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Das gedemütigte Erbe: Wie viel Mut braucht die Hoffnung?
Das gedemütigte Erbe: Wie viel Mut braucht die Hoffnung?
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eBook541 Seiten7 Stunden

Das gedemütigte Erbe: Wie viel Mut braucht die Hoffnung?

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Über dieses E-Book

Im Abendland der Erben von Humanismus und Aufklärung löscht Ende der zweiten Dekade des Einundzwanzigsten Jahrhunderts ein winziger, keineswegs unbekannter Mikroorganismus das Licht der Aufklärung mit einem Hauch aus. Wie konnte das geschehen? In kritischer Begleitung des Menschen durch Evolution, Geschichte, Religion, Philosophie und Gesellschaften wird der Weg von der Wiege der Leidkultur bis ins Kartenhaus der Leitkultur verfolgt. Sichtbar werden die Wurzeln der Legende vom humanistischen, aufgeklärten, christlichen Abendland. Scheitern am SARS-CoVi19 genannten Phänomen wird im Verrat am Auftrag für Politik und Gesellschaft logische Konsequenz. Selbst erratische Reste von Humanismus und Aufklärung werden von ihren Erben gedemütigt, geschändet. Hilft eine neue, eine säkulare globale Ethik? Die Hoffnungen der Mutlosen bleiben wertlos. Der Mut der Hoffnungslosen bewegt die Welt. Der Autor, Jahrgang 1945, u.a. Staatl. Gepr. Krankenpfleger, Medizin-Laborant, Gepr. Pharmareferent und Fachlehrer für med. technisches Hilfspersonal, widmet sich nach einem erfüllten Berufsleben seit 2000 dem Schreiben. Ein Schwerpunkt seiner publizistischen Tätigkeit bildet die kritische Begleitung der demokratisch verfaßten Gesellschaften.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum29. Jan. 2021
ISBN9783969405260
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    Buchvorschau

    Das gedemütigte Erbe - Teja Bernardy

    Teja Bernardy

    DAS GEDEMÜTIGTE ERBE

    Wie viel Mut braucht die Hoffnung?

    Engelsdorfer Verlag

    Leipzig

    2021

    Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.

    Copyright (2020) Engelsdorfer Verlag Leipzig

    Alle Rechte beim Autor

    Umschlaggestaltung:

    Alexandra Köß, 6971 Hard (Österreich)

    Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

    www.engelsdorfer-verlag.de

    Ein Philosoph darf heute nicht nur ein Philosoph sein, sondern er muß einen Beruf ausüben, an allererster Stelle den Beruf des Menschen.

    (Benedetto Croce)

    1866 – 1952

    Für Chris Lucas, Daniel, Susanna, Tabita, Marlene, …

    … ach was!

    … Für alle Kinder der Welt!

    INHALT

    Cover

    Titel

    Impressum

    Nachgeklappert

    I Der Mensch, das unsoziale Wesen

    II Glaubens-Gen?

    III Domestizierung der Götter

    IV Getrennte Wege

    V Thors Hammer in Karls Händen

    VI Im Anti[quitäten]laden des Abendlandes

    VII Glaubensungewißheit mit (Zeit)Geist

    VIII Moderne Zeiten im Lumpengewand

    XI Abendland muß Trauer tragen

    X Les Misérables 5.0

    Angespannt abgespannt

    Editorische Notiz

    NACHGEKLAPPERT

    Schreibt jemand ein Buch, ist er nicht selten bemüht, dem Leser vorweg das mitzugeben, was der Autor nach Beendigung seiner Arbeit als ach so wichtigen Hinweis doch noch ganz nach vorne, möglichst noch vor die erste Seite gestellt wissen möchte, damit den Leser vorab besonders schlau zu machen. Nicht selten sind es solche Gedanken, die der Schreiber besser im Text erarbeitet und untergebracht hätte, die ihm aber erst nach Abschluß seiner Arbeit einfallen, in die Kategorie „Was ich noch zu sagen hätte …" gehören. Dennoch trägt dann das Nachgeklapper zumeist den schnöden Titel Vorwort.

    Sehr viel anders, bis auf seine Überschrift, ergeht es dem nachfolgenden Text auch nicht, mal abgesehen davon, daß er tatsächlich noch vor Ende des ersten Kapitels, doch erst nach dessen ersten rund ein Dutzend Absätzen entstanden ist. Für Nachgeklapper besteht so zwar kein wirklicher Grund, doch an einer Ausrede soll es zumindest nicht fehlen. Ob sie angemessen ist, entscheidet allein die/der werte LeserIn.

    Ohnehin setzen sich Texte, welche sich mit der Gegenwart und ihren Gesellschaften beschäftigen, stets der Gefahr aus, von der Zukunft, die just sofort und jetzt beginnt, überholt, berichtigt, oder als Irrtum entlarvt zu werden. Gegenwart wird im Sekundentakt und Handumdrehen zur Vergangenheit gemacht … „werden".

    Fürs Schreiben mehr an Erzählerischem und noch mehr an dem interessiert, was Literatur heißt, läßt sich die Leidenschaft für das Wesen Mensch und sein Dasein nicht gänzlich verleugnen. Gesellschaft, Politik, Zeitgeist und Religionen stellen allerhand Fettnäpfe auf, in die vorsätzlich bis lustvoll hineinzutreten oft genug notwendig, manchmal gar nicht zu vermeiden ist. Zu einfach wäre es, Lesern zur Erbauung das mitzuteilen, was sie selbst schon so oder so ähnlich gedacht, gehört, gelesen, gar real erfahren haben. Ob der nach unbestätigten Gerüchten vernunftbegabte Mensch kritikfähig ist, ist kaum gesichert, scheint weniger Tatsache, mehr Glaubenssache. Vielleicht ist es nur frommer Wunsch. Immerhin aber ist er kritikwürdig, der Mensch. Immer dann, wenn er die angeblich unantastbare Menschenwürde mit allem sogenannt demokratischen Nachdruck antastet, so weit geht, wie keine Demokratie gehen darf, schafft er daraus Tatsachen, zum Beispiel jene, Jahr für Jahr im Durchschnitt mindestens 500.000 seiner Artgenossen das Lebenslicht auszublasen. Auch nur eine Kleinigkeit im Verhältnis zum verordneten Corona-Lock-Down.

