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Spitzkehre: Ein Patrick Flint Roman
Spitzkehre: Ein Patrick Flint Roman
Spitzkehre: Ein Patrick Flint Roman
eBook377 Seiten4 Stunden

Spitzkehre: Ein Patrick Flint Roman

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Über dieses E-Book

TAKEN trifft auf LONGMIRE. Als Patrick Flints Tochter während einem Urlaub in den Bergen verschwindet, hat der abenteuerlustige junge Arzt nur eine Chance, um sie zurückzubekommen.
„Das beste Buch, das ich seit langer Zeit gelesen habe!“ Kiersten Marquet, Autorin von „Reluctant Promises“, 4,7-Sterne Bewertung der Reihe.
„Eine Achterbahnfahrt von der ersten Seite bis zur letzten!“ Merry, Amazon-Leserin.
Alles, was Patrick Flint will, ist ein friedlicher Ausflug in die Berge Wyomings für seine seltenen freien Tage. Er wurde der Zweihundertjahrfeier, wütenden Familien von Patienten, der Flut von Campern, die auf Speed von den Bergen herunterkommen, und den mitternächtlichen Notdiensten, um den Stadttierarzt zu vertreten, überdrüssig. Als seine Frau Susanne sich gegen den Ausflug sperrt, gerade als sie aus der Tür liefen, es ihm überließ, allein mit seiner liebestrunkenen Teenager-Tochter Trish und seinem eifrigen-aber-halbwüchsigen Sohn Perry zu gehen, ist Patrick verletzt, aber entschlossen, trotz der Neuigkeiten, dass ein Mörder auf der anderen Seite der Berge aus der Haft geflohen ist.
Nach zwei Tagen regendurchnässtem Reiten auf Pferderücken, um zu jagen und zu fischen, bekam Patrick nichts anderes, als merkwürdige Begegnungen, nasse Socken und eine weinerliche Tochter. Als Trish also am dritten Tag darum bettelt, auf dem Zeltplatz zurückzubleiben, um zu lesen, ist Patrick insgeheim erleichtert. Währenddessen hatte Susanne in der Stadt selbst eine harte Zeit. Ein Einbruch, ein Unfall und eine Vorahnung, dass etwas bei ihrer Familie schrecklich schief läuft. Da sie ihre wachsenden Ängste nicht ignorieren kann, zieht sie die Hilfe einer Wyoming-taffen Nachbarin heran, und die zwei Frauen machen sich auf den Weg in die Berge. Als Patrick und Perry zum Lager zurückkehren, ist Trish zusammen mit den Pferden, dem Truck und dem Anhänger verschwunden. Hinweise deuten in unterschiedliche Richtungen. Ist sie mit dem Jungen davongerannt, dessen Nachricht Patrick im Lager gefunden hat? Oder wurde sie entführt, wie die Hufspuren über ihrem zerstörten Zelt nahelegen? Was auch immer es war, die Spuren führen in die Berge, nicht aus ihnen heraus. Da Hilfe zu weit entfernt ist, um es zu schaffen, bevor Trishs Spur weggespült ist, lassen Patrick und Perry sich auf einen verzweifelten Marsch in die Wildnis ein, um sie zu finden, wobei Susanne nicht weit hinter ihnen ist.
„Spitzkehre“ ist das erste Buch in der brandneuen Patrick Flint-Reihe mitreißender Krimis, einem Ableger der What Doesn't Kill You-Saga. Verfügbar digital und als Taschenbuch. Kaufe „Spitzkehre“ heute für ein Rätsel, dass deinen Puls höher schlagen lässt!
SpracheDeutsch
HerausgeberTektime
Erscheinungsdatum27. Jan. 2022
ISBN9788835434658

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    Buchvorschau

    Spitzkehre - Pamela Fagan Hutchins

    EINS

    VORWÄRTS

    Buffalo, Wyoming

    18. September 1976, 2:00 Uhr

    Patrick

    Wenn es eine Sache gab, die er bei der Arbeit als Medizinstudent in der Notaufnahme im Parkland Memorial Hospital in Dallas gelernt hatte, dann, dass nach Mitternacht nichts Gutes passierte. In der verschlafenen Stadt Buffalo, Wyoming, bekam er vielleicht keine Prostituierten mit gebrochenen Kiefern, Teenager mit Überdosen, Gangmitglieder mit Blei zwischen den Augen oder Sexabenteurer, die sich sträubten, Gerbils zu erklären, die in deren Gesäße gestopft waren, aber dennoch, wenn das Telefon um zwei Uhr morgens klingelte, wusste Patrick, dass es schlimm wäre.

