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SOULFIRE!: Meine Rock'n'Roll Odyssee
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eBook664 Seiten8 Stunden

SOULFIRE!: Meine Rock'n'Roll Odyssee

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Über dieses E-Book

An der Seite vom Boss
Bruce Springsteens rechte Hand erzählt

Steven Van Zandt gehört zu den letzten wahren Rock'n'Rollern. Mit seinem Kopftuch, den schweren Stiefeln und der Gitarre in Hüfthöhe symbolisiert er den Rebellen und zugleich den Romantiker der endlosen Highways der USA. Als Mitglied von Springsteens E Street Band spielte Van Zandt auf Megaerfolgen wie "Darkness On The Edge Of Town", "The River" oder "Born In The U.S.A.", und während seiner Aktivitäten als Solokünstler schrieb er Songs für Meat Loaf, Pearl Jam sowie Jackson Browne. In den Achtzigern sorgte der auch Little Steven genannte Ausnahmemusiker für viel Aufsehen, da er im Rahmen des Ensembles Artists United Against Apartheid mit dem Album "Sun City" gegen das südafrikanische Regime opponierte. Seinem Ruf folgten Künstler wie Bob Dylan, Pete Townshend, Miles Davis, Lou Reed und Peter Gabriel.
Van Zandt erzählt in seiner Autobiografie von der harten Jugend in New Jersey, dem Ruf des Rock'n'Roll und der immens erfolgreichen Zusammenarbeit mit Bruce Springsteen, der er viel Raum widmet. Doch auch Themen wie die Schauspielerei, das Wirken als Philanthrop und das Engagement für sozial schlechtergestellte Jugendliche kommen zur Geltung.
Sein einnehmender Erzählton offenbart einen Träumer, einen modernen amerikanischen Rosenkavalier, der die Welt der hart arbeitenden Menschen, der unerfüllten Wünsche und der Sehnsucht nach der wahren Liebe beschwört.
SpracheDeutsch
HerausgeberHannibal
Erscheinungsdatum28. Sept. 2021
ISBN9783854457169

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    Buchvorschau

    SOULFIRE! - Stevie Van Zandt

    Stevie Van Zandt

    Soulfire!

    Originalversion redigiert von Ben Greenman

    Aus dem Amerikanischen übersetzt von Paul Fleischmann

    Deutsches Lektorat von Hollow Skai

    www.hannibal-verlag.de

    Zitat

    In jenem Bewusstseinszustand, der New Jersey zu sein scheint, liegt irgendwo zwischen dem Bruce Springsteen Stadium und der Bon Jovi Arena eine kaum bekannte Straße namens Little Steven Boule­vard. Auf ihr befinden sich zahllose Souvenirläden, die alle dem ­Consigliere Little Steven gewidmet sind. Dort gibt es nur Krimskrams erster Güte: Gangster-Memorabilia, Little-Steven-Geld- und Handtaschen, Bandanas und Kopftücher, Little-Steven-Glaswaren, Kaffeetassen, Little-Steven-Fahnen, Schlüsselanhänger, Aufkleber und Aufnäher, Stifte und Gitarrenplektren, Little-Steven-Papp­kameraden zum Aufstellen, Puzzles und Buttons. In dieser Straße kann man ein Vermögen ausgeben, sich jeden Song anhören, den er je gespielt hat, jede Fernsehserie ansehen, in der er je aufgetreten ist. Man kann auch seine Underground-Garage und Little Stevies Underground-College besichtigen. Das alles findet man dort. Ebenso wie Exemplare dieses Buchs hier. Es erfüllt alle Kriterien und bietet Anekdoten bis zum Abwinken. (Etwa auf Seite 235 – zum Niederknien, sage ich euch. Aber das ist nur eine von Hunderten.)

    Hier handelt es sich in der Tat um eine lehrreiche Geschichte voller haarsträubendem Humor, weltlichen Weisheiten und wildentschlossenem Wagemut. Kein Zweifel, der gute Stevie beweist immer wieder aufs Neue, dass er weiß, wovon er spricht.

    Bob Dylan

    Widmung

    Für Maureen,

    meine unerwiderte Liebe

    Impressum

    Deutsche Erstausgabe 2021

    © 2021 by Hannibal

    Hannibal Verlag, ein Imprint der KOCH International GmbH, A-6604 Höfen

    www.hannibal-verlag.de

    ISBN 978-3-85445-716-9

    Auch als Paperback erhältlich mit der ISBN 978-3-85445-715-2

    Titel der Originalausgabe: Unrequited Infatuations – Odyssey of a Rock and Roll Consigliere (A Cautionary Tale)

    © 2021 by Renegade Book, LLC

    ISBN Hardcover: 978-0-306-92542-9

    Published by Hachette Books, an imprint of Perseus Books, LLC, a subsidiary

    of Hachette Book Group, Inc.

    Coverfoto © Mark Weiss

    Grafischer Satz in deutscher Sprache: Thomas Auer

    Übersetzung: Paul Fleischmann

    Deutsches Lektorat und Korrektorat: Hollow Skai

    Hinweis für den Leser:

    Kein Teil dieses Buchs darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, digitale Kopie oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet werden.

    Der Autor hat sich mit größter Sorgfalt darum bemüht, nur zutreffende Informationen in dieses Buch aufzunehmen. Alle durch dieses Buch berührten Urheberrechte, sonstigen Schutzrechte und in diesem Buch erwähnten oder in Bezug ­genommenen Rechte hinsichtlich Eigennamen oder der Bezeichnung von Produkten und handelnden Personen stehen deren jeweiligen Inhabern zu.

    Inhalt

    Ouvertüre

    Vorwort

    Kapitel 1

    Zeit der Erleuchtung

    Kapitel 2

    An der Quelle

    Kapitel 3

    Rauf auf die Bühne

    Kapitel 4

    Southside Johnny & The Kid

    Kapitel 5

    Das Business

    Kapitel 6

    Las Vegas!

    Kapitel 7

    Asbury Park – Jetzt erst recht!

    Kapitel 8

    Der Boss der Bosse

    Kapitel 9

    Ich will noch nicht nachhause

    Kapitel 10

    L.A. A Go Go

    Kapitel 11

    Jetzt wird’s ernst!

    Bilderstrecke 1

    Kapitel 12

    Der Punk trifft den Paten

    Kapitel 13

    Taufe

    Kapitel 14

    Checkpoint Charlie

    Kapitel 15

    Wie Hemingway

    Kapitel 16

    Voice of America

    Kapitel 17

    Auf dem Boden der Tatsachen

    Kapitel 18

    Der atemlose Projektionist

    Kapitel 19

    Revolution

    Kapitel 20

    Auf keinen Fall in Sun City!