    Nicht selten berufen sich mehr oder weniger Demokraten dabei auf ihre mit mehr oder weniger gar nicht mit Demokratie gesegneten Vertragspartner regional bis national jeweils vorherrschender Religionsgemeinschaften, denen mehr oder weniger gar nichts an Demokratie gelegen ist. Oder es werden gleich völlig undemokratische NGOs wie die WHO oder Fachleute mit mehr oder weniger wissenschaftlichen Verdiensten bemüht, was nicht selten bedeutet, es fehlt Bezug zur Wirklichkeit, weil sich Inhaber der Macht deutlich davor fürchten, überhaupt bis zur Demokratie oder gar in die Realität zu gelangen. Sei es nur eine repräsentative Demokratie, mit natürlich ihnen als erste Repräsentanten. Laizität hassen sie geradezu. Freiheit wollen sie für lebensbedrohlich halten. Pech für die Menschenrechte. Pech auch für alle Tiere. Pech für belebte und unbelebte Natur. Glück für alle Waffenhändler! Glück auch für Pharmaindustrie und Impfstoffproduzenten! Tatsachen. Schöne neue Welt!

    Weil das so ist, entstand in Zeiten des abnehmenden Friedens anno 2016 mit auch dem Mut der Verzweifelung eines vielleicht geistvollen und doch nur Halbwissers Projekt Null – Mit null Religion zum Weltfrieden. Darin wird unter anderem im Vorübergehen die Behauptung aufgestellt, der Mensch mit seinen Religionen verfüge über keinerlei eigene Glaubens-DNA oder auch nur eine (1) entsprechende DNA-Sequenz. Freilich erfährt diese Feststellung insofern umgehend eine begrenzende Einschränkung, als mit der gleichen Kühnheit behauptet und ketzerisch unterstellt wird, ethische Normen gehörten grundsätzlich zum Wesen des Menschen, damit zum Kern seiner Gene. Aus aber Verneinung von „Religionsgenen" könnte der durchaus naheliegende Umkehrschluß gestattet sein, in der Desoxyribonukleinsäure des Homo sapiens sei keinerlei Struktur und/oder Vererbung für Religion. Nicht der geringste Platz sei dafür vorgesehen, der Mensch müsse ohne Religion auskommen.

    Seit Veröffentlichung von Projekt Null haben sich Welt und Menschheit nicht wesentlich verändert, abgesehen von weiterer Eskalation des uramerikanischen Prinzips Clash of Civilizations and the Remaking of World Order. Dann noch das Niederkien vor einem Virus, Ritual grassierender Angstpotentiale, die jeder Lebensbejahung lauthals widersprechen (wollen). Machterhalt um jeden Preis! Kommt der prognostizierte Clash nicht so recht in die Gänge, weil es wider Erwarten an öffentlicher Bereitschaft dazu hapert, läßt sich die Weltordnung auch unter dem Vorwand der Gesundheitsfürsorge und geschürter Angst kippen! Soweit die Nachricht aus der Neuen Welt, welche doch nur billige Kopie der alten ist, Spiegel des europäischen Abendlandes. Nachrichten, die längst keine Neuigkeiten mehr sind. Also darf auch weiterhin ‘abseits’ solch unkultivierter Politik und der von ihr geschaffenen Tatsachen nicht nur gebetet und nachgebetet, sondern ausdrücklich auch gedacht, nachgedacht werden!

    Geht sie auf, die Formel, welche den Problemfall Frieden, das Phantom Weltfrieden und dessen Verhinderung auf das Problem Religion reduziert? Religion, unabhängig von ihrer persönlich gelebten Intensität, unabhängig auch von Institution, ist nicht das Problem an sich, sondern dessen wahrnehmbarer Ausdruck: Unfähigkeit bis Unwille des Menschen, sich mit seiner rational unbegründbaren Existenz abzufinden, sich mit der im kosmischen Gesamtzusammenhang innerhalb belebter Natur unbedeutenden Rolle und Funktion Mensch zufrieden zu geben. Innere existentielle Unzufriedenheit des Menschen mündet in Religion, letztere in Glauben und Dogmata. Diese wiederum erzeugen Überzeugungen mit Absolutheitsanspruch. Der stellt zwangsläufig den jeweils anderen Glauben nicht nur infrage, sondern scheitert an sich selbt, macht den inneren Unfrieden des Menschen zum Symptom seiner Gesellschaft, Krieg zum Prinzip. Religionen werden so zu gesellschaftlichen Totalitäten, damit (mit)bestimmende Elemente für Krieg und Frieden.

    Europa, besonders das christianisierte, weiße Westeuropa, Abendland mißversteht sich als einzigen Raum für eine Universalgeschichte. Indem sich (West)-Europa aus seiner Geschichtsschreibung als Nabel der Welt, als Ursprungshort von Humanismus, natürliche Umgebung von Zivilisation und universellen Menschenrechten verstehen will, übersieht und übergeht es geflissentlich, wohl auch wissentlich seine Schrecken aus Inquisition, Zwangsarbeit, Sklaverei, Kolonialismus, Kriegen, Revolutionen, Bürgerkriegen, Unterdrückung, Folter, widerlegt den eigenen Anspruch noch im Ignorieren seiner Schuld, im Verleugnen seiner Verantwortung. Dabei fällt auf, welche verhängnisvolle Rolle Religionen allgemein, eine christische In-God-We-Trust-Mentalität im Besonderen für das Geschick des Abendlandes und der Menschheit spielen. Die mit westlichen – abendländischen! – Werten gespickten Glaubensüberzeugten, damit Anhänger eines Christianismus wollen gar in einem Islamismus ihren scheinbaren Gegenpol und Gegner bis Feind gefunden haben. So stellt sich einerseits die Frage, was Gläubige beider und aller anderen Weltanschauungen antreibt, andererseits, worauf noch sich dieser Antrieb, außer auf gesellschaftliche Totalität, gründet. Wissenschaft, Evolutionsbiologie verdrängen, verneinen zu recht Kreationismus, lehnen ihn ab, umfassen Entwicklung, erfassen Anpassung des Lebendigen. Muß im Nachklappern zu Projekt Null die These von einer fehlenden Religions-DNS infrage gestellt, ethischem, weltanschaulichem ‘Erbe’ nachgespürt werden?

    Von Natur aus ist des Menschen Geist immerhin beschaffen, einerseits durch allerlei Manipulationen den zweck- und zielgerichteten Machtbedürfnissen von Religion und Politik mehr oder weniger unbewußt aufzusitzen. Zum Glück und Wohle des Menschen verfügt er andererseits von Natur aus über eine Vielzahl von Möglichkeiten des Verstandes, einschließlich gewiß auch dessen Fehlbarkeit, um die jeweiligen Manipulationen aufspüren, entdecken, aus ihrem Kontext herausdefinieren, Wahrheit von Täuschung unterscheiden zu können. Nicht von ungefähr beschleicht dabei manchen Zeitgenossen das unangenehme Empfinden, dasjenige, was noch vor 200 Jahren Aufklärung gewesen wäre, ist heute zur Gegenaufklärung mutiert, ist Betrug durch Machteliten der Hochfinanz als auch der Classe politique, nicht zuletzt der Kleriker aller Konfessionen.

