Goldbroiler und Soljanka: Meine Erlebnisse zur Wendezeit im Herbst 1990
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Über dieses E-Book
Meine Erlebnisse zur Wendezeit im Herbst 1990
Startete die Geschichte der Wiedervereinigung wirklich erst mit der neuen Reisereglung für DDR-Bürger, im November 1989? Inzwischen sprechen viele Politiker und auch die neuen Geschichtsbücher von "der friedlichen Revolution", ausgelöst von den Demonstrationen in den Straßen von Leipzig. Was verbirgt sich wirklich hinter der Wiedervereinigung?
Genau 14 Tage nach dem ratifizierten Einigungsvertrag DDR/BRD, wurde ich für ein Bremer Weiterbildungsinstitut als Dozent nach Neuzelle, südlich von Frankfurt/Oder, geschickt. Meine Aufgabe sollte es sein, 50 Personen, die als Fach- und Führungskräften im EKO-Stahl-Kombinat in Eisenhüttenstadt beschäftig waren, die Grundzüge der westlichen Volks- und Betriebswirtschaftslehre und einen Einstieg in die aktuelle Informationstechnologie zu vermitteln.
Was ich dann persönlich vor 30 Jahren dort erlebt habe, war manchmal skurril, oft spaßig und manchmal auch richtig erschreckend! Es war dort zu dieser Zeit rundum alles anders und fremd für mich!
Im Osten geboren und als Baby "geflüchtet worden", lernte ich außerdem, nach 40 Jahren Kontaktsperre, auch meine Heimat, meinen Geburtsort und meine gesamte Verwandtschaft persönlich kennen!
Roland W. Schulze
Roland W. Schulze, ist primär klassischer Kommunikationswissenschaftler, Kultursoziologe und Buch-Autor. In seiner Brust schlagen aber 2 Herzen: Auf der einen Seite war er Hochschullehrer und beherrschte als IT-Pionier fachlich die digitale Welt mit Fachverstand und großem Spaß. Auf der anderen Seite reizt ihn inzwischen wieder die bekannte analoge Welt und er genießt die Old- und Youngtimer-Fahrzeug-Welt, kocht asiatisch und orientalisch, liebt gutes Essen, leckere Mix-Getränke, veranstaltet interessante Tastings und Genuss-Essen mit interessierten Gästen und macht ein zünftiges Picknick mit lecker gefülltem Weidenkorb und seinem Auto-Youngtimer. Als Buchautor hat er einige Sachbücher geschrieben, zum ersten deutschen Fernsehkoch und Erfinder des Toast Hawaii, zu Würzen, essen und Genuss, zu Festen und Traditionen in seiner Heimatstadt Bremen und zur wieder-erwachenden Freizeit-Kultur PICKNICK.
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Buchvorschau
Goldbroiler und Soljanka - Roland W. Schulze
Inhalt
Vorwort
Wie alles begann
Der Auftrag
Ostwärts - ins unbekannte Land
Der erste Schulungstag
Ein weiterer Gast …
Eine Invasion aus Rostock
Zwei Herren bringen Sicherheit
Urschrei-Therapie und Disco
Polen, Radeberger-Bier und das Poesie-Album
Christoph aus Bremen zu Besuch
Der 2. Ausflug nach Polen
Wie ich Mäuschen spielte
Das kopiere ich mir doch mal
Fremdländische DDR-Speisen
Neuzelle, Eisenhüttenstadt - ade
Meine Tour durch die EX-DDR
Weißenfels - meine Geburtsstadt
Der Ausflug zu meinen „Wurzeln"
Die Rückfahrt nach Bremen
Report bei Dr. Hornberg
Der 2. Besuch in Neuzelle 1991
Rückkehr im Schulungszentrum Neuzelle
Dr. Walters „brennende" Frage
Willis Besuch in Neuzelle
Informationen zu einigen alten Teilnehmern
Informationen zu Klenkes Unternehmen
Ein weiterer Besuch in Weißenfels
Informationen zum Kloster in Neuzelle
Informationen zur Kloster-Brauerei
Informationen zur Kloster-Klause
Informationen zur STASI-Schulungsstätte
Informationen zu Leuna
Informationen zu Weißenfels
Naturpark Schlaubethal
Mein Fazit
Karte meiner Besuche 1990 und 1991
Informations- und Bild-Quellen
Kommentierte Fotos auf dem hinteren Buchcover
Vorwort
Geboren bin ich in der DDR, oder in der SBZ (Sowjetisch besetzte Zone), wie das in den 50ziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch hieß.