    Kapitel 21

    Freedom – No Compromise

    Kapitel 22

    Der Heros in tausend Gestalten

    Kapitel 23

    Sieben Jahre in der Wüste

    Bilderstrecke 2

    Kapitel 24

    Eine Nacht in der Oper

    Kapitel 25

    An der Wegkreuzung

    Kapitel 26

    Gangster am Tage – DJ bei Nacht

    Kapitel 27

    Ein verdammt cooler Super Bowl

    Kapitel 28

    Lilyhammer

    Kapitel 29

    Once upon a Dream

    Kapitel 30

    Die goldenen Nymphen

    Kapitel 31

    Botschafter am Hofe Ronald McDonalds

    Kapitel 32

    Soulfire

    Kapitel 33

    Summer of Sorcery

    Kapitel 33⅓

    Epilog

    Danksagungen

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    Ouvertüre

    Die in der Ferne erklingende Musik beschleunigt und verlangsamt wie eine Vinyl-Schallplatte auf einem verzogenen Plattenteller. Sie bäumt sich gegen eine zarte Brise auf, bevor sie dann doch nachgibt. Gleichzeitig ertönen das sanfte Klirren zerbrechenden Glases und ein paar müde wirkende Autohupen in jener mysteriösen Dunkelheit, die sich in der fremdartig-toxischen Einöde hinter den Stadtgrenzen ausbreitet. Der Nachhall feuchtfröhlicher Zechgelage durchschreitet seine nächtliche Metamorphose, verformt durch die umliegende Geräuschkulisse, bis er in das Rascheln der Blätter draußen auf der Terrasse mündet, auf der in dieser besonders knackigen Dezembernacht im Greenwich Village unser Held sein Schicksal bedenkt.

    Der Winter geht um und Bewusstsein erweist sich als Ladenhüter.

    Es will sich einfach nicht an den Mann bringen lassen.

    Zum Teufel, nicht einmal geschenkt wollen es die Leute haben!

    Höre ich da etwa den eisigen Wind durch die erstarrten, grauen Straßen blasen? Oder handelt es sich bei diesen Echos vielmehr um Hohn und Spott?

    Einst war Bewusstsein kaum zu erlangen – und auch damals war die Nachfrage gering.

    Informationen wurden vom Klerus, Hexendoktoren und machthungrigen Autoritäten streng rationiert. Das waren Menschen, denen wir törichterweise die Aufgabe überließen, das Leben für uns zu begreifen und zu interpretieren.

    Alle hundert Jahre fühlte sich dann jemand erleuchtet genug, um seine Erkenntnisse zu teilen. Darauf folgten zumeist die Exkommunikation, ein Leben hinter Irrenhausmauern oder ein qualvoller Tod auf dem Scheiterhaufen, wo unsere dankbare Gesellschaft diese Visionäre bei lebendigem Leib verbrannte.

    Wer mochte schon den Buddha, als er unter uns weilte? Nur ein paar obdachlose Gefolgsleute, die darauf hofften, eines Tages zu verstehen, was zum Geier dieser gemütlich-füllige Mann tatsächlich zum Ausdruck bringen wollte.

    Wen konnte Jesus schon für sich gewinnen? Gerade einmal ein Dutzend Typen und ein oder zwei Ex-Huren.

    Sokrates und Robert Johnson erhielten im Gegenzug für ihre Einsichten jeweils denselben Lohn. Einen finalen Schluck aus dem Schierlingsbecher.

    Nein, mein Freund, man muss sich schon etwas Besseres einfallen lassen, als die Wahrheit unters Volk bringen zu wollen. Dann schon lieber etwas Nützliches. Zum Beispiel Krieg, Steuern, eine Regierung, auslaugend-bedeutungslose Schufterei, gefälschte Wall-Street-Bilanzen, sexuelle Frustration, Leid, falsche Hoffnungen, Krankheit, Knarren, Drogen, Benzin, Agrarwirtschaft, Angst, Schnaps, Gift, Hass. Wir brauchen Sündenböcke. Erfülle unser spirituelles Vakuum mit Religion.

    Wir werden uns als unersättliche Konsumenten erweisen. Sprich möglichst herablassend mit uns. Wie zu Kindern. Damit wir auch ja begreifen. Es grassiert ohnehin gerade eine Pandemie der Dummheit, also wird das niemandem auffallen.

    Wir werden dir überallhin folgen.

    Eltern, Lehrer, Priester, Ärzte, Politiker, Philosophen, Poeten, Künstler, Götzen, der Allmächtige, der Heilige Geist – sind eure Möglichkeiten wirklich so beschränkt? Eure Nachkommen brauchen Zuwendung und ihr haltet euch mit was bitte auf?

    Die Kinder des Dezembers sind Waisen.

    Der Winter geht um und Bewusstsein erweist sich als Ladenhüter.

    Vorwort

    Stille.

    Er lag unter einer Decke hinten im Wagen auf dem Boden, umhüllt von einer irren, unheimlichen Stille.

    Niemand sprach ein Wort. Kein Radio. Nur das gemächliche Brummen des Motors. Er lag da ganz allein mit seinen Gedanken. Und eines sei euch gesagt: Das gefiel ihm gar nicht.

    Seine beiden Mitverschwörer schmuggelten ihn an einer Militärblockade vorbei hinein in die schwarze Township Soweto. Die „einheimischen Unruhen", wie die Regierung es gern formulierte, kochten alle paar Jahre wieder hoch, doch in letzter Zeit traten sie regelmäßiger auf. Inzwischen handelte es sich um einen Dauerzustand.

    Nicht ganz zufällig war die Polizei weniger zuverlässig als noch zuvor. Die Beamten beschlichen gemischte Gefühle, wenn es darum ging, ihre eigenen Familienmitglieder und Nachbarn bei Demonstrationen zu verprügeln. Oder wenn sie wegsehen mussten, wenn Leute aus ihrem Bekanntenkreis im Knast gefoltert und gelegentlich ermordet wurden.

    Die Regierung, die ihr Vertrauen in die Polizei verloren hatte, setzte nun in einem beispiellosen Schritt auf das Militär. Es bewachte jeden einzelnen Checkpoint, den man auf dem Weg in das riesige Ghetto oder aus ihm hinaus passieren musste. Nicht etwa zum Schutz der Einwohner, sondern um sie einzupferchen und einfacher abschlachten zu können, sobald konstruktive Ansätze dem Blutvergießen weichen mussten. Die Lage war noch nie so angespannt gewesen. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, um zur falschen Zeit die falsche Hautfarbe zu haben. Deshalb auch die Sache mit der Decke.

    Die sich schier uferlos ausbreitende Township war nicht ans Stromnetz angeschlossen, weshalb ein dichter Nebel von Öl- und Kohlerauch in etwa einem Meter Höhe über dem Boden hing und die Rätselhaftigkeit und immanente Gefahr des Augenblicks noch stärker betonte. Es fühlte sich an wie ein von einer Twilight Zone inspiriertes Fahrgeschäft in einem von Dostojewski ersonnenen Disneyland. Oder wie eine Außenmission in Star Trek, bei der er das entbehrliche Crewmitglied war, ein sogenanntes Redshirt. Die Jungs im roten Oberteil mussten immer über die Klinge springen. Die Farbe der Uniform entsprach in diesem konkreten Fall seiner Hautfarbe. Klar?

    Jedes Land besitzt seinen ganz eigenen Geruch. In Südafrika liegt der süßliche Duft von Jacaranda, Zuckerrohr und Bananenstauden in der Luft. Gelegentlich durchschnitt diesen eine ätzende Brise, die eine Mischung aus verbranntem Gummi und Menschenfleisch transportierte. Dieser Gestank ergab sich, wenn angeblichen Verrätern mit Benzin gefüllte Reifen übergeworfen und in Brand gesteckt wurden, um sie hinzurichten.

    Das nannte sich Necklacing.

