Parole Volles Rohr Bonanza: Geschichten von der Bundeswehr
Von Jürgen Aymar
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Jürgen Aymar
Jürgen Aymar, geboren 1963 in Baden-Württemberg, lebt seit 2006 in Kassel, Hessen. Neben dem Schreiben ist er leidenschaftlicher Hobby-Fotograf und Besitzer von 3 verrückten Katzen.
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Buchvorschau
Parole Volles Rohr Bonanza - Jürgen Aymar
Inhalt
Vorwort
Das verlorene Gewehr
Ein Snack am Abend
Der nächtliche Besuch
36 Stunden Kampftag
Stress mit den Nachbarn
Nato-Pause
Durst
Die Frühstückskrise
Marsch durch die Hölle
Highway to Hell
Vernebelt
Ein Schwarzfahrer?
Ein wichtiger Termin
Bilder
Anhang
Vorwort
Ich habe mich endlich entschlossen, einige
meiner Erlebnisse bei der Bundeswehr
nieder zu schreiben.
Ich widme dieses Buch den Mannschaften,
Unteroffizieren und Offizieren der
5.Batterie des Flugabwehr-Regimentes 300
vom Jahrgang 1988/89!
Ich bin Euch allen sehr dankbar, weil ohne Eure Hilfe und Kameradschaft hätte ich den Dienst bei der Bundeswehr damals nicht geschafft!
Der Titel dieses Buches war der
Lieblingsspruch unseres
Batterie-Chefs.
Das verlorene Gewehr
Diese Geschichte fand im Januar des Jahres 1988 statt.
Ich war zu diesem Zeitpunkt schon seit 2 Wochen Rekrut bei der Bundeswehr. Der Bund, dieser neue Abschnitt meines Lebens, hatte sich als ziemlich drastisch herausgestellt. So hatte ich es mir nicht vorgestellt.
Um ehrlich zu sein, ich hatte es mir auch nie richtig vorstellen wollen.
Alles war so neu und ungewohnt für mich. Ich hatte bis dahin ein ziemlich ruhiges und normales Leben geführt, ohne nennenswerte Höhen oder Tiefen. Auch war ich noch nie länger weg von zu Hause gewesen, alleine meine ich.
Die Armee hatte mein Leben komplett umgekrempelt. Jeden Tag gab es was Neues. Die Ausbildung ließ einen kaum zur Ruhe kommen.
Und unsere Vorgesetzten hatten natürlich auch ihren Spaß dabei, uns grüne Rekruten durch die Gegend zu scheuchen.
Vor allem, wenn es Alarm gab. Das musste immer lustig ausgesehen haben, wenn wir wie verschreckte Hühner ohne Plan durch die Gegend stolperten.
Ich nahm es eher ruhig, ja fast stoisch hin. Was mich persönlich eigentlich ziemlich wunderte. Ich war nämlich schon immer ein nervöses und ängstliches Hemd gewesen. Besonders bei neuen, ungewohnten Dingen war ich ein besonderes Nervenbündel. Aber jetzt beim Bund war ich ganz anders, wie gesagt, viel ruhiger. Oder war ich nur vom Schock dieses neue Leben beim Bund einfach erstarrt? Andererseits, was konnte ich denn schon an meiner neuen Situation groß ändern? Eingeschüchtert wie ich war, wollte und konnte ich nicht meckern wie mancher meiner Kameraden.
Hätte ja auch nichts eingebracht, außer Ärger mit den Vorgesetzten. Wir mussten tun, was unsere Ausbilder uns befahlen. Die Befehle zu hinterfragen oder dumme Fragen zu stellen, machte doch nur alles schlimmer. Niemand mochte nervige Meckertanten, und hier bei der Bundeswehr schon mal gar nicht. Unsere Ausbilder wurden dann nämlich so richtig sauer. Obwohl ich mich irgendwie in mein Schicksal fügte, war es doch für mich persönlich ein großer Schock gewesen. Mehr als mir lieb war. Ich hatte Heimweh, hatte meinen Appetit verloren, was ein besonders untrügliches Zeichen dafür war. Denn ich hatte eigentlich schon immer einen guten Appetit. Mit Einschränkungen. Darauf werde ich noch detaillierter eingehen. Später. In einer anderen Geschichte.
