Sabrinas Christkind: Kinderärztin Dr. Martens 88 – Arztroman
Von Britta Frey
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Über dieses E-Book
Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert!
Sabrina stand am Fenster ihres eigenen Zimmers, das sie noch immer beharrlich Kinderzimmer nannte, obwohl sie mit ihren siebzehn Jahren der Kinderzeit doch eigentlich entwachsen war. Aber bei Sabrina war ja nichts so, wie es hätte sein sollen. Sie besaß die Gestalt einer Vierzehnjährigen und die großen fragenden Augen einer Zehnjährigen. Und ihre Miene war immer ein wenig erstaunt, so als wunderte sie sich unablässig über die Merkwürdigkeiten dieser Welt. Sabrina war ein bemerkenswert ernstes junges Mädchen, das selten lachte. Und lachte sie ausnahmsweise mal, dann nur, weil jemand sie darum gebeten hatte, ein Fotograf zum Beispiel. Das junge Mädchen unterschied sich kraß von den meisten seiner Altersgenossinnen, es wirkte ein wenig wie ein Geschöpf von einem anderen Stern, was daran liegen mochte, daß Sabrinas Leben so völlig anders war als das der meisten Siebzehnjährigen. Normal war nichts an Sabrinas Leben. Was grausam war, denn ihr Wunsch nach Normalität nahm beachtliche Formen an. Sabrina wollte so schrecklich gern ›normal‹ sein, nichts anderes, weder ungewöhnlich noch sensationell. Sie träumte von einem bürgerlichen Familienleben mit all dem Drum und Dran, das ihre Mutter als unerträglich ›spießig‹ abtat, meistens mit hochgezogenen Brauen und seufzend. Die Rolle des Wunderkindes war ihr so verhaßt, daß sie nicht einmal das Wort hören konnte, ohne sich schütteln zu müssen. Jetzt seufzte zur Abwechslung mal Sabrina, denn sie war allein in der Wohnung, die sie mit ihrer Mutter teilte. War Annemarie Jepsen anwesend, so unterdrückte Sabrina jedwede Gefühlsäußerung, denn jedes arglose Niesen, Seufzen oder Aufstöhnen hatte immer gleich schreckliche Folgen. Frau Annemarie Jepsen war nämlich ungeheuer besorgt um das Wohl ihres Kindes, weitaus mehr als andere Mütter. Und viel, viel mehr, als Sabrina gut tat und lieb war. »O Gott«, hauchte Sabrina, »was soll ich tun?« Sie wirkte so verzweifelt, wie man nur wirken kann, wenn man sehr jung ist, sehr schüchtern und ungeheuer ratlos. Das hübsche Gesicht mit den ebenmäßigen Zügen war verspannt, die Haltung war es nicht minder, und die zusammengezogenen Brauen signalisierten im Anflug begriffene Kopfschmerzen.
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Kinderärztin Dr. Martens
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Rezensionen für Sabrinas Christkind
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Sabrinas Christkind - Britta Frey
Kinderärztin Dr. Martens
– 88 –
Sabrinas Christkind
Sie musste stark sein für ihr Kind
Britta Frey
Sabrina stand am Fenster ihres eigenen Zimmers, das sie noch immer beharrlich Kinderzimmer nannte, obwohl sie mit ihren siebzehn Jahren der Kinderzeit doch eigentlich entwachsen war. Aber bei Sabrina war ja nichts so, wie es hätte sein sollen.
Sie besaß die Gestalt einer Vierzehnjährigen und die großen fragenden Augen einer Zehnjährigen. Und ihre Miene war immer ein wenig erstaunt, so als wunderte sie sich unablässig über die Merkwürdigkeiten dieser Welt.
Sabrina war ein bemerkenswert ernstes junges Mädchen, das selten lachte. Und lachte sie ausnahmsweise mal, dann nur, weil jemand sie darum gebeten hatte, ein Fotograf zum Beispiel.
Das junge Mädchen unterschied sich kraß von den meisten seiner Altersgenossinnen, es wirkte ein wenig wie ein Geschöpf von einem anderen Stern, was daran liegen mochte, daß Sabrinas Leben so völlig anders war als das der meisten Siebzehnjährigen.
Normal war nichts an Sabrinas Leben. Was grausam war, denn ihr Wunsch nach Normalität nahm beachtliche Formen an.
Sabrina wollte so schrecklich gern ›normal‹ sein, nichts anderes, weder ungewöhnlich noch sensationell. Sie träumte von einem bürgerlichen Familienleben mit all dem Drum und Dran, das ihre Mutter als unerträglich ›spießig‹ abtat, meistens mit hochgezogenen Brauen und seufzend.
Die Rolle des Wunderkindes war ihr so verhaßt, daß sie nicht einmal das Wort hören konnte, ohne sich schütteln zu müssen.
