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Leonardo da Vinci. Band 2: Im Licht des Wissens
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Leonardo da Vinci. Band 2: Im Licht des Wissens
eBook430 Seiten4 Stunden

Leonardo da Vinci. Band 2: Im Licht des Wissens

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Über dieses E-Book

“LEONARDO DA VINCI”

Italien im 15. Jahrhundert: Der Universalgelehrte und Künstler Leonardo da Vinci begegnet Herrschern, Päpsten und anderen Berühmtheiten seiner Zeit. Er trifft auf Macchiavelli, den großen Staatsphilosophen, und auch die vermeintliche Konkurrenz zu Michelangelo Buonarroti sowie seine Beziehung zu Raffael wird in dieser grandiosen Romanbiographie beleuchtet. Die Abenteuer des großen Künstlers und Denkers der Renaissance sind vor dem Hintergrund von Konflikten und Tragödien angesiedelt, die alle den wiederauflebenden Humanismus der neuen Epoche zeigen, indem sie an den Geist der Antike anknüpfen und den klösterlichen Schrecken des Mittelalters gegenüberstellen. Leonardo erscheint in diesem Roman als das Genie, das außerhalb und zugleich innerhalb seiner Zeit steht. Er tritt ein gegen Vorurteile und Aberglauben, ist jedoch zugleich nicht frei von menschlichen Notwendigkeiten und Abhängigkeiten. Und obwohl Leonardo für die Erkenntnis und das Licht der Vernunft und des Wissens steht, durchzieht den Roman eine gewissermaßen magische Atmosphäre – die dunkle Abseite des Wissens: Alchemie, Zauberkunst und Hexensabbat stehen dem Verehrer des Geistes gleichsam als schwarzer Widerpart gegenüber.

Dies ist der zweite Band der Trilogie “Leonardo da Vinci”. Der Umfang des zweiten Bandes entspricht ca. 300 Buchseiten.


Der “CHRIST UND ANTICHRIST”-Zyklus

“Leonardo da Vinci” ist die zweite Roman-Trilogie aus dem “Christ und Antichrist”-Zyklus von Dmitri Mereschkowski. Der Autor wurde durch dieses Werk sowohl in Russland als auch in Westeuropa bekannt und insgesamt neunmal für den Nobelpreis für Literatur nominiert. Er widmet sich in seinen Romanen der Erforschung des Themas der “zwei Wahrheiten”, der des Christentums und des Heidentums, und der Entwicklung seiner eigenen religiösen Theorie des Dritten Testaments. Eine der Hauptideen der Romane ist, dass das Leiden des Menschen aus dem Konflikt zwischen Geist und Fleisch herrührt und dass es einer harmonischen Verbindung dieser beiden Seiten der menschlichen Natur bedarf. Christ und Antichrist müssten miteinander versöhnt werden.

Die beiden anderen Trilogien sind “Julianus Apostata” und “Peter der Große”. Jede der drei Trilogien des “Christ und Antichrist”-Zyklus ist eine in sich geschlossene Geschichte und lässt sich unabhängig von den übrigen Trilogien als eigenständige historische Romanbiographie lesen. Zugleich sind die Trilogien aufgrund motivischer Zusammenhänge miteinander verknüpft.
SpracheDeutsch
Herausgeberapebook Verlag
Erscheinungsdatum27. Okt. 2020
ISBN9783961303410
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    Buchvorschau

    Leonardo da Vinci. Band 2 - Dmitri Mereschkowski

    Dieses Buch ist Teil der BRUNNAKR Edition: Fantasy, Historische Romane, Legenden & Mythen.

    BRUNNAKR ist ein Imprint des apebook Verlags.

    Nähere Informationen am Ende des Buches oder auf:

    www.apebook.de

    1. Auflage 2020

    V 1.0

    ISBN 978-3-96130-341-0

    Buchgestaltung/Coverdesign: SKRIPTART

    www.skriptart.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    © BRUNNAKR/apebook 2020

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    Der

    CHRIST UND ANTICHRIST-Zyklus

    von Dmitri Mereschkowski

    JULIANUS APOSTATA (3 Bände)

    LEONARDO DA VINCI (3 Bände)

    PETER DER GROSSE (3 Bände)

    Der erste Band der drei Trilogien ist jeweils kostenlos!