    Neben der Kombination aus betörender Schönheit und glühendem Hass war auch noch das charakteristische Aroma einer Revolution wahrnehmbar. Und er liebte jede einzelne beängstigende, irre Minute, Baby!

    Der finale Showdown stand unmittelbar bevor und er hatte einen Sitzplatz direkt am Ring ergattert. Er war unterwegs zu einem höchst geheimen und absolut illegalen Treffen mit einer der allerbrutalsten Gruppierungen der südafrikanischen Revolutionsbewegung, der Azanian People’s Organisation (AZAPO). Es galt herauszufinden, wie diese tickten und bestenfalls ihre Zustimmung zu jener Strategie zu erhalten, die er sich zur Unterstützung ihres Freiheitskampfes hatte einfallen lassen.

    Im Südafrika des Jahres 1984 war es verboten, dass sich drei schwarze Männer zur selben Zeit am selben Ort versammelten. Es war illegal, den Kulturboykott gegen das Land zu befürworten. Das galt vor allem für die Schwarzen, als die sie vom Staat klassifiziert wurden. Auch war es ein Kapitalverbrechen, eine Schusswaffe zu tragen, oder Umgang mit jemandem zu pflegen, auf den dies zutraf.

    Er sollte nun gegen all diese Gesetze verstoßen. Die AZAPO repräsentierte die Frontsoldaten. In den Augen der am Hungertuch nagenden Massen waren sie Helden. Für die Regierung waren sie hingegen Terroristen.

    Nicht geplant hatte er, in der nächsten Stunde ihre Strategie zur Revolution zu kritisieren und ein Plädoyer zu halten, um sein Überleben zu sichern.

    Wie hatte es diesen Halb-Hippie von einem Gitarristen nur hierher verschlagen?

    Sieben glorreiche Jahre lang galten Bruce Springsteen und die E Street Band als das „Rat Pack" des Rock’n’Roll. Er schlüpfte dabei bereitwillig in die Rolle Dean Martins. Wann immer eine Party auf dem Programm stand, rief man ihn an. Politik war hingegen nicht sein Ding. Vielmehr war er der Spaßmacher. Ein Hofnarr. Immer für einen Lacher gut. Sex, Alk, Drogen, Rock’n’Roll … und noch einmal eine Extraportion Sex! Yo, Barkeeper, noch eine Lokalrunde!

    Damit er nun unter dieser Decke liegen musste, hat schon so einiges schieflaufen müssen.

    Dennoch war es nur logisch, dass ein gestandener Rock’n’Roller aus New Jersey sich auf die Risiken von Inhaftierung und Tod einließ. Dies entsprach der Logik seiner neuen Denke, die er sich erworben hatte, indem er zu einem ganz anderen Menschen geworden war.

    Er hatte Tag und Nacht mit der E Street Band gearbeitet und voller Stolz dazu beigetragen, sie zur größten und besten Formation auf dem Planeten zu machen. Dann, in einem Augenblick vollkommener Klarheit (oder auch kompletten Wahnsinns), verließ er die Gruppe, um herauszufinden, wer er wirklich war und wie die Welt funktionierte. Jetzt oder nie, lautete sein Motto. Sobald man sich auf dem Weg zu Reichtum befand, gab es in der Regel kein Halten mehr. Die Reichen hatten einfach zu viel zu verlieren. Er entschied sich aber für das Abenteuer und gegen das Geld.

    Was für ein Depp.

    Gleich zu Beginn seiner verrückten Reise hatte er eine überraschende Erkenntnis erlangt. So war er zu dem Schluss gekommen, dass er mit ausführlicher Recherche jedes politische Problem nicht nur analysieren, sondern sogar lösen könnte. Ganz egal, wie komplex dieses auch sein mochte! Natürlich war es etwas ganz anderes, die Lösung adäquat umzusetzen. Aber eigentlich recherchierte er ja nur, um Material für Songs zu sammeln. Zumindest vorerst.

    Ihm war schon seit jeher bewusst gewesen, dass er die Fähigkeit besaß, musikalische Projekte auf ein höheres Niveau zu hieven: Song, Arrangement, Text, Produktion – sucht euch etwas aus! Jahrelang hatte er für andere Schlechtes in Gutes, Gutes in Großartiges und Großartiges in noch Großartigeres verwandelt.

    Das war keinesfalls reines Honigschlecken.

    Selbst im Kunst- und Kreativbereich kann das Talent, Dinge reparieren und verbessern zu können, sowohl Segen als auch Fluch sein.

    Die Sache mit dem Segen erklärt sich von selbst.

    Der Fluch-Aspekt unterteilte sich in drei Ebenen. Zunächst freuten sich nur die wenigsten Menschen über Ratschläge, ganz egal, was sie sagten. Sie wollten sich der Illusion hingeben, alles selbst auf die Reihe gebracht zu haben. Manchmal heuchelten sie Interesse und ignorierten einen Ratschlag dann einfach. Außerdem war es nicht unbedingt ein Kinderspiel, auf diese Weise seinen Lebensunterhalt zu verdienen, da andere den Wagen steuern durften, während er sich darum kümmern musste, dass die Räder gut geschmiert liefen. Mitunter musste er auch vom Wagen abspringen, um Reparaturen vorzunehmen.

    Der größte Wermutstropfen bestand jedoch darin, dass es ihm niemals gelang, diese wunderbare Logik auch auf sein eigenes Leben anzuwenden. Der Frust über die geschäftliche Seite lenkte ihn von den Genüssen der Kunst ab. Es spielte keine Rolle, wie sehr er dagegen ankämpfte, der wahnhafte Teufel, der tief in ihm wohnte, wartete immer noch auf jenen magisch-mystischen Mäzen, der doch schon längst die Bildfläche hätte betreten müssen.

    Als ihm bewusstwurde, dass sein Können über den künstlerischen Bereich hinausreichte, nämlich bis hinein in die reale Welt und das echte Leben, war das ein ziemlicher Schock. Immerhin empfand er sich selbst als Halbidioten, der gerade einmal so die High School beendet hatte. Ganz zu schweigen davon, dass der Normalzustand seines Verstandes, wenn er sich nicht gerade aktiv mit etwas befasste, von einer chaotischen Kombination aus Frustration, Ungeduld, Selbsthass und Besessenheit von künstlerischen und philosophischen Fragestellungen geprägt war.

    Aber das war doch schließlich der Grund, warum Künstler letztendlich Künstler werden wollten, oder? Um aus dem Chaos Ordnung zu erschaffen. Um das Irrationale in einen rationalen Rahmen zu fassen. Um Antworten auf die unbeantwortbaren Fragen zu finden. Um eine Struktur zu kreieren, die als Unterschlupf vor den widersprüchlichen Wirbelstürmen zu fungieren vermochte, die unablässig seinen Verstand quälten. Oder ging es etwa nur um Rache? Am besten sich gar nicht erst darauf einlassen, dachte er. Es roch alles schlichtweg zu sehr nach emotionaler Schwelgerei.

    Die neue Erkenntnis, dieses Bewusstsein, dass er sein Talent auf die großen Probleme der Welt fokussieren konnte, lehrte ihn aber, dass seine Bestimmung, zumindest für die nähere Zukunft, darin bestand, ein politisch engagierter Rockmusiker zu sein.