    Er rollte sich herüber und stieß seine Frau an, die übertrieben unter Schichten aus Decken vergraben war, welche er selbst in der Nacht weggetreten hatte. »Susanne, ich muss raus.«

    »Sei vorsichtig.« Ihr Murmeln war auf Autopilot – dieselben Worte, die sie immer sagte – und er war sicher, dass sie nicht aus dem REM-Schlaf ausgebrochen war.

    »Susanne. Susanne

    »Was ist denn?« Sie setzte sich ruckartig auf, hatte große Augen, wilde Haare und sah im mageren Morgenlicht, das durch das Fenster hereinströmte, argwöhnisch aus. Aber trotzdem so verdammt schön. Sein Herz machte einen Salto. Dieselbe Frau, in die er verliebt war, seit er ein fünfzehnjähriger Spitzenschüler an der A&M Consolidated High School in College Station, Texas, war.

    Er berührte ihre Wange. »Alles ist okay. Ich muss ins Krankenhaus. Kannst du sicherstellen, dass alle mit Packen fertig sind, falls ich spät zurückkomme?«

    Sie sackte wieder auf ihr Kissen. »Sicher.«

    »Danke.«

    Er zog sich im Beinahe-Dunkel die Kleidung an, die er in der vorigen Nacht draußen gelassen hatte – er war immerhin der Arzt in Bereitschaft. Bevor er ging, drückte er seine Lippen auf Susannes Schläfe. Ein zufriedenes »hmm«-Geräusch unterbrach ihr leises Schnarchen. Dann ging er zügig aus dem Wohnbereich im oberen Stockwerk ins untere Stockwerk – welches in die Seite eines Hügels gebaut und hauptsächlich ein Keller war – und durch die Vordertür hinaus zu seinem auf der kreisförmigen Zufahrt geparkten Auto. Ohne Garage war es derselbe Marsch, den er ganzjährig absolvierte.

    Er bewegte sich schleichend, benutzte die Bengalfuchs-Gangtechnik, die er als Kind bei den Pfadfindern gelernt hatte: Kauere dich tief mit den Händen auf den Knien zusammen, heb den Fuß hoch an, stell die Außenseite des Fußes ab, rolle zur Innenseite und setz die Ferse ab, Zeh und Gewicht nach unten. Wiederholen. Falls ihn jemanden sehen würde, würde er sich dämlich dabei vorkommen, aber er war allein und es war eine gute Übung für seinen bevorstehenden Jagdausflug. Er ging gerade am Zimmer seiner Tochter Trish vorbei und er wollte sie ganz sicher nicht aufwecken. Herr, rette mich vor launischen Teenagern. Perry war mit erst zwölf nicht so schlimm, aber sein Tag würde kommen. Es wäre schlimm genug, wenn Patrick seine Familie um Punkt neun Uhr aufscheuchte, um sie in den Truck und den Berg hochzutreiben.

    Er schloss die Tür seines weißen Porsche 914 so leise er konnte. Letzte Nacht hatte er in Vorbereitung auf ein leises Davonkommen geparkt, hatte das Auto bergab ausgerichtet und die Feststellbremse angezogen. Jetzt löste er die Bremse und ließ den Sportwagen Fahrt aufnehmen, bis er beinahe am Ende der Zufahrt war. Während er den Achterbahn-Abstieg machte, kurbelte er die Fenster herunter. Das einzige Geräusch waren Räder auf Schotterstraße. Dann schmiss er die Kupplung ein und der Porsche erwachte röhrend zum Leben.

    Die Fahrt zum Krankenhaus benötigte gewöhnlich nur fünf Minuten, aber es waren immer fünf Minuten voll Schrecken mit weißen Knöcheln. Selbstmordgefährdete Rehe und tiefliegende Roadster waren eine tödliche Kombination und die Rehe kamen bei Abenddämmerung mit voller Gewalt heraus, terrorisierten die Straßen beinahe bis zum Tagesanbruch. Susanne hatte ihn dafür, den Porsche zu kaufen, ganz schön zusammengestaucht. Es gab nur zwei Fahrer in ihrer Familie, erinnerte sie ihn, und sie hatten bereits zwei Autos: ihren bronzefarbenen Kombi und seinen alten Truck. Es war wahrscheinlich noch nicht an der Zeit, ihr zu erzählen, dass er sein Auge auf ein Piper Super Cub Flugzeug geworfen hatte, jetzt da er seinen Pilotenschein besaß. Aber er liebte den Porsche. Und verdammt, wenn ein Mann mit neunzehn das einzige Mädchen heiratet, mit dem er je ausgegangen war, ein Kind mit zwanzig hatte und in mehreren Jobs arbeitete, während er Medizin studiert, nur um sich die Wölfe vom Leib zu halten, na ja, verdiente dieser Mann einen Porsche, sobald er sich diesen leisten konnte. Er war nicht so extravagant – er hatte das billigste Modell gekauft, das sie hatten. Aber wie bei den schickeren Modellen stand dennoch PORSCHE darauf, und das schwarze Hardtop ließ sich abnehmen, um daraus ein Cabrio zu machen. Er war stolz auf seine Sparsamkeit gewesen, bis er die Ersparnisse prompt für Sonderteile und Mechaniker ausgegeben hatte, die nur amerikanische Autos und große Trucks kannten. Als würde er seine Gedanken lesen, stotterte der Motor, als er an einer Ampel anhielt.

