Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Kasdeya
Kasdeya
Kasdeya
eBook350 Seiten4 Stunden

Kasdeya

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Mit dem Geschäft übernimmt die neue Besitzerin nicht nur das Objekt und das Angebot, sondern auch gleich die Stammkundschaft. Doch noch etwas bekommt sie dazu. Etwas, mit dem sie nicht gerechnet hat und das sie nicht in den Griff zu bekommen scheint.

Aber wer – oder was – ist Kasdeya? Fluch oder Bedrohung?
Freund oder Feind? Oder einfach nur das Böse selbst?

Sarah ist hin und hergerissen zwischen zwei Welten, versucht zu verstehen, dass es mehr als fünf Sinne gibt. Neben all dem Neuen was über sie hereinbricht, tauchen immer wieder neue Fragen auf und jede gefundene Antwort bringt mehr Unglaubliches zum Vorschein.

Gibt es Parallelwelten und können wir Kontakt zu diesen aufnehmen? Wenn man bedenkt, dass der Mensch nur 5 Prozent seines Potentials ausschöpft, so kann es Dinge zwischen Himmel und Erde geben,
die wir uns nicht erklären können. Aus quantenphysischer Sicht ist alles Energie.

Wieso sollten Gedanken nicht in Frequenzen schwingen können, die jeder Mensch hören kann?
SpracheDeutsch
HerausgeberKarina Verlag
Erscheinungsdatum25. März 2019
ISBN9783965445062
Kasdeya

Ähnlich wie Kasdeya

Ähnliche E-Books

Literaturkritik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Kasdeya

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Kasdeya - Heike Altpeter

    Wien

    Teil 1, Die Erbschaft

    Kapitel 1 – Meine leibliche Mutter

    Vom Läuten der Klingel wurde ich wach.

    „Nanu, was war das? Schlaftrunken musste ich mich erst einmal sammeln. „Die Haustür! Ein Blitzgedanke. Etwas in meinem Bauch sagte mir, dass etwas auf mich zukommt, was mir vielleicht nicht gefällt. Diese Empfindungen hatte ich seit längerer Zeit öfter schon mal verspürt.

    So zum Beispiel, als mein Auto vor ein paar Monaten mitten im Nirgendwo den Geist aufgab, da hatte ich kurz vorher dieses Gefühl im Bauch.

    Und, als ich vom Unfall meiner Eltern gehört hatte, davor auch.

    Als an meiner Waschmaschine der Schlauch geplatzt war, eigentlich wusste ich es schon vorher und bin nach Hause gefahren. Ich kam gerade noch rechtzeitig, und der Wasserschaden war zum Glück mit einmal Durchwischen behoben. Heute hatte ich es wieder! 

    Ich ging zur Tür und öffnete.

    „Hallo Sarah, hast du geschlafen? Um diese Zeit? Mit Blick auf seine Uhr stellte er fest: „Wir haben elf Uhr. Ein bisschen früh, für ein Mittagsschläfchen. Martin, unser Postbote, stand breitbeinig und lächelnd vor mir.

    „Hey Martin, wieder mal auf Tour? War letzte Nacht lange wach und erst um vier Uhr eingeschlafen. Weiß auch nicht, hatte lauter wirre Gedanken im Kopf. Geht bestimmt anderen auch so? Nicht so schlimm. Hab ja im Moment Zeit, mich zu erholen."

    „Bist wohl immer noch arbeitslos. Hab´s diese Woche in meiner Stammkneipe Matze gehört. Ich habe ein Einschreiben für dich. Bitte hier unten rechts quittieren. Danke." 

    Ich unterschrieb auf dem Handcomputer und nahm das Schreiben an mich.

    „Danke! Ganz schön warm heute. Hast du vielleicht Durst? Soll ich dir ein Glas Mineralwasser holen?"

    Martin und ich kannten einander schon seit dem Kindergarten. Gemeinsam Schule, gemeinsames Abitur. Da wächst die Freundschaft.

    „Oh, ja bitte! Bin schon seit vier Stunden am Rennen. Wieder mal ganz schön was los nach dem Streik der letzten Woche. Aber gut, dass ich wenigstens noch Arbeit habe."