    Inhaltsverzeichnis

    Leonardo da Vinci. Band 2

    Impressum

    Siebentes Buch. Die Verbrennung aller Eitelkeit

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    Achtes Buch. Das goldene Zeitalter

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    Neuntes Buch. Die Doppelgänger

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    XIII

    XIV

    XV

    XVI

    Zehntes Buch. Stille Wellen

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    XIII

    XIV

    Elftes Buch. Wir werden Flügel haben!

    I

    II

    III

    IV

    V

    VI

    VII

    VIII

    IX

    X

    XI

    XII

    Eine kleine Bitte

    Christ und Antichrist Gesamtüberblick

    BRUNNAKR Edition

    Buchtipps für dich

    A p e B o o k C l a s s i c s

    N e w s l e t t e r

    F l a t r a t e

    F o l l o w

    A p e C l u b

    L i n k s

    Zu guter Letzt

    Siebentes Buch.

    Die Verbrennung aller Eitelkeit

    I

    Beltraffio war schon über ein Jahr lang Novize im Kloster San Marco.

    Girolamo Savonarola saß eines Nachmittags in den letzten Karnevalstagen des Jahres 1496 in seiner Zelle an seinem Arbeitstisch und schrieb sich das Gesicht auf, das ihm neulich von Gott gesandt war: Er sah über Rom zwei Kreuze schweben, das eine schwarz in einem todbringenden Sturmwinde mit der Inschrift »Kreuz des göttlichen Zorns«, das andere leuchtend im Himmelsblau mit der Inschrift »Kreuz der göttlichen Barmherzigkeit«.

    Er fühlte sich müde und von Fieberfrost durchschüttelt. Er legte die Feder fort, stützte seinen Kopf in die Hände, schloss die Augen und begann über den Bericht nachzudenken, den ihm an diesem Morgen der von ihm nach Rom gesandte und soeben nach Florenz zurückgekehrte fromme Fra Pagolo über das Leben des Papstes Alexander VI. erstattet hatte.

    Ungeheuerliche Bilder, wie Gesichter der Apokalypse, tauchten vor ihm auf. Er sah den roten Stier aus dem Familienwappen der Borgias, ein Ebenbild des altägyptischen Apis; das goldene Kalb, das dem römischen Hohepriester anstelle des sanften Lammes Gottes dargebracht wird; die schamlosen nächtlichen Spiele, die nach dem Mahle in den vatikanischen Sälen vor dem heiligen Vater, seiner Tochter und den Kardinälen aufgeführt werden; die schöne, blutjunge Mätresse des sechzigjährigen Papstes, Julia Farnese, die auf den Heiligenbildern in Gestalt der heiligen Jungfrau verherrlicht wird; die beiden älteren Söhne Alexanders – Don Cesare, Kardinal von Valencia und Don Juan, den Bannerträger der römischen Kirche, die einander aus sündhafter Lust zu ihrer Schwester Lucrezia nach dem Leben trachten.

    Girolamo zitterte, als er wieder daran dachte, was ihm Fra Pagolo kaum ins Ohr zu sagen wagte: an die blutschänderische Leidenschaft des Vaters zur Tochter, des alten Papstes zu Madonna Lucrezia.

    »Nein, nein, bei Gott, ich kann es nicht glauben ... Es ist Verleumdung ... Es kann ja nicht sein!«, wiederholte er vor sich hin, und zugleich fühlte er, dass in dem schrecklichen Neste der Borgias alles möglich sei.

    Auf die Stirn des Mönchs trat kalter Schweiß. Er fiel in die Knie vor dem Kruzifix.

    Da wurde ganz leise an die Tür geklopft.

    »Wer ist da?«

    »Ich bin es, Vater!«

    Girolamo erkannte die Stimme seines Gehilfen und treuen Freundes, des Fra Dominico Buonvicini.