    »Das war’s. Dieser Scheißhaufen kommt auf den Markt.« Er murmelte die Worte vor sich hin.

    Als er zur Seite blickte, sah er einen weiteren Fahrer mit müden Augen, der ihn von der nächsten Spur aus anstarrte. Es war ein Teenager in einem Truck mit geschlossenen Fenstern.

    »Was ist los, Kumpel, hast du noch nie jemanden mit sich selbst reden sehen?« Er nickte. »Zumindest weiß ich immer, dass ich eine intelligente Antwort bekomme.«

    Die Ampel wurde grün. Patrick ließ den Motor aufheulen. Der Porsche raste vorwärts, aber der Truck schoss vor ihm davon. Der kleine Sportwagen war mehr Bellen als Beißen. Laut, aber mit ungefähr der gleichen Beschleunigung, die er in seinem alten VW Käfer hatte.

    Auf der malerischen Western Main Street mit ihren trüben Straßenlaternen fuhr Patrick unter Wimpeln der Zweihundertjahrfeier – Buffalo hatte sich das Ereignis zu Herzen genommen und sie das ganze Jahr über begangen – und ein paar Minuten später bog er in den Parkplatz ein, der für den Bereitschaftsarzt außerhalb der Notaufnahme reserviert war. Drinnen summte und blinkte ein Neonlicht, das dem kargen Raum ein Twilight-Zone-Gefühl verlieh.

    Er eilte zum Röntgentechniker, dessen Anruf ihn geweckt hatte. An den meisten Orten hätte eine diensthabende Krankenschwester den Anruf getätigt. Die meisten Orte hatten Wes nicht. »Was haben wir, Wes?«

    Der Techniker war einen Kopf größer als Patrick und wog fünfzig Pfund weniger. Sein blauer Kittel schaffte es nicht ganz bis zu seinen Knöcheln. »Nun, Doc, wir haben einen möglichen Beinbruch.«

    Wes sagte es sachlich, aber Patrick erhaschte ein Funkeln in seinen Augen. Was könnte an einem gebrochenen Bein um zwei Uhr morgens komisch sein? »Wo ist der Patient?«

    »Auf dem Parkplatz natürlich.«

    Patrick war auf das Innere der Notaufnahme zugegangen, aber er blieb stehen und drehte sich zu Wes um. »Werden wir ihn nicht reinbringen?«

    »Sie. Und nein, ich glaube, das wäre keine gute Idee.«

    »Was ist das Problem?«

    »Kein Problem.«

    »Was entgeht mir hier?« Normalerweise musste er keine Antworten aus Wes ziehen. Vielleicht war der Röntgentechniker schläfrig. Träge. Wie Patrick.

    »Ich bin mir nicht sicher, Doc. Willst du, dass ich mitkomme, um sie anzusehen?«

    Plötzlich war sich Patrick sicher, dass Wes fast lachte. »Verdammt richtig, das tue ich.«

    Die beiden Männer gingen zusammen hinaus und trafen auf einen jungen Mann in staubigen Bluejeans, einem abgetragenen Westernhemd und abgewetzten Stiefeln. Er stand am Rand des Parkplatzes und riss seinen Hut runter, als er sie sah.

    »Vielen Dank für Ihr Kommen.« Die Hand, die nach Patricks Hand griff, war schwielig und rau wie Sandpapier, ihr Druck knochenzermalmend. »Ich bin Tater Nelson.«

    »Doktor Flint. Ich habe gehört, wir haben eine mögliche Beinfraktur.«

    »Ja, Sir.«

    »Wie lautet der Name der Patientin?«

    »Mildred.«

    »Mildred. Okay.« Er folgte Tater auf den Parkplatz, wo sie an einem Pferdeanhänger für zwei Pferde anhielten. Tater schwang die hintere Tür auf.

