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Mich kriegt ihr nicht
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Mich kriegt ihr nicht
eBook167 Seiten2 Stunden

Mich kriegt ihr nicht

Von Nazar

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Über dieses E-Book

Sein Vater, der als Soldat im Golfkrieg fiel; der Vorwurf des Raubüberfalls, der wieder fallengelassen wurde; ein heftiger öffentlicher Konflikt mit FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der ihn als "Terror-Rapper" und "Islamisten-Rapper" bezeichnete; und vier Amadeus-Awards: Österreichs in Teheran geborener und in Wien Favoriten aufgewachsener Rap-Star Nazar legt seine zutiefst persönliche, politische und provokante Autobiographie vor.
SpracheDeutsch
Herausgeberedition a
Erscheinungsdatum27. Jan. 2018
ISBN9783990012734
Mich kriegt ihr nicht

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    Buchvorschau

    Mich kriegt ihr nicht - Nazar

    NAZAR

    MICH KRIEGT

    IHR NICHT

    edition a

    Nazar:

    Mich kriegt ihr nicht

    Alle Rechte vorbehalten

    © 2018 edition a, Wien

    www.edition-a.at

    Cover: JaeHee Lee

    Coverfoto: Samir Novotny

    Gestaltung: Lucas Reisigl

    ISBN 978-3-99001-273-4

    eBook-Herstellung und Auslieferung:

    Brockhaus Commission, Kornwestheim

    www.brocom.de

    INHALT

    EIN UNGEBETENER GAST – TEIL 1

    WARUM ICH IMMER DER HÄRTESTE SEIN WOLLTE

    NAZAR

    STARS LÜGEN

    POLITIKER LÜGEN NOCH MEHR

    EIN UNGEBETENER GAST – TEIL 2

    EIN UNGEBETENER GAST

    TEIL 1

    Auf Tour zu gehen ist Knochenarbeit.

    Im Jahr 2015 waren wir für meine Konzerttour zum Album »Camouflage« mit einem Dutzend Leuten in einem Bus unterwegs, da war alles dabei: ein Fahrer, zwei Securitys, der Tourleiter, ein Tonmann, ein Lichtmann, mein DJ, jemand fürs Bühnenbild und Backup für alle wichtigen Positionen. Für die Dauer der Tour waren diese Leute so etwas wie eine zweite Familie für mich. Es entspricht nicht meinem Charakter, Leute aus einer Gruppe auszuschließen, und es war mir wichtig, dass jeder, der mit mir auf Tour fuhr, ein echter Teil unseres Teams war. Ich bin kein einfacher Typ, ich erwarte hundertprozentigen Einsatz, wenn jemand mit mir zusammenarbeitet. Das klappt nur, wenn sich die Leute auch menschlich anerkannt und damit verpflichtet fühlen, ihr Bestes zu geben. Sonst machen sie Dienst nach Vorschrift, und das kann ich auf meinen Konzerten nicht brauchen, von meinem DJ genauso wenig wie von meinem Lichttechniker.

    Es war meine erste Tour, seit ich bei Universal Music unter Vertrag stand und nun als Rapper, der auf einmal einen Vertrag mit einem Major-Label hatte, in einer anderen Liga spielte. Ich hatte mich gegen einen riesigen Nightliner-Bus entschieden, mit dem ich auf der Fahrt von Tourort zu Tourort immer im Bus schlafen und mich bei Raststationen duschen und umziehen hätte müssen. Natürlich wäre diese Lösung billiger gekommen, aber hey, wozu hatte ich bei einer finanziell superpotenten Plattenfirma unterschrieben? Ich war ein Rapper über dreißig, der nach jedem Auftritt mit Rückenschmerzen aus der Hölle zu kämpfen hatte. Ich brauchte ein weiches, komfortables Hotelbett, damit ich zumindest eine Chance hatte, die hundert Auftritte zu überleben, die für dieses Jahr geplant waren, ohne dabei am Ende der Tour ins Krankenhaus eingeliefert zu werden.