Jetzt seufzte zur Abwechslung mal Sabrina, denn sie war allein in der Wohnung, die sie mit ihrer Mutter teilte. War Annemarie Jepsen anwesend, so unterdrückte Sabrina jedwede Gefühlsäußerung, denn jedes arglose Niesen, Seufzen oder Aufstöhnen hatte immer gleich schreckliche Folgen.
Frau Annemarie Jepsen war nämlich ungeheuer besorgt um das Wohl ihres Kindes, weitaus mehr als andere Mütter. Und viel, viel mehr, als Sabrina gut tat und lieb war.
»O Gott«, hauchte Sabrina, »was soll ich tun?«
Sie wirkte so verzweifelt, wie man nur wirken kann, wenn man sehr jung ist, sehr schüchtern und ungeheuer ratlos.
Das hübsche Gesicht mit den ebenmäßigen Zügen war verspannt, die Haltung war es nicht minder, und die zusammengezogenen Brauen signalisierten im Anflug begriffene Kopfschmerzen.
Sie litt oft unter Kopfschmerzen, überhaupt waren Schmerzen nicht mehr wegzudenken aus ihrem Leben. Soweit sich Sabrina erinnern konnte, waren da Schmerzen, in den Sehnen, den Muskeln, den Knochen. Und an die blutenden Zehen hatte sie sich längst so gewöhnt, daß sie sie schon gar nicht mehr erwähnte.
Sie schlang jetzt die Arme um sich, als sei ihr kalt. Draußen blühten die Kastanien, es war warm, und alle Welt freute sich über diesen hinreißend schönen Frühling, doch sie fröstelte, zitterte tatsächlich am ganzen zierlich-fragilen Körper.
Als ihr der Widerspruch auffiel, mußte sie lächeln. Ein wehmütiges, ganz und gar nicht jugendliches Lächeln. So lächelte man am Ende seines Lebens, doch nicht mit Siebzehn.
Sabrina jedoch fühlte sich alt, uralt sogar, denn sie war niemals richtig jung gewesen, hatte es nie sein dürfen. Dafür hatte schon ihre Mutter gesorgt, deren Ehrgeiz schon oft Anlaß für drittklassige Witzchen gewesen war.
Sabrina kannte das boshafte Getuschel, diese scheelen, mitleidigen Seitenblicke zur Genüge. Wenn von ihrer Mutter die Rede war, versteinerten sich die Mienen der Leute. Besonders beliebt war sie nirgendwo, eigentlich nur bei den Schröders, die seit ewigen Zeiten Ballettschuhe anfertigten, mit der Hand, ganz klar.
Ein Vermögen hatte Frau Annemarie Jepsen während der vergangenen dreizehn Jahre zu den Schröders geschleppt. Und nicht allein zu den Schröders. Auch die Schneiderin, die die Trikots und Kostüme für Sabrina nähte, lebte ganz gut von den Träumen Frau Annemaries. Und der Apotheker Rabenow verbeugte sich immer ehrerbietig, wenn Frau Jepsen zu ihm kam, um sich mit Aufbau- und Vitaminpräparaten, Stärkungsmitteln und diversen Hautpflegemitteln zu versorgen.
Nicht für sich, o nein, für sich tat Frau Jepsen eigentlich wenig. Sie opferte Zeit, wovon sie viel besaß, und Geld, was gar nicht so reichlich vorhanden war, in geradezu besorgniserregender Weise für ihre Tochter Sabrina.
Schon der Name sprach Bände… Sabrina. Diesen romantischen Namen, der aus England stammte und eigentlich der Name der Nymphe des Flusses Severn war, hatte Frau Jepsen ihrer Tochter gegeben im Hinblick auf die Karriere, die Sabrina einmal machen sollte.
Für ihre Tochter hatte Frau Jepsen die Karriere einer weltberühmten Ballerina vorgesehen. An Berühmtheit hatte sie die schon reichlich berühmte russische Ballerina Anna Pawlowa übertreffen sollen. Noch vor Sabrinas Geburt hatte für ihre Mutter schon festgestanden, wie sie aussehen, was aus ihr werden sollte. Den gesamten Lebensweg des Kindes hatte sie in allen Einzelheiten ausgearbeitet und sich vorgenommen, sich unbeirrbar und strikt daran zu halten.
»Ich kann nicht mehr«, brach es aus Sabrina hervor, »ich will auch nicht mehr. Es ist genug!«
*
Als die Wohnungstür ins Schloß fiel, zuckte das junge Mädchen erschrocken zusammen. Sofort nahm es eine andere Haltung ein, es stand gewissermaßen stramm, die Hände an die Hosennaht gelegt. Es wußte, die Mutter verabscheute Nachlässigkeit in jeder Form, würde es sofort rügen, wenn sie Sabrina in krummer Haltung erwischte.