    »Sie haben sie hier drin?«

    »Ich wollte nicht, dass sie auf dem Parkplatz scheut und sich noch schlimmer verletzt.«

    Patrick spähte in den Anhänger. Ein Huf schlug aus, fünfzehn Zentimeter vor ihm. Er sprang einen halben Meter zurück, ging kein Risiko ein. »Mildred ist ein Pferd.« Er würde den Röntgentechniker umbringen. Wes hätte ihn warnen sollen.

    Tater nickte enthusiastisch. »Jawohl. Sie ist ein höllisches Saddle Bronc. Können Sie ihr helfen?«

    Patrick drehte sich zu Wes um, der sich eine Hand vor den Mund hielt, als würde er schlechte Zähne verdecken. Aber es war ein Lächeln, das er versteckte. »Ich weiß nicht. Wes, können wir ihr helfen?«

    »Das hoffe ich sehr, Doc, da Sie heute Abend den Tierarzt vertreten.«

    Patricks Augenbrauen hoben sich, aber seine Stimme war flach. »Vertretung für den Tierarzt.« Joe Crumpton, der Tierarzt, hatte keine Vorkehrungen getroffen, dass er ihn vertrat.

    »Ja, Sir. Doktor John vertritt ihn immer.«

    »Und umgekehrt?«

    »Na, das wäre nicht richtig. Ein Tierarzt, der sich um Menschen kümmert? Die Leute würden es nicht dulden.«

    »Aber es ist in Ordnung, dass sich ein Arzt um Tiere kümmert.«

    Beide Männer nickten. Patrick war sich nicht so sicher. Er war der Veterinärmedizin nicht näher gekommen, als dass er Der Doktor und das liebe Vieh gelesen hatte.

    »Tater, geben Sie Wes und mir eine Minute. Wir werden bald zurück sein und uns um Mildred kümmern.«

    »Alles klaro.«

    Als sie außer Hörweite waren, sagte Patrick: »Okay, Besserwisser, was mache ich mit einem Bronc mit gebrochenem Bein?«

    »Was hast du mit einem Bronc-Reiter mit gebrochenen Beinen gemacht?«

    »Du meinst das Kind aus Kaycee?«

    »Dieses Kind aus Kaycee – Doc, du bringst mich um. Dieses Kind ist der Weltmeister beim Reiten von Wildpferden ohne Sattel. Chris Ledoux.«

    »Er sagte nichts darüber, als er reinkam. Er sagte mir nur, dass er nächste Woche für einen weiteren Gips zurückkommen würde, weil er den, den ich ihm angelegt habe, für die«, Patrick machte eine Anführungszeichengebärde, »Arbeit abnehmen würde.«

    »So ist Chris. Aber was hast du getan, bevor du ihm den Gips angelegt hast?«

    Patrick schaute ihn ausdruckslos an. »Ist das eine Fangfrage?«

    »Du hast es geröntgt, Doc. Also wirst du natürlich auch Mildreds Bein röntgen.«

    Patrick seufzte und rieb sich die dünner werdende Stelle in seinem Haar, da er nicht anders konnte, egal wie oft Susanne ihm sagte, er solle damit aufhören. »Ich dachte, wir hätten festgelegt, dass Mildred nicht reinkommt.«

    »Das tragbare Röntgengerät. Natürlich.«

    »Und wenn es gebrochen ist?«

    »Machen wir einen Gipsverband.« Wes hat das »natürlich« dieses Mal weggelassen, aber Patrick hörte es trotzdem.

    »Werden wir, hm?«

    »Ja, werden wir.«

    »Ich habe noch nie ein Pferdebein eingegipst.« Und er bezweifelte, dass ein Behandlungsfehler dies umfasste.

    »Ein Kinderspiel für einen alten Knochensäger wie dich.«

    Immer wenn Wes dazu wechselte, Patrick »Knochensäger« anstatt »Doc« zu nennen, bedeutete das, dass er einen Gang runterschaltete. Er hatte Patrick Anfang des Sommers zu seinem Geburtstag ein 15 cm langes Taschenmesser geschenkt, in dessen Griff KNOCHENSÄGER eingeätzt waren, sowie eine Karte, die ihn anwies, »das Minnie-Maus-Anfängermesser wegzuwerfen und etwas Nützliches zu tragen.« Jetzt ging Patrick nirgendwo mehr ohne es hin. Nachts legte er es auf seinen Nachttisch, neben seine Brieftasche und Uhr. Das große Messer in die Tasche zu stecken war in Wyoming nur ein Teil des Ankleidens.

    Patrick betätschelte seine Tasche und das Messer, dann schnaubte er. Kinderspiel. Richtig. Er fühlte sich von Sekunde zu Sekunde dümmer und weniger fähig. Er war nie ein Reiter gewesen, bis er vor zwei Jahren nach Wyoming gezogen ist. Aber er hatte genug gelernt, um ein in die Enge getriebenes Tier mit harten Hufen, großen Zähnen und einem starken Kiefer zu respektieren.

