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Küsse nach dem Unterricht
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eBook211 Seiten2 Stunden

Küsse nach dem Unterricht

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Über dieses E-Book

Für ihre Eltern sind sie noch Kinder, die Schülerinnen Ulrike, Ilona und Hety, aber die Sehnsüchte junger Frauen sind schon längst in ihnen erwacht. Bald wird die Schule beendet sein und das Leben und damit auch die Liebe erwarten sie. Doch schon vorher ist in der Schule einiges los. Hety, das Mädchen vom Land, erlebt die erste bittere Enttäuschung. Ulrike wird von den Ereignissen beinahe überrumpelt. Es ist ihr Lehrer Kurt Brückner, der sie begehrt. Was so schön sein könnte, führt tatsächlich zu Leid, schweren Verwicklungen und Problemen. Denn nun füllt sich auch Ilona, kühl, schön und rücksichtslos, veranlasst, sich an Brückner heranzumachen. Es dauert einige Zeit, bis abgerechnet wird.-
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum19. Sept. 2017
ISBN9788711719411
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    Buchvorschau

    Küsse nach dem Unterricht - Marie Louise Fischer

    www.egmont.com

    Ilona Rothe rannte durch die morgendlichen Straßen von Bad Kronheim und kümmerte sich nicht darum, daß die Leute hinter ihr hersahen. Ihre sehr langen, schlanken Beine steckten in weichen, violetten Stiefeln, die bis zu den Oberschenkeln reichten und erst unter dem Saum ihres kurzen, pelzverbrämten Mantels endeten. Das hellblonde, glatte Haar wehte wie eine Fahne hinter ihr her.

    Sie hatte die erste Unterrichtsstunde versäumt, jetzt wollte sie retten, was noch zu retten war.

    Als sie einen Blick auf ihr Handgelenk warf, merkte sie, daß sie in der Eile ihre Armbanduhr vergessen hatte. Sie sah zu dem weißen modernen Gebäude der Handelsschule hoch und stellte fest, daß die meisten Fenster noch offenstanden. Also hatte sie wohl wieder einmal Glück gehabt und würde immerhin noch zur zweiten Stunde zurechtkommen.

    Sie sauste in den zweiten Stock hinauf, fegte den Gang entlang, vorbei an geöffneten Türen, auf das letzte Klassenzimmer ganz hinten zu.

    Holger Hesse, ein hübscher Junge mit verträumten Augen und langer Mähne, stand, die Klinke in der Hand, an der Tür. Er winkte ihr heftig zu, deutete mit dem Daumen in das Schulzimmer hinein und rief unterdrückt: »Achtung!«

    Ilona nahm sich nicht die Mühe, seine Zeichen zu deuten, sondern stürzte an ihm vorbei in das Zimmer, in dem die anderen Schüler und Schülerinnen der zehnten Klasse neben ihren Plätzen standen.

    »Freunde!« posaunte sie und warf die Mappe mit Schwung auf ihren Tisch. »Stellt euch vor …«

    »Setzen!« befahl eine dröhnende Männerstimme.

    Die Schüler gehorchten und gaben Ilona den Blick auf Dr. Theo Ortlieb frei, der vorn am Lehrertisch stand und sie aus seinen hellen, leicht vorstehenden Augen fixierte.

    »Oje!« stieß Ilona hervor und schlug sich fast gleichzeitig mit der Hand auf den Mund.

    Dr. Ortlieb hob die farblosen Augenbrauen und trommelte mit den kurzen Fingern auf die Tischplatte. »Darf ich mir die Frage erlauben, wieso du erst jetzt kommst, Ilona? Falls ich mich nicht sehr irre, hat der Unterricht bereits vor einer Stunde begonnen!«

    Ilona zog eine kleine Grimasse. »Wann hätten Sie sich je geirrt, Herr Doktor«, sagte sie, »entschuldigen Sie bitte, darf ich jetzt meinen Mantel ausziehen?«

    »Nicht, bevor du mir Rede und Antwort gestanden hast!«

    »Na, bitte!« Ilona schlug die Arme übereinander; sie war einen halben Kopf größer als der Lehrer, so daß sie wirkungsvoll auf ihn herabsehen konnte.