    »Der ehrenwerte Ricciardo Becchi, der Bevollmächtigte des Papstes, bittet dich, ihm eine Unterredung zu gewähren.«

    »Gut. Er soll warten, schick mir jetzt den Bruder Silvestro.«

    Silvestro Maruffi war ein geisteskranker Mönch, der an Epilepsie litt. Girolamo hielt ihn für das auserwählte Gefäß der göttlichen Gnade; er liebte und fürchtete ihn und legte seine Gesichte nach allen Regeln der verfeinerten Scholastik des großen Meisters der Schule – Thomas von Aquino – aus. Mit Hilfe spitzfindiger Deduktionen, logischer Sätze, Enthymemen, Apophthegmen und Syllogismen fand er prophetischen Sinn in den Worten, die den andern als sinnloses Lallen eines Verrückten erschienen. Maruffi zeigte gar keine Ehrfurcht vor seinem Abt; oft beschimpfte er ihn in Gegenwart der andern Mönche; zuweilen schlug er ihn sogar. Girolamo nahm diese Beleidigungen demütig hin und gehorchte ihm in allen Dingen; wenn das Volk von Florenz in der Gewalt Girolamos war, so war Girolamo seinerseits in der Gewalt des geisteskranken Maruffi.

    Fra Silvestro erschien bald in Girolamos Zelle. Er setzte sich in die Ecke auf den Boden und begann, seine nackten roten Füße kratzend, ein eintöniges Lied zu summen. Sein sommersprossenbedecktes Gesicht mit einer nadelspitzen Nase, hängender Unterlippe und tränenden trüben flaschengrünen Augen hatte einen stumpfen und unfreundlichen Ausdruck.

    »Bruder«, sagte Girolamo, »es ist aus Rom ein Bote des Papstes gekommen. Sage mir, ob ich ihn empfangen und was ich ihm sagen soll, hast du schon vielleicht darüber ein Gesicht gehabt oder eine Stimme vernommen?«

    Maruffi schnitt eine Grimasse, bellte wie ein Hund und grunzte wie ein Schwein. Er hatte die Fähigkeit, alle Tierstimmen nachzuahmen.

    »Lieber Bruder«, flehte Savonarola, »sei so gut und sage ein Wort! Meine Seele ist bange wie vor dem Tode. Bete zu Gott, dass er dir prophetischen Geist sende ...«

    Der Verrückte streckte die Zunge aus, sein Gesicht verzerrte sich.

    »Was willst du von mir, du verdammter Pfeifer, du blödsinnige Wachtel, du Schafskopf?! Dass dir die Ratten die Nase abnagen!«, schrie er plötzlich mit unerwarteter Gehässigkeit, »hast es dir selbst eingebrockt, so löffele es auch selbst aus. Ich bin nicht dein Prophet und nicht dein Ratgeber!«

    Er blickte Savonarola mürrisch an und fuhr dann mit veränderter Stimme etwas freundlicher und stiller fort:

    »Du tust mir leid, Bruder, du tust mir leid mit deiner Dummheit! ... Warum glaubst du auch, dass meine Gesichte von Gott kommen, und nicht vom Teufel?«

    Er verstummte und schloss die Augen. Sein Gesicht wurde unbeweglich, es schien beinahe tot. Savonarola hoffte, er würde nun ein Gesicht haben und hielt in andächtiger Erwartung inne. Maruffi öffnete wieder die Augen, wandte seinen Kopf gleichsam lauschend zur Seite, blickte zum Fenster und sagte mit gutmütigem, heiterem, beinahe kindlichem Lächeln:

    »Vögel! Hörst du, wie sie singen? Auf den Feldern gibt es jetzt wohl Gras und gelbe Blümchen. Ja, Bruder Girolamo, hast hier schon genug gehetzt, deinen Hochmut hast du gesättigt und auch dem Teufel Freude gemacht! Nun ist es genug. Musst ja auch an Gott denken, wir wollen beide die verdammte Welt verlassen und in die süße Wüste ziehen!«

    Und dann sang er mit leiser, angenehmer Stimme, seinen Oberkörper langsam hin und her wiegend, das Lied:

    »Wir ziehen in den grünen Wald,

    Wo unterm Blätterdach

    So süß des Pirols Lied erschallt,

    So lieblich rauscht der Bach.«

    Plötzlich sprang er, mit den eisernen Ketten klirrend, die er zur Selbstkasteiung am Körper trug, auf, lief auf Savonarola zu, ergriff seine Hand und flüsterte keuchend vor Wut:

    »Ich habe etwas gesehen, gesehen, gesehen! ... Du Teufelssohn, Eselskopf, dass die Ratten dir die Nase abnagen – ich habe etwas gesehen! ...«

    »Was denn? Lieber Bruder, sag es rasch ...«

    »Feuer! Feuer!«, erwiderte Maruffi.