    Mit dem Taschentuch wischte er Schweißtropfen von seiner Stirn und lehnte sich an die etwas kühlere Hauswand im Eingang.

    Von der Küche aus hörte ich ihn reden und füllte ein Glas mit dem erfrischenden Nass.

    „Hier, zum Wohl!"

    Martin nahm dankend sein Glas und trank es in einem Zug aus. Er war ein hübscher Mann geworden. Nicht so sehr groß, dafür muskulös und gepflegt. Er hätte einen rassigen Italiener abgegeben. Mir gefiel er.

    Früher! Ja, da hatten die Kinder ihn immer gehänselt. Er war damals ein mickriger Junge mit Brille und wadenhohen orthopädischen Schuhen, davon sah man heute nichts mehr. Mir war das schon damals egal gewesen. Irgendetwas hatte mich an ihm fasziniert und tat es auch heute noch.

    „Willst du noch ein Glas, oder soll ich dir eine Flasche mitgeben?"

    „Nein, danke! Das war perfekt, sonst muss ich zu oft zur Toilette. Muss dann wieder los. Sehen wir uns diese Woche noch bei „Matze auf ein Bier? Auf dem Absatz kehrt machend, winkte er mir noch einmal zu. Dann war er weg.

    „Mal sehen! Ich denke darüber nach. Bis dann!", rief ich ihm nach und sah, wie er in der nächsten Einfahrt verschwand. Ich schloss die Tür.

    „Was das wohl für ein Schreiben ist?" Der Absender sagte mir nichts. In der Küche öffnete ich mein Schreiben mit einem spitzen Messer. Hervor kam ein handgeschriebener Brief. Vorsichtig entfaltete ich das zartrosa Papier und las:

    „Meine liebe Sarah. Du wirst dich nicht mehr an mich erinnern, dazu warst du viel zu klein, aber ich habe dich nie vergessen. Ich war die beste Freundin von Maria, die dann deine Mutter wurde. Maria und ich hatten einen Pakt geschlossen, um dich zu beschützen. Keiner sollte jemals erfahren, dass du meine leibliche Tochter bist. Es wäre damals zu gefährlich für dich gewesen, so aufzuwachsen, unter Hexen und Magiern. Mein Meister hätte dich mir weggenommen, wenn er von dir erfahren hätte und dich für seine Zwecke missbraucht. Das konnte ich nicht zulassen. Also entschlossen wir uns, dich kurz nach der Geburt bei Maria und ihrem Mann zu lassen. Ich bin dann damals ohne dich nach Kanada geflohen, um meinem Meister davonzulaufen und um dort zu praktizieren. Meine Kräfte wuchsen mit der Zeit. Mit Hilfe von guten Engeln und Schutzzaubern konnte ich mich irgendwann von diesem Mann befreien. Gott sei Dank hatte er sich nach längeren Auseinandersetzungen zurückgezogen und war plötzlich wie vom Erdboden verschwunden.

    Vor ein paar Jahren war es mir dann möglich, wieder nach Hause zu kommen. Aber mir schien es besser für dich, dass du davon nichts erfährst. Ich habe immer noch Angst um dich und hoffe, dass Kasdeya dich nie findet. Jetzt, da du den Brief in Händen hältst, erfährst du die Wahrheit. Ich gehörte zu einem geheimen, okkulten, magischen Zirkel und war damals dumm und naiv, aber sehr begabt. Mein Meister, Kasdeya, wusste das nur zu gut für seine Zwecke zu nutzen, und ich habe Dinge getan, auf die ich wahrlich nicht stolz bin. Keine Angst! Ich habe niemanden umgebracht. Nur ein paar sehr wirkungsvolle Rituale angewandt. Ja, du hörst richtig. Im Mittelalter hätte man mich sehr wahrscheinlich als Hexe verbrannt.