    Entschließt sich der Mensch willentlich, sein natürliches Unterscheidungsrepertoire zu nutzen, quasi ein natürliches geistiges Immunsystem, eröffnet sich ihm die Chance, den vielfältigen Manipulationstechniken und den durch diese verbreiteten Inhalten zu entgehen. Freilich keine leichte Aufgabe, zumal die Menschheit keine andere Wahl hat, will sie nicht die Ideale der Aufklärung verlieren, soll sie moralische Apathie überwinden, sich nicht der Illusion der Schlagwörter für Seligkeit, Freiheit, Demokratie ergeben wollen, trostlos hingeben. Nachbeten war gestern, wird und ist heute und überhaupt unerhört. Nachdenken gilt heute! Corona sei Dank.

    In rein äußerlicher, ausschließlich numerischer Anlehnung an Dekalog genanntes, im Orient gründendes Regelwerk Zehn Gebote des nachantiken Abendlandes und seiner prophetisch gnostischen Frohe Botschaft christischer Überlieferung bemüht sich nachfolgender Text mit zehn Kapiteln um Auseinandersetzung mit oben formulierten Thesen und Fragen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und Wissenschaftlichkeit beginnt die Suche, ohne auch jeden Anspruch auf einen „neuen" Dekalog. Ging schon die erste Verkündung des Dekalogs des Mose und seines Gottes zu Bruch, erlebt die Frohe Botschaft durch Funktionäre des Glaubens ihre Bereinigung und Verkürzung auf ausgewählte und kanonisierte Textbeiträge, genannt Evangelium und/oder Neues Testament.

    Läßt sich bei allem Geklapper und nicht wenigen Vorurteilen das Ergebnis nachfolgender Untersuchung gar nicht erst voraussagen, ist der Verfasser dieses letztlich auch nur Vorwortes auf den Ausgang des Unternehmens genauso gespannt wie der geschätzte Leser. Sagt das Sprichwort, Wer glaubt, wird selig, hat wenigstens derjenige die Chance, selig zu bleiben, der gar nichts glaubt, was ihm kein Religionsgläubiger glaubt, gewisser Seligkeit aber gewiß keinen Abbruch tut. Wo, bitte, geht es zum Gen für Religion und Glauben?

    Einordnung des nachfolgenden Textes als ‘Denkschrift’ erfaßt einerseits das Verfahren für die Erarbeitung des Textes. Andererseits trifft sie die Absichten ihres Verfassers, steht doch nicht der Streit samt seiner (Un!-)Kultur im Vordergrund, sind friedlicher Umgang miteinander und Verständigung, ist Denken Hauptanliegen der Schrift. Allerdings soll nicht bestritten sein, ausgerechnet die Anhänger derjenigen Gesellschaftsentwürfe und Weltanschauungen, welche sich abseits jeder Gottheit auf Ratio, Humanismus, Toleranz, naturalistisch evolutionäre und sonstige Evolution, Aufklärung und Wissenschaft berufen, sind mindestens so militant wie Gott- und Andersgläubige. Untereinander sind sie mindestens so zerstritten wie die Sekten der Religionsgemeinschaften, bauen nicht weniger auf Sand bis Fließsand, ist doch Evolution keine lineare Kontinuität, sondern eine verzweigte Entwicklung zwischen Versuch, Irrtum, Sackgasse und Überlebensfähigkeit. Für Frieden ohnehin eine eher betrübliche Ausgangslage!

    Im Streben nach Glück gelingt es dem Menschen immer wieder mühelos, alle Hemmungen abzustreifen, Schranken des natürlichen und des juristischen Rechtes bedenkenlos niederzureißen. Hat der Mensch darüber hinaus die Verlängerung seiner ihm zugemessenen Lebenszeit im Auge, womöglich Verlängerung bis in Unsterblichkeit, führt er alle Götter in Versuchung, an welche er glaubt oder glauben könnte, versucht gar, sie zu übertreffen, maßt sich Gottheit an. Fast verblaßt daneben der ‘ernsthafte’ Denkversuch des Professors für Ethik in der Tiermedizin Peter Kunzmann und der Evangelischen Studentenschaft der Universität Hannover, ob Tiere in den „Himmel" kommen, auch wenn solche Gedanken samt der dazugehörigen Religionsethik dazu verleiten, sie vehement zur Hölle zu wünschen. Nicht die Tiere! Vermutlich gar ein durchaus frommer Wunsch.

    Selbstverständlich ist dieses Buch keine wissenschaftliche Abhandlung, aber sehr wohl subjektiv. In so manchen seiner Behauptungen wird es durchaus anfechtbar bleiben, deshalb um so mehr Denk- und Diskussionsbeitrag. Wollte sein Verfasser sich an Autoren wie Bertrand Russell, Noam Chomsky oder Richard Dawkins, vielleicht auch Hans Küng oder Jürgen Habermas, gar an Jeremy Rifkin ein Beispiel nehmen, benötigte der nachfolgende Text jede Menge Fußnoten, rund 100 bis 200 Seiten Anmerkungen, 20 bis 25 Seiten Literatur- und Quellenangaben, Verweis auf mindestens 200 Titel der Fach- und Sekundärliteratur, dazu mindestens zwei bis drei Dutzend Seiten Register. Leichter zu lesen wäre er damit wirklich nicht. Weniger aufrichtig und wahr auch nicht. Und aller Aufwand erspart keinem Leser, sich kundig zu machen, zu denken, nachzudenken, sich selbst eine Meinung zu bilden, auch wenn er viel zusätzliches Papier teurer bezahlen müßte.

    Und dann ist diesem Text noch ein Virus in die Quere gekommen, hat sich nach knapp 3 Jahren zwischen diese Zeilen gedrängt, auch hier den regulären Verlauf gestört. Zwar standen die Titelzeilen der nachfolgenden zehn Kapitel dieser Denkschrift oder doch nur Philippika trotz SARS-CoVi19 und der politisch provozierten Pan(ik)demie bereits fest, aber nicht immer ist der Weg das Ziel.

    Wichtig am Reisen ist das Ankommen. Gelegentlich wandelt es sich dabei abseits des tierischen Ernstes auf den Pfaden des Humors, des Sarkasmus, der Ironie, der Satire zudem gar nicht unbequem. Wenn Sie möchten, folgen Sie mir bitte. Wenn nicht, obwohl Sie das Buch schon erworben, geliehen, geschenkt bekommen haben, verschenken oder verleihen Sie es vielleicht einfach an den einen oder anderen Ihrer Lieblingsfeinde, sofern Sie annehmen, sie/er sei des Lesens nicht ganz unkundig, des Lesens der „alten" Rechtschreibung.

