte meinen Vater beschuldigt, er habe sein Kind entführt. Aber warum hätte mein Dad so etwas tun sollen? Er war Wissenschaftler. Zwar war er kein perfekter Vater gewesen aber ganz sicherlich kein Kidnapper. Doch wenn der Junge als vermisst gemeldet war oder noch immer vermisst wurde, warum hatte er mir geholfen? Es gab so viele Fragen aber keine Antworten. Dieser Fall hatte in der Zeitung gestanden, verfasst von Mr. Bees. Ich gab den Namen von Joshua Lockwood ein, dem Vater von Cayden und fand heraus, dass er Rechtsanwalt und begnadeter Tierschützer war. Die beiden hatten sich scheinbar schon öfter gegenseitig verklagt. Das hatte ich nicht gewusst, allerdings hatte ich mich nie mit der Arbeit oder den Problemen meines Vaters beschäftigt. Doch außer den einen Artikel über den Junior Lockwood gab es nichts Brauchbares. Mir blieb also nur eine Möglichkeit: Ich musste jemanden fragen, der live dabei gewesen war. Meine Mutter.

    Ich trank meinen Frappo leer, und fuhr heim. Da auf meinem Navi eine Staumeldung angezeigt wurde fuhr ich nicht über die Hauptstraße, sondern über den Interstate Highway, an dessen linken Seite sich ein Wäldchen befand und an der rechten Seite sich lauter Restaurants erstreckten. Da ich wusste, dass meine Mama chinesisches Essen liebte und ich sie für unser Gespräch in gute Stimmung versetzen wollte, frei nach dem Motto captatio bene valentiae, hielt ich bei Panda- Express an.

    »Voospaise? Lais oda Nudaln?«, fragte mich der chinesische Angestellte. »Frühlingsrollen, bitte. Reis und einmal Hühnchencurry«, bestellte ich.

    *

    Im Santa Clara Drive angekommen fuhr ich durch die Einfahrt, an der zwei weiße Löwenstatuen standen, und parkte dort. Bevor ich hochging, pflückte ich Blumen und deckte schon mal den Tisch. Als ich in mein Zimmer kam, erwartete Mr. Duddle mich bereits. Er legte den Kopf schief, irgendwie schien ihm aufzufallen, dass mit mir etwas nicht stimmte. Auch Gestern, als ich mit meinen Wunden zu ihm kam, hatte er besorgt ausgesehen. Ich hatte noch ein bisschen Zeit bis zum Abendessen, deshalb schaute ich noch mal ins Bad, um mein Make-up zur Schrammenüberdeckung, zu erneuern. Der Einkauf und das Autofahren hatte mich etwas geschwächt, weshalb ich beschloss, ein Bad zu nehmen. Den Vogel nahm ich mit und setzte ihn auf die Toilettenschüssel, um die Befragung meiner Mutter durchzuspielen. Wenn sie wüsste, was gestern passiert war, würde sie mich wahrscheinlich nie wieder rauslassen. Die Badewanne füllte ich mit Lavendelduft und extra viel Schaum. Ich ließ mich in die Wanne sinken. Die Wärme tat meinem Körper gut, denn obwohl es draußen warm war, hatte meine Mum das Haus mit der Klimaanlage sehr stark gekühlt. »Na, wie findest du das: Mama wir müssen reden... Nein, das klingt zu dramatisch, oder? Mum ich hab eine Frage …. Ja, das klingt gut.«

    Was machst du so? , kam eine Nachricht von Kevin.

    Ich bade gerade, und du?

    Ich bin gerade im Fitnessstudio. Schickst du mir ein Foto ;) schrieb er mit grinse Smiley

    Nur, wenn du mir auch eins schickst =)

    Tatsächlich schickte er mir ein Foto von ihm, mit nacktem Oberkörper. Jetzt war ich dran. Ich schickte ihm ein Selfie mit Mr. Duddle. Sofort kam eine Antwort von ihm.

    Jetzt beneide ich den Vogel total, erklärte er mir.

    »Jessi, ich bestell Pizza, willst du auch eine?«, fragte meine Mutter durch die Tür hindurch. »Nein, Mama. Ich hab dir was vom Chinesen mitgebracht. Geh schon mal runter, das Essen steht im Kühlschrank. Ich komm gleich nach!«, rief ich ihr zu.