    Nein, Spaß beiseite. Als meine Tochter hast du meine Fähigkeiten geerbt, da bin ich mir ganz sicher! Früher oder später wirst du sie erkennen und lernen, damit umzugehen. Nutze sie mit Verstand und lass dich nicht zum Bösen verleiten. Der Grat ist sehr schmal. Ich habe gerade so die Kurve gekriegt und in der Fröschengasse am St. Johanner Markt, ganz in deiner Nähe, einen Esoterik- und Literaturladen eröffnet. Vielleicht bist du ja mal daran interessiert vorbeigekommen?

    Es tut mir sehr leid, dass ich niemals Kontakt mit dir aufgenommen habe, aber es war besser so für dich. Die Gefahr ist vielleicht nie ganz vorbei. Jetzt bist du aber erwachsen und gefestigt. Jetzt ist die Zeit gekommen, dich mit deinen Fähigkeiten auseinanderzusetzen. Um dir den Weg zu erleichtern, gebe ich dir das einzige, was ich habe. Nimm den Schlüssel und lerne. Notariell habe ich alles veranlasst. Sobald ich tot bin, wirst du von Dr. Theobald Nikolaus informiert. Sei nicht traurig! Ich werde immer bei dir sein, auch über den Tod hinaus. Verlass dich auf deine Gefühle. Es war so das Beste für dich. Ich habe dich immer geliebt.

    Deine Mutter Regina."

    Mein Herz setzte für einen Moment aus. So fühlte es sich jedenfalls an. Mein Leben war eine Lüge? Meine Mutter nicht meine Mutter? Und wer war dann mein leiblicher Vater? Plötzlich bekam alles einen Sinn.

    Immer schon, seit ich denken kann, kam ich mir seltsam vor. Immer dachte ich, nicht in diese Familie zu gehören. Ich war ein sehr stilles Kind mit vielen Macken, was sich bis heute nicht geändert hat. Wenn wir früher außer Haus waren und zurückkamen, schaute ich immer zuerst hinter die Türen und unters Bett. Sogar den Kleiderschrank öffnete ich, um auszuschließen, dass Räuber sich versteckt hatten. Genau das tat ich heute immer noch. Bescheuert, ich weiß, aber mach was dran! Oft hatte ich das Gefühl, es wäre noch jemand mit mir im selben Raum. Aber ich war alleine! Wenn Mutter mich in den Keller schickte, sang ich vom Öffnen der Tür, bis ich wieder nach oben kam. Warum? Keine Erklärung. Und jetzt das! Was sollte ich tun?

    Meine Eltern konnte ich nicht mehr fragen. Sie waren bei einem Autounfall vor zwei Jahren ums Leben gekommen. Ich hatte es schon gewusst, bevor die Polizei vor der Tür stand. Nahm es aber nicht wahr. Auch das ergab jetzt einen Sinn, wenn auch einen unglaublichen.

    Die Gedanken überforderten meinen Verstand, und ich musste mich erst einmal setzen.

    Eine gefühlte Ewigkeit später war ich wieder in der Lage, klar zu denken. Gedanklich ging ich den Brief noch mal durch. Regina hatte geschrieben: „Nimm den Schlüssel!" Welchen Schlüssel?

    Das Kuvert immer noch krampfhaft in der Hand haltend, tastete ich es ab.

    Da war noch etwas drin!

    Ein relativ normaler Schlüssel machte mich neugierig. Das einzige sonderbare daran war ein kleines Symbol am oberen, dickeren Rand. Ich holte eine Lupe.

    Das Symbol stellte eine fünfseitige Raute mit einem Kreis in der Mitte dar. In diesem Kreis befand sich ein kleines Dreieck. So was hatte ich bisher noch nicht gesehen. Egal! Zuerst wollte ich sehen, wozu er passte. Ein Schlüssel hieß aber doch auch, ich durfte etwas aufschließen. Gehörte mir jetzt der Esoterikladen? Diese Neugierde überdeckte meine vielen Fragen. Kurzentschlossen schnappte ich mir meine Handtasche, den Autoschlüssel und den Brief. Die Fröschengasse war mir ein Begriff. Jeder Saarbrücker kannte sie. Ein kleines Seitensträßchen am St. Johanner Markt. Kleidergeschäfte, Schuhgeschäfte und Kneipen. Ich war gespannt. Den Esoterikladen fand ich am Ende der Gasse, Nr. 513. „Esoterik und Literatur", stand groß über der Eingangstür. Ich zückte meinen Schlüssel. Er passte! 