    München, im September 2016

    Wir sind nicht dazu verdammt, die Geschichte sich wiederholen zu lassen.

    Es ist uns freigestellt, ihr in unserem Falle eine neue, noch nicht dagewesene Wendung zu geben. Als Menschen sind wir mit dieser Freiheit der Wahl begabt, und wir können die uns auferlegte Verantwortung nicht auf Gott oder die Natur abwälzen. Wir müssen sie selber auf uns nehmen. Sie will getragen sein.

    (Arnold J. Toynbee)

    I

    DER MENSCH, DAS UNSOZIALE WESEN

    Der Mensch ist seiner Beschaffenheit nach ein religiöses Tier.

    (Edmund Burke)

    Ob die Sozialisierung des Menschen anders verlaufen wäre, hätte er von Beginn des Sprechens an (s)einem Menschen mitteilen können, wer, wie, was, wo der Gott ist, den er sich ab wann aus welchem Grund vorstellt? Wäre die ‘Vorstellung’ durch das Einzelindividuum in dreierlei Sinn notwendig, einerseits für das Individuum, andererseits für seinen Widerpart, nicht zuletzt für das Gott genannte Wesen selbst? Hätte solch einem Menschen auch nur ein Zuhörer, womöglich gar sein Gott geglaubt? Seit Anbeginn lebendiger Sprache und ihrer späteren Überführung in tote Schriftzeichen und alle Aufzeichnungen von Ton und Bild sind bis heute jedenfalls alle Menschen gestorben, ohne zu wissen, wer, wie, was, wo das ist, was mit diesem und all den vielen anderen Namen als Gott bezeichnet wird. Auch weiterhin werden die Menschen ohne dieses Wissen geboren, leben, sterben, geboren werden.

    Gegen die vorherige Feststellung ließe sich einwenden, eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Menschen behauptet, in Glaubensgewißheit gelebt zu haben, lebe damit, sterbe in solcher Gewißheit, werde in Glaubensgewißheit sterben. Gewiß daran ist nur dreierlei: Erstens wurde niemand bisher mit Glaubensgewißheit geboren. Gewiß leben und sterben auch die Glaubensgewissen früher oder später, aber garantiert, und sie wissen nichts, besonders nicht von Gott in Einzahl und/oder Vielzahl, davon aber jede Menge, so daß sie gewiß glauben, was sie nicht wissen, sich daraus kein Gewissen machen, auch wenn und weil sie ihren Zweifeln nicht entkommen, sich in Metaphysik und Transzendenz flüchten … müssen. Falle ohne Umkehr, ohne Entkommen, ohne Wiederkehr. Seltener Fall einer Sackgasse als Einbahnstraße. Völlig ohne Wendeplatte. Gefangen in einer einzigen Galaxie unter den 265.000 durch das „Hubble"-Teleskop abgebildeten und allen anderen ungezählten, unzählbaren Galaxien.

    Zweitens ist Glaubensgewißheit gewiß auch noch scharfsinnig unklug, Oxymoron. Ein Widerspruch in sich selbst. Ein Paradoxon. Wer sicher weiß, gewiß ist, Erkenntnis hat, benötigt gewiß keinen Glauben. Wer glaubt, hat ebenso gewiß kein Wissen, keine Gewißheit, keine Erkenntnis, glaubt, was er nicht weiß, deshalb meint glauben zu müssen. Glaubensgewißheit wird so zur Illusion, bleibt Fiktion, ist bestenfalls zwiefacher Glaube, also Nichtwissen zum Quadrat. Mit sehr viel Phantasie ziehen die Glaubensgewissen mithin gewissenlos die Quadratwurzel aus ihrem Nichtwissensschatz und geben dem ungefähren Ergebnis den schnöden Namen Gott in allerlei Variationen der Sprach- und Völkergemeinschaften, bezeichnen als Wissenschaft, als Theologie, was keinerlei Wissen schafft, sich stets nur an ihrer Version Gott und allem Glauben daran zu schaffen macht, daran abarbeitet. Ein dreifach Lob der Vergeblichkeit!

    Drittens und nicht zuletzt sterben gewiß aber auch diejenigen, welche nicht zur ‘Glaubensgewißheit’ gelangen, nicht dazu gelangen wollen, können, oder es einfach nur verstehen, darauf zu verzichten, selbst wenn sie von gewissen Leuten für ihr Leben in die Nähe Epikurs gedrängt, gelegentlich eines gewissen Hedonismus bezichtigt werden, mit dem sie gewiß nicht schlechter gelebt haben werden.

    Zweifellos wird jeder Mensch in einen „Wir-Zusammenhang" hineingeboren, betritt die Welt als ein vergesellschaftetes Wesen. Nur dieser Zusammenhang sichert ihm Leben und Überleben. Freilich wissen die Glaubensgewissen absolut nicht, was wiederum ausgerechnet das nun ist: Gott. Andererseits wissen sie um das damit verbundene Unaussprechliche … auch wieder nicht, projizieren, interpretieren ihre ‘Vorstellungen’ hinein, machen Glaubensinhalt mit ihrer Phantasie kompatibel, „menschlich, vermenschlichen Gott und Götter, verheiraten in ihrem Kopf das von außen herangetragene Glaubenskonzept mit ihrem ganz persönlichen, individuellen Denken und ihren Vorstellungen zu ihrem „Gott. Eine wilde Ehe zu Dritt, überfrachtet mit Erwartungen. Genau das ist es, warum sie die Klappe nicht halten können, wie alte, erfahrene Eheleute alles Unaussprechliche aus- und mitteilen müssen, wozu ihnen trotz hochnotpeinlicher Beredsamkeit alles fehlt, nur nicht Wörter, auch wenn und weil gültig bleibt: Wovon man nicht sprechen kann, muß man schweigen. Am besten dreifach.

    Einer der unsozialsten Züge des Menschen zeigt sich, indem der Mensch jene bestenfalls aus seiner Phantasie, schlimmstenfalls aus vorsätzlicher Lüge gewonnene Glaubensüberzeugung einschließlich der „Erschaffung" seiner einzigen und unbedeutenden Welt innerhalb von 265.000 und mehr Galaxien als absolut wahr, im noch schlimmeren Falle gar als eines sogenannten Gottes Wort, gar Gebot ausgibt, in dessen Namen Gefolgschaft einfordert. Darin werden all die Glaubensgewissen zu regelrechten Gnostikern, geben ihren Glauben als höchste Erkenntnis aus, behaupten Wissen und Gewißheit. Steigerungsfähig ist solch absolut unsoziales Verhalten allemal, bis hin zu Steinigungen, zum Köpfen, Scheiterhaufen und anderen phantasievollen Tötungsvarianten, gerne auch mit vorgeschalteter Tortour der Folter. Erprobte Praxis der Gläubigen, vor allem der Berufsgläubigen.

