Sophie Ariele
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Über dieses E-Book
Friedrich Heinrich Karl Baron de la Motte Fouqué (Pseudonyme Pellegrin und A.L.T. Frank; geb. 12. Februar 1777 in Brandenburg an der Havel — 23. Januar 1843 in Berlin) war einer der ersten deutschen Dichter der Romantik.
Friedrich de la Motte Fouqué
Friedrich de la Motte-Fouqué was a German writer of the Romantic style. He was born at Brandenburg an der Havel, of a family of French Huguenot origin. Although not originally intended for a military career, Fouqué ultimately gave up his university studies at Halle to join the army, and he took part in the Rhine campaign of 1794. The rest of his life was devoted mainly to literary pursuits. Fouqué’s first marriage was unhappy and soon ended in divorce. His second wife, Caroline Philippine von Briest, enjoyed some reputation as a novelist in her day. After her death, Fouqué married a third time. He died in 1843, at age sixty-five, in Berlin.
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Buchvorschau
Sophie Ariele - Friedrich de la Motte Fouqué
Friedrich de la Motte Fouqué
Sophie Ariele
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Funfzehntes Kapitel.
Sechzehntes Kapitel.
Siebzehntes Kapitel.
Achtzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Ein und Zwanzigstes Kapitel.
Letztes Kapitel.
[Anhang:]
Impressum
Erstes Kapitel.
Einsam saß bei seinen Büchern und chemischen Mischungen und mannigfach wunderbaren Instrumenten, daraus sich wohl nur wenig Hochgelahrte der Arzneikunde gehörig hätten vernehmen können. Doctor Matthieu, ein berühmter Medicus zu Marseille, von welchem man glaubte, er stehe mit dem schaurig weisen Swedenborg in naher geistiger Verbindung. Ein lebhafter Briefwechsel allerdings ward zwischen dem Doctor und Swedenborg geführt, und zwar oftmal ein so überraschend schneller, daß man hätte glauben sollen, unsichtbare Boten flügelten Swedenborgs Briefe an Doctor Matthieu von Stockholm nach Marseille herüber, und trügen eben so rasch wieder Doctor Matthieu's Antworten von Marseille nach Stockholm zurück.
Ueber dergleichen Mährchen pflegte Doctor Matthieu, wenn sie ihm bisweilen zu Ohren kamen, herzlich zu lachen, und den raschen Gang der Correspondenz durch die genaue Berechnung und Beobachtung des Postenganges zu erklären, die zwischen Swedenborg und ihm einmal festgestellt sey. Oder endlich auch, wenn man sich damit durchaus nicht zufrieden geben wollte, deutete er wohl so zwischen Scherz und Ernst auf eine Taubenpost hin, welche seinen Verkehr mit dem schwedischen Magus befördre. Und gewiß: die schönsten Tauben in dem ganzen schönen Südfrankreich flogen auf Doctor Matthieu's anmuthig blühendem Meierhofe in den Vorstädten von Marseille aus und ein. —
An dem Abende jedoch, womit wir diese Geschichte beginnen, schien der gelehrte Medicus für nichts andres Sinn zu haben, als für seine ernsten und tief geheimnißreichen Studien. Selbst nicht einmal der aufsteigende Donner eines nahen Frühlingsgewitters konnte ihn aus dem tiefen Nachdenken erwecken, in welchem ihn die Cirkel, Quadrate und Triangel auf dem vor ihm liegenden Papiere befangen hielten.
Dazwischen aber seufzte er bisweilen nur kaum vernehmlich: „Sophie Ariele! — und fügte dann lächelnd, wohl beinahe lachend, hinzu: „wenn das Glück gut ist, — oder vielmehr nicht gut, — verwirft sie doch am Ende wohl den ganzen Kram, und ich habe vergeblich gemessen und gerechnet!