Mein Geburtsort ist die Kleinstadt Weißenfels an der Saale, die 14km entfernt von Leipzig liegt. Meine Eltern flüchteten 1952 in den Westen und ich wuchs bei meiner Großmutter mütterlicherseits in Weißenfels auf. 1954 wurde ich von ihr in den Westen zu meinen Eltern gebracht und erlebte meine frühste Jugend in Pirmasens, in Rheinland-Pfalz. Das war auch eine Schuh-Fabrikstadt, wie Weißenfels und mein Vater war dort Hilfsarbeiter in einer Schuhfabrik. Daher war Pirmasens sein geplantes Ziel im Westen Deutschlands. Seine Flucht war wohl sehr aufregend und gefährlich. Aber er hat sehr selten und ungern darüber gesprochen.
Eigentlich konnte man in den 50ziger Jahren noch über den Übergang in der Friedrichstrasse in Berlin (heimlich und inoffiziell) aus der DDR flüchten. Wer aber damals vom STASI (der Geheimpolizei des Ministeriums für Staatssicherheit MfS) gesucht wurde, und das war bei meinem Vater der Fall, der musste den Grenz-Übergang in der Friedrichstrasse meiden. Das war zu gefährlich. Stattdessen musste er sich einen Fluchthelfer suchen, der für viel Geld seine Ortskenntnis im Grenzgebiet zur Verfügung stellte und die Republikflucht persönlich plante und auch durchführte.
Damals wurden, zur Winterzeit im Zonenrandgebiet im Ost-Harz, Ostblock-Skimeisterschaften veranstaltet und so konnte mein Vater in die absolute Grenznähe zur BRD kommen, ohne streng kontrolliert zu werden. Außerhalb solcher Veranstaltungen durften sich nur die unmittelbaren Bewohner der Orte in Grenznähe, in diesen Regionen aufhalten.
4 Monate später, nach der Flucht meines Vaters, wagte dann meine Mutter die Ausreise in den Westen. Das war nicht ganz so spektakulär, wie das anscheinend bei meinem Vater gewesen sein muss. Aber beide hatten ihr gesamtes Hab und Gut (und mich) in der „Zone" zurückgelassen und versuchten einen absoluten Neuanfang im Westen.
Leicht war es nicht, eine Arbeit in Pirmasens zu finden, weil beide keinen herkömmlichen Beruf erlernt hatten. Meine Mutter hatte in der DDR im großväterlichen Baubetrieb als Bürohilfe mitgearbeitet und mein Vater war, wie gesagt, Hilfsarbeiter in einer der Schuhfabriken. Obwohl die Nachkriegswirtschaft langsam wuchs, hatte man Angst, dass die Flüchtlinge aus dem Osten, die noch raren Arbeitsplätze wegnehmen könnten. Die vielen Flüchtlinge aus dem Osten, samt der Spätaussiedler und den zurückkehrenden deutschen Kriegsgefangenen, waren also damals nicht sehr beliebt.
Mit einem Großteil meiner gesamten Verwandtschaft im Osten hatten meine Eltern kaum Beziehungen und Kontakte weiter gepflegt. Entweder wollten die nicht mehr, oder meine Eltern wollten keinen Kontakt. Und wenn Briefe aus dem Osten kamen, dann waren es ausnahmslos Bettelbriefe, nach speziellen West-Waren, wie z.B. Bohnen-Kaffee, Rasierklingen, Zigaretten, Damen-Nylonstümpfe, etc. Dementsprechend war der Kontakt von meinen Eltern zu meinen Verwandten im Osten sehr reduziert. Meine Eltern selbst konnten sich damals selbst keinen Bohnenkaffee leisten, schicken aber dennoch immer wieder Kaffee-Pakete zu den Verwandten in der DDR.