Auch an Schlaf, wie ich ihn gewohnt war, konnte ich überhaupt nicht denken. Wach und angespannt, ohne die Chance auf Entspannung und Ruhe, lag ich in diesem alten, ausgeleierten Etagenbett auf unserer Stube. Auch die vielen, ungewohnten Geräusche in unserem Block, in dem es nie wirklich ganz ruhig war, halfen mir überhaupt nicht bei meiner Schlaflosigkeit. Und das Allerschlimmste war, dass man überhaupt keine Privatsphäre mehr hatte.
Ich konnte damals Woody Allen wirklich verstehen, der einmal sagte, dass er nie zur Armee gehen könne, weil er dann ja mit Männern zusammen duschen müsse.
Es geschah eines Nachts, ich lag wie immer wach in meinem Bett, war total übermüdet, doch meine innere Anspannung ließ es wie immer nicht zu, dass ich Ruhe fand. Mein Gehirn konnte oder wollte einfach nicht runterfahren.
Hatte ich überhaupt jemals richtig geschlafen während dieser Grundausbildung? Ich glaube nicht. In diesen Betten, ausgeleiert und uralt wie sie waren, konnte ich einfach nicht schlafen. Wahrscheinlich hatten sich schon Hunderte, ach was, Tausende von Rekruten, darin unruhig herumgewälzt, mit der Hoffnung auf eine Mütze voll Schlaf.
Ich lag also in diesem Soldatenbett, versuchte wenigstens zu dösen, wenn ich schon nicht einschlafen konnte. Mein Gehirn registrierte jedes Geräusch von draußen. Es wollte einfach nicht zur Ruhe kommen!
Und dieses blöde Gehirn hatte schon vorher gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Der Geräuschpegel auf dem Flur war viel zu hoch gewesen. Höher als normal. Viel zu viele Stiefel trampelten auf den Gängen, rauf und runter. Eine Elefantenherde wäre nicht leiser gewesen. Doch aufstehen wollte ich aber auch nicht, um nachzuschauen. Neugierig war ich ja schon, aber viel zu müde dafür. Nur keine Fragen stellen! Solange niemand in die Stube kam, war mir alles egal. Und ich glaube, meinen Kameraden ging es wohl genauso. Ich hoffte bloß, dass dieser Lärm bald wieder verschwinden möge. Diesen Gefallen tat er uns aber nicht, ganz im Gegenteil.
„Alarm!"
Jemand hatte die Tür zu unserer Stube aufgerissen, das Licht eingeschaltet.
Und dieser jemand schrie wie am Spieß!
„Alarm! Alles auf! Nato-Alarm! Anziehen, Ausrüstung aufnehmen, wir verlassen den Block in 15 Minuten! Auf geht’s! Kommt in Wallung!"
Wallung! Wie ich dieses Wort damals hasste!
„Auf, auf! Kommt in die Gänge!"
Nach diesen Worten verschwand der Schreihals wieder. So schnell er die Tür aufgerissen hatte, so schnell hatte er sie auch wieder zugeschlagen. Laut scheppernd war die Tür ins Schloss gefallen. Das Schließblech war schon ein wenig ausgeleiert. War ja auch kein Wunder bei dieser Dauerbelastung!
Das Licht hatte er „natürlich" angelassen!
Nun, nachdem man uns „offiziell" aufgeweckt hatte, mussten wir wohl oder übel aufstehen.
Meine Kameraden und ich sprangen fast gleichzeitig aus den Betten, jeder rannte zu seinem Stuhl. Unsere Uniform, die Unterwäsche, die ganze Bekleidung lag auf den Stühlen. Und zwar so in der richtigen Reihenfolge, so dass man sich auch unter Umständen im Dunkeln anziehen konnte.