    Ich hüpfte aus der Badewanne, schlüpfte in den lila Seidenkimono und lief zu meiner Mutter. »Schätzchen, das ist ja so lieb von dir«, sagte sie. »Du hast ja sogar an Blumen gedacht!«, stellte sie erfreut fest. Nachdem wir beide gegessen hatten und wir uns noch ein Eis gönnten, sah ich meine Chance. »Mum, eine Frage« »Ja« »Kennst du eigentlich Joshua Lockwood?«, ging ich gleich aufs Ganze. Sie erstarrte in ihrer Bewegung etwas zu trinken. »Warum willst du das wissen?«, fragt sie. »Ich mein bloß….weil er Dad doch beschuldigt seinen Sohn entführt zu haben«, tastete ich mich weiter vor. Katy schaute mich entgeistert an: »Und du glaubst das oder was?! Wie kommst du überhaupt darauf, das ist jetzt schon fünf Jahre her.« »Versuch nicht von meiner Frage abzulenken, Mama!«, erwiderte ich etwas heftiger als beabsichtigt. Die Augen meiner Mutter wurden glasig. Das war das Problem, immer wenn ich etwas lauter oder ein wenig wütend wurde, weil sie mir auswich, fing sie an zu weinen. »Jessica, warum bohrst du immer in der Vergangenheit nach? Dein Vater weilt nicht mehr unter uns und jetzt fängst du an zu glauben, er wäre ein schlechter Mensch! Schon die Römer haben gesagt: De mortuis nihil nisi bene. Über die Toten wird nichts gesagt, wenn es nicht gut ist«, ihre Stimme brach. »Es reicht! Mum reiß dich zusammen! Was ist passiert!«, schrie ich sie wutentbrannt an. Katy fing an zu weinen, wandte sich von mir ab und ging in ihr Zimmer. Manchmal fragte ich mich, ob wir überhaupt verwandt waren. Sie hatte blonde, ich brünette Haare, sie hatte blaue und ich grüne Augen. Auch unser Charakter war grundverschieden, sie versuchte immer allem auszuweichen, vor allem wenn es unangenehm wurde, und ich stellte mich diesen Sachen. Sie war leise, ich war auch nicht unbedingt laut, nur wenn ich wütend war. Und das war ich jetzt. Auch ich stapfte in mein Zimmer, nachdem ich das Geschirr in die Spülmaschine geräumt hatte. Dann gab ich meinem Haustier seine Körner, Würmer und die Medizin. Ich zog mir meinen Schlafanzug an, der aus einer gelben Stoffhotpants und einem rosa Shirt bestand, und warf mich auf mein Bett. Es stand in einer der Ecken, auf einem vanille-weißen Teppich, der auf meinem dunkelbraunen Holzboden lag. Ich suchte den Laptop, der unter meinem Bett versteckt war, lotste den Vogel auf mein Bett und machte Netflix an. »Wir schauen Shadowhunters«, erklärte ich dem Eichelhäher. Nach drei Folgen vielen mir die Augen zu.