    Vielfältige Techniken der Propaganda, Edukation, Angsterzeugung, Indoktrination, Täuschung dienen den jeweiligen Religionen, auch der Politik und ihren ‘Gnostikern’ dazu, noch vor jeder Verstandesreife, vor jeder Verständnisfähigkeit, vor jeder Verständnismöglichkeit und ohne jeden bewußten Entscheidungsakt, auch ohne ausdrückliche Willenserklärung abhängig in jeweilige Glaubensgemeinschaft zu vereinnahmen, wer gerade des Weges kommt oder getragen wird. In und über Masse der so gefangenen und befangenen dann „Gläubigen etabliert sich allmählich ein Alleinvertretungs- und Auserwähltheitsanspruch. Mit mal mehr, mal weniger Gewalt setzt sich eine der gnostischen Auffassungen durch, welche jeglichen Anders- bis Nichtgläubigen von jeweiligen „Glaubenssegnungen ausnimmt, ausschließt, keinerlei abweichende Auffassung duldet. Bestellt wird der unfruchtbare Acker der Intoleranz mit Feuereifer. Am Anfang jeder Religionsgemeinschaft steht Intoleranz, beginnt asoziales Verhalten gleich ganzer Gruppen gegenüber den jeweils Anderen und ihrer jeweiligen Gruppen

    Für die drei großen prophetisch monotheistischen Religionen, deren erste und Ausgangsreligion heute eher klein ist, kommt erschwerend die außerordentliche Unwahrscheinlichkeit eines nach dem Tod bewohnbaren Himmels hinzu, macht die gezielte Ausrichtung des irdischen Daseins für die absolute Unwahrscheinlichkeit ‘Himmel’ zur sinnlosen Farce. Sinnlos besonders deshalb, weil dem Wohlergehen des Individuums nach dem Tod das Wohlergehen ganzer lebendiger Gesellschaften vor dem Totsein des Einzelnen geopfert wird.

    Bis zu diesem Punkt asozialen Geistes hat der Mensch einen langen Weg evolutionär biologischer Entwicklung zurückgelegt, nicht, ohne nicht auch schon vorher, schon wegen unter anderem eines gewissen und gewiß natürlichen biologischen Selektionsdrucks gesellschaftsunverträgliche Verhaltensmuster gepflegt zu haben. Von Seinesgleichen wird er als aufrecht gehender Homo sapiens erkannt und – nicht immer aufrichtig – anerkannt. Na ja, über Sapientia, die Sache mit der Weisheit, besonders wenn es um Religion und dann noch um den Menschen geht, bleibt wohl besser der Mantel strikten Schweigens gebreitet! Während Stephen Hawking rund um seinen 75. Geburtstag noch befürchtete, die Evolution habe Aggression und Habgier in die DNA des Menschen geschleust, beweist die Menschheit aktuell, wie sie mit solchen Grundeigenschaften den Planeten ihrer Existenzgrundlage unwiderruflich zu vernichten gedenkt, dies auch durchaus vermag.

    Mit dem Denken klappt es dann auch nicht so recht. Immer öfter klappt es … nicht. Wissenschaft und Hirnforschung präsentieren allerhand Ergebnisse, solche, die den Menschen auf eine höhere Entwicklungsstufe als alle anderen Lebewesen stellen … wollen, das Tier Mensch quasi zum König der Löwen aufmotzen. Grundsätzlich asoziales bis rassistisches Denken!

    Ganz nebenbei haben in México die Hausgimpel gelernt, ihre Nester gegen Parasiten zu schützen, baut diese Finkenart in ihre Kinderkrippen, genannt Nester, von Menschen weggeworfene Zigarettenkippen ein und hat damit Erfolg. In Bayern sind die Stare noch einen Tick raffinierter. Auf Schafgarbe und ätherische Ölpflanzen als Baumaterial für ihren Niststand haben sie sich spezialisiert, reduzieren damit Bakterienwachstum in den Nestern. Die Hähne zeigen gar beim Balzen den Weibchen die Kräuter jeweils vor, bevor sie die Pflanzen in das Nest einweben … dürfen. Vorbeugende Gesundheitspflege und verantwortungsbewußte(!) Familienplanung im monogamen, mehr oder weniger Matriarchat, ganz ohne Anregung und Finanzierung durch gesetzliche Krankenkassen, völlig unpolitisch und durchaus … sozial, aber ohne staatliche Beihilfe und/oder Ein- bis Übergriffe! Menschlich eben, diese Tiere.

    Behauptet ein gewisser Aristoteles, ein alter Grieche, bei uns Neuzeitigen als Philosoph verschrien, „Der Mensch ist ein soziales Wesen", geht solch apodiktisch lapidare Feststellung am Wesen des Menschen des 21. Jahrhunderts und seiner tierischen Abstammung ganz entschieden und seit mehr als dreitausend Jahren vorbei, konnte sich doch schon der letztlich durchaus asoziale Philosoph antiker Zeiten jede Sozialisation seiner Sklaven verkneifen, nicht aber das Kriegshandwerk, auch nicht die Entmündigung der Frau, nicht Handel mit Kindern.

    Natürlich ist im Dunstkreis des Abendlandes der israelitische Gott JHWH, Jahwe eigentlicher Schöpfer des Dienstpersonals, schafft zeitgleich mit dem Dekalog, aber um etliches nach der ursprünglichen Schöpfung hebräische und andere Sklaven, die er sorgfältig unterscheidet, auch und obwohl die Genesis trotz Sechs-Tage-Woche die Erschaffung von Sklavin und Sklave schamhaft verschweigt, die von Kindern auch, nach Erschaffung des Lichts selbiges erst vier Tage später mit Sonne, Mond, Gestirnen eingeschaltet wird, trotz all des Gefunkels nur für täglich maximal circa zwölf Stunden. Sklaven wird der Allmächtige doch nicht nach Dienstschluß, bei Dunkelheit oder ausgerechnet am Schabbath …?! Schweigen!

