Zwischen Grunewald und Brandenburger Tor
Von Thilo Koch
()
Über dieses E-Book
Mehr von Thilo Koch lesen
Tischgespräche - Begegnungen mit Prominenten unserer Zeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGottfried Benn Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenReporter, Report Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAuf dem Schachbrett der Sowjetunion, die DDR Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCasanova, der Autor seines Lebens Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZwischentöne - Ein Skizzenbuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWohin des Wegs, Deutschland? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEine Jugend war das Opfer Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBriefe aus Krähwinkel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFünf Jahre der Entscheidung - Deutschland nach dem Kriege. 1945-1949 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNeue Briefe aus Krähwinkel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBerliner Luftballons Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStille und Klang Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Zwischen Grunewald und Brandenburger Tor
Ähnliche E-Books
Geschichten aus den vier Winden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZwischentöne - Ein Skizzenbuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Hiddensee Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Go West - In the Middle of Nüscht. Die westliche Altmark entdecken: Ein Entschleunigungsbuch Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAus Island: Erlebnisse und Erinnerungen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Jagd nach der silbernen Feder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTheodor Storm: Wanderer gegen Zeit und Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLesereise Nordseeküste: An der Waterkant zwischen Ems und Elbe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBerliner Luftballons Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTOD AUF SYLT: Der Krimi-Klassiker! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKlein Dorrit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerren vom Fjord Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGüstrower Fragmente Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAus dem Dunkel: Gedichte 1993-2018 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWarum die Sachsen-Anhalter nackt wandern und ihre "Tote Oma" lieben: Satirischer Wegweiser durch das Land der Frühaufsteher Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenFür dich Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWintergedichte: Besinnen und Nachdenken Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Erstürmung des Himmels: Historischer Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Hand der Fatme Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMein Sylt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Insel hinterm Mond: eine äolische Erzählung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJunge Pferde! Junge Pferde! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGriechischer Frühling Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenREIME & GEDICHTE Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenInselwelten: Eng umgrenzt im Grenzenlosen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTagebuch I Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Heilige und ihr Narr Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGeschichten und Sagen vom Bodensee: Geschichten und Sagen rund um den Bodensee, liebevoll illustriert, dazu Rezepte für Speisen aus der Region Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWaldweihnacht: aus Agnes Günthers "Die Heilige und ihr Narr" Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJunge Pferde! Junge Pferde!: Expressionistische Gedichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Politik für Sie
The Four: Die geheime DNA von Amazon, Apple, Facebook und Google Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Trump: The Art of the Deal Bewertung: 3 von 5 Sternen3/5Psychologie der Massen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Lexikon der Symbole und Archetypen für die Traumdeutung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Angst und Macht: Herrschaftstechniken der Angsterzeugung in kapitalistischen Demokratien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Antwort Bewertung: 1 von 5 Sternen1/5Der nächste große Krieg: Hintergründe und Analysen zur medial-politischen Hetze gegen Russland Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTrilaterale Kommission Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAntisemitismus in der Sprache: Warum es auf die Wortwahl ankommt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPopulismus: Das unerhörte Volk und seine Feinde Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWas ist deutsch?: Elemente unserer Identität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Krieg im Dunkeln: Die wahre Macht der Geheimdienste. Wie CIA, Mossad, MI6, BND und andere Nachrichtendienste die Welt regieren. Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKognitive Kriegsführung: Neueste Manipulationstechniken als Waffengattung der NATO Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGenderismus: Der Masterplan für die geschlechtslose Gesellschaft Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Fremdbestimmt: 120 Jahre Lügen und Täuschung Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Psychologie der Massen: Vollständig überarbeitete Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKeine Macht der Moral!: Politik jenseits von Gut und Böse Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Zeitalter der Einsamkeit: Über die Kraft der Verbindung in einer zerfaserten Welt Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAnglizismen und andere "Fremdwords" deutsch erklärt: Über 1000 aktuelle Begriffe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie wissen alles über Sie: Wie Staat und Wirtschaft Ihre Daten ausspionieren - und wie Sie sich davor schützen. Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Trump: Think like a Billionaire: Das sollten Sie über das Leben, Erfolg und Immobilien wissen Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Widerworte: Gedanken über Deutschland Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSand Talk: Das Wissen der Aborigines und die Krisen der modernen Welt Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Naher Osten 01: Themenzusammenfassung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlles, was Sie wissen sollten, Ihnen aber nie jemand erzählt hat Bewertung: 3 von 5 Sternen3/52025 - Das Endspiel: oder Der Putsch von oben Bewertung: 1 von 5 Sternen1/5Wenn man weiß, wo der Verstand ist, hat der Tag Struktur: Anleitung zum Selberdenken in verrückten Zeiten (aktualisierte Ausgabe) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Zwischen Grunewald und Brandenburger Tor
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Zwischen Grunewald und Brandenburger Tor - Thilo Koch
www.egmont.com
WUNDER DAUERN ETWAS LÄNGER
Nach längerer Abwesenheit von zu Hause grüßt man am Tag der Rückkehr die vielen bestimmbaren und unbestimmbaren Dinge, die zusammen das ausmachen, was wir »Heimat« nennen. Unbewußt wartet der Heimkommende auf eine Begegnung, in der ihm blitzlichtartig und wie in einem Brennpunkt deutlich würde, worin das Besondere, Unverwechselbare dieses Stückchens Erde und seiner Menschen liegt, dem er sich zugehörig fühlt – mag es anderswo auch tausendmal schöner sein.