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    Kapitel 7

    Ein Pfeifen weckte mich auf. Als ich verschlafen die Augen öffnete, starrten mich zwei schwarze Äuglein an. »Ahhh!« Sofort richtete ich mich auf: »Du kannst mich doch nicht so erschrecken, Duddle. Beobachtest du mich etwa beim Schlafen?« Der Vogel zwitscherte noch mal, was mir ein Lächeln entlockte. Ein Eichelhäher, der mir beim Schlafen zu schaute? Wie verrückt war das denn? Ich schaute auf den Wecker, der auf meinem kleinen Nachtisch stand. Die leuchtenden Zahlen zeigten neun Uhr an. Meine Mum würde wahrscheinlich immer noch sauer auf mich sein, deshalb entschied ich, ihr einen guten Kaffee von Starbucks zu holen. Ich schlüpfte schnell in eine graue Jogginghose und zog mir ein blaues Langarmshirt über. Noch bevor ich die Treppen runter sausen konnte, rief meine Mutter nach mir: »Jessica, du hast Besuch, komm sofort herunter!« Oh, oh, dieser Ton hieß nichts Gutes, sie war also noch RICHTIG sauer auf mich. Wer wohl um diese Uhrzeit schon was von mir wollte, eigentlich hatte ich niemanden erwartet. Vielleicht war es ja Lena, mit der ich eine Physik Präsentation halten musste. Doch schon als ich die ersten Stufen hinuntereilte, erkannte ich die Stimme. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Flynn. Ich bin Kevin«, stellte er sich meiner Mutter vor. »Kevin?«, fragte sie skeptisch. Kevin wirkte ein wenig überfordert, bei so viel Unfreundlichkeit von meiner Mama. Katy hatte ihn nicht mal reingebeten. Insgesamt stand sie gerade neben sich. Sie trug einen Bademantel, rosa Pantoffeln, ihre Haare sahen aus, als ob ein Vogel in ihnen geniestet hatte (Wo der doch bei mir war ). Und dann ihre Augenringe, peinlicher ging es ja nicht. »Ja Mum, das ist Kevin. Du erinnerst dich? Ich habe ihm letztes Jahr Nachhilfe gegeben«, half ich ihm. »Mhhff«, stieß sie hervor. Da sie nicht vorhatte, uns ein wenig Privatsphäre zu gönnen, fragte ich ihn einfach: »Ähhm ja…..was machst du denn schon hier? Willst du reinkommen?« »Nein Danke, ich dachte, wir könnten zusammen an den Strand fahren und schwimmen gehen«, erklärte er. »Jessica hat noch nicht mal gefrühstückt«, motze meine Mum ihn an. »Bitte! Er ist ein Freund, außerdem hat er dir gar nichts getan. Von mir aus lass alles an mir aus aber nicht an ihm!«, zischte ich ihr energisch zu. »Das macht auch gar nichts. Ich hab hier nämlich Croissants und Kakao«, sagte er und holte eine Papiertüte hinter seinem Rücken hervor. Ich lächelte: »Bin gleich da. Muss nur noch meine Sachen holen.« Ich rannte so schnell in mein Zimmer, wie ich nur konnte, um ihn nicht unnötig mit meiner Mutter allein zu lassen. Wenn sie beleidigt war, war sie unausstehlich. Ich kramte in meinem Schrank nach einer Strandtasche. Die erstbeste war eine aus Stroh, mit einem Stern drauf. Dann schmiss ich wahllos Bikinis und ein Strandkleid rein. Ich lief noch ins Bad, um meine Haare zu kämmen. Daraufhin entschied ich mich dafür den blau-schwarzen Bikini schon hier anzuziehen, darüber zog ich dann doch eine kurze Hose an und ein weißes Shirt. In meiner Not schmierte ich noch Abdeckstift auf meine Schrammen. Da an meiner Schlafzimmertüren Jacken hingen, nahm ich mir noch eine luftige Regenjacke mit. Im letzten Moment erinnerte ich mich an das Tier auf meinem Bett. Ich gab ihm sein Futter.

    Ich brauche deine Hilfe, schrieb ich Kevin in meiner Not.

    Wie kann ich dir behilflich sein?

    Der Vogel muss unbedingt mit, sonst findet meine Mutter ihn noch.

    Ok.

    Du musst jetzt rau gehen und vor meinem Fenster warten.

    Schon eine Minute später stand Kevin da, wo ich ihn haben wollte. Ich packte Mr. Duddle und setzte ihn in meine Tasche. Die Tasche ließ ich dann, per Wollschnur, zu meinem Freund runter. Dann ging ich an meiner Mama vorbei, die sich aufs Sofa warf und den Fernseher einschaltete und schloss die Tür. Kevin wartete bereits vorm Auto auf mich mit der Tasche. »Vielen, vielen Dank! Wie kann ich mich dafür erkenntlich zeigen?«, fragte ich ihn glücklich. »Wie wäre es mit einem kleinen Kuss?«, schlug er verschmitzt offen vor. Sollte ich? Ich ging auf ihn zu und drückte meinen Lippen auf seine. Zuerst war es ein ruhiger Kuss aber dann wurde er fordernder. Ich löste mich lächelnd langsam von ihm. »Du wolltest einen kleinen Kuss«, neckte ich ihn lächelnd. Er verzog das Gesicht zu einer Schnute: »Kann ich das im Nachhinein ändern?«, fragte er. »Nein« »Mist«, er tat gespielt betreten. Ich hüpfte um ihn herum ins Auto. »Kommst du? Ich dachte wir wollten schwimmen gehen. Außerdem hast du mir Frühstück versprochen« »Ich bin schon da«, er stieg in den Ferrari und überreichte mir die Tüte. Ich gab ihm als Belohnung ein Küsschen auf die Wange, das ihn lächeln ließ.

    *

    Weil es noch so

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