    Gründlich gebrochen wird solch göttliches Schweigen in Exodus mit Moses lauthals in den Griffel diktierten Zehn Geboten, wobei im unmittelbaren Anschluß ein gewisser JHWH höchstpersönlich hebräische Sklaven, jüdische Sklavin als Hauspersonal aussortiert, einige Absätze weiter als Eigentum ihrer Herren einsortiert, ER irgendwie zwei Arten von Menschen erschaffen haben muß, es seither zweierlei Recht und zweierlei bis dreierlei Menschenrecht gibt, JHWH persönlich zwischen nationalen und internationalen Sklaven unterscheidet, streng genommen durch die ‘Auserwählung’ des Volkes Israel dann gar viererlei, weil offenbar daneben noch Sklaven anderer „Nationalität" ge-/erschaffen wurden. Nur das mit ‘lauthals’ hat wohl doch nicht so richtig geklappt, weil niemand etwas gehört hat, nicht einmal in luftiger Höhe. Schlegel und Meißel auf Steintafeln, gleich zwei Mal lautlos! Jener zweiten Ausfertigung der Gesetzestafeln wird dann auch eifrig am Festtag Shavuot gedacht.

    Weiß der römische Komödiendichter Plautus in Asinaria (Eseleien) längst: lupus est homo homini … ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, hat er seine Rechnung ohne JHWH gemacht. Fiel Thomas Hobbes zum Bürger seiner Zeit auch nichts besseres ein, ist der absolute Mensch absolut selbstsüchtig, sein Handeln von absoluter Selbstsucht getragen. So sind die Eseleien des Einundzwanzigsten Jahrhunderts keine anderen, bleibt der Mensch des Menschen Wolf. Wer zählt die Toten, nennt die Namen derer, die gewaltsam durch Menschen um ihr Leben kamen? Alles im Namen irgendeiner Religion! Wer zählt diejenigen, welche weiterhin der Bestie Mensch zum Opfer fallen, fallen werden? Alles im Namen irgendeiner Religion?!

    Keine Philosophenmeinung ohne nicht auch ihr Gegenteil. Jean-Jacques Rousseau beschreibt den Menschen als selbstlos und hilfreich. Wo der Mensch hier und da alles Selbstlose und Hilfreiche auslasse, gar ins Gegenteil verkehre, sei er nur in seiner natürlichen Entwicklung gestört, mache die Gesellschaft den von Natur aus guten Menschen böse. Gleichwohl führte Rousseau ein recht ungeselliges Naturleben, welchem Diderot süffisant entgegenhält: „Der gute Mensch lebt in der Gesellschaft, und nur der Böse ist allein".

    Allen zeitgenössischen bildlichen Darstellungen nach waren Rousseaus Augen eher von einem dunklen Braun. Woher er seine Blauäugigkeit nahm, ist ungeklärt. Mit dem augenscheinlichen Farbwechsel geht offenbar auch eine gewisse Kurzsichtigkeit einher, trübt Wahrnehmung, läßt ihn die in seiner Aussage enthaltene Antinomie aus den braunen Augen verlieren. Macht eine Gesellschaft – von Menschen(!) – einen nach Rousseau von Natur aus guten Menschen böse, muß das Böse zwangsläufig in der Natur der Gesellschaft und ihrer Menschen, in einer größeren Anhäufung von Menschen, gehäuft in ihren Naturen liegen, in also durchaus größerer Zahl bei und in denselben in natura vorhanden sein. Es bedarf also gleich zahlreicher weder hilfreicher noch guter Menschen, um ein einzelnes Menschenwesen von dem Weg abzubringen, den Jean-Jacques Rousseau für das Menschengeschlecht vorzeichnet. Angesichts des Pendelausschlags zwischen Gut und Böse ist solch Abzählreim wenig hilfreich.

    Religion und Philosophie teilen das gleiche Schicksal. Gelten sie als Wissenschaften, vermögen sie weder meßbare, noch brauchbare, noch nachprüfbare Ergebnisse zu liefern; gelten sie als kulturelle Errungenschaften, versagen sie ihren Beitrag zur Entwicklung einer humanen, humanitären Gesellschaft.

    Wie immer dürfte die philosophische Wahrheit zwischen den Positionen liegen, sitzen Aristoteles, Hobbes und Rousseau zwischen allen Stühlen, haben unrecht. Zuletzt läuft alles mehr oder weniger darauf hinaus, daß der jeweilige Durchbruch für die eine wie die andere und jede andere Tendenz von der kulturellen Entwicklungsstufe der jeweiligen Gesellschaften, innerhalb derselben vom einzelnen Individuum selbst abhängt. Entsprechend läßt sich durch alle Geschichtlichkeit des Menschen ständig faustisches Schwanken zwischen Gut und Böse verfolgen.

    Eine wirklich unerfreuliche Beständigkeit. Nach bisher wahrnehmbarem Wandel des Menschen in der besten aller Welten überwiegen dabei leider immer noch die negativen Tendenzen. Bisher hat sich noch keinerlei rein positive Gesellschaft etablieren können. Am deutlichsten kommt dies heute in der unterscheidenden Begrifflichkeit von Dritte Welt zum Ausdruck, spart sie doch ausdrückliche Benennung der ersten als quasi Selbstverständlichkeit an sich aus, verschweigt die zweite vollständig, wie damit auch Verschulden und Verantwortung der Ersten Welt für die dritte aber auch zweite verschwiegen werden.

    Wissenschaft heute weiß eine Menge über die Entstehung der Arten, findet vielfältige Beweise für die Theorien Darwins und anderer Evolutionisten. Alle Wissenschaftlichkeit zusammen mit Darwinismus und Evolutionsbiologie vermag den Ausgangspunkt des Menschen, ob zu Wasser, zu Lande oder in der Luft, nicht eindeutig, nicht zweifelsfrei zu identifizieren, gewinnt über dessen Start keine letztgültige Erkenntnis, läßt allerdings Rückschlüsse zu, für welche dann letztgültige Gewißheit eher auch wieder fehlt, dennoch ‘angenommen’ wird, längstens bis zur Widerlegung.

    Auch wenn der Evolution allerhand zuzutrauen ist, so weit wie ein gewisser Augustinus, einer der Cheftheologen/Ideologen des Christentums, wollte sie doch nie gehen und ausgerechnet Winden, was von Blähungen bis Orkan alles bedeuten kann, die Befruchtung kapadokischer Stuten gestatten. Besonders im Hinblick auf Befruchtung war der Schlawiner Augustinus eigentlich eher selbst aktiv, auch wenn er sonst noch viel zu viel Wind darum gemacht hat, nicht zuletzt um Befruchtung der Menschen untereinander und damit einhergehende Sexualität.

