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Der Befund: Wer fragen kann, ist klar im Vorteil
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eBook222 Seiten3 Stunden

Der Befund: Wer fragen kann, ist klar im Vorteil

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Über dieses E-Book

Diese Geschichte ist eine wahre, tragische, aber auch erstaunliche Krankengeschichte, die Mut machen soll. Sie wurde von mir deshalb aufgeschrieben, weil so viele unvorhersehbare Komplikationen eintraten und ich Menschen kennenlernte, denen es gesundheitlich auch nicht gut ging, sich aber als die wertvollsten Begleiter in der Not erwiesen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. Apr. 2017
ISBN9783742791313
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    Buchvorschau

    Der Befund - Sid Hardt

    Vorwort

    Diese Geschichte ist eine wahre, tragische, aber auch erstaunliche Krankengeschichte. Sie wurde von mir deshalb aufgeschrieben, weil so viele unvorhersehbare Komplikationen eintraten und ich Menschen kennenlernte, denen es gesundheitlich auch nicht gut ging. Sie erwiesen sich als die wertvollsten Menschen in der Not, waren einfühlsam, hilfsbereit und für eine Freundschaft geradezu prädestiniert.

    Als ich zur OP bereit war, ging ich mit der festen Absicht, nichts aufzeichnen zu wollen, weil ich Vertrauen und danach schnell alles vergessen wollte. Meine Geschichte war also nicht vorsätzlich geplant. Als ich dann, im Sommer 2012, diesen abschließenden Befund bekam, sah ich keine andere Möglichkeit, als mir den Druck von der Seele zu schreiben. Ob jemand, der dieses Buch liest, am Ende versteht, warum ich trotz allem mein Leben plötzlich lebenswert und viel zu kurz empfinde, kann ich nicht beurteilen. Es liest sich, so meine Hoffnung, über weite Strecken unterhaltsam und nicht wie das Aufstöhnen einer alten, leidenden Frau. In diesem Buch könnte der Interessierte Rat finden, für ähnliche Situationen, so dass er es besser machen könnte, als ich. Und es ist ein Appell an die Politik, das Gesundheitswesen zu überdenken. Es kann wohl kaum richtig sein, operierte Menschen so schnell wie möglich in die Rehakliniken zu verfrachten, wo das Personal mit intensiver Pflege vollkommen überfordert ist. Es muss auch Einhalt geboten werden, alte Menschen automatisch als Simulanten abzustempeln. Die Achtung vor dem Alter, der notwendige Respekt ist für 50 % des Personals zur Fremdsprache geworden, was für ernsthaft Kranke zum absoluten Drama hochstilisiert wird. In der Situation sind sie nicht in der Lage, sich zur Wehr zu setzen.

    Ich möchte Mut machen, allen die Unrecht sehen, bringen Sie Ihre Stimme ein, helfen Sie Menschen, die leiden und die Niemanden vor Ort haben, der sich schützend vor sie stellt. Ist es nicht alarmierend, dass sehr, sehr viele Langzeitpatienten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen? Männer verbergen das gerne, aber auch sie tun es, um ihr Innerstes am Leben zu erhalten. Wäre die Pflege, die eigentliche Behandlung nach der Operation, verbindlicher, umfassender und einfühlsamer, könnte man auf diesen immer noch verpönten Vermerk in der Krankenakte verzichten. Ich wünsche mir, dass dieses Buch ein Schritt in die richtige Richtung sein kann.

    Dumm gelaufen - Bequeme Wege sind nicht immer die Besten!

    „Ach Blödsinn!"

    Dachte ich,

    „Warum soll ich diese umständlichen Vorbereitungen auf mich nehmen? Rollator platzieren für den Wischeimer und den Rollstuhl so positionieren, dass ich den Bodenwischer im Sitzen in jede Ecke manövrieren kann. Unnötiger Aufwand!"

    Es war Ende Februar, ich wollte meine Wohnung zum dritten Mal, nach meiner Wirbelsäulenversteifung und zwei Operationen, wischen. Die beiden vorigen Male waren mit Hilfe der genannten Gerätschaften gar nicht schwierig gewesen. Mental hatte ich lange genug Zeit gehabt, mich auf diese Situation vorzubereiten.