    Als er sich an den Tritt erinnerte, den Mildred in seine Richtung geschickt hatte, fragte Patrick: »Haben wir eine Nasenbremse?« Er legte immer eine Nasenbremse an das Maul seines Pferdes Reno an, damit er den Hufschmied nicht beißen konnte. Es funktionierte ziemlich gut.

    »Nö.« Wes grinste breit. »Der Trick wird sein, sich schnell zu bewegen und sich aus der Schusslinie zu halten.«

    »Großartig.« Aber jetzt lächelte auch Patrick. Da er in Texas aufgewachsen war, dachte er, dass er den Westen kannte, aber Wyoming überwestete Texas um einiges. Ein Mann musste in der Lage sein, über sich selbst zu lachen, ansonsten wurde das Leben ziemlich schnell wirklich unlustig.

    »Oder manche Leute heben gleichzeitig den gegenüberliegenden Fuß. Die meisten Pferde bleiben mit zwei Füßen weg vom Boden ziemlich ruhig.«

    »Dann kannst du das hintere Ende haben. Ich wähle die Vorderseite.«

    Wes lachte.

    Zurück in der Notaufnahme setzten die beiden Männer ihre gutmütigen Sticheleien fort, während sie Zubehör und Ausrüstung zusammensammelten. Dann hörte Patrick einen Tumult im Empfangsbereich. Laute Stimmen, ein Klappern und ein Geräusch, als würde Fleisch auf Fleisch treffen.

    Eine Frau rief mit aufgeregter Stimme: »Stopp.«

    Patrick war aus der Tür des überfüllten Vorratsraums – und schlug dabei nur eine Reihe von Tablettenfläschchen aus dem Regal –, einen Schritt vor Wes, der ein tragbares Röntgengerät mit Rädern hinter sich herschleppte. Beim Empfang stürmten sie auf einen Mann mit der kleinen, muskulösen Statur eines Ringers in einer Uniform der Game-and-Fish-Behörde zu. Er hielt eine Frau mit dem Gesicht nach unten, einen Arm hinter ihr, sein Knie gegen ihren Rücken. Ihr Haar bedeckte die Seite ihres Gesichts, dämpfte jedoch ihre Stimme nicht. Die Frau fluchte, als ob sie es ernst meinte, fachmännisch und sehr abwechslungsreich. Das Leuchtstofflicht knisterte und blinkte, blitzte über die grauweißen Wände und Böden und die Stühle mit silbernen Armlehnen. Ein dünner Mann in einem Overall und eine rundliche Frau in einem lavendelgeblümten Hauskleid und Pantoffeln kauerten in der Ecke. Auf der gegenüberliegenden Seite der Lobby stand Kim, die diensthabende Schwester, zwischen Patrick und einem drahtigen jungen Mann in Wanderstiefeln, der sein rotes, pickliges Gesicht umklammerte.

    Kim war eine solide Frau, die ihr Haar in einem schlichten grauen Dutt trug. Sie hob die Hände und sprach mit fester Stimme mit dem Wanderer. »Kommen Sie mit, Sir. Ich werde für Sie ein Untersuchungszimmer vorbereiten.«

    Er jammerte sie an. »Sie hat mich geschlagen. Die Schlampe hat mich geschlagen.«

    Der Jagdaufseher von Game and Fish nickte Kim zu. »Können wir sie so weit wie möglich von ihm wegbringen?« Er schüttelte seine Handschellen aus. Patrick hatte ihn noch nie zuvor getroffen, aber er kannte den vorherigen Aufseher, Gill Hendrickson, und nahm an, dass dieser Mann Gills Ersatz war. Als Gills Körper Anfang des Jahres in die Notaufnahme gebracht wurde – bei der Arbeit angeschossen und bei Ankunft bereits tot –, war Patrick tatsächlich der Bereitschaftsarzt gewesen.

    Kim deutete. »Ich werde ihn in Nummer Eins bringen. Sie bringen sie in Nummer Vier.« Nummer Vier war am weitesten vom Wartezimmer entfernt.

    Patrick blickte zu dem kauernden älteren Paar. Gute Ansage, Kim.

    Der Aufseher sagte: »Sir, wollen Sie Anklage erheben?«

    Der Mann hüpfte auf seinen Füßen hin und her, schüttelte den Kopf, die Hand noch immer an seinem Kiefer. »Was? Nein. Nein. Äh-äh.«

    Der Aufseher zog die Frau auf die Füße, nicht unsanft. Ihr Gesicht war rot, wo es gegen das Linoleum gedrückt war, aber ansonsten sah sie unverletzt aus. Ihr T-Shirt war unter den Armen durchgeschwitzt und um den Hals feucht. Ihre Atemfrequenz war hoch, aber sie schien nicht zu hyperventilieren.