    Jahrelang hatte ich in Deutschland viel größere Erfolge gefeiert als in Österreich, obwohl ich in Wien aufgewachsen war, nach wie vor dort lebte und in meinem Viertel von jedem auf der Straße erkannt wurde. Dennoch hatten mich die österreichischen Medien lange Zeit konsequent ignoriert. In der verseuchten österreichischen Musiklandschaft, die am Tropf ausgelutschter amerikanischer Musikkonserven hängt, war ein persischstämmiger Straßenrapper mit krimineller Vergangenheit für Radio und Fernsehen einfach nicht interessant. Egal wie viele Millionen Klicks meine Videos im Internet verzeichneten und wie hymnisch meine Alben von den deutschen Hiphop-Fachmedien gelobt wurden.

    Dann hatte ich für mein letztes Album einen völlig unbekannten Falco-Song gecovert. Ich hatte ihn als Duett zwischen mir und der Stimme des verstorbenen einzigen österreichischen Popstars von internationalem Format neu eingespielt – und auf einmal waren die österreichischen Medien nur so ausgerastet.

    Natürlich war das nicht der einzige Grund für meine großangelegte Tour durch den gesamten deutschen Sprachraum. Jahrelang hatte ich fast keine Konzerte gegeben, weil mir die Gagen zu niedrig und die bei Festivals angebotenen Auftrittszeiten zu schlecht waren. Ich hatte keine Lust, mich am Donauinselfest an einem Freitag um 14 Uhr für ein Butterbrot auf irgendeine ekelhafte Bühne zu stellen und dort den Rap-Kasperl zu geben. Das konnten andere besser als ich. Wenn die Veranstalter mich live buchen wollten, dann mussten sie auch meine Bedingungen akzeptieren, und das waren nun einmal die eines in die oberste Liga des deutschsprachigen Hiphops aufgestiegenen Rappers, der sich nicht verarschen lässt. Daran hatten sie sich in Österreich erst langsam gewöhnt, aber so ist das mit den Propheten im eigenen Land. Jetzt spurten die Konzertveranstalter, und die Medien speichelten schon vor Geilheit, endlich über Nazar live on stage berichten zu können.

    Mein allererstes Konzert in der Arena in Wien war deshalb auch für mich selbst eine ganz besonders emotionale Angelegenheit. Das hier war meine Heimat, hier war ich aufgewachsen, hier hatte ich rappen gelernt. Hier musste ich nicht im Hotel schlafen, und unser Tourbus konnte zum Service, damit er uns tags darauf mit frischem Öl und Kühlwasser wieder hunderte Kilometer weit nach Deutschland tragen konnte, wo unser nächster Auftritt anstand. Das Konzert in der Arena war natürlich ausverkauft, und es war das erste Mal, dass meine Mutter und meine anderen Wiener Verwandten sich zu einem Auftritt von mir angekündigt hatten.

    Als ich ein paar Stunden vor Konzertbeginn mit meiner Crew in die Arena einrückte, um den Soundcheck zu machen und sicherzugehen, dass alles optimal vorbereitet war, spürte ich eine Aufregung in mir, die anders war als bei anderen Konzerten. Lag es daran, dass meine Mutter, der ich alles verdanke, mich in Kürze das erste Mal live auf einer Bühne sehen würde? Oder vielleicht daran, dass auch der ORF mit einem Live-Einstieg vor Ort sein und mich nachher für ein Interview in der ZIB 24 am Küniglberg empfangen würde? Nur bedingt. Mein Nervositätspegel war am Vormittag in ungeahnte Höhen getrieben worden, leider nicht durch eine gute Nachricht. Sogar eine Absage des Konzerts hatte ich kurz in Betracht gezogen, mich aber dann doch dagegen entschieden.

    Sahin, mein bester Freund, hatte mich um neun Uhr Früh am Handy angerufen, zu einer Uhrzeit also, zu der wir normalerweise nicht miteinander kommunizieren, weil wir beide mit Schlafen beschäftigt sind.