    ----------------------------

    So begann es:

    Anfang November des vorigen Jahres hatte ich es geschafft, in die Spezialklinik für Orthopädie zu gehen, nach furchtbaren Jahren, in denen meine Bewegungsfähigkeit immer mehr geschwunden war. Drei Jahre wusste ich definitiv, dass ich eine instabile Lendenwirbelsäule und eine Stenose hatte. Mein damaliger Hausarzt weigerte sich penetrant, die Stenose gelten zu lassen, „Nein, es ist keine!" Wie ein störrisches Kind. Er schien meine Wirbelsäule gar nicht ernst zu nehmen. Ich schloss das aus seinem Verhalten, denn er verschrieb mir zwei Medikamente, die mich nur meinen Schmerzen überließen. Er gab mir das Gefühl, ich sei zu schwach, würde mit etwas mehr Willensstärke nicht so sehr leiden. Ich musste damit arbeiten und wusste nicht, wie ich es neununddreißig Stunden die Woche ertragen könnte. Um allem gerecht zu werden, kaufte ich mir frei erhältliche Schmerztabletten.

    Dieser Zustand zog sich Jahre dahin und weil ich fünfzig Tabletten die Woche schluckte, wurde mein Leben teuer und ein Privatleben fand gar nicht mehr statt. Schlafen, Arbeiten, Arbeit, Schlafen! So sah mein Leben aus. Verschiedene Apotheker warnten mich vor regelmäßiger und hoch dosierter Einnahme. Ich wechselte zwischen allen Apotheken am Ort, wie eine Süchtige und brachte mir auch aus anderen Städten meinen Bedarf mit, weil ich mich für meine Unzulänglichkeit schämte. Ich wollte nicht als Abhängige ins Gerede kommen. Es war ein Teufelskreis, dem ich nicht mehr entkam. Mein Arzt half mir nicht, mein Leben lebenswert zu gestalten und ich selber hatte nicht die Mittel und außerdem die Kontrolle verloren. Wenn die Tabletten zur Nacht zu wenig Wirkung zeigten, goss ich zwei Whisky hinterher, obwohl es mich ekelte. Es verhalf mir schlafen zu können, aber vorsichtshalber erhöhte ich diese Dosis nie.

    Ich überlegte, ob ich mich meinem Arzt anvertrauen und Hilfe erwarten könnte. Was hätte er mit mir gemacht? Hätte er mich zur Entgiftung geschickt? Vielleicht gleich in die Geschlossene auf Entzug? Er zeigte so ein ekliges Grinsen, als er mir ins Gesicht schmetterte:

    „Ihr Rücken ist nun endgültig und chronisch, da kann man nichts mehr machen!"

    Gegen meinen Willen hatte ich heulen müssen, bitterlich, weil das Wort endgültig mir ins Gesicht schlug, wie ein Kinnhaken. Ich glaubte ihm, sah, dass ich vor meinem Ende, den Scherben meines Lebens stand. Egal was ich täte, ich käme nicht weiter, wie ein Hamster im Laufrad. Es machte mich ganz irre, so etwas denken zu müssen.

    „So geht es aber nicht weiter!"

    schrie ich ihn verzweifelt an,

    „ich kann nicht mehr! –--------- Dann will ich jetzt die OP, zu der mir der Orthopäde in Hannover geraten hat."

    Er wirkte schockiert, aber warum er so merkwürdig reagierte, konnte ich nicht nachvollziehen, denn er hatte mir doch von dieser Möglichkeit erzählt. Zehn Jahre vorher war das gar nicht machbar gewesen und das war mein letzter Wissensstand. Wir hatten einige Male über diese Möglichkeit gesprochen.

    „Sind Sie plötzlich nicht mehr dafür?......"

    Ich las in seinem Gesicht wie in einem offenen Buch.

    „Ich muss das wissen!"

    Mühsam rappelte er sich auf, es schien, als hätte er begriffen, dass mit mir kein Spaß mehr zu haben war. Keine Halbheiten mehr, ich wollte jetzt Taten sehen.

    „Achtzig Prozent der operierten Fälle haben auch hinterher Schmerzen. Ich würde mir das noch einmal gründlich überlegen! Ist ja kein kleiner Eingriff!"

    Er hatte das wohlüberlegt gesagt, immerhin ein Kommentar. Das hieß für mich, er befürwortet meinen Schritt nicht, war sogar dagegen. Im Prinzip war es erst einmal nicht so falsch von ihm, seine Bedenken zu äußern. Das verstand ich. Er sollte auch nicht alles rosarot beschreiben. Risiken gab es immer und bei allem. Was sollte ich tun? Ich fühlte mich schlicht allein gelassen mit meinem Problem.