    „Hallo! Ist jemand zu Hause?"

    Zaghaft betrat ich den Laden. Ein Geruch von Lavendel, Zitrone, Weihrauch, Rosmarin und Nelke reizte meine empfindliche Nase. Ich musste niesen. Es kam keine Antwort, und so schloss ich die Tür hinter mir. Das von draußen einfallende Licht reichte aus, um das Inventar zu begutachten. Eine lange Theke mit Kasse und Glasauslage. Darin und rundherum Dolche, Kelche, Kerzen, Pendel, Tensoren. Ein Gewürzregal mit schönen handbemalten Tiegeln. Ein Regal mit Edelsteinen, Moqui Marbles (ich hatte auch solche zu Hause). Drusen und Tarot-Karten. Bretter mit Buchstaben und Zahlen. Öle. Ein Bereich mit Sitzecke und Bücherregalen, die unterteilt waren in: Zauber, Magie, Heilkunst, Kräuter, Sagen, Esoterik, okkult, Astrologie und vieles mehr. Ich konnte gar nicht alles fassen, was ich sah. Es wirkte schauerlich und zugleich beruhigend. Eine Mischung aus Hexenladen und Bücherei. Ich hatte den beklemmenden Eindruck, nicht alleine zu sein und rief vorsichtshalber noch einmal: „Hallo! Ist hier noch jemand? Ich bin Sarah und habe einen Schlüssel. Hallo!" Keine Reaktion. Ich war scheinbar doch allein!

    Das Erklingen eines Windspiels ließ mich erschrocken herumfahren.

    „Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht erschrecken. Hab sie von der Straße aus gesehen und die Gelegenheit genutzt. Ich hätte gerne eine Heilkerze." Freundlich verharrte ein Herr vor der Theke.

    Was sollte ich tun? Meine Augen suchten das Regal mit den Kerzen nach dem Gewünschten ab. „Eine Heilkerze. Heilkerze, wo bist du?" Im Geist formte ich wie selbstverständlich diese Worte. Ich suchte noch einmal das Regal ab. Oben rechts lugte eine lila Kerze etwas mehr aus dem Regal hervor als alle anderen. Sonderbar! War mir eben nicht aufgefallen. Ich griff nach ihr und las das Etikett:

    „Heilung – Harmonie & Gleichgewicht. Bestandteile: Nelke, Muskatnuss, Zitroneneisenkraut, Mohnsamen, Zeder, Wacholder, Geißblatt."

    Sie roch verführerisch. Ein separates Preisschild zeigte 16,00 Euro.

    „Meinten Sie so eine?", fragend sah ich den Fremden an.

    „Der Laden hat dich verhext", war so eine blödsinnige geistige Eingabe von mir.

    „Ja, genau. War schon vor einem halben Jahr hier, da hat mich aber eine ältere Frau bedient. Ihre Mutter, wie ich vermute." Dieser gutaussehende Herr lächelte mir geheimnisvoll zu.

    Du spinnst. Den kennst du doch überhaupt nicht und wieso geheimnisvoll? Was war auf einmal los mit mir? Wie kam er auf so was? Kannte er mich? Kannte er meine Mutter?

    Ich legte die Kerze an der Kasse bereit und ging hinter den Tresen. „Das macht 16,00 Euro, bitte. Eigenartig! Wie selbstverständlich bediente ich, als hätte ich nie etwas anderes getan. Der Herr zahlte, nahm seine Kerze und verabschiedete sich. „Danke und viel Erfolg.

    Als er schon fast zur Tür hinaus war, überkam es mich: „Halt! Bitte warten Sie einen Moment. Sie kennen die Besitzerin?" Hastig lief ich zur Tür.

    „Ja, eigentlich schon. Ich kaufe schon seit vier Jahren hier ein. Sie ist doch Ihre Mutter? Sie sehen ihr auf jeden Fall zum Verwechseln ähnlich. Nur eben viel jünger. Aber warum fragen Sie?" Er hatte sich zu mir umgedreht und sah mir in die Augen. Vertrauen durchströmte meinen Körper.