Das kummervolle Gesicht verschloß sich, als sich die hastigen Schritte der Mutter dem Zimmer Sabrinas näherten.
»Hier bist du also, ich dachte es mir!« stellte Annemarie Jepsen vorwurfsvoll fest. Sie trug eine Tüte aus bräunlichem Packpapier. Die stellte sie jetzt, demonstrativ keuchend, auf dem Tisch ab und wandte sich wieder Sabrina zu.
»Ich muß mich wirklich über dich wundern. Da renne ich für dich herum, schleppe mich ab und gebe mir die größte Mühe, etwas für dich zu tun – und du machst dir einen netten Tag. O Sabrina, wie kannst du mich nach allem, was ich für dich getan habe, so enttäuschen. Du warst wieder nicht auf der Probe, wie ich hörte!«
Nein. Und ich gehe auch nie mehr dorthin. Nie mehr, dachte Sabrina erbittert. Genug. Vorbei. Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr. Sie drängte die Tränen zurück, obwohl sie schrecklich gern geweint hätte. Ihre Augen fühlten sich ganz heiß und trocken unter den dünnen flatternden Lidern an. Sie sehnten sich nach Tränen. Doch Sabrina blieb eisern. Nein, sie würde nicht weinen, auf keinen Fall, solange die Mutter in der Nähe war…
»Ich habe dich etwas gefragt, Sabrina. Willst du mir nicht wenigstens antworten? Bin ich dir nicht einmal mehr eine Antwort wert? Ist das der Dank für alles, was ich für dich getan habe?«
Nein, dachte Sabrina mit flimmerndem Herzen, nicht schon wieder diese Platte. Sie wünschte einmal mehr, sie würde den Mut aufbringen und einfach davongehen, wenn ihre Mutter in dieser Stimmung war. Aber so einfach, wie es sich anhörte, war es leider nicht. Sie schaffte es einfach nicht, sich dieser nörgelnden Stimme zu entziehen, stand meistens da wie angenagelt und litt trotzdem Höllenqualen…
»Mein Leben habe ich dir und deiner Karriere geopfert, ich…«
Sabrina holte tief Luft. »Nein, Mama«, widersprach sie ihrer Mutter zu ihrem eigenen Erstaunen, denn so etwas war überhaupt noch nie passiert. »Du hast mir gar nichts geopfert. Du wolltest deine eigene Karriere nachholen.«
Sie wiederholte die Bemerkung, die sie gestern zufällig aufgeschnappt hatte, als sie aus dem Duschraum kam. Zwei Mütter hatten sich über die ›kleine Jepsen‹ und ihre ehrgeizige Mutter unterhalten und kein Blatt vor den Mund genommen, da sie sich allein im Aufenthaltsraum wähnten.
Sabrina erinnerte sich an jedes Wort dieser unfreiwillig belauschten Unterhaltung. Sie wäre gern davongerannt, doch das hätte ein Geräusch gemacht – und sie verraten.
Also hatte sie schweigend dagestanden und sich alles anhören müssen, während ihr Herz so heftig pochte, daß sie schon befürchtete, die beiden redseligen Damen müßten es doch hören…
»Sabrina!« Annemarie Jepsens Stimme drang keifend und schrill in Sabrinas unerfreuliche Erinnerungen. »Du hörst mir gar nicht zu, sondern stehst da und träumst. Sag mir endlich, weshalb du nicht in der Trainingsstunde warst. Ich will es wissen.«
Sabrina stieß kleine schluchzende Worte hervor, die in ihrem Hals steckenblieben und ihr weh taten.
»Ich geh nicht mehr zum Training, Mami.«
Frau Annemarie Jepsen wirkte erleichtert. Ach so, es handelte sich nur um den üblichen Anfall von Niedergeschlagenheit. Das kam alle paar Wochen vor und gab sich mit schöner Regelmäßigkeit wieder. Sie hatte sich darauf eingerichtet, Sabrinas kleine Launen, wie sie die Ballett-Verdrossenheit nannte, gar nicht zu beachten.
»Na schön«, sagte sie seufzend, sich den Anschein von Großzügigkeit gebend, »dann machst du zwei Tage Pause. Aber übermorgen will ich dich wieder bei Madame Olga sehen, verstanden?«
»Nein, Mami, ich will nicht mehr tanzen, ich bin so müde.«
»Das liegt am Wetter, alle Welt klagt über Müdigkeit«, sagte Annemarie beiläufig und schlüpfte aus dem leichten beigefarbenen Stoffmantel, »mir ist auch nicht wohl, Kind. Ich werde mir nachher eine Tasse Kaffee machen. Vorher möchte ich etwas mit dir besprechen.« Sie lächelte verheißungsvoll.
»Mami, ich meine es ernst, ich kann nicht mehr tanzen.«
Annemarie überhörte