Meine Mutter arbeitete als Hilfskellnerin in diversen Restaurants in Pirmasens und mein Vater als Hilfsarbeiter in den Schuhfabriken und war immer mal wieder zwischendrin arbeitslos. Aufgrund des Druckes meiner Mutter, hat mein Vater dann doch noch einen richtigen Beruf erlernt. Aus der Pfalz sind wir 1960 nach Bremen gezogen, weil mein Vater hier im Norden im Alter von 40 Jahren einen Handwerksberuf erlernten konnte. Aus seinem Hobby „Radiobasteln wurde er dann in 3 Jahren Lehrzeit in der „Landesversehrtenschule in Bookholzberg
zum Radio- und Fernsehtechniker ausgebildet und damit konnte er anschließend auch in Bremen, beim großen Unterhaltungselektronik-Unternehmen „Nordmende", einen qualifizierten Arbeitsplatz finden.
So kam ich nach Norddeutschland, verbrachte meine Schulzeit bis zum Abitur in Bremen, studierte in Göttingen und habe dann als junger Journalist in Bremen gearbeitet.
Mit den Verwandten und der DDR hatte auch ich damals kaum etwas zu tun. Aber in meiner Schulzeit in Bremen wurde „Ostpakete" gepackt und verschickt und in der Oberstufe gab es für jede Klasse ein vom Bremer-Senat subventionierte, 14 tägige Klassenfahrt nach Berlin. Später bin ich regelmäßig einmal jeden Monat für 3-4 Tage nach Berlin gefahren, um für meinen guten Studienfreund Christoph, ein großes Wohn- und Geschäftshaus am Savigny-Platz, mitten in der Berliner-City, zu verwalten.
Haus am Savigny-Platz
in Berlin
Grenz-Kontrolle in
Marienborn, ca. 1972
Ich kannte also die mit der Mauer geteilte Stadt ganz gut, die eine „westliche Insel" in der DDR darstellte.
Oft gab es komische Schikanen der DDR-Soldaten bei Kontrollen an der Grenze. In die DDR hinein bei Helmstedt-Marienborn oder bei der Abfahrt von der Interzonenautobahn in Dreilinden nach West-Berlin, ließen einem die DDR-Kontrolleure schon merken, dass sie am längeren Hebel saßen und man ihnen irgendwie ausgeliefert war.
Als ich z.B. einmal zusammen mit Christoph nach Berlin gefahren bin, fragten uns die DDR-Kontrolleure in Marienborn bei Grenzübertritt in die DDR: „Haben Sie etwas anzumelden – haben Sie Waffen, Funksprechgeräte oder Kinder im Auto? Frech antwortete Christoph auf die Frage: „Waffen? Ja braucht man denn diese bei Ihnen?
Noch bevor der Satz zu Ende reden konnte, mussten wir mit dem Auto die Warteschlage verlassen und nach rechts zu einer der Grenz-Baracken fahren und dort warten.
Eine Weiterfahrt war nicht möglich, weil wir unsere Pässe abgeben mussten. Nach 4 Stunden Wartezeit durften wir dann endlich und ohne irgendwelche weiteren negativen Folgen, die Fahrt nach Berlin fortsetzen.
In Zukunft haben wir uns beide mit solchen Antworten zurückgehalten, es war einfach „ratsamer"!
Als ich am späten Abend des 9. November 1989 von Berlin wieder einmal zurück nach Bremen fuhr, überschlugen sich förmlich die Nachrichten im Autoradio. Das DDR-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski gab auf einer Pressekonferenz bekannt, dass alle DDR-Grenzstellen zur Bundesrepublik und nach West-Berlin „sofort geöffnet werden würden. Selbst darüber verwirrt, hatte er ein Interview gegeben und damit „die neue Reisefreiheit für DDR-Bürger
verkündet.