    Fest steht, ein Verbund von Zellen genetischer Masse hat sich in stetiger Anpassung an Umwelt, Lebens- und Überlebensnotwendigkeit in einem unendlichen Lern- und Anpassungsprozeß Überleben als Tier gesichert, in beständigem Wandel sich hin zum Mensch genannten Lebewesen gemausert, immer noch nicht weniger und nicht mehr als eine Gattung Tier. Viele natürliche Entwicklungsstufen innerhalb belebter, lebendiger Welt! Keine Endstufe. Kein Zenith, sofern Evolution so etwas vorhält, ihn ausgerechnet dann überhaupt den Menschen erreichen läßt. Gewiß aber ist, erreicht der Mensch solchen ‘Höhepunkt’, geht es mit ihm und für ihn ab dann nur noch bergab. Gipfel haben das nun mal so an sich. Zugleich ‘west’ in ständigem Fluß das Homo sapiens benannte, in die Welt ‘geworfene’ (Heidegger) Objekt als nach den Naturgesetzen wandelbare und sich im steten Wandel befindende und anpassende Durchgangsform zu zukünftigen, keineswegs kalkulierbaren Lebensformen. Versuch, Irrtum und Reproduktionsfehler samt Wiederholung derselben keineswegs ausgeschlossen, absolut selbstverständlich ausdrücklich eingeschlossen, so wie auch die nächste Eiszeit unweigerlich naht. Niemand vermag zu sagen, ob sich die derzeitige Stufe des Voranschreitens des Homo sapiens noch auf der aufsteigenden Kurve der Entwicklungsphase befindet, ob und wann sie ihren ‘Zenith’ erreicht, ihn womöglich gar schon überschritten hat, sich bereits auf der absteigenden Kurve hin zu ihrem Ende oder gar auf ihren Untergang mit welcher Absturzgeschwindigkeit zubewegt. Gesicherte Tatsache aber bleibt, nach jedem Gipfel geht es schlicht immer nur noch steil bergab.

    Von welchem Ausgangs-, ab welchem Zeitpunkt auch immer die Evolution zu ihre Rallye hin zum Menschen gestartet ist, um so ziemlich alle Arten zu überholen, wie der Mensch gerne glauben, auch glauben machen will, ist nicht letztgültig erforscht. Angenommen werden kann, der Mensch, der noch keiner war, hat auf seinem rasanten Kurs irgendwann die Spezies der Primaten durcheilt, gehörte schon früh zu den Trockennasenprimaten, obwohl damals Taschentücher Mangelware, Papiertaschentücher zu kostbar, geradezu unerschwinglich, weil noch gar nicht erfunden waren. Nimmt Charlotte Roche mit ihren eher persönlichen Feuchtgebieten das zumindest für die männlichen Vertreter ihrer Spezies unter gewissen Voraussetzungen anders wahr, schert sich Evolution um solche Feuchtgebiete einen feuchten Kehricht. Auch der Bedarf an Taschentüchern ist für die Evolution kein Thema, hat sie es doch bis heute für die Abkömmlinge der Trockennasenprimaten bei gelegentlichem Schnupfen und so oder so Rotznasen belassen. Für Rhinologen ein weites Feld. Ansonsten, bis heute hinter den Ohren nicht ganz trocken, tröpfeln auch den Trockennasenprimaten die Riechkolben in unregelmäßigen Abständen immer noch.

    Nach einer beträchtlichen, mit Evolution gepflasterten Wegstrecke ist hernach jedenfalls der immer noch nicht Mensch aus der Kolonne der Familie Menschenaffen mit trockener Nase und keß in die Luft gerecktem Hinterteil in natürlich affenartiger Geschwindigkeit auf allen Vieren ausgeschert, ohne Wissen und ohne Weisheit mit Karacho auf den Feldweg voranschreitender Evolution direkt zur Gattung ‘Homo’ eingeschert, abgedriftet, ohne schon aufrecht und Mensch zu sein, behaupten Menschenwesen des Einundzwanzigsten Jahrhunderts nach Prüfung der verfügbaren Daten. So halten Bayern noch heute einen nicht unbedeutenden Teil der Menschheit für ‘geschert’. Karacho ist allerdings auch keine ausdrücklich der Evolution eignende Geschwindigkeit, bevorzugt sie doch eher ihr „Eile mit Weile", arbeitet mit Netz und doppeltem Boden.

    Wissenschaft schreitet zwar rasch voran, doch die Anthropologie ist für Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht gerade berüchtigt. Mit der Entwicklung des ersten Vormenschen trennen sich die Wege zwischen Mensch und Menschenaffen in Afrika, sagen Experten. Experten sagen, es kann auch ganz anders und gar nicht in Afrika gewesen sein, statt dessen zum Beispiel in Südosteuropa und einige Hunderttausend Jahre früher als bisher angenommen, zumindest wenn man den Graecopithekus in Abstammungslinien einreiht. Spekulierte Forschung bisher, die Sprachbildung des Menschen sei über einen Zeitraum von circa 100.000 Jahren erfolgt, gelangt neuere Forschung zur Vermutung, der Prozeß könne gut und gerne auch 25 Millionen Jahre gedauert haben. Für Geschwindigkeitsunterschreitung solchen Ausmaßes gibt es keine Punkte in Flensburg. Nicht ein einziger Bürger Flensburgs aber bleibt von Evolution verschont. All die Vehikel aber mit so wahrgenommener Evolutionsgeschwindigkeit würden wegen Transportbehinderung bis Untauglichkeit vom Kraftfahrtbundesamt aus dem Verkehr gezogen. Dessen ungeachtet traten so die ersten Vorfahren des Menschen vor mindestens sechs, eher gar sieben Millionen Jahren auf.

    Ab wann davor, danach, zwischendrin die Evolution für aufrechten Gang und die Umkehr des Brutpflege-Prinzips gesorgt hat, ist in keinem Kalender markiert, völlig unbekannt. Auch dann aber bleibt das menschliche Leben, und nicht nur dieses, ein scheinbar anarchisches Phänomen. Erkenntnistheoretisch unterliegt es offensichtlich einem binären Optionsmechanismus, indem das Leben mit und in jedem Augenblick auf eine Information trifft, welche ein „System" hervorbringt. Gleichzeitig ist es unmöglich, das einzelne Leben in seiner gesamten Komplexität zu beschreiben. Und so kann der Mensch nur das tun, was er ohnehin und selbstverständlich tut, seit Sein und Zeit und davor immer schon Zeit hatte zu tun: Sein, leben, sein Leben leben.