    Jedoch nicht so, wie sich Jackson Browne, Bonnie Raitt, Graham Nash und John Hall politisch engagierten. Das waren allesamt Helden, die sich an vorderster Front betätigten. Sein Interesse lag – zumindest anfangs noch – im Journalismus. Er kombinierte ihn mit seiner Kunst. So wie das Bob Dylan als Folk-Künstler tat. Nein, er wollte der erste Künstler sein, der seine Kunst ganz in den Auftrag politischer Themen stellt – jeder einzelne Song auf jedem einzelnen Album würde sich auf eine größere Problemstellung beziehen. Das hatte noch niemand gewagt, zumindest nicht in einer solchen Regelmäßigkeit.

    Aber warum nicht?

    Zunächst einmal waren alle anderen zu intelligent dafür. Immerhin handelte es sich hierbei um ein Manöver, das sich als Karriere-Killer herausstellen konnte, was ihnen klar war. Ihm aber war das egal. Bei seiner Selbstsuche hatte das Thema Karriere für ihn keine Priorität gehabt. Diese kurzsichtige Naivität sollte sich als selbsterfüllende Prophezeiung erweisen.

    Ihn kümmerte ausschließlich das Abenteuer seines Lernprozesses. Sein Leben hatte noch einmal von vorne begonnen. So war er zu einem Suchenden geworden, der sich auf die Suche begab, um die Wahrheit zu absorbieren und gleichzeitig Lügen als solche bloßzustellen. Er machte nun alles wett, was er in der Schule versäumt hatte. Vielleicht, ja, nur vielleicht, gelang es ihm dabei, seiner Existenz einen Sinn zu verleihen.

    Als er seine Solokarriere in Angriff nahm, hatte er sich insgesamt fünf Alben vorgenommen, die sich um fünf unterschiedliche politische Problemstellungen drehen sollten. Doch als seine kreative Leidenschaft nun auf seine Nachforschungsarbeiten prallte und er sich intensiv mit den Themen aus der echten Welt befasste, über die er schrieb, wurde alles nur noch komplizierter.

    Südafrika lieferte hierfür wohl das beste Beispiel.

    Die Herausforderung, die sich ihm für den Rest seines Lebens stellen würde, manifestierte sich nun in dieser Szene auf dem Boden zwischen den Vorder- und Rücksitzen dieses Wagens. Das Fahrzeug wurde einen Augenblick langsamer und dann wieder schneller. Waren sie etwa durch den Checkpoint gewunken worden? Er befand sich gerade auf seiner zweiten Südafrika-Reise, um die Recherchearbeiten zu seinem dritten Album abzuschließen.

    Als er da so unter seiner Decke kauerte, hätte er eigentlich Angst verspüren müssen. Doch sämtliche Angst war aus seinem Leben gewichen. Das war ihm bereits auf dem Flug von New York nach Südafrika aufgefallen. Fliegen war nie sein Ding gewesen. Die Turbulenzen hatten ihm immer schon zu schaffen gemacht. Doch mit einem Schlag wurde ihm klar, dass er das alles überwunden hatte.

    Er hatte es überwunden, weil er alles in den Sand gesetzt hatte. So hatte er sein ganzes Leben darauf hingearbeitet, sich den unmöglich geglaubten Traum vom Rockstar zu erfüllen. Dann, als dieser auf wundersame Weise Wirklichkeit geworden war, ließ er alles zurück.

    Von diesem Augenblick im Flugzeug an, als er all seine Angst ziehen ließ, sollte der Suizid zu seinem permanenten Wegbegleiter und Versucher avancieren. Sich nicht länger vor dem Tod zu fürchten, war, wie sich herausstellte, ein großer Nutzen. Es erlaubte ihm, sich an alle denkbaren Orte zu begeben und sie zu untersuchen, ohne sich dabei auch nur im Geringsten um seine eigene Sicherheit zu scheren.

    Er hatte seine Band, seinen besten Freund, seine Karriere und seinen Lebensunterhalt verloren. Einfach alles. Warum? Nur um der abstrakten Vorstellung, seine Existenz rechtfertigen zu können, hinterherzuhecheln?

    Er war sich ja noch nicht einmal im Klaren darüber, ob er überhaupt ein Frontman sein wollte. Offenbar war er in dieser Hinsicht ein Naturtalent, aber er brauchte es einfach nicht. Alle großartigen Frontmänner benötigten das Rampenlicht. Die Bewunderung. Die Bestätigung. Wollten angehimmelt werden. All dies schien eine Lücke in ihren Herzen auszufüllen.

    Er selbst benötigte manche dieser Dinge, aber nicht in diesem Ausmaß und nicht auf eine herkömmliche Art und Weise. Wenn er als Junge davon träumte, in seinen Lieblingsbands spielen zu dürfen, war er nie der Frontman. Bei den Beatles war er George, und Keith bei den Stones. Bei den Kinks identifizierte er sich mit Dave. Bei den Yardbirds mit Jeff und mit Pete bei The Who.

    Es war ihm ein Genuss, Leute zu beobachten, etwa in einem Straßencafé, wo er einfach nur sein konnte. All das war passé, wenn man im Mittelpunkt stand. Dann wurde man ununterbrochen umringt. Man wusste nicht, ob man nicht ständig unter Beobachtung stand. Dieser Gedanke brachte seine Klaustrophobie zum Vorschein.

    Trotzdem stand er nun im Mittelpunkt, auch wenn er sich unter einer Decke versteckte. Das war schon ein seltsamer Zustand. Irgendwie komisch, aber auch sehr befreiend. Die Situation brachte eine überraschende Klarheit mit sich. Plötzlich kam es ihm so vor, als hätte er endlich seine Bestimmung gefunden.

    Wie jeder Held der griechischen Mythologie, der sich gegen unvermeidbare tragische Resultate sträubte, begab er sich auf seine Reise. Seine Odyssee. Unnachgiebig, ruhig und, ja, ohne Furcht. Auf irrationale Weise wildentschlossen, sie zu meistern.

    Der Wagen hielt an.

    Sie befanden sich nun … ja, wo denn eigentlich? Alle Häuser sahen gleich aus. Acht Mitglieder des Exekutivausschusses der AZAPO, jedes mit einer Machete am Hosenbund, warteten bereits, um ihn ins Kreuzverhör zu nehmen.

    Er sah hoch durch den Dunst, der die Township in einen ebenso trostlosen wie undurchdringlichen Nebel hüllte, hinauf in den kristallklaren afrikanischen Himmel. Hatte das Leben einst hier seinen Ausgang genommen? Oder endete es hier?

    Der ewige Geist der Weltenmutter flüsterte in sein Ohr.

    Dein Schicksal erwartet dich!

    Er lächelte seine Kompagnons an, um ihre Nerven zu besänftigen, und zuckte gelassen mit den Schultern.

    Dann trat er ein …

    Kapitel 1

    Zeit der Erleuchtung

    1950er & 1960er

    Wenn du etwas tun willst, mach es gefälligst richtig.

    William Van Zandt, Sr., Ratschlag an seinen faulen ältesten Sohn

    Meine erste Erleuchtung hatte ich 1961 im Alter von zehn Jahren in meinem Zimmer in der Wilson Avenue 263 in New Monmouth, Middletown, im amerikanischen Bundesstaat New Jersey, als ich gerade zum 55. Mal hintereinander „Pretty Little Angel Eyes" von Curtis Lee hörte.