    »Sahin, was ist los?«

    »Sorry, dass ich dich störe, Nazar. Es gibt ein Problem, Bruder.«

    Sahin war nicht nur mein bester Freund, er war in Wien auch für meine Sicherheit zuständig. Er hatte das Ohr in einer Weise auf der Straße, wie es mir selbst nicht mehr möglich war, weil ich zu viel unterwegs war, um alles mitzubekommen. Bevor ich Rapper geworden war, hatte ich mich selber ganz handfest um meine Probleme gekümmert. Das hatte mich immer wieder in Konflikt mit der Polizei und 2009 sogar für sechs Wochen in Untersuchungshaft gebracht. Aber dafür wusste jeder, dass man sich mit mir lieber nicht anlegt, wenn man nicht wirklich Lust auf Probleme hat.

    Inzwischen war ich berufs- und altersbedingt etwas ruhiger geworden. Mir hätte nun auch die Zeit gefehlt, jedem durchgedrehten Wichser, der mir ans Bein pisst, eine aufs Maul zu geben. Deshalb war ich froh, Brüder wie Sahin zu haben, der mich bei Auftritten mit seinen Leuten abschirmte und mir jeglichen Stress vom Leib hielt.

    »Was gibt es für Schwierigkeiten, hast du eine Bank überfallen?«, fragte ich verschlafen.

    »Leider nein. Zwei Jungs sagen, dass irgendein salafistischer kleiner Wichser sich für heute Abend angesagt hat. Irgendwas davon, dass er dich lehren wird, Gott zu beleidigen.«

    »In der Arena?«

    »Korrekt.«

    Das durfte nicht wahr sein. Ausgerechnet heute, in Wien, bei dem Gig, bei dem meine Mutter dabei sein würde? Was für eine Scheiße.

    »Hmmm. Was machen wir?«

    »Ich versuche, bis heute Abend eine Personenbeschreibung von ihm zu kriegen. Dann stelle ich ein paar Jungs von uns an den Eingang, die die Leute auf Waffen filzen, der Rest verteilt sich verdeckt am Gelände. Wir sind alle über Funk verbunden, sobald der Hurensohn auch nur den Kopf hebt, kriegen wir ihn.«

    »Wenn ihr ihn erkennt«, sagte ich.

    »Ja, Mann. Wenn wir ihn erkennen. Aber das werden wir. Ich weiß, wie wichtig dieses Konzert für dich ist.«

    Über die Hintergründe brauchte mir Sahin nicht mehr zu erzählen, ich wusste schon Bescheid. Bei Erscheinen meines Albums hatte ich in Deutschland eine Reihe von Interviews gegeben, in denen ich jene Rapper scharf kritisiert hatte, die einerseits ihre aufgesetzte Gangster-Attitüde pflegten, gleichzeitig aber plötzlich den Islam für sich entdeckt hatten und den Jugendlichen jetzt ihre erzkonservative Koranauslegung hineinzudrücken versuchten.

    Da ich selbst Moslem bin, ging mir die Scheinheiligkeit dieser Typen gehörig gegen den Strich. In ihren Tracks gaben sie gerne mit Drogen, Waffen und Gewalt an und machten einen auf extradicke Hose, obwohl ich ganz genau wusste, dass bei diesen Leuten nichts dahintersteckte.

    Gleichzeitig nutzten sie das Tool, Moslem zu sein, um sich eine Zielgruppe unter den Jugendlichen zu erschließen, die sie dann per Facebook zum Freitagsgebet aufriefen. Was auf jeden Fall die Scheinheiligkeit zur Potenz war, weil sie am selben Tag Videos posteten, in denen sie vom Mütterficken und ihren eingebildeten Waffendeals schwadronierten. Darauf hatte ich in den Interviews hingewiesen und eingefordert, dass sich die Leute ihrer Vorbildfunktion bewusst werden und die Religion nicht in ihre Vermarktungsmaschinerie hineinziehen sollten.

    Obwohl ich niemanden beim Namen genannt hatte, hatten sich offenbar viele Leute erkannt gefühlt, sodass ich extrem angefeindet wurde. 90 Prozent der Hiphop-Fans waren auf meiner Seite, aber für eine Minderheit war ich zum neuen Feindbild Nummer eins geworden. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, bis irgendein Spinner sich bemüßigt fühlte, den großen Mann zu markieren und Drohungen gegen mich auszustoßen. Dass es ausgerechnet jetzt vor diesem für mich so wichtigen Konzert in der Arena passierte, war einfach verdammtes Pech.