    »Du gibst also zu, daß du zu spät gekommen bist?«

    »Da Sie mich dabei erwischt haben, hat es wohl keinen Zweck zu leugnen«, erklärte Ilona seelenruhig.

    Ihre Freundin Ulrike Berger zupfte sie am Mantelsaum und raunte ihr zu: »Reiz ihn bloß nicht zu sehr!«

    Aber Ilona grinste nur.

    Dr. Ortlieb hatte das Klassenbuch aufgeschlagen und studierte mit übertriebener Sorgfalt die Seite des heutigen Tages. »Wie ich sehe, hattet ihr in der ersten Stunde Betriebswirtschaftslehre bei Herrn Brückner. Wie ist es möglich, daß ich keinen Vermerk über Ilonas Fehlen finde?« Er wandte sich fragend an die Klasse. »Ich warte auf eine Antwort!«

    Peter Hinze, ein sportlicher blonder Junge, erklärte gelangweilt, ohne sich zu erheben: »Wahrscheinlich hat Herr Brückner es gar nicht bemerkt.«

    »Nicht bemerkt? Du willst behaupten, daß Herr Brückner sich zu Beginn der ersten Stunde nicht vergewissert …« Dr. Ortlieb unterbrach sich und erklärte: »Schon gut, ich sehe ein, daß ich euch deswegen nicht zur Rechenschaft ziehen kann …«

    Ulrike Berger fuhr sich mit gespreizten Fingern durch ihr braunes, leicht gelocktes Haar. »Bitte, Herr Doktor, wollen wir jetzt endlich anfangen?«

    »Das finde ich auch«, stimmte Ilona ihr zu, zog sich unbekümmert ihren Mantel aus und setzte sich.

    Dr. Ortliebs runder Kopf lief rot an. »So kommst du mir nicht davon, mein liebes Kind«, donnerte er, »so nicht. Ich muß dir einen Verweis ins Klassenbuch schreiben. Ich kann nur hoffen, daß dieser Tadel sich nicht allzu ungünstig auf dein Abgangszeugnis auswirkt!« Er schraubte seinen Füller auf, legte das Klassenbuch schräg und begann sehr sorgfältig seine kleinen Buchstaben zu malen.

    Dann klappte er das dicke Buch mit einem kleinen Knall zu und sagte genüßlich: »Nun denn, wollen wir doch heute einmal feststellen, was wir noch über die Karolinger wissen … Hety?«

    Hety Gülden, ein Mädchen mit Twiggy-Figur und kindlichem Gesichtsausdruck, sprang auf. »Karl der Große regierte von 768 bis 814 …«

    »Sehr richtig! Sein Ziel war es, ein Reich zu schaffen, in das alle deutschen Volksstämme, auch die bisher abseits stehenden Sachsen, eingeschlossen waren …«

    In der nun folgenden guten halben Stunde hatten die Geschehnisse der guten alten Zeit den Vorrang vor allen heutigen, mehr oder weniger privaten Problemen.


    »Jetzt wollen wir doch mal sehen!« rief Ulrike Berger, kaum daß die große Pause eingeläutet war und Dr. Ortlieb das Zimmer verlassen hatte. Sie sprang nach vorne und schlug das Klassenbuch auf. »So eine Gemeinheit! Er hat es wirklich eingetragen … unentschuldigtes Versäumen des Unterrichtes …« Sie hob den Kopf und sah die Freundin an. »Warum mußtest du auch zu spät kommen!?«

    Ilona zuckte die Achseln. »Tu doch nicht so, als wenn es dir um mich ginge. Du hast ja bloß Angst, daß dein goldiges Kurtchen Brückner Schwierigkeiten haben könnte!«

    Ulrikes glattes, braunes Gesicht blieb unbewegt. »Du spinnst ja«, behauptete sie, wenn auch ein bißchen gezwungen. »Ich verstehe bloß nicht, wieso du dich dauernd verschläfst …«

    Ilona lachte. »Das kann ich dir leicht erklären. Ich war gestern in München und bin erst um zwei Uhr ins Bett gekommen.«

    »Daß deine Eltern das erlauben!« Hety Gülden riß die himmelblauen Augen auf.