— ließ sich indessen durch diese zweifelnden Betrachtungen nicht abhalten, seine Arbeit eifrig fortzusetzen, und sichtlich unangenehm gestört fuhr er in die Höhe, als ein Diener ihm die Ankunft eines Fremden meldete, der um seinen ärztlichen Rath zu fragen komme. Doch hemmte dieser Nachsatz alsbald bei dem Pflichtgetreuen Manne jede fernere Aeusserung seiner Unzufriedenheit. Ja sogar verklärte sich sein edel ernstes Antlitz zu einer sehr anmuthigen Freundlichkeit, indem er dem Diener winkte, den Fremden hereinzuführen.
Eine hohe Mannesgestalt in Kriegertracht, von edler Haltung und jugendlichem Ansehen, trat in das Gemach, und Doctor Matthieu sagte nach den ersten Begrüssungen:
„Wenn mich nicht alles trügt, habe ich die Ehre, einen Schwedischen Offizier in Ihnen zu bewillkommen, und wohl gar einen Bekannten, ja gewissermaßen Abgesendeten meines Freundes Swedenborg zu Stockholm."
„So ist es, mein Herr! entgegnete der Fremde. Ich bin der Schwedische Obrist Gustav Gyllenskiold, welchen sein Freund Swedenborg hierhergewiesen hat, um in Ihrer Nähe die Hülfe zu finden, die sein eigenes tiefes Wissen mir nicht unmittelbar zu ertheilen vermag.
—
Doctor Matthieu betrachtete seinen Gast eine Zeitlang mit nachdenklichem Schweigen. Endlich sagte er: „die Aufgabe ist schwer; beinahe einer Versuchung ähnlich! Wo Swedenborg nicht helfen konnte, soll ich helfen! Und zudem, — Ihr Aussehn, Herr Obrist, zeugt von der blühendsten Gesundheit. Was möchte da zu heilen seyn? — Verböte nicht Ihr treuherziges Auge und Ihre edle Sitte jeden Verdacht, ich müßte befürchten, Sie wären hergekommen, mich durch eine spottende Vorspiegelung Ihres Krankseyns zu verhöhnen." —
Gustav Gyllenskiold fuhr zusammen, wie Jemand, der ein streng unwilliges Wort aussprechen will, und sich das im Augenblicke des Wollens selbst wieder verbietet.
Gutmüthig reichte ihm der Doctor die Hand mit den Worten:
„Ich spräche ja dergleichen nicht aus, Herr Obrist, wenn ich mir einbilden dürfte, es könne Sie in That und Wahrheit treffen. Es ist ja nur eben ein wunderliches: „Wenn," mein edler Gast. Ein Wenn, dem ich in meiner Seele fürwahr keinen Raum gönne."
Gustav Gyllenskiold hatte die freundlich dargebotne Hand ergriffen, und der Doctor setzte hinzu: „Wo ich Ihnen irgend helfen kann, Herr Obrist, — ich bin mit Freuden bereit dazu in dem ganzen Gebiete meiner Kunst. Freilich ist Ihr Uebel ohne Zweifel von großer Bedeutung. Denn wie viel der eingebildeten Kranken es auch geben mag, — ein Mann Ihresgleichen kann unmöglich unter dem Einfluß wesenloser Träume leiden." —
Da zog der junge Fremde langsam seine Hand aus der Hand des Arztes, und sagte kopfschüttelnd: „Wenn Sie zu Denen gehören, Herr Doctor, welche die Träume für etwas unbedeutendes halten, so darf ich mir leider auf Ihre Hülfe keine Rechnung machen; denn mein ganzes Unheil besteht eben in schlimmen Träumen. Wachend bin ich gesund und frisch. Aber selten, daß sich der Schlummer auf meine Augen senkt, ohne daß die gräßlichsten Traumgesichte meine Seele ängsten und empören. Bald erscheint mir dann doch ich bitte, verzeihen Sie dem Träumer, der Ihnen so viel von Ihrer Kostbaren Zeit geraubt hat, und sich doch keine Hoffnung darauf machen kann, daß Sie theilnehmend und hülfreich in seinen Zustand eingehn. Leben Sie wohl!"