    Zum Leben gehört das Sterben, gehört der Tod. Letzterer ist im Jetzt Gegenstand vielerlei religiöser und weltlicher Rituale, deren Ausbildung parallel zur Evolution verlaufen ist. Politik maßt sich neuerdings an, den Tod aussperren, zumindest sein Werken ausbremsen zu wollen. Zu weit würde es führen, im Rahmen der gegenständlichen Überlegungen die vorgeschichtliche, oder nur die spätestens 60.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung einsetzende Geschichte der religiösen Ideen, das System der Religionen nach deren ursprünglichen Intentionen und Absichten beleuchten, gar abhandeln zu wollen. Ohnehin beruhen alle historischen Erkenntnisse, besonders diejenigen zu den Religionen, auf zielgerichtet interpretierten Überlieferungen, Darstellungen mehr weniger exakten, in den meisten Fällen zweck- und zielgerichteten Zeugnissen, und sei es nur, um dem Unerklärlichen oder gar Ungerechtfertigten bis Sinnlosen einen Sinn zu geben. Auch ist es mehr als wahrscheinlich, wenn nicht gar unvermeidlich, eine solche Abhandlung werde sich früher oder später dem Vorwurf der Einseitigkeit, wenn nicht gar eines persönlichen Charakters ausgesetzt sehen, ganz abgesehen von all den dummen Fehlern, die jedem Generalisten mit allem Bemühen um deren Vermeidung dennoch unterlaufen können, geradezu zwangsläufig unterlaufen.

    Einer dieser dummen Fehler verführt zu der Annahme, als unabdingbar sei vorauszusetzen, es könne keine menschliche Handlung geben, die nicht irgendeinen Sinn hat. – Ganz nebenbei: Ist Unsinn nicht auch ein Sinn? – Fehlbarkeit, Fallibilität der Vernunft ist bekannt, erstreckt sich auf Denken und Handeln. Bei allerlei sinnfreiem Tun, bei mancherlei Unsinn ist der moderne Mensch zu beobachten, auch beim Zeit totschlagen. Sollte die eine oder andere Handlung genau das zum Ziel haben, bekommt selbst noch das Sinnfreie solcher Tätigkeit doch noch einen Sinn. Daraus schlußfolgern zu wollen, jedem Bestattungsbrauch müsse deshalb auch eine Glaubensvorstellung zugrunde liegen, welche ihn notwendig macht, gehört in das Reich der Fallibilität der Vernunft. Oder aber es handelt sich nur darum, dasjenige, was begründet werden soll, vorab zu postulieren. Ein schnöder und sehr unaufrichtiger Brauch, besonders der Theologen und Religionswissenschaftler.

    Seit vorgeschichtlicher Zeit und bis ins gegenwärtige Zeitalter, vor allem in Zeiten von SARS-CoVi19, finden Bestattungen mitunter durchaus in dem einzigen Sinn statt, bar jeder Glaubensvorstellung die sterblichen Überreste eines Verblichenen nach hygienischen und Umweltgesichtspunkten zu entsorgen, seinen Aufenthaltsort, seinen Wohnsitz zu räumen, den Tatort zu reinigen, gesäubert, clean an Nachfolger zu übergeben. Auch solche Bestattung ist selbstverständlich ‘sinnvoll’. Damit ist dann allerdings die Vorstellung, jedem Bestattungsbrauch müsse eine Glaubensvorstellung zugrunde liegen, samt der schmucken Leiche zu Grabe gelegt, endgültig bestattet, mit Corona verbrannt. Noch weniger läßt sich aus der ethnographischen Erforschung verschiedener Völker und ihren archäologisch belegten Bräuchen denselben generell gleichzeitig der Sinn eines Überlebens im Jenseits zuschreiben. Glaubende, Gottgläubige mögen in unzulässiger Analogie und Vergleichung mit Bräuchen anderer als auch ihrer Religion zu derartigen Schlußfolgerungen neigen, gar gelangen. Letztlich bleibt persönlicher Wunsch Vater solcher Gedanken. Von Erkenntnis keine Spur! Analoge Modelle bekannter Religionen schriftloser Völker heranzuziehen, ist mithin ein sehr gewagtes Unterfangen, demgegenüber der Verzicht auf jedwedes Modell und ausschließliche Orientierung an den verfügbaren Daten, die strikte Beschränkung auf Faktizität unbedingt vorzuziehen sind.

    In vorgeschichtlicher Zeit, noch so ein unzulässiger Hilfsbegriff, hat es zweifelsfrei Religionen und religiöse Kulte, auch Bestattungskulte im Sinne eines Überlebens im Jenseits dennoch gegeben. Ebenso zweifelsfrei sind aus gleicher und anderen früheren und späteren Epochen Bestattungen belegt, denen kein religiöser Sinn, keinerlei Glaubensvorstellung zugeordnet werden, Jenseits- und über den Tod hinausreichender Überlebensglaube nicht nur nicht angenommen werden kann, sondern grundsätzlich ausgeschlossen werden muß. Im Abendland hat dem Diesseits-/Jenseitsglauben ohnehin erst die christische paulinische Theologie zum Durchbruch verholfen. Auch nur eine der vielen gnostischen Varianten.

    Ab welchem Zeitpunkt die evolutionär herangebildete Gattung Mensch sich der Religion zugewandt hat, in welcher Ausprägung auch immer, ist entwicklungsgeschichtlich, geschichtlich und religionsgeschichtlich absolut unbekannt. Einzig feststellbares Faktum ist, die Gattung Mensch hat, wie alle Primaten, ihren Anfang ohne jede Religion genommen, eine mehr oder weniger lange Weile verstanden, ohne Religion auszukommen, und es war ihr dabei weder langweilig, noch hat sie etwas vermißt. Erst war der Mensch, dann erst kam Religion. Bei all dem Affentheater der entfleuchten Primaten um den Primat der Religion weiß niemand, welche je die primäre, die erste Religion war. Erst mit Religion kam Gott … weiß wer zu den Primatennachfahren.

    Trifft dies zu, bedeutet es gleichzeitig, der Mensch hat vor jeder Religion und völlig unabhängig von einer solchen bereits ein ethisches Grundsystem entweder entwickelt, oder im Zuge genetischer Vererbung mitgebracht und weitergegeben. Gestützt wird diese Auffassung nicht zuletzt auch von den Untersuchungen des Instituts für Pädagogische Forschung (DIPF), wonach sich heute das moralische Denken von Kindern unabhängig von ihrer Intelligenz und Religionszugehörigkeit entwickelt.

    So unermeßlich und unüberschaubar sich die Welt der Religionen heute gibt, haben drei Strömungen bis in die Neuzeit überdauert: Religionen indischer Herkunft, besonders Hinduismus, Buddhismus und ihre Leitfigur des Mystikers; Religionen chinesischer Herkunft mit unter anderem Konfuzianismus und Daoismus und der Leitfigur des Weisen; Religionen nahöstlicher Herkunft mit Judentum, Christentum und Islam, für welche Propheten die Leitfiguren stellen.

    Aktuell kristallisiert sich eine scheinbar religionsfreie vierte Denk- bis Glaubensrichtung heraus, welche für ihr naturalistisch evolutionäres, Humanismus genanntes Weltbild als Leitfigur auf Wissenschaftler und deren Erkenntnisse, welche auf ausschließlich Ratio setzt. Dabei

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