    Es hatte mich vor kurzem indirekt meinen Arbeitsplatz gekostet. Mein Arzt hatte mich, der Schmerzen wegen, dauerkrank geschrieben. Er hatte einen präzisen Lebensplan für mich entworfen, der achtzehn Monate Krankschreibung und ein Jahr Arbeitslosigkeit vorsah. Danach hätte ich meinen dreiundsechzigsten Geburtstag und eine volle Rente in Aussicht. Für mich, mit meinen kaputten Körper, schien das die einzige Lösung zu sein. Für meine Firma war das offensichtlich untragbar. Auch wenn ich Sie eingeweiht hätte, was mit mir passierte, sie hätten nicht stillhalten wollen und vielleicht auch nicht können. Nur schade, dass ich nach zwanzig Arbeitsjahren kein Vertrauen haben konnte, das tat weh. So kurz vor der Rente suchte niemand mehr nach einer Zwischenlösung für mich. Die Arbeit war da und musste getan werden. Was waren da zwanzig Jahre voller Einsatz? Ein ganz gewöhnliches Frauenschicksal.

    Ich hatte erlebt, wie die Arbeit von kranken Kollegen auf uns andere verteilt wurde, auch über Monate. Es war nicht einfach gewesen, aber doch machbar. Ich musste in solchen Situationen immer einspringen. Dieser Kollege kannte nicht einmal Dankbarkeit oder Wiedergutmachungs-Gedanken. Niemand von uns wäre auf die Idee gekommen, den Kranken abzuschreiben und nach Ersatz zu fragen. Ich hatte alles gegeben, wollte mich nicht an neue Kollegen gewöhnen müssen. Was man hat, gleichgültig wie gut oder schlecht, man weiß nicht, was man kriegt. In der Firma, mit dem Vorgesetzten war gar nichts einfach. Er hatte sich Frauen-quälen auf seine Fahne geschrieben. Mein schöner Traum vom Arbeitsleben wurde von ihm gewaltsam beendet. Manchmal glaubte ich, dass ich es nicht aushalten könnte, vielleicht wegen gequälter Psyche alles fallen lassen müsste. Wegen meiner körperlichen Behinderung, ausgerechnet, war mir vom Arbeitsamt Kündigungsschutz gewehrt worden. Wie das Leben so spielte.

    Das gefiel ihm sicher nicht, er wollte nur mit Männern arbeiten, warum? Ich fühlte mich minimal sicher vor seinen obskuren Machenschaften und ging meinen Weg, ohne nach rechts oder links zu sehen. Zwanzig Jahre hatte ich geschuftet, als ginge es um meine eigene Firma. Dann wurde ich krank, schrammte immer am Rollstuhl oder noch Schlimmerem vorbei, und die Chefetage ließ mich fallen, wie eine heiße Kartoffel. Ich gehörte nicht mehr zu ihnen, störte in dem leistungs-geprägten Team. Weder meine Kollegen, noch meine Mandanten vermissten mich offensichtlich. Es kümmerte sich zumindest niemand um meinen Verbleib. Das stieß mir schon bitter auf. Dreißig Kollegen hatte ich und nur drei Kolleginnen pflegten mit mir Kontakt. Das traurige Ergebnis eines erfüllten Arbeitslebens. Eine Bilanz über meine betreuten Mandanten musste ich gar nicht erst erstellen, denn selbst die Landwirtin, die ich als Freundin gesehen hatte, meldete sich nicht mehr bei mir. Wahrscheinlich war ich ihr zu anstrengend. Jeder ist ersetzbar, hieß es immer, wenn ich etwas wollte.

    Zu meinem Leid hatte mich noch der medizinische Dienst einbestellt. Ich hatte schon viel Schlechtes über deren miesen Methoden gehört. Sie schickten erbarmungslos jeden Krüppel wieder in die Arbeit. Die Untersuchende, erfolglose Chirurgin, die ich auf fünfzig schätzte, rechnete mir vor, wie mein Leben bis zur Rente zu verlaufen hatte. Dabei war ihr schon klar, dass ich die achtzehn Monate krank sein müsste, die unser System erlaubte. Sie bezog es ohne Abstriche in ihre Rechnung mit ein. Die Rente mit dreiundsechzig erklärte sie zum Ausgangspunkt, An dem Punkt waren mein Arzt und ich selber auch schon angekommen. Ich war 1949 geboren und zu 50 % schwerbehindert. Dafür gab es eine begünstigte, auslaufende Regelung. Ohne sie wäre mein Leben nicht mehr lebbar gewesen. In der Phantasie der Ärztin kam der Arbeitslosenstatus nicht vor. Sie erklärte, es fehle ein Jahr bis zu meinem Dreiundsechzigsten, also sei ich noch ein Jahr gesund genug zum Arbeiten.