    „Das weiß ich nicht so genau. Ich habe heute diesen Schlüssel erhalten. Zur Bekräftigung hielt ich ihn in die Höhe. „Ich war neugierig. Sie sagen, ich gleiche ihr? Können Sie mir mehr erzählen? Einladend zeigte ich auf die Sitzecke. „Entschuldigung, wie unhöflich von mir. Sarah Pfister."

    „Angenehm, Alex Rieht."

    Wir setzten uns und schwiegen. Alex fand als erster seine Stimme wieder.

    „Sind Sie nicht die Tochter von Regina?"

    „Laut dem Brief von heute Morgen schon. Ich kenne sie aber nicht. Sie hatte mich nach der Geburt weggegeben. Ich begreife das selbst noch nicht." Mein anschließendes Schweigen musste erdrückend wirken. Alex richtete sich im Sessel auf und sah mich an.

    „Ja, das sieht man gleich. Sie sind ihre Tochter. Ich erinnere mich. Sie hat mir einmal von einem Kind erzählt und gesagt, es sei bei ihrer Freundin besser aufgehoben. Aber sie hat auch erzählt, dass sie ihre Tochter sehr vermisst und dass sie einmal das Geschäft erben sollte. Wissen Sie, Regina war in letzter Zeit nicht mehr so gesund. Sie litt an Gelenkschmerzen und gelegentlichen Ohnmachtsanfällen." Jetzt lehnte er sich wieder entspannt zurück.

    „Oh!", war alles, was mir dazu einfiel.

    „Ist ein schönes Geschäft, das Sie da geerbt haben. Finden Sie nicht? Für Alex musste es klar sein, dass Regina verstorben war. Die Spannung löste sich allmählich, und wir kamen ins Gespräch. Alex erzählte mir alles von meiner Mutter, was er wusste. Sie war fünfundsechzig Jahre alt geworden und sah genauso aus wie ich. Klein, zierlich mit langen schwarzen Haaren und grünen Katzenaugen, wie er sagte. Dabei lächelte er liebevoll. Mir kam so ein Gedanke: „Ob er verliebt in meine Mutter war? Nein, dafür war er doch zu jung wie mir schien. Sie habe gerne gelacht und ihr Esoterik-Wissen sei enorm gewesen. Er schwärmte von ihrem Können und zeigte mir Bücher, die sie ihm empfohlen hatte. Weiter sprach er von Leseabenden und spiritistischen Abenden mit Gläserrücken. „Sie hatte immer ein passendes Kraut gegen meine Wehwehchen, und sie war präsent. So wie Sie." Wieder schenkte er mir einen bewundernden Blick aus seinen wasserblauen Augen.

    „Ein netter Mann", schoss es mir durch den Kopf.

    „So. Ich muss dann mal wieder. Es war nett, sich mit Ihnen zu unterhalten. Wir können das ja gelegentlich mal wiederholen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Geschäft und schön, dass es wieder eine Besitzerin gibt." Damit verabschiedete sich Alex, und das Windspiel tönte. Ich war wieder allein. Allein mit mir und dem Geschäft.

    Meinem Geschäft?

    Endlich wieder ein Lichtblick am Horizont.

    Kapitel 2 –  Mein Erbe

    Erst ein paar Tage später begriff ich die Situation erst richtig. Ich war in Kürze nicht mehr arbeitslos. Was ich noch nicht wusste, war, wie es weiter gehen sollte. Wann war meine „Mutter" verstorben? Wo war sie beerdigt? Ich nahm mir vor, bei nächster Gelegenheit, Alex danach zu fragen. Er wusste es vielleicht.

    Fürs Erste musste ich zu Dr. Nikolaus, dem Notar. Zwei Tage zuvor hatte ich von seinem Büro eine Einladung zur Testamentseröffnung erhalten. Heute war es soweit! Ich beeilte mich, um rechtzeitig im Notariat zu sein.