In allen Rundfunk- und Fernsehanstalten weltweit berichteten jetzt die Nachrichten darüber. Noch in derselben Nacht strömten viele Tausende von DDR-Bürgern bei Visapflicht, aber nachlässigen Kontrollen, nach West-Berlin und in grenznahe Orte an der gesamten innerdeutschen Grenze.
„Gebrodelt hatte es 1889 schon wochenlang vorher. Jeden Montag gab es große Demonstrationen gegen den DDR-Staat in den Straßen von Leipzig, mit teilweise bis zu 70.000 Personen. Erich Honecker, der 1. Staatsmann und Führungspersönlichkeit der DDR, wurde nach schwerer Krankheit entmachtet und ersetzt durch den jüngere Politiker Egon Krenz. Er kreierte übrigens damals den Begriff „Wende
!
Die demonstrierenden Volksmassen wurden immer größer, wie auch der Widerstand gegen die DDR-Politik und Rufe nach einer Wiedervereinigung wurden laut und lauter.
Es hat im Anschluss an diese Situation 1989 keine 14 Tage gedauert, bis sich ein Teil meiner Verwandtschaft aus dem Osten bei meiner Familie in Bremen mit einem persönlichen Besuch gemeldet hatte. Persönlich kannte ich bis dato keinen einzigen Verwandten. Aber jetzt konnte und musste ich eine große und für mich neue Familie kennenlernen und akzeptieren. Mehr noch, ich hatte jetzt plötzlich eine greifbare und reale Heimat und eine Geburts- und Heimatstadt. In der darauffolgenden Zeit habe ich oft überlegt, wie ich mich entwickelt hätte, wären meine Eltern und ich in der damaligen DDR geblieben und wären nicht geflüchtet.
OK, jetzt war klar: ich war ein WOSSI, d.h. im Osten geboren und im Westen aufgewachsen und mein erstes Interesse an der Geschichte der DDR wuchs stetig!
Umso mehr war ich gespannt, die Reste der Ex-DDR und des Lebens dort kennen zu lernen, denn die Grenze war jetzt von beiden Seiten aus durchlässig. Ob ich wollte oder nicht, wurden alle neuen Eindrücke bei mir dich die unsichtbare WOSSI-Brille gefiltert und bewertet.
Was ich dann im Herbst 1990, bei meinem ersten 8-wöchigen Arbeitsbesuch in der Ex-DDR erlebte, ist annähern filmreif gewesen und wird mir immer in Erinnerung bleiben!
Von diesen damaligen ganz frischen Erlebnissen will ich hier berichten. Die Geschichten sind also echt, authentisch und nachprüfbar.
Manche Episoden sind kurios, andere makaber und ungewohnt – aber insgesamt waren diese Erfahrung äußerst interessant und richtig „hautnah"!
Am 3. Oktober 1990, nach vollzogener Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion und dem 2+4-Vertrag, kam es zur vollzogenen Wiedervereinigung von DDR und BRD! Zum 30-jährigen Jahrestag dieser Ereignisse aus 1990 wird dieses Taschenbuch/eBook im Herbst 2020 erscheinen.
Genau 14 Tage später, nach diesem „vollzogenen Wiedervereinigungstermin" fand mein erster Besuch in der Ex-DDR statt.
Im Sommer 1991 war wurde ich dann zum 2. Mal in die damals neuen Bundesländer gerufen und konnte die vollzogenen Änderungen, die in einem Jahr stattgefunden haben, beobachten.
Aus Gründen des Datenschutzes habe ich natürlich die Namen aller hier beschriebenen Personen bewusst verändert.
Dennoch bleiben die folgenden Geschichten wahr, authentisch, sicherlich auch subjektiv von mir erlebt.
gez. Roland