Nun, in dem ersten Berliner Laden, den ich nach dem Urlaub betrat – es war ein Autoersatzteilegeschäft –, hing ein kleines Schild über dem Ladentisch, auf dem stand: »Unmögliches erledigen wir sofort. Wunder dauern etwas länger.«
DAS SCHÖNE LIEGT SO NAH
Es ist ein Wunder: zwei zierliche Stahlkufen unterm Fuß, und schon ist das kein Mensch mehr. Feuerrotes Trikot und Federkleid machen diesen anmutig-kraftvollen, geschmeidigvollkommenen Mädchenkörper zu einem phantastischen Zwischenwesen in dem Eis-Ausdrucks-Tanz »Der Feuervogel«. Die Arme, die Hände, die Finger, sie greifen in die Höhe, ins Freie, Leichtere, ins andere Element. Das ist der Ansatz zum Vogel, wenn diese überirdisch bewegte Gestalt um die eigene Achse kreiselt oder wie ein Strauß pfeilschnell über die weite Fläche schießt.
Mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen – das, sagt man, ist unsere, des Menschen Sache. Aber wir haben den Antrieb und das Talent, uns von der Erde, der festgegründeten, zu lösen, uns aufzuschwingen in andere Elemente. Auch körperlich, offenbar. Wenn’s einem Esel zu wohl wird, geht er aufs Glatteis und rutscht darauf aus. Gundi Busch dagegen bewegt sich auf dem kalten Spiegel wie unsereins im Wohnzimmer. Wenn’s ihr zu wohl wird, so fürchtet man – erhebt sie sich vom Boden des Berliner Sportpalasts in die freie Luft und ward nie mehr gesehen.
Ein silbernes Ornament aus feinster Spur graben die Schlittschuhe ins Eis, Linien und Kurven von ausgewogener Harmonie. Wenn längst die Schwünge und Sprünge nur Erinnerung sind, spricht diese geprägte Musik, diese rhythmische Graphik auf der spiegelnden Fläche noch von dem schönsten Versuch eines Menschen, die Schwerkraft in sich und für sich aufzuheben, tanzend, gleitend, lächelnd frei zu werden. Auch wenn er immer wieder durch eine stolze Verbeugung abgebrochen wird, der Versuch – es macht unser Entzücken aus, daß wir ihn eine beseligende Minute lang ernst nehmen dürfen.
Der Grunewaldsee ist zugefroren, und am letzten Sonntag gehörte er den Schlittschuhläufern. Der See ist klein, aber tief; das Eis war dünn, aber es trug. Sogar ein recht umfänglicher Herr glitt arglos über den weißgrauen Spiegel. Mit Fahrrädern waren sie gekommen oder zu Fuß von der Straßenbahnhaltestelle »Hundekehle«; mit roten Backen von der ersten Kälte dieses Winters, dem sie sonst dankbar sind für seine Milde. Das Bild ist nicht bunt, nicht hell, nicht strahlend. Die Ufer des Grunewaldsees waren früher dicht bewaldet. Der Holznot der Blockadezeit aber fielen auch hier viele Bäume zum Opfer. Was noch steht an märkischen Kiefern, ragt etwas unvermittelt nackt in den kühlblauen Winterhimmel. Und doch ist dies Natur, für Leute vom Hohenzollerndamm und aus Schmargendorf.