    Außer mir waren auch Alex und eine mir unbekannte jüngere Frau in dem Amtszimmer erschienen. Wir standen alle ein wenig verloren vor dem ovalen schweren Holztisch mit den acht geschnitzten Holzstühlen, die mitten im Raum platziert waren. Kurze Zeit später betrat ein kleiner rundlicher Herr mit einem Aktenkoffer würdevoll den Raum und nahm am Tischende, uns gegenüber, seinen Platz ein.

    „Meine Damen, mein Herr, nehmen Sie bitte Platz." Dr. Nikolaus war ein gesetzter älterer Herr mit Bauch, Glatze und kleinen lustigen Augen. Keine wirkliche Schönheit, trotzdem mit viel Ausstrahlung und Charme. Er verlas das Testament:

    „Wir haben uns heute, Dienstag, den 26. Mai 2015, hier eingefunden zur Eröffnung des Testaments von Frau Regina Scholz, verstorben am 12. Mai in Saarbrücken. Er sah von einem zum anderen und schien uns zu taxieren. „Frau Scholz hat das Testament selbst verfasst. Ich verlese ihren letzten Willen wie folgt: dabei zog er hörbar die Luft ein und rückte seine Brille zurecht.

    „Mein langjähriger Kunde und Freund, Alexander Rieht, erhält als Erinnerung an mich aus meinem Geschäft das Buch „Das Gedächtnis der Natur von Rupert Sheldrake. Ich hoffe, dir damit ein weiteres Stück meines Wissens zu eröffnen. Vergiss mich nicht und kümmere dich ab und zu um meine Tochter Sarah. Sie wird dich brauchen und dich schätzen lernen.

    Der Notar griff eines der Päckchen und reichte es über den Tisch.

    „Vielen Dank." Alex griff danach.

    Dr. Nikolaus räusperte sich und putzte weithin hörbar seine Nase:

    „Meine liebe Tochter Sarah, hiermit überschreibe ich dir meinen Esoterik- und Literaturladen sowie meinen gesamten Besitz. Ich hoffe, dir damit ein Stück von mir näher zu bringen und deine erwachenden Fähigkeiten zu fördern. Ich liebe dich über alles und wünsche dir ein gutes Leben. Zum Schutz stelle ich dir den Engel Michael, er schützt dich vor negativen Energien, und den Engel Jophiel, er gibt dir Geduld, Weisheit, Mut und innere Kraft, zur Seite. Des Weiteren verfüge ich, dass Sabine Neu, meine geschätzte Angestellte, weiterhin bei dir beschäftigt werden muss. Sie kennt den Laden von Grund auf und wird dich unterstützen, so wie sie mich unterstützt hat. Mein Kind, ich werde immer bei dir sein. Denk daran. Du wirst mich erkennen, wenn es soweit ist."

    Zu mir gewandt sprach Dr. Nikolaus: „Frau Pfister, Sie kommen nachher bitte noch zu mir, um die Formalitäten zu erledigen." Mir standen zum ersten Mal Tränen in den Augen, und ich wischte sie verstohlen weg.

    … „Und nun zu dir, liebe Sabine. Ich danke dir für deine uneingeschränkte Hilfe. Du warst ein wichtiger Bestandteil in meinem Leben. Ich habe dir alles, was du wissen musst, vermittelt und hoffe, du hilfst meiner Tochter auf ihrem Weg. Ich verlasse mich auf dich. Als Erinnerung erhältst du ein Amulett. Es schützt dich vor Schaden, Krankheit und verhilft dir zur Entscheidungskraft und Ausdauer. Von Dr. Nikolaus werden dir, nach der Testamentseröffnung, fünftausend Euro auf dein Konto überwiesen. Nutze sie klug."

    Wieder reichte der Notar ein Päckchen über den Tisch.

    „Danke!", erklang eine feine melodische Stimme. Mir schenkte Sabine ein strahlendes Lächeln. Dr. Nikolaus räusperte sich erneut:

    „Zum Schluss wünsche ich mir, dass ihr alle meine Wünsche erfüllt und zusammen haltet. Ganz gleich, was euch widerfährt. Das ist mein letzter Wille. Gezeichnet: Regina Scholz, Saarbrücken, den 01.03.2015. Gegengezeichnet und beurkundet: Notar Dr. Theobald Nikolaus, Saarbrücken, den 01.03.2015."