    So machten wir das damals eben.

    Ein Song, der im Radio lief, konnte dein Leben zum Stillstand bringen und wieder in Gang setzen. Als Jugendlicher konnte dir der richtige Song in den Sixties das Gefühl geben, vollkommen zu sein. Er rettete einem den Tag.

    Es führte kein Weg daran vorbei, eine tolle Platte selbst zu besitzen. Man musste dafür seine Mom überreden, einen in die Stadt zu kutschieren, damit man dort voller Ehrfurcht einen jenen Teenager-Tempel, als die wir Plattenläden empfanden, aufsuchen konnte. Das war wie ein Besuch in der Kirche, der Synagoge oder einem Schwitzzelt.

    Meine üblichen Pilgerstätten befanden sich in der Gemeinde Red Bank. Auf der einen Straßenseite lag Jack’s Record Shoppe und gegenüber davon Jack’s Music Shoppe. Die Schreibweisen waren eine frühe Verneigung vor der British Invasion. Dort kaufte ich ein paar Jahre später auch meine erste Gitarre. Die Läden gibt es noch heute, was eigentlich unglaublich ist.

    Bei Jack’s handelte es sich um ein wunderschön eingerichtetes Gotteshaus, das es hinsichtlich seiner Ausstattung mit jeder europäischen Kathedrale aufnehmen konnte. Ich stöberte in Dutzenden Körben, um die Platte ausfindig zu machen, die ich im Radio gehört hatte. Dann trug ich sie zur Ladentheke und überreichte dem Verkäufer meine hart verdienten 79 Cents. Zuhause hörte ich die Scheibe dann immer und immer wieder, bis sie zu einem Teil meiner selbst, ja, meines Körpers wurde.

    Wir waren die zweite Generation Kids, die mit dem Rock’n’Roll aufwuchs. Das hieß, wir waren erst die zweite Generation, die in der Lage war, sich ihre Schallplatten in der Privatsphäre ihrer eigenen Zimmer anzuhören. Die 45er-Single wurde von RCA 1949 auf den Markt gebracht und war eine Reaktion auf die LP, die mit ihren 33 1/3 Umdrehungen in der Minute im Jahr zuvor eingeführt worden war. Tragbare Plattenspieler folgten kurze Zeit später. Bis dahin standen die Plattenspieler nämlich in den Wohnzimmern und waren in dasselbe Möbelstück integriert, das auch den Fernseher und das Radio beherbergte. Wenn nicht dieser tragbare Apparat auf der Bildfläche erschienen wäre, hätte es den Rock’n’Roll vielleicht nie gegeben.

    Ein Plattenspieler im Wohnzimmer setzte die Erlaubnis – oder zumindest die Toleranz – der Eltern voraus, eigene Musik zu hören. Ohne tragbare Endgeräte hätte die erste Generation Rock-Kids niemals Little Richard, Bo Diddley oder Jerry Lee Lewis lauschen dürfen.

    Die ältere Generation empfand diese musikalischen Pioniere der 1950er als Kuriosität und Bedrohung. Eine seltsame Kombination. Ihre Bühnenpossen, schrillen Outfits und das offenkundige Nichtvorhandensein jeglichen Talents (zumindest wie es die Eltern definierten) war zum Brüllen komisch. Andererseits wirkten diese Vögel aber auch gefährlich, da ein unbehaglich anmutendes Element schwarzer Kultur alles zusammenzuhalten schien. Was für Auswirkungen würde das auf Kids haben, die ohnehin mehr Freizeit hatten, als ihnen eigentlich guttat?

    Rock hätte genau an dieser Stelle bereits im Keim erstickt werden können. Aber stattdessen zog er hoch in die Zimmer der Jugendlichen.

    Es entstammt nicht nur meiner Fantasie, wenn ich behaupte, dass man in den 1960ern Musik nicht nur hörte, sondern sie spürte. Die Schallwellen drangen in deinen Körper ein. Die Nadel, die analoge Impulse weiterleitete, die auf wundersame Weise aus in Plastik geritzten Rillen übertragen wurden, ermöglichte eine tiefgründigere, körperlichere Kommunikationsebene als das moderne Musik in digitaler Form vermag.

    Ich weilte zufällig gerade in London, als das Beatles-Album Sgt. Pepper das 20-jährige Jubiläum seines Erscheinens feierte. Die Plattenfirma EMI, die damals auch mein Label war, lud ein paar Leute ein, sich die alten analogen Vierspuraufnahmen in den Abbey Road Studios anzuhören. Vorher und nachher habe ich nie etwas Vergleichbares gehört. Anschließend war war ich zwei Tage lang high. Ganz ohne Drogen.

    Mithilfe von Musik waren einst große Durchbrüche im Umgang mit autistischen Kindern geglückt. Diese Fortschritte hörten aber auf, als die Welt auf digital umsattelte.

    Ich habe einmal gelesen, dass man eine Platte zweihundert Mal anhören kann, bevor sie abgenutzt ist. Irgendwann verschwinden die hohen Frequenzen. Die Technologie konnte nicht mit der Leidenschaft und Ausdauer der Teenager mithalten. Ich überschritt dieses Limit ziemlich oft, etwa mit „Twist and Shout von den Isley Brothers, „Sherry von den Four Seasons und „Duke of Earl" von Gene Chandler. Dann musste ich losziehen und mir diese Singles noch einmal besorgen.

    Da saß ich nun also und ließ mich auf „Pretty Little Angel Eyes" ein. Obwohl ich nicht mehr weiß, was ich heute zum Frühstück hatte, erinnere ich mich noch lebhaft daran, dass ich damals aus dem Fenster blickte und meinen Nachbarn Louie Baron erspähte. Gleichzeitig wurde ich von einem Hochgefühl ergriffen. Die Musik hatte mir auf eine neue und unerwartete Weise zu einem Endorphinrausch verholfen.

    Am liebsten wäre ich die Treppen hinuntergeeilt, um Louie zu umarmen und ihm zu sagen, dass er mein Freund war und Freundschaft alles bedeutete. Und dass Liebe und Musik imstande wären, die Welt zu retten. Vor mir offenbarte sich in glasklaren Bildern eine wunderschöne Zukunft. Sie stand der gesamten Menschheit offen.

    Meine erste Erleuchtung.

    Natürlich hielt ich mich im Zaum.

    Meine Wonne ließ mich nicht völlig verblöden. In jenen Tagen umarmten sich Männer nicht.

    Ich war immer schon ein wenig behäbiger als die meisten anderen Kinder. Meine Ekstase löste daher nicht sofort große Neugier aus. Wer steckte hinter dieser Musik? Wie wurde sie gemacht? Konnte ich sie etwa auch machen? Diese Gedanken nisteten sich erst ein paar Jahre später bei mir ein. Doch meine Begeisterung für Musik sollte letztlich meinen religiösen Eifer ablösen.

    Habe ich erwähnt, dass ich ein sehr religiöser Junge war? Ich besuchte regelmäßig die Sonntagsschule, akzeptierte Jesus als meinen persönlichen Heiland und empfing mit neun oder zehn das Sakrament der Taufe. So läuft das bei den Protestanten im Gegensatz zu den Katholiken, die bald nach der Geburt getauft werden. Dort überlässt man nichts dem Zufall.

    Ein paar Jahre lang war ich dann lammfromm.