    Ihre Augen huschten von Person zu Person und blieben bei Patrick in seinem Arztkittel hängen. »Ich denke, ich habe einen Herzinfarkt.« Ihre Hand wanderte zu ihrer Brust und Schulter.

    Leider hatte Patrick solche Verhaltensweisen und Symptome schon früher und oft in Dallas gesehen. Aber nur einmal in Buffalo. Sie sah nicht aus, als hätte sie einen Herzinfarkt. Er war bereit zu wetten, dass sie zugedröhnt mit Speed war. Dass sie beide das waren, sie und der Wanderer. Das Schwitzen, seine Hyperaktivität, ihre Brustschmerzen – das waren oft Nebenwirkungen von durch Amphetamine induzierter Angst. Aber warum war Game and Fish hier?

    »Ich bin Alan Turner«, sagte der Aufseher zu ihm und Wes, ohne die Frau loszulassen.

    Wes stellte sich vor.

    »Ich bin Doktor Flint. Schön, Sie kennenzulernen. Woher kommen diese beiden?«

    »Sie fuhren ungleichmäßig oben auf der Red Grade in der Nähe ihres Zeltplatzes. Ich habe beschlossen, dass sie aus offensichtlichen Gründen eine Mitfahrgelegenheit hierher brauchten.« Game-and-Fish-Aufseher waren Ordnungskräfte mit der Befugnis, bei Bedarf alle Gesetze des Bundesstaates Wyoming durchzusetzen, obwohl die Gesetze zum Wildtiermanagement in ihrer besonderen Verantwortung lagen.

    Kim kam zurück, nachdem sie ihren Patienten untergebracht hatte.

    »Kim, können Sie die Vitalwerte nehmen, während Wes und ich uns draußen um einen Patienten kümmern?« Wenn Patrick Recht hatte, dass Speed alles war, was mit ihnen nicht stimmte, war es nichts, was ein paar Valium nicht beheben würden.

    Kim nickte mit dem Kopf in Richtung der Patientin. »Allein?«

    »Ich bleibe bei ihr«, sagte Alan.

    Kim nickte. »In diesem Fall, kein Problem.«

    »Verlassen Sie mich nicht, Doktor«, sagte die Frau. »Ich sterbe.« Sie umklammerte ihre Brust.

    »Sie sind in guten Händen. Ich werde wiederkommen.«

    Patrick eilte mit Wes nach draußen.

    »Ich hasse es, hier herum Drogenfälle zu sehen«, sagte Patrick zu Wes.

    »In letzter Zeit gab’s viel mehr davon. Hatte letztes Wochenende ein paar, als Doktor John Rufbereitschaft hatte.«

    Der Kontrast zwischen der ruhigen Nacht und dem Drama im Wartezimmer war krass, abgesehen von den klappernden Rädern des tragbaren Röntgengeräts. Patrick blieb kurz vor dem Parkplatz stehen.

    »Ich frage mich, was los ist? Hoffentlich endet es mit der Touristensaison.« Aber die Touristensaison endete schon mit dem Labor Day, der mehrere Wochen zuvor gewesen war. Patricks Gedanken kehrten zu dem Pferd zurück. »Hast du einen Blick auf Mildreds Bein bekommen, bevor ich hier war?«

    »Habe ich.«

    »Wie schlimm ist es?«

    »Es ist nicht durch die Haut gebrochen, aber Miss Mildred hat Schmerzen und ist unglücklich. Ziemlich in der Nähe ihres Krongelenks, aber ich denke, es hat nichts. Du hast Glück, Doc. Die Prognose für Pferde, bei denen der Bruch ins Gelenk geht, ist schlecht. Viele von ihnen sterben an einer Gelenksepsis.«

    Kein komplizierter Bruch, nicht im Gelenk. Keine offene Wunde, also keine Infektion. Das waren gute Dinge. Patrick wollte nicht, dass ihm ein weiterer Patient an einer Blutvergiftung starb, nicht einmal ein Pferd. Vor allem nicht, nachdem er in der vorigen Woche zum ersten Mal einen Patienten daran verloren hatte. Bethany Jones. Das war ihr Name gewesen. Hätte ihre Familie nicht damit gewartet, sie ins Krankenhaus zu bringen, bis sie dem Tod nahe war, hätte Patrick vielleicht eine Chance gehabt, sie zu retten. Die Menschen in Wyoming waren durch und durch selbstständig. Manchmal etwas zu selbstständig.