Ums Jagdschloß Grunewald herum stehen noch die alten Kastanien, freundliche Boten aus dem südlichen Europa; noch entblättert zeigen Stamm und Geäst eine Silhouette von wunderbarer Feingliedrigkeit und harmonischem Umriß. Starkes braungelbes Schilfrohr steht wie ein grobes herbstliches Stoppelfeld an der anderen Seite des Sees, hinter dem neu befestigten Steg, einem der vielen nützlich-angenehmen Ergebnisse der Notstandsarbeiten. Das Schilf ist etwas für Vogelliebhaber. Der Cockerspaniel zieht mit aller Kraft hinein ins Entenparadies; aber er kann nicht stöbern – wieder ist Leinenzwang für Hunde in Berlin. »Tollwut in Ostberlin«, so steht es ganz sachlich – und ohne politische Ironie – in den Zeitungen. Hoffentlich, hört man die Spaziergänger, kommt nicht der Maulkorbzwang dazu. Die Berliner sind Hundenarren, und an die Kette gelegt zu werden oder gar einen Maulkorb tragen zu müssen, das mögen sie durchaus nicht – nicht einmal bei ihren Hunden.
Die Schlittschuhläufer auf dem Eis und die Spaziergänger rund um den kleinen See passen zu der kargen Landschaft. Die Kleidung ist vorwiegend schwarz, braun, grau, keine Garmisch-Eleganz, nur manchmal ein knalliges Grün-Rot-Blau: Schal, Mütze, Handschuhe eines jungen Mädchens, eines Kindes. Und doch liegt über dem Bild diese eigene kühl-sparsame Anmut, die einmal preußisch hieß. Weit ausgreifend fliegt ein junger Mann hinaus auf die Mitte der Eisfläche. Es kümmert ihn nicht, daß die harte Oberfläche des Wassers eine zerbrechliche Basis ist, unter der unbekannte Gefahren schlafen mögen. Es kümmert ihn nicht, daß das Eis schon morgen verschwunden sein kann. Er hat es gelernt, auch die kleinste Chance zu nutzen, das geringe, unsichere Glück des Augenblicks ganz zu genießen – er ist ein Kind dieser Zeit, ein Kind dieser Stadt.
Gestern abend war der »rush«, die große Bewegung einer Großstadt nach Geschäfts- und Fabrikschluß, ein Tanz auf dem Glatteis. Regen auf Schnee, dann Frost, das kann nicht gutgehen. Die Autobusse blieben stecken, die Personenwagen tasteten sich mit Eisblumen an den Fenstern über spiegelnde Kreuzungen. Fußgänger schlitterten, strauchelten, schwankten auf den Gehsteigen wie Betrunkene. Soweit ich selbst auf meinem Heimweg sah, nahmen die Berliner das alles mit Humor. Sie zeigten viel Anpassungsfähigkeit an die neue Straßenlage. »Is doch nischt Neuet für uns«, sagte einer und sprang auf die Straßenbahn, das einzige noch sichere Fahrzeug, weil es auf Schienen läuft. »Berlin is nu schon so lange jlatt und einjefrorn . . .« »Höchste Zeit, daß’t mal wieda taut«, murmelte die Schaffnerin und zog die Leine.
Die landschaftlichen Schönheiten von Rio, Neapel, Hawai werden oft beschrieben, besungen, gepriesen. Hat nicht jeder einmal davon geträumt, unter Palmen zu wandeln, an weißen Küsten zu weilen und südlichen Meeren, majestätische Berge zu erklimmen?
Aber warum eigentlich in die Ferne schweifen, denn das Schöne liegt so nah! Wir übersehen es nur. Gestern lag rosa-goldene Wintersonne auf den beschneiten Ästen der Kiefern. Die Havel, an den Rändern leicht vereist, zeigte ein hartes Schieferblau; der Himmel über allem war von einer lichten Heiterkeit, die es nur hier gibt in unseren mäßigen Zonen, und auch hier nur ein-, zweimal im Jahre. Zwischen den rotbraunen Stämmen der hohen, einzeln ragenden Föhren verdämmerte bald nach Mittag der Horizont im duftigsten, sanftesten Violett. Die hartgefrorenen bambusgelben Schilfhalme mit ihren dunkelgrauen Mähnen ragten starr auf zwischen Schneeland und See. Weißestes Weiß, unberührt, hatte alle dunklen Töne der Erde ausgelöscht; um so leuchtender das Rot im Gefieder des Spechts, der hellgrüne Anstrich des Kahnes und das tiefe Grün der Kiefernadeln, deren würziger Duft in der ganz reinen Winterluft zu riechen ist, die einem die Brust weitet und den Kopf klärt.
An warmen Sommertagen sind Havel und Grunewald ein Ameisenhaufen. Gestern zogen nur ein paar Skiläufer zu den wenigen Hügeln, und Kinder mit Schlitten belebten die Wege. Er ist nicht süß und einladend, der Reiz der winterlichen Randlandschaft von Berlin; er erschließt sich nicht gleich, und man darf nasse Füße und kalte Ohren nicht scheuen. Aber steht man dann dort zwischen Schilf und Wald, Wasser und Winterhimmel im Schnee und