    Der Gottesdienst am Ostermorgen war die große Härteprüfung. Da musste man schon um vier Uhr morgens aufstehen, um es rechtzeitig bis um 6 Uhr auf einen Berggipfel in den Highlands zu schaffen. Ich kann mich nicht erinnern, dass mich meine Eltern dorthin begleiteten, nur ein paar Kirchenälteste und eine Gruppe Fundamentalisten. Der Respekt, den sie mir entgegenbrachten, gefiel mir. Ich konnte ihn in den Augen der Leute erkennen. Zwei oder drei Jahre lang nahm ich an dieser Messe teil.

    Ich wollte immer zu den Eingeweihten gehören. Zu den Typen mit den Insider-Infos. Dafür war ich bereit, Zeit zu investieren. Im Alter von zehn Jahren vermutete ich, dass Religion die passenden Antworten für mich bereithielt. Zusätzlich lag mir metaphysisches Zelotentum quasi im Blut. Das Bedürfnis, Teil von etwas Größerem zu sein, sowie der Wunsch nach Zugehörigkeit, sind feste Bestandteile der menschlichen Natur. Es ist der Fanatismus, der sowohl religiöse Eiferer als auch Rock’n’Roller von zurechnungsfähigeren Zeitgenossen unterscheidet.

    Es könnte auch sein, dass ich bloß meinen neuen Vater beeindrucken wollte. Eigentlich war ich ja katholisch erzogen worden, bevor meine Mutter noch einmal heiratete und das Team wechselte. Zumindest gab sie das vor. Insgeheim aß sie am Freitag auch weiterhin Fisch und rief den Heiligen Antonius an, wann immer etwas verloren ging.

    ***

    Als ich acht Jahre alt war, holte uns der einzige Vater, den ich je als solchen anerkennen sollte, William Van Zandt, von Boston, wo ich auf die Welt gekommen war, zu sich nach New Jersey. Von dort aus konnte ich mich daran machen, meiner Bestimmung nachzugehen.

    Er war ein witziger Kerl. Kurzgeraten, kräftig, ruhig, extrem stoisch. Ein Ex-Marine und als Republikaner ein Anhänger Barry Goldwaters. Seine Nase war vom Boxen geplättet. Die hatte er sich entweder bei den Marines oder beim Golden-Gloves-Turnier geholt. Als Junge hatte er Trompete gespielt, aber ich kann mich nicht daran erinnern, ihn jemals spielen gesehen zu haben. Ironischerweise, oder was auch immer das richtige Wort ist, hätte somit wohl die Trompete mein erstes Instrument sein sollen. Aber ich habe nicht die Lunge dafür. Sie ist atmosphärischer als alle anderen Instrumente – vor allem für Filmmusik. Nichts kann mit dem Einstieg zu Der Pate mithalten. Dasselbe lässt sich auch über Miles Davis’ Musik zu Fahrstuhl zum Schafott sagen.

    Die einzigen Platten, die mein Vater auf dem großen Plattenspieler im Wohnzimmer auflegte, waren von Arthur Prysock. Wenn er besonders gut aufgelegt war, sang er sogar mit. Er besaß eine gute Stimme.

    Jeden Dienstagabend verbrachte er bei der Society for the Preservation and Encouragement of Barber Shop Quartet Singing in America (SPEBSQSA). Mittlerweile nennt sich dieser Verein zu seinem eigenen Glück Barbershop Harmony Society bzw. BHS. Wenn ich heute daran zurückdenke, dann könnte es sein, dass seine gesanglichen Aktivitäten mit seinem Barbershop-Quartett, den Bayshore Four, meine lebenslange Vorliebe für Doo-Wop und Harmoniegesang im Allgemeinen mitbegründet hat. Heute gelten die Mills Brothers, ihres Zeichens Söhne von Barbershop-Quartett-Sängern, und die Ink Spots als direkte Überleitung zu den Wurzeln des Doo-Wop.

    Es ist mir heute zutiefst peinlich, aber ich kann mich nicht daran erinnern, mich jemals mit ihm über sein Leben unterhalten zu haben – etwa darüber, was er als Kind so getrieben hatte, oder auf wen er damals abfuhr. Was seine Träume waren.

    Meine Mutter sprach nie über meinen leiblichen Vater. Aber das muss damals schon eine missliche Lage gewesen sein, da sich in jenen Tagen Leute eigentlich nie scheiden ließen. Vor allem keine Katholiken. Und schon gar keine Katholiken mit Kindern. Ich empfand meine Mutter nie als sonderlich rebellisch veranlagt, aber dieses Vorgehen muss für damals als besonders rebellischer Akt durchgehen. Ich weiß nur, dass er jung starb. Ich hätte vielleicht mehr Details erfragen sollen, doch kam mir das gegenüber meinem Vater als unangebracht vor.

    Sie entsprach dem weiblichen Ideal der 1930er und 1940er. Mit der großen Ausnahme ihrer Scheidung akzeptierte sie das Leben so, wie es war. Null Ehrgeiz. Keine Meinungen. Kein Drama. Sie hielt sich an die Spielregeln, war eine fantastische Köchin und hatte ein freundliches Lächeln. Als ich jung war, schien sie stets gutgelaunt zu sein. Die Gesellschaft erwartete und gestattete nicht viel. Sie lebte für ihre Kinder. Zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich das auf mich.

    Wir zogen zunächst zu ihren Eltern, Adelaide und Sam Lento, weshalb zwei Onkel und zwei Tanten dabei behilflich waren, mich aufzuziehen. Dafür brauchte es wohl ein ganzes Dorf … Itaker!

    Als wir nach New Jersey übersiedelten, folgte uns die Familie. Nana Lento betonte, dass das mit mir, dem ersten Enkelkind, zu tun gehabt hatte. Das war offenkundig eine große Sache für italienische Familien. Da letzten Endes gleich vier ihrer fünf Kinder in Jersey sesshaft wurden, versammelten wir uns jeden Sonntag bei ihr zuhause, nur einen Spaziergang von der Kirche entfernt. Dort gab es dann eine typisch italienische Mahlzeit – eine Mischung aus Mittag- und Abendessen, die sich vom frühen Nachmittag bis zum Abend erstreckte. Mit Ehefrauen und -männern sowie Kindern waren wir wohl so um die 15, mitunter auch 20 Leute.

    Mein Großvater väterlicherseits war schon lange tot. Ich weiß über ihn nur, dass er einen Job als Pitcher bei den New York Giants ablehnte, bevor diese nach San Francisco umzogen, weil sie ihm nicht genug bezahlen wollten. Außerdem war er bei einem Golfturnier in South Carolina einmal Zweiter hinter Bobby Jones.

    Nana Van Zandt besuchten wir einmal im Monat in Hackensack. Sie war ein ziemliches Original, stammte aus den Carolinas und glich Granny aus The Beverly Hillbillies aufs Haar. Eines Tages fand ich eine verzogene alte Akustikklampfe auf ihrem Dachboden, von der mein Vater sagte, sie hätte einst seinem Vater gehört.

    Der Vater meiner Mutter, Grampa Sam Lento, spielte ebenfalls Gitarre. Er brachte mir das einzige Volkslied seines alten Dorfes im süditalienischen Kalabrien bei. Diese Nummer verfügte über eine einfache, sich wiederholende Melodie. Vielleicht war er der Ansicht, dass ich nicht mehr verkraften könnte.