    »Warum sollten sie nicht?« Ilona schlüpfte in ihren Mantel. »Es entspricht ihrem eigenen Lebensstil. Schließlich sind sie ja keine kleinen Leute …«

    »O nein«, spottete Peter Hinze, »dein Vater ist Prokurist einer bedeutenden Firma, und du selber hast das Gymnasium besucht, bevor du dich zu uns herabließest! Das alles hast du uns oft genug unter die Nase gerieben.«

    »Kommt, seid friedlich«, sagte Ulrike Berger und legte ihm leicht die Hand auf den Arm, »laßt uns endlich ’runtergehen! Es sähe dem alten Ortlieb ähnlich, noch einmal zurückzukommen und Krach zu schlagen, weil wir nicht auf dem Hof sind!«

    Ilona lachte. »Und uns womöglich eine Strafarbeit anzuhängen, als wenn wir noch lausige Anfänger wären! Dabei dauert es nur noch ein paar Monate, und wir haben die Schule hinter uns … für ewig und alle Zeiten! Kinder, ich schwöre euch, wenn ich meine mittlere Reife in der Tasche habe, das wird der schönste Tag meines Lebens sein!«

    Ulrike Berger schlüpfte in eine lange, doppelreihige Tweedjacke, und Hety Gülden wickelte sich in ein buntgefärbtes Kaninchen. Links und rechts von Ilona schlenderten sie die breite Treppe hinunter, während die Jungen schon vorausliefen, vorbei an den beiden ersten Stockwerken, in denen verschiedene Firmen ihre Büroräume unterhielten; die staatlich anerkannte Handelsschule nahm das dritte und vierte Stockwerk ein.

    Auf dem Schulhof packten die drei Mädchen je nach Figur Butterbrote oder Obst aus und suchten sich einen Platz an der Mauer, wo die Schüler der unteren Klassen ihnen nicht zwischen die Beine laufen oder sie sonstwie stören konnten.

    Ulrike polierte einen rotbäckigen Apfel. »Sag mal, Ilona … wolltest du uns nicht vorhin etwas Sensationelles mitteilen? Als du in die Klasse stürmtest, meine ich?« Sie grub ihre kräftigen weißen Zähne in das Fruchtfleisch.

    »Ach ja, ich veranstalte am Samstag eine Party!« erklärte Ilona. »Ohne irgendwelche Schnüffler oder Aufseher. Vati fährt mal wieder zu einem Kongreß und nimmt Mutti mit. Na, was sagt ihr jetzt? Das wird unter Garantie die tollste Party der Saison!«

    »Wer kommt denn alles?« fragte Ulrike sachlich.

    »Na, ihr beide natürlich und noch ein paar aus unserer Klasse … ihr könnt mitbringen, wen ihr wollt. Platz ist genug. Und wer niemanden hat, der komme solo. Ich werde schon für jeden das passende Deckelchen finden.«

    »Du, dann verrat mir doch gleich …«, Hety Gülden legte Ilona den Arm um die Taille, »wen hast du denn für mich im Auge?«

    Ilona befreite sich energisch von ihrem zärtlichen Griff.

    »Na, da wäre zum Beispiel Bob Anders, das ist ein toller Junge … was sage ich … ein richtiger Supermann, vierundzwanzig Jahre alt, sieht blendend aus. Ich habe ihn letzte Woche in München kennengelernt. Ein Playboy, wie er im Buch steht!«

    »Playboy … na, ich weiß nicht!« Hety fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Für mich täte es ein ganz einfacher Junge von hier!«

    »Von denen beißt doch keiner bei dir an«, erklärte Ilona herzlos. »Paß mal auf …« Sie strich sich mit dem Finger über den schmalen Rücken ihrer Nase, »ich werde Kurtchen für dich bitten …«

    »Kurt Brückner?!« Hety schrie es fast.

