Schicksalsfragmente Eins: Erzählungen
Von Waltraud Schade
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Über dieses E-Book
Auf Kreta passiert Unheimliches, während die kanarischen Inseln
Schauplatz von allerlei seltsamen Begegnungen sind.
Wir begleiten drei Frauen auf verstörenden Wegen ...
Waltraud Schade
Waltraud Schade, geboren 1946 in Stuttgart, Magister in Germanistik mit Abschlussarbeit über Karoline von Günderrode und Bettine Brentano. Tourismus- und Öffentlichkeitsarbeit in der Fraueninfothek Berlin. Vorträge und Lesungen verschiedener Texte und zu Aspekten meiner Magisterarbeit. Moderation zu einer Kunstausstellung, Essay zur Kunst von Brigitta Sgier und Ulrike Bock. Veröffentlichungen von 1975 - 2006, u.a. Text zur Geschichte der Frauenprojekte in Berlin-Schöneberg. Texte über die Ereignisgeschichten historischer Gebäude in Berlin-Kreuzberg und Tiergarten. Biografien für eine Friedhofs-CD Rom über Berühmtheiten des 19. Jahrhunderts. Biografien von Schriftstellerinnen in Berlin-Treptow. Veröffentlichungen in Anthologien, Sachbüchern und zwei Buchpublikationen. Mitarbeit im Frauen- und Lesbenprojekt RuT in Berlin. Im Verein mit den "Mörderischen Schwestern" (Krimiautorinnen) und im VS (Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller).
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Buchvorschau
Schicksalsfragmente Eins - Waltraud Schade
Inhaltsverzeichnis
BERLIN BLUES
Das Penthouse
Hully-Gully im Hofcafé
Das Werk der Dämmerung
KRETA-ZYKLUS
Kretische Sommer
Finsteres Glück
Sinnloser Taumel auf Kreta
KANARISCHE TÖNE
Die Woge
Der Mandelbaum
La Palma Sinistro
SONDERLICHE SPHÄREN
Bebra … Bebra …
Die Taube
Es muss sich etwas ändern …
BERLIN BLUES
Das Penthouse
Sie hockte vor dem Spiegel in ihrem Schlafzimmer und betrachtete eingehend die hinzugekommenen Falten in ihrem erschlafften Gesicht. Das Leben hatte sie nicht geschont, kein bisschen. Unter dieser Ernte grüblerischer Tage lagen die schönen Zeiten – warum nur musste alles immer so katastrophal enden? Es klingelte. Wie sah sie bloß aus? Das Haar, eine Seite lang, die andere kurz, war schief nachgewachsen. Sie nahm eine Schere zur Hand und schnitt ein paar Strähnen ab. Es klingelte wieder. Sie sprang auf und zwängte sich in das Kleid von gestern, trat dicht vor den Spiegel. Wieder klingelte es. Sie schlang den Gürtel um die Taille, da fiel ihr ein, dass sie ja jemanden erwartete. Isolde ging zur Tür, drückte den Türöffner.
Das Penthouse, hoch über der Stadt, war wie eine Burg, der sie vertraute. Von hier oben hörte sich das Unten an wie an- und abschwellender Furchtgesang in einem unaufhörlichen Gerüttel und Geschüttel. Die Höhe versprach das Gefühl schwereloser Ferne von den Dingen, die da unten so pompös sich aufwarfen und denen sie hier oben in den Wolken, verborgen blieb.
Der Rundblick über die Stadt war einfach überwältigend und hatte es ihr angetan, damals, als sie sich eine Bleibe suchen musste, mit der Abfindung. Selbst die Schwindel erregende Höhe hatte sie nicht abgeschreckt, im Gegenteil, denn da unten gab es keinen Kiez, keine Läden, keine Kneipen, wie in Kreuzberg. Hier war das Leben erstarrt. Einzig der Autoverkehr raste und bremste, Tag und Nacht. Aber das konnte ihr hier oben egal sein. Die Türklingel schnarrte. Isolde öffnete die Tür und – erstarrte. Vor ihr stand eine schwarz verhüllte Gestalt, ein Mensch, verborgen unter einer Burka.
Ihr wurde kalt: »Gottes Willen – wer … sind Sie? Was wollen Sie?«
Isolde zog die Tür fest an sich, wie zum Schutz. Die Gestalt war wie das Schicksal, das an die Tür klopft und dem Leben eine endgültige Wendung gibt. Die schwarze Umhüllung bewegte sich leicht an Isolde vorbei in den Flur: »Ach so, das weißt Du noch gar nicht, ich bin konvertiert, zum islamischen Glauben – oder eigentlich nicht, vorher hatte ich ja gar keinen …«. Isolde stand immer noch wie eine Bildsäule am Eingang. Sie schloss langsam die Tür und ihre Augen – hielt einen Moment inne. Dieser Trotz, sie kannte ihn – Mara besaß ihn also immer noch. Sie wandte sich um und sah ihre Tochter von oben bis unten an. Dann versuchte sie einen Scherz: »Willst Du nicht ablegen?« es klang, wie es klingen sollte, sarkastisch. »Hab’ wenig Zeit, muss heute noch einiges vorbereiten …«. Isolde lächelte säuerlich, ihr: »Du hattest ja noch nie Zeit,« war nicht ganz ernst gemeint, aber sie musste ihre Fassung zurück gewinnen: »Nimm wenigstens diesen Gesichtsschleier ab – oder wie das heißt …«. Sie wollte ihrer Tochter entgegenkommen mit dieser gespielten Unsicherheit. Und obwohl sie jetzt wusste, wer in dem Gewand steckte, spürte sie Angst – eine grauenvolle Angst vor der Schwärze und Verhülltheit dieser Gestalt. Sie bat: »Lass uns nach draußen gehen, ich will noch die letzten Sonnenstrahlen genießen,« anderes fiel ihr nicht ein, zu diesem überfallartigen Auftritt.
Eilig lief sie voraus ins Wohnzimmer, das von drei Seiten her die hellen Fluten aufschluckte. Die schwarze Gestalt folgte ihr, blieb im Eingang stehen und wunderte sich: »Oh wie hell es hier oben ist.« Isolde warf sich erleichtert in Pose: »Stell Dir vor, ich brauche keine Vorhänge. Wenn das Wetter schön ist, lebt meine Seele auf in dieser Taghelle.« Durch den Schleier flüsterte es: »Und bei Düsternis?« Isolde schaute tapfer in das vergitterte Gesichtsfenster: »Da verkriecht sie sich.« Wie erstaunt fragte Mara: »Seit wann hast Du sie denn?« Isolde fragte, als habe sie nicht richtig verstanden: »Was denn?« Mara trompetete: »Eine Seele!« Isolde drehte sich weg, öffnete einen Flügel der Glaspforte und trat hinaus aufs Dach. Sie drehte sich um und forderte: »Zieh das aus – wie kannst Du dich bloß so verkleiden – was ist mit Dir passiert?« Sie wollte sie packen, schütteln, doch zuckte sie davor zurück. Die Tochter öffnete einen Klappstuhl, setzte sich und hob ihr Haupt in den leicht bewölkten Himmel: »Warum hast Du uns verlassen?« Isoldes Stimme klang gereizt, während sie an ihr vorbei antwortete: »Also – darum bist Du gekommen? Mich so was Absurdes zu fragen?« Die schwarze Gestalt murmelte die Antwort in den Himmel: »Eigentlich wollte ich dich an etwas erinnern …«. Isolde drehte sich um und ging ins Zimmer hinein. Nach ein paar Minuten kam sie mit zwei Gläsern