    »Nun, und was weiter?«

    »Das Feuer eines Scheiterhaufens«, fuhr Silvestro fort, »und darin einen Menschen! ...«

    »Wen?«, fragte Girolamo.

    Maruffi nickte und zögerte etwas mit der Antwort. Er bohrte seine durchdringenden grünen Augen in die des Savonarola, lachte leise, wie ein Verrückter, in sich hinein, neigte sich dann zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr:

    »Dich!«

    Girolamo fuhr zusammen und wankte zurück.

    Maruffi erhob sich und verließ die Zelle, seine Ketten klirrten und er summte das Liedchen:

    »Wir ziehen in den grünen Wald,

    Wo unterm Blätterdach

    So süß des Pirols Lied erschallt,

    So lieblich rauscht der Bach.«

    Als Girolamo seine Fassung wieder erlangt hatte, ließ er den päpstlichen Bevollmächtigten Ricciardo Becchi rufen.

    II

    Mit seinem langen, sutanenähnlichen seidenen Kleid rauschend, das in der Modefarbe des Märzveilchens leuchtete, lange venetianische Ärmel hatte und mit schwarzbraunem Fuchspelz besetzt war, und den Duft von Moschusambra um sich verbreitend, trat in Savonarolas Zelle der Skriptor der heiligsten apostolischen Kanzlei. In seinen Bewegungen, im klugen majestätisch-verbindlichen Lächeln, in den klaren, fast aufrichtigen Blicken und in den freundlich lächelnden Grübchen seiner frischen, glattrasierten Wangen hatte Messer Ricciardo Becchi jene salbungsvolle Sanftmut, die allen Würdenträgern des römischen Hofes eigen ist.

    Er bat den Prior von San Marco um seinen Segen, wobei er sich mit einer beinahe höfischen Gewandtheit verbeugte, küsste seine magere Hand und begann im schönsten Latein und in langen, sich elegant entwickelnden ciceronischen Sätzen seine Rede.

    Er begann mit einer weitschweifenden Einleitung, die in der Redekunst »Captatio benevolentiae – Suchen nach Wohlwollen« – heißt, erwähnte den großen Ruhm des Florentiner Predigers und ging dann direkt zur Sache über: der heilige Vater sei durch die hartnäckige Weigerung des Fra Girolamo, nach Rom zu kommen, mit Recht erzürnt; da er aber von brennendem Eifer für das Wohl der Kirche erfüllt sei und die vollkommene Einigung aller Treuen in Christo anstrebe, so wolle er den Sünder nicht strafen, sondern retten, und so sei er in seiner väterlichen Güte bereit, ihm, Savonarola, falls er Reue zeige, seine Gnade wieder zuzuwenden.

    Der Mönch blickte ihn an und sagte mit leiser Stimme:

    »Messere, wie denkt Ihr: Glaubt der heiligste Vater an Gott?«

    Ricciardo tat so, als hätte er diese unschickliche Frage nicht gehört, oder mit Absicht überhört und fuhr in seiner Rede fort. Er bemerkte nebenbei, dass den Frater Girolamo, falls er sich unterwerfe, die höchste Würde der kirchlichen Hierarchie – der rote Kardinalshut erwarte, und fügte mit einschmeichelndem Lächeln, sich rasch zum Mönche neigend und mit dem Finger auf seine Hand tippend, hinzu:

    »Nur ein Wörtchen, Vater Girolamo, nur ein Wörtchen – und der rote Hut ist Euer!«

    Savonarola sah ihn mit seinem unbeweglichen Blick an und sagte:

    »Wenn ich mich aber nicht unterwerfe, Messere, und nicht schweige, was dann? Wenn der dumme Mönch die Ehre des römischen Purpurs zurückweist, wenn er sich nicht mit dem roten Hut ködern lässt, wenn er auch ferner, das Haus seines Herrn bewachend, wie ein treuer, unbestechlicher Hund bellen wird? Was dann, Messere?«

    Ricciardo blickte ihn überrascht an. Er verzog etwas sein Gesicht, hob die Brauen und vertiefte sich in die Betrachtung seiner glatten, mandelförmigen Fingernägel. Nachdem er auch noch die Ringe an seinen Fingern zurechtgeschoben, holte er mit langsamer, ruhiger Bewegung ein Schriftstück aus der Tasche, das er entfaltete und dem Prior reichte. Es war eine bis auf die Unterschrift und das große Fischersiegel fertige Exkommunikation des Bruders Girolamo Savonarola, den der Papst unter andrem einen Sohn der Verderbnis und das verabscheuungswürdigste Insekt – nequissimum omnipedum – nannte.

    »Wartet Ihr auf Antwort?«, fragte der Mönch, nachdem er die Bulle gelesen.

    Der Skriptor nickte stumm mit dem Kopf.

    Savonarola richtete sich in seiner ganzen Größe auf und warf die päpstliche Bulle dem Gesandten vor die Füße.

    »Hier ist meine Antwort! Geht nach Rom und richtet aus, dass ich die Herausforderung zum Zweikampf mit dem Papst-Antichrist annehme, wir wollen sehen, ob er mich exkommuniziert, oder ich ihn!«

    Die Tür der Zelle ging leise auf und Fra Dominico blickte herein. Er hatte die erhobene Stimme des Priors gehört und wollte nun sehen, was los sei. An der Tür drängten sich die andern Mönche.

    Ricciardo, der schon einige Mal auf die Tür geschielt hatte, bemerkte höflich:

    »Ich erlaube mir, Euch zu erinnern, Fra Girolamo, dass ich nur zu einer Unterredung unter vier Augen bevollmächtigt bin ...«

    Savonarola ging zur Tür und machte sie weit auf.

    »Hört!«, rief er mit lauter Stimme. »Hört alle, denn nicht nur vor euch allein, meine Brüder, sondern auch vor dem ganzen Volk von Florenz will ich diesen schmählichen Handel aufdecken und die Wahl zwischen Exkommunikation und Kardinalspurpur, die mir angetragen wird, zeigen!«

    Seine tiefliegenden Augen glühten unter der niederen Stirn wie Kohlen. Sein hässlicher Unterkiefer trat bebend hervor.

    »Die Zeit ist gekommen! Ich ziehe gegen euch aus, ihr Kardinäle und römischen Prälaten, wie gegen Heiden! Ich werde den Schlüssel im Schloss umdrehen und die teuflische Truhe öffnen, da wird ein Gestank eurem Rom entsteigen, dass die Menschen ersticken werden. Ich werde Worte sprechen, vor denen ihr erbleichen werdet, die Welt wird in ihren Grundfesten erbeben, und die von euch gemordete Kirche Gottes wird meine Stimme vernehmen: Lazarus, komm heraus! – und sie wird sich erheben und aus ihrem Grabe herauskommen ... Ich will nicht eure Bischofskronen und Kardinalshüte! Den einen roten Hut des Todes, den blutigen Kranz deiner Märtyrer, begehre ich, o Herr!«

    Er fiel in die Knie und streckte seine Hände weinend zum Kruzifixe aus.

    Ricciardo benutzte den Augenblick der Verwirrung, schlüpfte geschickt aus der Zelle und machte sich eiligst aus dem Staube.

    III

    Unter den Mönchen, die Fra Girolamo zugehört hatten, befand sich auch der Novize Giovanni Beltraffio.

    Als die Brüder sich zerstreuten, ging auch er die Treppe zum großen Klosterhof hinunter und setzte sich auf seinen Lieblingsplatz in einem langen Kreuzgang, wo es um diese Stunde stets still und einsam war.

    Zwischen den weißen Klostermauern wuchsen Lorbeerbäume und Zypressen; da war auch ein Busch Damaszener Rosen, in dessen Schatten Girolamo mit besonderer Vorliebe zu predigen pflegte. Eine Sage erzählte, dass diese Rosen nachts von Engeln begossen würden.