    »Ja, Herrn Diplom-Fachlehrer Kurt Brückner.« Ilona lachte. »Na, mir scheint, ich habe deinen Geschmack getroffen.«

    Hety seufzte. »Er wird nicht kommen.«

    »Das laß nur meine Sache sein.«

    Ulrike Berger hatte den Atem angehalten und mußte jetzt nach Luft schnappen. »Ilona, das kann doch nicht dein Ernst sein?!«

    »Warum denn nicht?! Der ist doch auch bloß ein Mann. Oder glaubst du vielleicht, daß du ihn für dich reserviert hast?! Ich wette, der wartet schon darauf, endlich mal privat mit mir zusammenzukommen.«


    Oben, im dritten Stock des Gebäudes, standen Dr. Ortlieb und Kurt Brückner am offenen Fenster des Konferenzzimmers. Aber sie blickten nicht hinunter.

    Dr. Ortlieb stand mit dem Gesicht zum Raum und fixierte das männliche, gutgeschnittene Gesicht seines jungen Kollegen.

    »Ihr Verhalten ist unglaublich«, bellte er, »einfach unglaublich! Wenn ich nicht zufällig zwei Minuten früher in die Klasse gekommen wäre, hätte Ilona Rothe eine volle Stunde ungestraft versäumen dürfen.«

    Kurt Brückner schob das Kinn vor. »Aber ich bitte Sie! Ilona muß doch so oder so nachholen, was ich heute mit der Klasse durchgenommen habe.«

    Dr. Ortliebs Kugelkopf lief rot an. »Ist das alles, was Sie zu Ihrer Entschuldigung vorzubringen haben?!«

    »Was erwarten Sie denn von mir!? Einen Kniefall!?«

    »Einen anderen Ton, wenn ich bitten darf!« Dr. Ortliebs Stimme schnappte über. »Kein Wunder, daß die Schüler verrohen, wenn sie solche Vorbilder haben!«

    Kurt Brückner straffte die Schultern. »Ich bemühe mich um ihre Freundschaft und ihr Vertrauen …«

    »Genau das ist es, was ich Ihnen zum Vorwurf mache! Die Kinder brauchen keine Freundschaft … jedenfalls nicht die Freundschaft ihrer Lehrer … was ihnen not tut, ist eine straffe Führung, Autorität, Disziplin …«

    Kurt Brückner riß die Geduld. »Ach, verdammt«, sagte er, »mit Ihnen kann man ja nicht reden. Rutschen Sie mir doch den Buckel ’runter.« Er drehte sich um und ließ den anderen stehen.

    Dr. Ortliebs Augen traten so weit hervor, als wenn sie ihm aus dem Kopf springen wollten. »Das werden Sie mir büßen!« zischte er.


    Die Schülerinnen und Schüler der zehnten Klasse erhoben sich von ihren Plätzen, als Kurt Brückner eintrat.

    »Bleibt sitzen«, winkte er ab, »wir brauchen uns nicht feierlich zu begrüßen, wir haben uns ja heute schon gesehen.«

    Er stellte seine Aktentasche auf den Lehrertisch, öffnete sie und wandte sich der Klasse zu. »Ich hoffe, ihr befindet euch alle in bester Verfassung, denn wie ich bereits angekündigt habe, schreiben wir heute eine Arbeit in Buchführung. Man hat mir freundlicherweise die nächste Stunde zusätzlich zur Verfügung gestellt, so daß wir zwei Stunden Zeit haben.«

    Er holte einen Stapel grüner DIN-A4-Blätter aus seiner Tasche. »Hier haben wir also die Aufgaben …«

    Unwillkürlich sprang Ulrike auf und machte eine Bewegung, als wollte sie die Blätter übernehmen.

    Aber Kurt Brückner gab den Stapel Peter Hinze. »Bitte, verteile das …« Er holte einen Stoß weißer Blätter aus der Tasche und reichte sie Ilona.

    »Vergeßt nicht, eure Namen in die linke obere Ecke zu schreiben«, erinnerte er, »es wäre doch schade, wenn sich später für eure glänzenden Arbeiten kein Urheber finden ließe. Wer braucht Schmierzettel?«

    Alle meldeten sich.

    Kurt Brückner zählte die Schmierzettel ab. »Ihr wißt, daß ich nachher auch diese Papierchen zur Kontrolle wieder einsammeln muß.«

    Holger Hesse übernahm die Verteilung.