    Sam war ein archetypischer italienischer Schuster traditioneller Prägung und im Sommer arbeitete ich in seinem Laden in Keansburg. Er ließ immer einen der praktisch identischen Popsender WABC und WMCA laufen. Ich kann heute noch die Schuhpolitur riechen und das Surren der Maschinen hören, wenn „Where Did Your Love Go?" im Radio dudelt.

    Niemand wollte etwas über Sams Herkunft erzählen. Wir wussten nur, dass er Kalabrien ganz plötzlich verlassen hatte und irgendwann im italienischen Viertel von Boston ein erfolgreiches Schuhgeschäft betrieb, bevor er schließlich runter nach Jersey zog.

    Ich stelle mir gern vor, dass er der ’Ndrangheta Geld geklaut und sich dann abgesetzt hatte. Das hätte überhaupt nicht zu ihm gepasst, aber es ist ein netter Gedanke.

    Nana Lento, eine echte Stimmungskanone, stammte aus Neapel. Stellt sie euch vor wie Martin Scorseses Mutter Catherine in Goodfellas. Sie war immer für einen Lacher gut – wenn auch oft unabsichtlich. So wie damals, als meine Schwester Kathi zu Thanksgiving ihren jüdischen Freund mitbrachte und Nana ihn fragte, ob seine Leute diesen Feiertag ebenso begingen. Sollte das Showbiz bereits genetisch bei mir verankert gewesen sein, dann stammte das betreffende Erbgut dafür von ihr. Sie hatte stets blendende Laune und war immer lieb zu uns, vor allem zu mir. Aber meinem Großvater setzte sie gnadenlos zu. Vielleicht war sie ja enttäuscht von ihm, weil er nicht reich geworden war, was ja in den meisten Ehen der Fall ist. Oder vielleicht lag es auch daran, dass Sams Mutter, wie mir Nana oft berichtete, sich permanent über ihren Akzent lustig gemacht hatte. Was auch immer es war, sie ließ es an ihm aus. 40 Jahre lang.

    Er nahm es still hin. Auch er war Stoiker. In der italienischen Variante. Vielleicht spielte auch mehr omertà als Stoizismus eine Rolle. Alte Schule eben. Seine Augen lächelten auf eine Weise, die nahezulegen vermochte, dass er Dinge wusste, über die er niemals sprechen würde. Auch mit ihm hätte ich mich gern öfter unterhalten.

    Die Zusammensetzung meines Blutes lässt mein Leben nie langweilig werden.

    Der kalabrische Anteil lässt sich nicht leugnen. Simpel. Nicht intelligent genug, um das zu unternehmen, was am besten für die finanzielle Situation, die Karriere oder das gesellschaftliche Ansehen wäre, wenn man gleichzeitig dafür seine Ideale verraten müsste. Null Ehrgeiz. Ein calabrese ist zufrieden mit seiner Position als Arbeiter. Er ist ein loyaler Fußsoldat. Arbeit und Familie stehen an erster Stelle. Legt euch bloß nicht mit ihm an. Eine Kränkung vergisst er nie. Aber es braucht schon viel, um ihn wütend zu machen. Doch wenn es einmal so weit ist, dann wird er nicht ruhen, bis die Rache sein ist. Ganz egal, was es kosten mag.

    Der Neapolitaner hingegen ist süchtig nach Action. Er bleibt ständig in Bewegung, repariert Dinge und tauscht sie aus. Er ist zwar ambitioniert, verfügt aber über keinerlei Geduld. Seine Devise lautet „learning by doing". Er freundet sich rasch mit Leuten an. Wenn er erst einmal einen Fuß in der Tür hat, baut er seine Position stetig aus. Er ist nicht so hinterlistig und verschlagen wie manche Sizilianer, aber er kann, wenn es die Situation verlangt, ein guter Schauspieler sein.

    Es ist jedenfalls eine ständige Herausforderung, diese vererbten Eigenschaften gemäß der jeweiligen Situation richtig auszubalancieren.

    ***

    Eigentlich hatte ich eine schöne Kindheit. Im Park, der drei Blocks von meinem Haus entfernt lag, trieb ich Sport. Ich war zwar ein wenig zu klein, aber das kaschierte ich, indem ich einfach schneller und unerschrockener war als die meisten anderen. Allerdings wollte ich so schnell wie möglich erwachsen werden. Ich hasste es nämlich, ein Kind zu sein. Das hatte keine traumatischen Gründe. Es war mir nur einfach zuwider. Wahrscheinlich, weil ich nicht mein Leben selbst bestimmen konnte.

    Ich wollte schon damals immer derjenige sein, der ich mal werden würde. Es war mir ein Anliegen, zu erfahren, was wirklich Sache war, denn es kam mir so vor, als ob alles, was in der Welt passierte, vor uns Kindern geheim gehalten wurde.

    In der Schule war ich ganz okay. Das Leben war einfach und gut. Das Land war so reich, wie es nie wieder sein sollte. Am Esstisch wurde darüber gesprochen, wann (und nicht ob) endlich die Vier-Tage-Woche eingeführt würde – und damals arbeitete in den Mittelklasse-Suburbs zumeist nur ein Elternteil.

    Mir waren zu dieser Zeit, in den 1950ern, keinerlei Probleme unseres Landes bewusst. Das blieb noch bis in die 1960er so, als die politische Lage quasi explodierte. Der wichtigste Bauunternehmer in unserer vorstädtischen Wohnanlage, der schwarz war, hatte einen Sohn, der ungefähr in meinem Alter war und mein erster richtiger bester Freund wurde. Ich hatte keine Ahnung, dass Weiße und Schwarze keinen Umgang miteinander pflegen sollten. Meine Mutter sagte auch nichts.

    Wir machten uns einen Spaß daraus, mit unseren Fahrrädern dem Lieferwagen des Kammerjägers hinterherzufahren, aus dem giftiger Nebel zu uns nach draußen quoll. Ich weiß auch nicht, wie wir das überlebt haben. Vielleicht hat diese Behandlung aber auch wie eine Impfung funktioniert und mein Immunsystem richtiggehend kugelsicher gemacht.

    Die meisten Familien der Mittelschicht hatten einen Pool im Garten, waren Mitglied in einem Strandclub oder schickten ihre Kinder ins Ferienlager. Bei mir war Letzteres der Fall. Allerdings übernachtete ich nicht dort. Ich bin ja ein relativ fanatischer Umweltschützer, doch ich selbst fühlte mich draußen in der Natur nie wirklich wohl.

    Um sechs Uhr morgens wurde ich mit dem Bus abgeholt, der mich um 18 Uhr auch wieder zuhause ablieferte. Im Ferienlager lernte ich Schwimmen, bastelte indianische Armreifen und versuchte mich an Pfeil und Bogen. Vor allem erinnere ich mich aber an eine Jukebox, die im Freiluft-Essbereich aufgebaut war. Ich weiß noch gut, wie „Yakety Yak" von den Coasters durch das ganze Camp hallte. Das war wahrscheinlich der erste Rock-Song, den ich jemals gehört habe.