    »Gut.« Patrick ging wieder weiter auf den Anhänger zu.

    Wes legte eine Hand auf seinen Arm und hielt ihn erneut an. »Einer dieser Jones-Jungs kam heute Nachmittag vorbei und wollte eine Kopie des Autopsieberichts seiner Mutter.«

    »Schon wieder, hm?« Patrick hatte sie nicht kennengelernt, aber er hörte immer wieder Berichte über ihre Besuche.

    »Sie waren schon immer aufdringlich.«

    »Hoffentlich bekommen wir den Bericht bald, damit sie keinen Grund mehr haben, hier aufzutauchen. Ich will ihn selbst ziemlich sehnsüchtig in die Finger bekommen.« Es war schwer, sich nicht verantwortlich zu fühlen, wenn jemand starb, ob es nun Sinn machte oder nicht.

    Wes ließ Patricks Arm los und die beiden Männer umrundeten die Rückseite des Anhängers. Mildred blickte jetzt nach draußen und Tater flüsterte ihr ins Ohr. Er nickte, als er sie sah.

    »Ich werde Mildred ein Schmerzmittel geben, bevor ich sie untersuche und ihr Bein röntge«, erklärte Patrick.

    Er stieg zu Tater und Mildred in den Anhänger. Mildred legte sofort die Ohren an und begann mit ihren Hinterhufen auf das Innere des Anhängers einzuschlagen.

    »Sssch, Mildred.« Patrick trat näher an sie heran. »Es ist okay, Mädchen.«

    »Vielleicht sollten wir sie hier rausholen, Doktor Flint«, sagte Tater.

    »Gute Idee.« Patrick wollte Platz zum Rennen.

    Tater zog an dem Knoten in Mildreds Führstrick. »Also, zur Hölle. Sie hat ihn einfach so festgezogen, dass wir ihn niemals lösen können.«

    Patrick zog sein Knochensäger-Taschenmesser heraus und hielt es hoch. »Ja?«

    »Sicher. Ich halte sie fest und Sie gehen schnell rein und schneiden es am Knoten ab. Wir werden noch genug haben, um damit arbeiten zu können.«

    Patrick tat es, dann ließ er das Messer wieder in seine Tasche fallen.

    Wes sagte: »Dieses Minnie-Maus-Messer hätte das nicht geschafft, oder?«

    Patrick grinste.

    Tater führte Mildred ohne weitere Verletzung aus dem Anhänger, dank der erstklassigen Schiene, die ihr jemand ans Bein angelegt hatte. Dann band er ihre Leine an eine Seitenleiste. Patrick näherte sich ihr erneut, zielte darauf ab, ihr eine Injektion in den Hals zu geben. Das Pferd schlug wieselflink zu und versenkte ihre Zähne in Patricks Brust.

    »Aah«, schrie er. Seine Schulter senkte sich und seine Knie knickten ein. »Sohn eines Bussardköders!«

    Tater schlug Mildred auf ihre Seite, aber Mildred hielt ihn zwei qualvolle Sekunden fest, bevor sie Patrick losließ. Er wich schnell zurück. Sie schlug mit ihrem Schweif.

    Wes verschränkte die Arme. »Sohn eines was?«

    Patrick antwortete nicht. Er rieb sich die Brust. Sie hatte die Haut nicht verletzt. Morgen würde er aber einen schönen blauen Fleck haben.

    Tater strich seiner Stute über die Nase. »Entschuldigung, Doktor Flint. Mildred ist ein bisschen aufbrausend.«

    Etwas, von dem er sich wünschte, dass Tater es ihm erzählt hätte, bevor er in Reichweite ihrer Zähne kam.

    »Und da dachte ich, alle würden Sie lieben, Doc«, sagte Wes.

    Patrick warf Wes einen Blick zu. Zu Tater sagte er: »Haben Sie jemals einem Pferd eine Spritze gegeben?«

    »Ein- oder zweimal.«

    Patrick reichte ihm die Spritze. »Dann schlagen Sie sich selbst k.o.«

    Wes hustete in seine Hand, aber es klang eher stark nach weiterem Lachen.

    Hämmernde Füße und eine atemlose Stimme schreckten Patrick auf. »Doktor Flint. Wir haben einen Anruf bekommen.« Es war Kim. Kim rannte nie.

    »Was ist denn?« Er wich vor Mildred zurück, um sich und Kim außer Reichweite zu halten.