    Die Krankenkasse hielt sich begeistert daran fest und stellte ihre Krankengeldzahlung schlagartig ein, trotz Wiedereingliederungsversuch. Das folgende halbe Jahr in der Firma war die schlimmste Zeit meines Lebens. Schon am Morgen wusste ich, dass ich keine zwei Stunden aufrecht bleiben, geschweige denn Präzisionsarbeit leisten könnte. Immerhin musste ich auf eine Buchführung mit abschließender Bilanz, Steuererklärungen erstellen. Ich kämpfte im wahrsten Sinne des Wortes um mein Leben, jeden langen Tag und die Tage wurden immer länger.

    ---------------------------------------

    Mein Sohn holte mich nach Hannover, dort hatte ich in der Spezialklinik einen Untersuchungstermin. Eine Ärztin und ein Arzt versicherten mir, dass die Versteifung bei mir problemlos durchführbar sei. Dort operierten sie täglich Fälle wie mich, mit Erfolg. Vor zehn Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Ein wunderbarer Fortschritt und ich würde davon profitieren. Das machte mich unendlich glücklich. Im Vorweg der OP musste ich meine Entzündung am großen Zeh operieren lassen, denn nicht einmal ein Pickelchen durfte auf meiner Haut wachsen. Das hätte die schlimmsten Infektionen hervorrufen können.

    Zuerst musste ich die Krankenkasse kündigen, der ich ein Arbeitsleben lang die Treue gehalten hatte. Sie verweigerte sich, meine vorhandene Rückenerkrankung, dank der Aussagen des MDK, anzuerkennen. Während eines schmerzhaften Bandscheibenvorfalls am Arbeitsplatz hatte ich ein Gespräch, mit einem Krankenkassen - Angestellten:

    „Mir geht es schlecht, Bandscheibenvorfall, darf ich mich krank schreiben lassen? „Natürlich, warum fragen Sie überhaupt?

    „Es gibt Menschen bei Ihnen, die behaupten, ich sei gesund. Sehen Sie bitte in Ihrem PC nach!"

    „Sie haben Recht, Sie bekämen kein Krankengeld von uns, tut mir leid!"

    Diese Krankenkasse würde es fertig bringen, dass ich meine fällige OP selber finanzieren müsste. Meine Wahl fiel auf eine weniger bekannte, aber sehr eifrige und zufriedenstellende Betriebskrankenkasse. Dann endlich konnte unser ansässiger Chirurg mit der Zeh-Operation loslegen. Ein Teil meines Nagels, mit Wurzel, musste entfernt, quasi ausgegraben werden. Weil ich ein Feigling war, musste man mich in einen kurzen Vollrausch legen. Dann dauerte die Heilung endlos. Dauernd eiterte die Wunde wieder. Die Rückenoperation wurde schnell um einen Monat verschoben, nur zu meiner Sicherheit! Als kostspielige Nebenerscheinung der Wartezeit, schlich sich die Arbeitslosigkeit ein.

    Genau einen Monat meines Lebens war ich arbeitslos gemeldet und bekam leider vom Arbeitsamt sechs Wochen Lohnfortzahlung. Wenn es wenigstens das Krankengeld gewesen wäre, schließlich war ich die ganze Zeit krank. Jeden weiteren Monat verlor ich locker dreihundert Euro, die mein Krankengeld höher gewesen wäre. Als Grundlage der Berechnung diente das Arbeitslosengeld. Da hatte ich sogar noch Glück. Was, wenn ich nur 68 % davon erhalten hätte? Das verlorene Geld tat wirklich weh, weil es so ungerecht war. Ich konnte an siebenhundert Euro Verlust monatlich, durch Krankheit, nicht einfach vorbei sehen, es tat richtig weh. Das wenige Geld, das mir zur Verfügung stand, wäre für mich ein triftiger Grund gewesen, mich selber zum Arbeiten zu zwingen, aber ich konnte wirklich nicht.