    Ansonsten erinnere ich mich nur noch an einen anderen Jungen, der mir erzählte, er würde hinter dem Autokino wohnen, weshalb er Filme von seinem Zimmer aus sehen konnte. In manchen waren auch nackte Frauen zu bestaunen. Davon war ich ziemlich beeindruckt – und angesichts seines kolossalen Glücks auch ganz schön neidisch.

    Im Ferienlager wurde ich so braun, dass eine lokale Immobilienmaklerin meine Mutter bat, mich doch im Haus zu behalten, weil ihr schon einige Verkäufe durch die Lappen gegangen waren, da ihre Kunden glaubten, ich wäre schwarz. Meine Mutter meinte, sie sollte schnellstens Land gewinnen. Da ich das Gespräch mitgehört hatte, musste sie es mir nun erklären: „Manche Menschen haben etwas gegen Schwarze."

    „Warum?", hakte ich nach.

    Sie konnte es mir nicht erklären.

    Ich verstand es damals nicht – und tue es auch heute nicht.

    Ein paar Jahre später, es muss so 1963 oder 1964 gewesen sein, besuchten meine Freunde Tom Boesch, Louie Baron, wohl auch Louies Bruder Robert, Ernie Heath und ich an einem Tag im Sommer das Schwimmbad in Keansburg. Ernie entstammte der einzigen schwarzen Familie weit und breit. Wir waren gerade erst eingetroffen, als Tom uns zu verstehen gab, dass wir wieder aufbrechen sollten. Was war denn passiert? Er erklärte, dass man Ernie nicht ins Becken lassen würde. Das machte mich völlig fertig.

    Eines Tages kam mein Vater, der als Baustelleninspektor arbeitete, sehr wütend nachhause. Aufgrund einer Förderungsmaßnahme für Minderheiten musste er ein paar weiße Jungs entlassen und ein paar schwarze Typen einstellen. So sauer hatte ich ihn noch nie erlebt.

    Goldwater-Republikaner waren anders gestrickt. Sie ähnelten eher den heutigen Libertarians. Der Begriff „konservativ war damals gleichbedeutend mit „Kümmere dich um deinen eigenen Kram … Zum Beispiel interessierten sie sich nicht dafür, was Erwachsene in ihren Schlafzimmern trieben.

    Das änderte sich dann alles mit Reagan, der als Erster die religiösen Fundamentalisten in die Republikanische Partei und somit in den politischen Prozess einlud, was der Trennung von Kirche und Staat widersprach. Religiöser Extremismus ist der Grund dafür, dass halb Amerika nicht an die Gleichstellung von Frauen oder an LGBTQ-Rechte glaubt.

    Echte Konservative hätten nämlich Drogen, Abtreibungen, ja, ganz egal was legalisiert! Die Fundamentalisten glaubten nicht an föderalistisch vorgeschriebene Bürgerrechte. Für Föderalismus hatten sie grundsätzlich nichts übrig. Vielmehr glaubten sie an die Macht der einzelnen Bundesstaaten. Das ist auch so ziemlich das Einzige, was die wahren konservativen Republikaner aus der Zeit meines Vaters mit den sogenannten konservativen Republikanern von heute gemeinsam haben. Wenn die Gesetzgebung der Bundesstaaten immer an erster Stelle stünde, hätten wir aber heute noch die Sklaverei. Eine heikle Angelegenheit also.

    ***

    Mein Vater ging zwar nicht oft auf die Pirsch, aber er war trotzdem ein Jäger. Einmal begleitete ich ihn, aber ich brachte es nichts übers Herz. Ich verstehe nicht, wie man das Töten wehrloser Tiere als Sport bezeichnen kann. Mich kotzt ja sogar das Fischen an. Einem Lebewesen einen Haken durch die Backe ziehen und es daran aus dem Wasser reißen, während es ums Überleben kämpft? Warum sollte das akzeptabel sein? Ich bin der geborene Veganer, allerdings folge ich diesem Ernährungsmodell nicht ohne Unterbrechungen, was ein wenig heuchlerisch ist.

    Könnt ihr euch meinen Vater und mich im selben Haushalt vorstellen? Wir waren der personifizierte Generationenkonflikt.

    Mein politisches Desinteresse überdauerte sogar das Attentat auf Präsident Kennedy, das sich an meinem 13. Geburtstag ereignete. Ich fragte mich bloß, ob jetzt meine Party abgesagt würde.

    Es gibt noch einen bedeutungsvollen Moment, den ich erwähnen möchte, bevor ich das Kapitel über meinen Vater abschließe. Er war ein richtig harter Hund und hatte nichts übrig für Albernheiten. Eines Tages ließ ich gegenüber meiner Mutter den Klugscheißer raushängen und machte einen frechen Kommentar. Ganz instinktiv verpasste er mir eine heftige Backpfeife.

    Daraufhin standen wir beide ein Weilchen unter Schock, wofür jeder seine eigenen Gründe hatte. Danach war es nie mehr ganz so wie zuvor.

    ***

    Die Lieblingsfernsehserie meiner Kindheit war Zorro. Ob sie wohl meinen Bandana-Look beeinflusst hat? Wahrscheinlich sogar. Helden hatten es mir angetan, nicht nur Zorro, sondern auch Tarzan, Conan, Errol Flynn in seinen Rollen als Robin Hood und Captain Blood, James Cagney als Rocky Sullivan und Eddie Bartlett, Paul Newman als Rocky Graziano und Billy The Kid, oder auch Marlon Brando in Der Wilde. Mein Onkel Sal kaufte mir sogar eine Lederjacke, wie sie Marlon im Film trägt. Auch James Bond fand ich cool. Beim einzigen Mal, als ich mit meinem Vater ein Autokino besuchte, sahen wir uns 007 jagt Dr. No an.

    Und dann gab es da noch pädagogisch besonders wertvolle Mentoren. Etwa Moe, Larry und Curly. Abbot und Costello. Maynard G. Krebs. Die Bowery Boys. Kooky, Toody und Muldoon. Soupy Sales. Sgt. Bilko. Sid Caesar. Die Marx Brothers, Professor Kelp und Buddy Love. Irgendwie verwunderlich, dass irgendjemand von uns bis heute überlebt hat …

    Als 1961 die West Side Story ins Kino kam, besuchte ich eine Vorstellung im Carlton Theater (dem heutigen Basie) in Red Bank, fünf oder sechs Blocks von Jack’s entfernt. Der Film hatte in zweierlei Hinsicht einen nachhaltigen Effekt auf mich. Zum einen war da dieses Gang-Dingens. Uns Fünftklässlern aus den Vororten erschien das dermaßen cool, dass wir gleich unsere eigenen Banden formierten und in der großen Pause mit Bleistiften aufeinander losgingen.

    Für mich ging es bei den Gangs nicht um Konflikte und Kon­kurrenzkämpfe. Vielmehr sprachen sie meinen natürlichen Instinkt an, irgendwo dazugehören zu wollen. Ich weiß auch noch, wie ich als Rädelsführer bestraft wurde.

    Außerdem setzte ich mich zum ersten Mal intensiv mit Latino-Musik auseinander. Einen Vorgeschmack hatte ich bereits durch Zorro, „Malagueña von Connie Francis, „La Bamba von Ritchie Valens, „El Watusi von Ray Barretto und „Tequila von den Champs erhalten, doch die Musik der West Side Story gehört bis heute zu meinen absoluten Favoriten.

    Ich liebte die Sharks. Es sollte

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