    Der Novize schlug den Brief des Apostel Paulus an die Korinther auf und las die Stelle:

    »Ihr könnt nicht zugleich trinken des Herrn Kelch und der Teufel Kelch; ihr könnt nicht zugleich teilhaftig sein des Herrn Tisch und des Teufels Tisch.«

    Er stand auf und begann im Kreuzgang auf und abzugehen. Alle Gedanken und Gefühle, die er im letzten Jahre seines Noviziats im Kloster erfahren, gingen ihm jetzt durch den Kopf.

    In der ersten Zeit berauschte er sich an der großen geistigen Seligkeit, wie die andern Schüler Savonarolas. Vater Girolamo führte sie zuweilen vor die Stadtmauern. Sie stiegen auf einem schmalen steilen Pfad, der in den Himmel zu führen schien, auf die Höhen von Fiesole, von wo man Florenz zwischen den Hügeln im Arnotal liegen sehen konnte. Der Prior setzte sich auf eine grüne Wiese, wo es viele Veilchen, Maiglöckchen und Schwertlilien gab und wo es nach dem Harze der von der Sonne erwärmten jungen Zypressen roch. Die Mönche ließen sich im Grase zu seinen Füßen nieder, sie wanden Kränze, plauderten, tanzten und sprangen herum wie die Kinder, während andere die Geige, Bratsche und Viola spielten; diese Instrumente glichen denjenigen, mit denen Fra Beato seine Engelschöre darzustellen pflegte.

    Savonarola belehrte sie nicht und hielt auch keine Predigten. Er unterhielt sich nur liebevoll mit ihnen, spielte und lachte wie ein Kind. Giovanni sah dieses Lächeln, das auf Girolamos Gesicht leuchtete. Es war ihm, als glichen sie in dem einsamen, von Musik und Gesang erfüllten Haine auf der vom blauen Himmel umgebenen Fiesole-Höhe den Engeln Gottes im Paradies.

    Savonarola blickte vom Rand des Abhanges so liebevoll auf Florenz, das in Morgennebel gehüllt dalag, wie die Mutter auf ihr schlafendes Kind blickt. Das erste Glockengeläut ließ sich hier oben wie das Lallen eines Kindes aus dem Schlafe vernehmen.

    Aber in den Sommernächten, wenn die Leuchtkäfer wie stille Kerzenflammen unsichtbarer Engel durch die Luft zogen, stand Girolamo im Hof von San Marco unter dem duftenden Busch der Damaszener Rosen und erzählte den Brüdern von den blutigen Stigmata, den Wunden himmlischer Liebe auf dem Leib der heiligen Katharina von Siena, die den Wunden des Herrn glichen und süß wie Rosen dufteten. Die Mönche sangen:

    »Lass mich süße Schmerzen trinken.

    Die vom Marterkreuze winken,

    Schmerzen, die der Heiland litt!«

    Da ersehnte sich Giovanni das Wunder, von dem Girolamo erzählt hatte, und wünschte, dass aus dem Abendmahlkelche Feuerstrahlen kommen und auch in seinem Körper wie mit glühendem Eisen Kreuzeswunden brennen möchten. Er verging vor süßer Sehnsucht und seufzte:

    »Gesù, Gesù, amore!«

    Einst schickte ihn Savonarola, wie er es oft auch mit den andern Novizen tat, zur Pflege eines Schwerkranken in die Villa Carreggi, die zwei Stunden von Florenz entfernt war und am südlichen Abhang des Ucelatojo-Hügels lag, in dieselbe Villa, wo sich oft Lorenzo Medici aufhielt und wo ihn auch der Tod ereilte. In einem der leeren und stummen Säle, die von den durch die Fensterspalten dringenden Strahlen schwach wie ein Grabgewölbe erleuchtet waren, sah Giovanni das Bild des Sandro Botticelli »Die Geburt der Göttin Venus«. Sie glitt über die Wellen, in einer Perlenmuschel stehend, ganz nackt und weiß wie eine Wasserlilie, feucht und gleichsam den salzigen frischen Hauch des Meeres ausströmend. Die schweren goldenen Haarflechten wanden sich wie Schlangen. Sie drückte das Haar mit schamhafter Gebärde an ihre Lenden, ihr schöner Leib atmete Verführung und Sünde, während ihre unschuldigen Lippen und kindlichen Augen von heiliger Wehmut erfüllt waren.