Aber Doctor Matthieu bat seinen seltsamen Gast mit einnehmender Herzlichkeit, zu bleiben, und wenn auch nicht mit Vertrauen auf seine Hülfe, doch mit Zuversicht auf seine Theilnahme zu rechnen, die ihm ja schon durch den gemeinschaftlichen Freund Swedenborg gesichert sey. —
„Freilich ist es mir unerklärbar, fügte er hinzu, als Gyllenskiold, sich freundlich seinen Bitten gefügt hatte, „wie der sonst so selten irrende Weise grade unter diesen Umständen Sie zu mir bescheiden konnte. Denn eben seine und meine Ansichten über Träume bilden der einzig abweichenden Punkt auf unserer wissenschaftlichen Bahn. Obzwar ich vieles andre Geheimnißreiche in der Natur gleich ihm anerkenne und mit ernstem Ahnungsschauer verehre, sind es die Träume, welchen ich nur einen durchaus physischen Charakter beimessen kann, während unser Freund so oft darin einen psychischen Hauch anerkennt, dem er wohl gar zur göttlichen, oder doch mindestens zur geisterhaften Mittheilung erheben will. — Oder wäre es möglich, daß er jetzt seine Ansichten geändert hätte, plötzlich und gänzlich, und mir Sie, Herr Obrist, eben deswegen zusendete, um Ihnen die Bahn zur Genesung auf entgegengesetzte Weise zu eröffnen, als die bisher von ihm versuchte?
—
„Daran zweifle ich! erwiederte Gyllenskiold. „Seine Anweisung an Sie, Herr Doctor, war ganz in die geheimnißtiefste Dunkelheit seiner bisweilen so räthselhaften Worte eingehüllt, und ich würde fast meinen, mich durch ein Misverständniß getäuscht zu haben, könnte nicht dieses Blättchen von seiner Hand Sie und mich überzeugen, daß er mich durchaus hierher zu Ihnen nach Marseille weist.
—
„Unbegreiflich!" sagte der Arzt nach einigem Ueberlegen, während dessen er immer und immer wieder aus den wohlbekannten Schriftzügen die Worte las und endlich sie beinahe buchstabirte: „Heilung für Freund Gustav Gyllenskiold von seinen Traumesschrecken durch Freund Matthieu in Marseille." —
„Unbegreiflich! wiederholte er nachsinnend. „Denn ob mir vorhin vielleicht meine Eitelkeit vorspiegeln wollte, als habe sich Swedenborg unerwartet meiner Ansicht gebeugt, — ein deutlicheres Besinnen sagt mir, daß er lange nach Ihrer Abreise aus Stockholm, sehr lange nach her (denn die Posten, wenn man sie gehörig nutzt, gehn unglaublich schneller, als die Reisenden) einen Brief an mich erlassen hat, ganz des Glaubens an die Geistigkeit der Träume voll, ja, mir einen neuen Beweis für seine richtige Ansicht verheißend. Und gewiß, Herr Obrist, mit diesem Beweise meinte er Sie. Die Hauptsache jedoch ist natürlicherweise jetzt Ihre Heilung. Unser Freund muß also meine Art, ähnliche Uebel zu behandeln, wenigstens für Ihren diesmaligen Zustand insbesondre angemessen finden. Schenken Sie mir das gleiche Vertrauen, so bitte ich Sie um eine klare Mittheilung Ihres Leidens und der Art, wie es über Sie kam.
Zweites Kapitel.
Gyllenskiold, sich neben dem Arbeitstische des Arztes auf einen Lehnsessel niederlassend, sagte nach einem langen schwermuthvollem Sinnen:
„Wie mein Leiden über mich kam? — O mein Gott,