    Dann endlich war es aber so weit, mein Sohn Den holte mich am Sonntag, früh genug ab, so dass er auf der Autobahn nicht rasen musste. Das war meiner Phobie geschuldet. Stressfrei kamen wir in Hannover an und überlegten, welchen „letzten" Wunsch Den für mich realisieren könnte.

    „Eis, ein großes Schokoladeneis könnte mir gefallen, das bekomme ich bestimmt lange nicht mehr."

    Er überlegte, es war schließlich November,

    „Möchtest du unsere Katzenkinder kennenlernen? Eis haben wir in der Truhe, wenn dir das reicht."

    Natürlich wollte ich, gemütliches Eis schlecken, Gespräch mit meiner Schwiegertochter und junge Katzen, das klang sehr idyllisch. Den´s Frau war sehr liebenswürdig und die Katzenmädchen tobten um mich herum, so dass ich am liebsten geblieben wäre. Es war unmöglich, ich hatte einen wichtigen Termin.

    Auf Station sechs war kein Betrieb, das stieß mir merkwürdig auf, weil ich das von Krankenhäusern anders in Erinnerung hatte. Meine Zeiten in diesen Häusern hatte ich, nach OP´s, überwiegend nicht im Bett verbracht. Den erkundigte sich bei einer Schwester hinter Glas, nach meinem Zimmer. Mit einem innerlichen Ruck betraten wir das Zimmer in der fremden Umgebung. Zwei Frauen meines Alters sahen uns gespannt entgegen. Noch wollte ich hier nicht Wurzeln schlagen, ich musste zuerst die Station mit ihren Möglichkeiten erkunden. Die Frauen verstanden das offenbar. Ich sollte hier zwei Wochen meines Lebens verbringen, eine lange Zeit. Vielleicht durfte ich in zwei Tagen auf die Toilette gehen und wusste dann nicht, wo ich sie finden konnte, denn im Krankenzimmer gab es keine.

    Wir schlenderten den Flur auf - und abwärts, fanden die Toiletten für behinderte und normale Patienten. Die Duschen waren ebenso aufgeteilt. Alles was gehen konnte war normal und wer Hilfsmittel benötigte, war behindert, ganz einfach. Wir suchten nach einem Aufenthaltsraum und fanden ein eiskaltes Zimmer mit Tisch, Stühlen und Fernseher vor, der aber den Test nicht bestand, er flimmerte tot vor sich hin. Ein kleines Regal mit fünf nichtssagenden Büchern gab es auch. Das einzig Schöne an dem Zimmer war eindeutig der Zugang zum Balkon. Eine wunderschöne Aussicht auf einen namenlosen See, das war schon etwas. Aber wir hatten immer noch November und da gingen auch Gesunde nicht auf diesen Balkon. Gleichgültig, wie idyllisch es hier aussah, ich war nicht bereit, über Gebühr hinaus hier zu bleiben. Wie ich in diesem Raum Gesellschaft pflegen könnte, wusste ich noch nicht, aber ich war wild entschlossen, nach der OP wieder am Leben teilzunehmen.

    Wir gingen Koffer auspacken, das Wesentliche tat mein Sohn. Er kümmerte sich liebevoll um alle meine Belange, sprach mir noch einmal Mut zu, zerstreute meine Ängste und versprach, sich um mich zu kümmern. Dann mussten wir uns trennen. Ich fühlte mich wie ein ausgesetztes Waisenkind, allein und wehrlos, musste mich wirklich durchringen, an meine Bettnachbarinnen das Wort zu richten. Sie hatten mir Zeit gegeben, bedrängten mich nicht. Das wusste ich zu schätzen. Die Jüngere von beiden ging umher. Das war mir die Frage wert, ob sie schon operiert sei.

    „Ich gehe Morgen nach Hause",

    sagte sie glücklich. Auf meine Frage, welche Operation sie hinter sich hatte, antwortete sie: „Wirbelsäulenversteifung."

    „Das wird bei mir auch gemacht, wie viele Schrauben haben Sie?"

    Sie hätte acht und die Dame in der Mitte hätte zehn antwortete sie aufgeschlossen. Sie selber hätte kein Problem, aber unsere gemeinsame Bettnachbarin konnte kaum gehen und wenn, dann nur mit Hilfsmitteln.

    „Das tut mir Leid für Sie, ich werde auch zehn Schrauben bekommen. Ich beneide Sie, weil sie es schon hinter sich haben."

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