Das wurde „Alarmstuhl" genannt. Wir begannen uns anzuziehen. Nervös, mit zittrigen Händen.
Haben sie schon mal versucht, etwas schnell zu erledigen, wenn sie nervös und aufgeregt sind?
Richtig, da klappt nämlich gar nichts. Selbst die einfachsten Dinge, wie zum Beispiel ein Hemd zuzuknöpfen, ging überhaupt nicht.
Unser Gruppenführer, Unteroffizier S., kam mehrmals in unsere Stube hereingestürmt. Ungeduldig, mit einem roten Kopf vor Aufregung. Anstatt uns zu helfen, schrie er nur herum.
„Schneller, schneller! Los, los, los!"
He, wir waren grasgrüne Rekruten, gerade mal 2 Wochen bei der Bundeswehr. Was erwartete er von uns? Das wir uns so schnell anziehen könnten wie Superman? No way!
Aber trotz alledem, wir schafften es. Irgendwie. Selbst heute noch ist es mir ein Rätsel, wie. Aber wir wurden rechtzeitig fertig. Auch die Ausrüstung war komplett. Unteroffizier S. stolzierte auf dem Gang herum wie ein Pfau auf Brautschau, so stolz war er. Er tänzelte immer ganz nah um unseren Oberleutnant C. herum.
Wahrscheinlich hatte er erwartet, ein Lob vom Oberleutnant zu erhaschen. Doch der machte ihm nicht den Gefallen. Der schaute nur mürrisch, war sichtlich genervt von dem offensichtlichen Schleimen des eitlen Unteroffiziers. Er bellte nur herum.
„Seid ihr jetzt endlich fertig? Mann, Mann, wie lange dauert das denn hier?
Ich bekomme gleich einen Anfall! Das muss alles schneller gehen, Männer!"
Unser Zug-Feldwebel kam zu unserer Gruppe, unser Unteroffizier meldete ihm, dass wir abmarschbereit seien. Er überprüfte unsere Ausrüstung, ob sie auch wirklich vollständig war. Aber es war alles zu seiner Zufriedenheit. Wir bekamen die Erlaubnis, die Kaserne zu verlassen. Als erste Gruppe wohlgemerkt! Komisch, unser Gruppenführer schien 5 cm größer geworden zu sein. Mit federnden Schritten schwebte er vorweg (sind wir hier beim Ballett oder bei der Bundewehr?), wir stapften mit unseren schweren Kampfstiefeln hinterher. An diese Art von Schuhwerk war ich auch noch nicht gewöhnt. Etliche unserer Batterie ging es genauso. Viele hatten Blasen an die Füße bekommen, ich war bis jetzt zum Glück noch verschont davon gewesen.
Unsere Ballerina, Entschuldigung, unser Gruppenführer, schwebte, wir stampften, langsam aus unsere Kaserne heraus.
Keine Angst, liebe Leser, sein Niveau wurde bald wieder zum Normalmaß heruntergeschraubt. Dafür sorgte schon jemand, ich will jetzt noch nicht verraten, wer dieser jemand sein sollte.
Also marschierten wir los, voll ausgerüstet mit einem schwer bepackten Rucksack, natürlich mit Stahlhelm auf dem Kopf, das Sturmgewehr G3¹ geschultert, verließen unsere Tannenberg-Kaserne in den jungen Tag. Der übrigens noch sehr jung war, besonders jung! Denn es war nämlich noch stockfinster!
Unser Ziel war unser Übungsgelände, ein kleiner Wald, nur ein paar Kilometer entfernt.
Unser erster Auftrag lautete, bei Alarm die Kaserne zu verlassen (das hatten wir schon mal geschafft, konnte also auf der Liste abgehakt werden!). Und in den „Auflockerungs-Räumen", das war 100 Prozent Bundeswehr-Terminologie, sollten wir unsere erste Stellung beziehen. Dieser Auflockerungs-Raum, das war natürlich kein Zimmer zum Entspannen