    Das Problem bei solchen anonymen Drohungen ist immer, dass ihre Gefährlichkeit schwer einzuschätzen ist. Wenn irgendein normaler kleiner Bastard zu stänkern beginnt, dann reichen ein paar Telefonate, um herauszufinden, wer er ist und wie ernst ich sein Gehabe nehmen muss. Bei diesen Salafisten-Wichsern lag die Sache anders. Sie gehen nicht aus der Deckung, weil ihnen Ehre nichts bedeutet. Eine Drohung bezüglich eines möglichen Angriffs auf einem Konzert konnte die lachhafte Fantasie eines 15-jährigen Nerds sein – oder der ernstzunehmende Plan eines Psychopathen, der womöglich eine Waffe in den Zuschauerbereich schmuggeln und die Bühne entern wollte.

    »Hunde, die bellen, beißen nicht«, dachte ich, um mich selbst zu beruhigen. Aber irgendetwas schmeckte mir an dieser Sache nicht. Ich stand auf, kochte mir einen Tee und heizte mir eine Wasserpfeife an. Während ich ein paar Züge nahm und mich von dem vertrauten blubbernden Geräusch einlullen ließ, läutete schon wieder mein Handy. Diesmal war es meine Mutter.

    »Hallo, Mama.«

    »Ardalan! Ich freu mich schon so auf heute Abend. Bist du gesund, ist alles gut?«

    »Ja, Mama. Aber ich muss jetzt noch einiges erledigen. Wir sehen uns dann am Abend.«

    »Ist gut, mein Sohn, bis dann.«

    Scheiße, verdammte. Dass zwei verschiedene Typen sich bei Sahin gemeldet hatten, gefiel mir überhaupt nicht. Das ließ die Drohung ernsthafter erscheinen, als mir lieb sein konnte. Sollte ich die Polizei informieren?

    Die meisten Menschen hätten an meiner Stelle wahrscheinlich so gehandelt, aber ich erwog es nicht einmal für eine Zehntelsekunde. Ich hatte in meinem Leben noch nie die Polizei gerufen, weil sie nie mein Freund gewesen war. Den Teufel würde ich tun und mich ausgerechnet jetzt auf sie verlassen. Ich musste einfach die Zähne zusammenbeißen und auf der Bühne mein Bestes geben. Und wenn der Typ wirklich aufkreuzte und mir einen Besuch auf der Bühne abstattete, dann würde ich eben dafür sorgen, dass er in Zukunft durch sein rechtes Ohr husten musste.

    Nach dem Soundcheck fand ich mich mit meinem Team im Backstage-Bereich ein, der in der Arena sehr großzügig gestaltet ist. Ich hatte eine Reihe Interviews zu geben, ein Meet & Greet mit Fans stand an – das ganze übliche Programm, das vor einem Konzertabend eben zu absolvieren war. In der Routine angekommen vergaß ich vorübergehend fast auf die Bedrohung, die mir umso irrealer vorkam, je länger mein Telefonat mit Sahin zurücklag. Es gab doch immer irgendwelche Spinner, die mit etwas angeben wollten, sicher lag dieses Prinzip auch diesem Fall zugrunde.

    Nachdem das Vorgeplänkel erledigt war, blieb immer noch über eine Stunde Zeit bis zu meinem Auftritt. Ich ging noch einmal schnell in meine Garderobe und zog mich um. Während ich in meine Auftritts-Klamotten schlüpfte, erinnerte ich mich, was für ein Traum es für mich in meiner Jugend gewesen war, ein paar echte Nike Schuhe zu besitzen. Als ich dann vor einiger Zeit von Nike eine Komplettausstattung zugesandt bekommen hatte, einfach nur deshalb, weil ihnen gefiel, was ich machte, war das für mich ein krasserer Moment als alle Werbedeals und Gagen der vergangenen Jahre zusammen gewesen. Ich hatte mich wie ein Kind im Spielzeuggeschäft gefühlt, das plötzlich all das haben durfte, was früher immer zu teuer gewesen war.

    Plötzlich, vielleicht weil meine Mutter an diesem Abend anwesend war, fiel mir wieder ein, wie ich sie über ein Jahr lang angebettelt hatte,

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