    „Die Eröffnung ist nun verkündet und geschlossen. Treten Sie bitte nacheinander zur Unterzeichnung vor."

    Befriedigt schloss Notar Nikolaus die Akte und schaute wieder prüfend in die Runde. Wir erhoben uns. Alex unterschrieb gerührt das vorliegende Dokument. Dann Sabine. Mir den Stift reichend, rückte sie zur Seite.

    Sabine war eine etwa dreißigjährige, junge blonde Frau. Leicht korpulent mit auffallend zarter Stimme. „Hier für Sie. Das ist meine Telefonnummer. Wenn Sie mögen, können wir später telefonieren. Sie sagen mir dann, wann ich wieder zur Arbeit kommen darf. Schön, Sie endlich kennen zu lernen. Bis demnächst." Freundlich reichte sie mir die Hand zum Abschied.

    „Danke. Ich melde mich, wenn es so weit ist. Die Telefonnummer steckte ich in meine Tasche. Meine Aufmerksamkeit gehörte jetzt Dr. Nikolaus. In meinem Ohr hallten immer noch die verlesenen Worte meiner Mutter: „… sowie meinen gesamten Besitz. Was kam da noch auf mich zu? Das Gefühl in meinem Bauch machte mich unsicher. Eine gute Stunde später stand ich wieder auf der Straße. Um ein Haus, ein Geschäft und viele ungeklärte Fragen reicher.

    Ich konnte es nicht glauben. Ich kannte meine leibliche Mutter nur vom Erzählen und dem seltsamen Brief, und jetzt hatte ich ein Stück von ihrem Leben erhalten. Stolz und zugleich traurig? Was sollte ich jetzt anfangen? Bis hierhin musste ich erst mal verdauen, und dann würde ich weiter sehen. Mit Unterlagen, Bildern und einer Testamentsabschrift ging ich nach Hause. Meine Wohnung erschien mir heute seltsam kalt und leer.

    Ich brauchte Gesellschaft, wollte nicht alleine sein. Sollte ich Martin anrufen? Dann fiel mir aber ein, dass heute Männerabend war. Ich würde ihm auf den Anrufbeantworter sprechen, um ihm meine Neuigkeiten und die Adresse des Hauses, das ich geerbt hatte, mitzuteilen. Ich schlug den kommenden Samstagabend als möglichen Treffpunkt vor und sagte, dass ich mich wieder melden werde. Danach köpfte ich eine gute Flasche Wein und schaltete den Fernseher ein, um meinen Verstand zu betäuben.

    Für den folgenden Samstag war eine Ortsbegehung für das geerbte Haus ausgemacht. Bis dahin hatte ich Zeit, auch noch einen Gewerbeschein für mich zu beantragen. Was sein musste, das musste sein!

    Die folgenden Tage verbrachte ich mit Behördengängen und Lesen. Schließlich musste ich doch etwas Ahnung vom Geschäft haben. Das Einlesen fiel mir nicht besonders schwer. Lesen war Gott sei Dank ein Hobby von mir. „Wenn man schon keine Freunde hat, sollte man wenigstens lesen, hatte meine Mutter als Kind zu mir gesagt. Mitten in diesem Gedanken stutzte ich. „Maria war ja gar nicht meine Mutter? Wann ist man eine Mutter? Wenn man ein Kind geboren hat, so wie Regina, oder wenn man eines großgezogen hat, so wie Maria? Was für ein Mist! Sollten sich doch andere darüber den Kopf zerbrechen. Für mich war Maria meine Mutter und würde es auch bis in alle Ewigkeit bleiben.

    „Richtig so mein Kind", schoss es durch meinen verwirrten Kopf.

    Ich las Bücher über Kräuterkunde als Heilmittel und Esoterik. Einige Kräuter kannte ich sowieso schon, und wozu das eine oder andere gebraucht wurde würde ich wohl von Sabine lernen. Bisher hatte ich gedacht,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1