    »Ein Deputy. Von einem Gefangenen angegriffen. Sie transportieren ihn hierher.«

    Patrick könnte bis ans Ende der Welt vordringen und dem Schlimmsten, wozu der Mensch fähig war, dennoch nicht entkommen. Ihm wurde bange ums Herz. Er kannte die örtlichen Deputys. Einer wohnte neben ihm und seiner Familie. »Johnson County?«

    »Big Horn.«

    Er kannte keinen der Deputys des Big Horn County. Das schmälerte die Tragödie jedoch nicht. »Wie weit sind sie draußen?«

    »Fünfundvierzig Minuten.«

    »Und die Patienten drinnen?«

    »Ihre Vitalwerte entsprechen Amphetaminen. Keine anderen Indikatoren. Und das ältere Paar? Sie ist Diabetikerin und hat vergessen ihr Insulin nachzufüllen.«

    Patrick schloss für eine lange Sekunde seine Augen. »Also gut. Fünf Milligramm Valium und Beobachtung für unsere Kunden auf Speed. Überprüfen Sie den Glukosespiegel unserer Diabetikerpatientin. Wir werden Mildred in Ordnung bringen, und dann bin ich da, um nach allen zu sehen und Rezepte zu unterschreiben. Wir sollten fertig sein, bevor der Krankenwagen eintrifft. Danke, Kim, und lassen Sie mich wissen, wenn sich etwas ändert.«

    »Verstanden.« Sie nickte und zog sich ins Krankenhaus zurück.

    An ihrer Stelle tauchte ein stämmiger Mann mit einem Pyrenäenberghund im Arm auf. Der Kopf des Hundes hing von Patrick abgewandt an seiner Schulter. Eine Pfote ruhte auf den Armen des Mannes. Patrick musste zweimal hinsehen. Mach daraus eine in einer Bärenfalle gefangene Pfote.

    Der Mann sagte: »Sind Sie der Arzt, der den Tierarzt vertritt?«

    Patrick wollte es leugnen, aber er sagte: »Bin ich«, und dachte: Es wird eine lange, lange Nacht.

    ZWEI

    HALT

    Buffalo, Wyoming

    18. September 1976, 10:00 Uhr

    Susanne

    Susanne wusste, dass sie sich schuldig fühlen sollte, aber sie tat es nicht.

    Trish sägte immer noch Baumstämme und Perry hatte sich vor dem Fernseher geparkt, wo er College-Football anschaute. Sie warf ihrem Sohn einen Blick zu. Bauch nach unten auf dem braunen Teppichboden, trug nur seine Superman-Unterwäsche. Sein Kinn war in seinen Händen, die Knie gebeugt, die Füße schwangen in der Luft. Ein Burt Reynolds in Miniformat auf seinem Bärenfell-Teppich, dachte sie und kicherte. Keins der Kinder war fertig zum Gehen. Keiner von ihnen hatte gepackt. Sie auch nicht, was das anging.

    Sie nippte an einer heißen Tasse von dem, was Patrick ihr »kaffeefarbenes Wasser« nannte. Es war zehn Uhr und sie saß in einem knallroten Kaftan-Hauskleid, das sie selbst genäht hatte, am Küchentisch. Eine Tauschbörse einer lokalen Radiosendung pries Welpen, Fechtzubehör und Arbeitspferdegeschirre an. Es konkurrierte mit dem Fernseher im anderen Zimmer und dem Schnarchen von Ferdinand, ihrem irischen Wolfshund-Findelkind, der ihnen die Haare vom Kopf fraß und ständig roch, als hätte er sich in einem toten Präriehund gewälzt. Durch das Panoramafenster auf der Rückseite des kombinierten Wohn- und Esszimmers konnte sie die goldenen Herbstblätter der Espen im Garten sehen, die im Wind und in der Sonne schimmerten. Trotz des Drängens der tickenden Uhr bewegte sie sich nicht. Sie vermisste ihre Mutter und ihre Schwester auf lähmende Weise. In den ersten beiden Septemberwochen hatte sie ihr monatliches Ferngesprächsbudget bereits aufgebraucht. Briefe würden ausreichen müssen, aber sie schrieben ihr nur auf einen von dreien zurück, die sie ihnen schickte. Sie verstand es. Sie hatten einander und ihre vertraute Familie, Freunde und Gemeinschaften. Sie war die Einsame.

    Warum hatte Patrick mit ihnen so weit von allen wegziehen müssen, die ihnen wichtig waren? Außer einander natürlich. Es schien, als versuchte er, ein Element – Ort – des Traums, den er zugunsten des Medizinstudiums aufgegeben hatte, zurückzugewinnen: ein glücklich verarmter Wildtierbiologe oder Forstaufseher zu sein. Sicher, sie hatte in Buffalo ein paar Freunde gefunden, aber es war nicht dasselbe wie zu Hause. Na ja, außer Evangeline Sibley. Die schwangere Frau des Farmers war das Nächstbeste dazu, ihre

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