    Das Gesicht der Göttin kam Giovanni bekannt vor. Er blickte sie lange an und erinnerte sich plötzlich, die gleichen gleichsam verweinten Kinderaugen, das gleiche Gesicht und die gleichen unschuldigen Lippen mit dem Ausdruck überirdischer Wehmut auf einem andern Bild des gleichen Sandro Botticelli, das eine Madonna darstellte, gesehen zu haben. Unsagbare Verwirrung erfüllte seine Seele. Er schlug die Augen nieder und verließ die Villa.

    Auf dem Heimwege nach Florenz gewahrte er in einer engen Gasse ein altes Kruzifix, das in einer Mauernische unter Rosen stand; er kniete vor ihm nieder und begann zu beten, um die Versuchung zu vertreiben. Hinter der Mauer, wohl unter dem Schatten der gleichen Rosenbüsche, erklang eine Mandoline; jemand schrie auf, und eine Stimme flüsterte ängstlich:

    »Nein, nein, lass mich ...«

    »Mein Lieb!«, erwiderte eine andere Stimme. »Mein liebes, liebes Mädchen! Amore!«

    Die Mandoline fiel zu Boden, die Saiten klirrten und man hörte einen Kuss.

    Giovanni sprang auf. Er rief: »Gesù! Gesù!«, und wagte nicht das Wort »Amore« auszusprechen.

    »Auch hier«, dachte er sich, »auch hier finde ich sie! Im Antlitz der Madonna, in den Worten der frommen Hymne, im Dufte der Rosen, die das Kruzifix beschatten!«

    Er bedeckte sein Gesicht mit den Händen und entfernte sich, als ob er vor unsichtbaren Feinden fliehen wollte.

    Ins Kloster zurückgekehrt, begab er sich zu Savonarola und erzählte ihm sein Erlebnis. Der Prior gab ihm den gewöhnlichen Rat, den Teufel mit den Waffen des Fastens und des Gebetes zu bekämpfen. Als aber der Novize ihm zu beweisen versuchte, dass es nicht der Teufel der fleischlichen Wollust sei, der ihn versuche, sondern der Dämon des verführerischen heidnischen Geistes, da verstand ihn der Mönch nicht, anfangs war er überrascht, dann sagte er streng und ernst, dass an den falschen heidnischen Göttern nichts außer Hochmut und unsauberer Wollust sei, welche Eigenschaften stets hässlich seien, denn die Schönheit wohne allein den christlichen Tugenden inne.

    Giovanni verließ ihn, ohne Trost gefunden zu haben. An diesem Tag fuhr in ihn der Teufel des Trübsinns und der Empörung.

    Einmal hörte er Fra Girolamo über Malerei sprechen; er verlangte von jedem Bild, dass es einen Zweck erfülle, indem es die Menschen belehre und sie auf heilsame Gedanken bringe. Wenn die Florentiner alle verführerischen Bilder durch Henkershand vernichten ließen, so würden sie damit ein gottgefälliges Werk tun.

    Ähnlich waren auch seine Ansichten über die Wissenschaft. »Ein Narr ist«, sprach Savonarola, »wer da glaubt, dass man mit Logik und Philosophie die Wahrheiten des Glaubens stützen könne. Bedarf denn ein großes Licht der Unterstützung eines schwachen Lichtes und die göttliche Weisheit der menschlichen? Wussten denn die Apostel und Märtyrer etwas von Philosophie? Ein des Lesens unkundiges altes Weib, das voller Inbrunst vor dem Heiligenbild betet, ist der Erkenntnis Gottes näher als alle Weisen und Gelehrten. Denn am Tag des jüngsten Gerichts wird ihnen ihre Logik und Philosophie nicht helfen können! Homer und Virgil, Plato und Aristoteles – sie alle kommen in die Wohnung des Teufels. Sie sind wie die Sirenen, welche

    Mit süßen Gesängen bestricken die Ohren,

    Doch wer ihnen lauscht, ist für ewig verloren.