    Kurt Brückner war erleichtert, als die jungen Leute zu schreiben begannen. Besonders die Art, wie die Mädchen ihn aus neugierigen, wissenden, spöttischen und sehnsüchtigen Augen anzustarren pflegten, war ihm unangenehm.


    Tatsächlich gab es in der zehnten Klasse nicht eine Schülerin, die von Kurt Brückners sportlicher Erscheinung und seinem männlichen Auftreten nicht beeindruckt gewesen wäre. Aber jetzt war keine Zeit, einen kleinen Flirt zu starten oder zu träumen, jetzt ging es darum, die schriftlich gestellten Aufgaben zu lösen. Es war die vorletzte Arbeit über Buchhaltung in diesem Jahr, und wie sie ausfiel, würde für die Gesamtnote auf dem Zeugnis der mittleren Reife Bedeutung haben.

    So strengten die Jungen und Mädchen ihre Köpfe an. Manch einer geriet in Versuchung, den Nachbarn um Rat zu fragen oder um Hilfe zu bitten. Aber Kurt Brückners stete Wachsamkeit machte es unmöglich. Er ließ sich nicht verleiten, durch die Klasse zu gehen oder auch nur für Sekunden den Schülern seinen Rücken zuzukehren. Er setzte sich auch nicht, so daß man sich eine Nachricht unter dem Tisch hätte zuschieben können, sondern er blieb hoch aufgerichtet stehen und beobachtete unentwegt die Hände und die Münder der Schüler.

    Er merkte, daß Ilona sich schwertat, und es wunderte ihn nicht. Er wußte, daß sie sich mehr auf ihr Glück als auf fleißig erworbene Kenntnisse verließ. Ulrike dagegen schrieb eifrig, die Zungenspitze zwischen den Zähnen.

    Während der kleinen Pause wurde weitergemacht, und die Tür blieb verschlossen. Kurt Brückner begann zu ermüden, er blickte immer wieder auf die Uhr. Er mußte gähnen und entschloß sich, ein Fenster aufzumachen, um frische Luft hereinzulassen. Sekundenlang blickte er auf die Straße hinunter und atmete tief durch.

    Als er sich umdrehte, beobachtete er, wie Ilona eifrig von dem Blatt abschrieb, das Ulrike ihr unauffällig, aber doch unübersehbar zugeschoben hatte.

    »Halt!« sagte er scharf und trat auf die Freundinnen zu. Ihre Köpfe flogen auseinander, sie blickten erschrocken zu ihm auf.

    »Tut mir leid, ich muß euch beiden eine Sechs geben. Ihr habt es euch selbst zuzuschreiben.«

    »Aber Ulrike ist doch nicht schuld«, stotterte Ilona, die unverhofft ihre Fassung verloren hatte, »sie kann doch alles … Nur ich …«

    »Sie hat dir geholfen, mich zu betrügen.« Kurt Brückner nahm die Blätter der beiden Mädchen an sich. »Ihr braucht nicht weiterzuarbeiten. Geht bis zur nächsten Stunde auf den Hof.«

    Ulrike sagte gar nichts. Schweigend zog sie ihre Tweedjacke über und verließ die Klasse.

    Ilona stürmte ihr nach. »So eine Gemeinheit!« schimpfte sie. »Hättest du das gedacht!? Wo du doch immer geglaubt hast, daß er dich liebt … seit damals, wo er dir Nachhilfestunden gegeben hat!«

    »Du hast das dauernd behauptet, nicht ich«, erwiderte Ulrike, blaß bis an die Lippen, »jetzt wirst du endlich einsehen, wie schief du gewickelt warst.«

    Ilona legte ihr den Arm um die Schultern. »Es tut mir leid, Uli, ehrlich! Wenn ich geahnt hätte, daß es so ausgehen könnte …«

    »Es war mein Risiko!« sagte Ulrike tapfer. »Komm, nimm’s nicht so tragisch. Ein Beinbruch wäre schlimmer. Wir kommen beide so oder so durch die Prüfung. Und welcher Chef fragt schon danach,

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