    Die Wissenschaft gibt den Menschen statt Brot – Steine. Seht euch nur die Menschen an, die den Lehren dieser Welt folgen: sie alle haben Herzen von Stein.«

    »Wer wenig weiß, dessen Liebe ist auch gering. Die große Liebe ist die Tochter der großen Erkenntnis« – erst jetzt erfasste Giovanni die Tiefe dieser Worte. Während der Mönch die Versuchungen der Wissenschaft und der Kunst verfluchte, dachte Giovanni an die klugen Reden Leonardos, an sein ruhiges Gesicht, an seine Augen, die so kalt wie der Himmel waren, und an sein Lächeln, in dem entzückende Weisheit spielte. Er dachte auch noch an die schrecklichen Früchte des vergifteten Baumes, an die eiserne Spinne, an das Ohr des Dionys, an die Aufzugsmaschine für den Heiligsten Nagel und an das Antlitz des Antichrist unter dem Antlitz Christi. Doch schien ihm jetzt, dass er damals seinen Meister nicht ganz begriffen, das letzte Geheimnis seines Herzens nicht erraten und den Knoten, in dem sich alle Fäden begegnen und alle Widersprüche lösen, nicht entwirrt habe.

    Dies alles ging ihm jetzt, als er an das Jahr seines Noviziats in San Marco dachte, durch den Kopf. Während er im tiefen Nachdenken im Kreuzgang auf und abging, war es dunkel geworden, das stille Läuten des abendlichen Ave ließ sich vernehmen, und die Mönche zogen in langen schwarzen Reihen zur Kirche.

    Giovanni folgte ihnen nicht. Er setzte sich auf seinen früheren Platz, schlug wieder das Buch des Apostel Paulus auf und begann in seinem vom Teufel, dem größten aller Logiker, verfinsterten Geiste, den Sinn der Worte der Schrift so zu verdrehen:

    »Ihr könnt nicht umhin, zugleich zu trinken des Herrn Kelch und der Teufel Kelch; Ihr könnt nicht umhin, zugleich teilhaftig zu sein des Herrn Tisch und des Teufels Tisch.«

    Mit einem bitteren Lächeln hob er die Augen zum Himmel und erblickte da den Abendstern, der wie die Leuchte des schönsten der Engel der Finsternis, Luzifers des Lichttragenden, strahlte.

    Da kam ihm die Legende in den Sinn, die er von einem gelehrten Mönch gehört hatte; sie war vom großen Origenes aufgenommen und vom Florentiner Matteo Palmieri in seinem Gedicht »Die Stadt des Lebens« wiederholt worden. Während des Kampfes des Teufels mit Gott, so hieß es in dieser Sage, fanden sich unter den Engeln auch solche, die sich weder den Heerscharen Gottes, noch denen des Teufels anschließen wollten; dem einen und dem andern fremd, blieben sie einsame Zuschauer des Zweikampfes; Dante sagte von ihnen:

    »Angeli che non furon ribelli,

    Ne pur fideli a Dio, ma per sè foro.«

    (Engel, die weder rebellisch,

    Noch Gott ergeben, sondern für sich allein waren.)

    Diese freien und traurigen Geister, die weder dunkel noch hell, weder böse noch gut, sondern des Lösen und des Guten, der Finsternis und des Lichts zugleich teilhaftig waren, wurden von der himmlischen Gerechtigkeit in ein irdisches Tal verbannt, das zwischen Himmel und Hölle liegt, in ein Tal der Dämmerung, die ihnen gleicht; und dort wurden sie Menschen.

    »Wer weiß?«, so spann Giovanni seine sündigen Gedanken weiter aus: »Wer weiß, vielleicht ist nichts Böses daran, vielleicht soll man zu Ehren des Einen aus beiden Kelchen zugleich trinken?«

    Da schien es ihm, als hätte nicht er diese Worte gesprochen, sondern ein Anderer, der sich über ihn gebeugt und ihm mit kaltem Atem, aber liebevoll die Worte zuflüsterte: »Zugleich, zugleich!«

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