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Besäufniserregend: Eine bierernste Krimikomödie
Besäufniserregend: Eine bierernste Krimikomödie
Besäufniserregend: Eine bierernste Krimikomödie
eBook304 Seiten3 Stunden

Besäufniserregend: Eine bierernste Krimikomödie

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Über dieses E-Book

Valentin Gauklers Zustand ist mal wieder höchst besäufniserregend. Das liegt am neuen Fall, bei dem er zwischen den Fronten der verfeindeten Münchner Fußballfans eine verschwundene Fahne finden soll.
Abenteuerlich irrt der Privatdetektiv in der Stadt umher – ein Stüberl hier, ein Stehausschank dort – und macht dabei Bekanntschaft mit kaputten Bullen, abgestürzten Ex-Fußballern und Halunken wie dem Geilen Griller oder dem Blechdoktor vom Irschenberg. Und die Polizei? Statt ihm beizustehen, würde Kommissar Nepomuk Gänswürger seinen alten Schulspezl "Vali" lieber nach Stadelheim in eine Zelle verfrachten.
Leicht hat es unser tragischer Held also wirklich nicht. Kein Wunder, dass bei Journalistin Lottelena so langsam die Mutterinstinkte geweckt werden. Na dann, prost Mahlzeit!
SpracheDeutsch
HerausgeberMorisken Verlag
Erscheinungsdatum29. Okt. 2018
ISBN9783944596167
Besäufniserregend: Eine bierernste Krimikomödie

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    Buchvorschau

    Besäufniserregend - Leonhard M. Seidl

    SECHZIG

    EINS

    Verdammte Hacke! Da hocke ich mitten in Schwabing in meiner Kiste und genehmige mir eine Leberkassemmel und einen Monsterdrink aus der Dose. Die Nacht ist jung, ich zähle die Kohle vom letzten Auftrag. Klopft ein Finger an die Scheibe. Ich zähle Kohle. Der Finger klopft. Die Scheine verschwinden.

    Am Finger hängt ein Polizist. Ein Gesicht wie Good ol’ Keef, Keith Richards. Zerknittert. Zerstört. Ist er’s wirklich? Die abgewohnte Vogelscheuche? Nein, natürlich nicht. Schaut bloß aus wie der rollende Stein. Ist aber ein Schnittlauch – außen grün, innen hohl. Mustert mich wohlwollend.

    »Hey, Eddie, du stehst im Halteverbot«, sagt er.

    »Heiß ned Eddie«, sage ich.

    Er schiebt das Käppi aus der Stirn.

    »Wenn ich sage, du stehst im Halteverbot, Eddie, dann stehst du im Halteverbot.«

    Ich gebe mir Mühe, Good ol’ Keef nicht zu verärgern, schlucke den Eddie und belasse es bei der harmlosen Frage eines gesetzestreuen Bürgers.

    »Soll heißen?«

    »Soll heißen: Du blechst fuffzehn Euro.«

    »Wenn ned?«

    »Siehst den Kollegen dort im Streifenwagen? Wir nehmen dich samt deiner Rostlaube auseinander.«

    Ich krame im Kuvert. Präsentiere einen Zweihunderter.

    »Kannst wechseln?« frage ich keusch.

    Schnittlauch schluckt. Hat wahrscheinlich noch keinen Schein dieser Größe gesehen.

    »Nein.«

    »Frag doch dein Spezl.«

    Schnittlauch rückt sein Käppi zurecht und macht sich auf den Weg. Kurz darauf ist er zurück.

    »Romuald kann nicht wechseln.«

    »Dann ersuche ich um Stundung«, sage ich mit züchtigem Augenaufschlag.

    Wieder rutscht das Käppi.

    »Stundung steht nicht in den Vorschriften«, sagt er und ahnt, dass dies eine Fortsetzungsgeschichte wird.

    »Ich könnt in die Kneipe rübergehen zum Wechseln«, schlage ich vor.

    Er meckert: »Und dann abhauen? Das würde dir mal so passen, Eddie.«

    »Kannst ja mitkommen.«

    Gesagt, getan. Schnittlauch informiert seinen Kollegen, legt Uniformjacke, Waffe und Käppi ab. Wir stapfen los. In der Kneipe Zum Ewigen Licht tanzt der Bär. Die Bude ist gerammelt voll. Jungvolk. Techno. Kein Wort zu verstehen. Gemütlich.

    Das üppige Mädchen hinter der Theke schüttelt die rote Mähne, als ich ihr den Zweihunderter hinhalte. Sie mag nicht wechseln. Bedeutet uns aber, dass wir beim Verzehr von Getränken mit Entgegenkommen rechnen könnten.

    Wir bestellen ein Gedeck: Pils und Cognac. Macht dreißig Euro. Da die rote Mähne meinen Schein nun doch nicht wechseln mag, bezahlt Schnittlauch. Eigentlich ist er ein netter Kerl. Doppelknautschgesicht. Alter undefinierbar. Er lässt keinen Blick von der roten Mähne. Nippt am Pils, kippt den Cognac und bestellt sofort nach.

    »Sepp«, sagt er, »Sepp Spindinger.« Er reicht mir die Hand.

    »Valentin Gaukler«, entgegne ich, »Privatdetektiv.«

    »Ein Schnüffler?«, fragt er vergnügt und hebt sein Glas.

    »Muss es auch geben«, sage ich.

    Wir trinken.

    Eine Weile herrscht lautes Schweigen. Wir befinden uns in einer Luftblase. Rundum tobt das Volk. Wir betrachten unsere Gedanken.

    »Ich bin geschieden«, sagt Sepp. »Den Polizeiberuf verträgt keine Ehe.«

    »Kinder?«, frage ich.

    »Zwei. Erwachsen. Sind längst weg. Aber das macht nix. Hab andere Interessen.«

    Ich nicke stumm, blicke ihm neugierig ins Gesicht. »Dein Beruf als Polizeibeamter?«

    Er winkt ab. »Nein, nein, ich bin Erfinder. Das füllt mich aus. Polizist ist mein Beruf, Erfinder ist meine Berufung.«

    »Was erfindest du denn?«, frage ich überrascht. »Einen Erfinder hatte ich bisher nicht in meinem Fundus.«

    »Im Augenblick versuche ich, Regenwürmer mit Honig zu füllen«, sagt er konspirativ.

    »Du meinst, Regenwürmer in Honig?«

    »Nein«, beginnt er, »Honig in Regenwürmer! Pass auf, Valentin. Der Regenwurm ist ein Wenigborster. In Deutschland gibt es vierundfünfzig Arten, in Österreich fünfundvierzig.«

    »Zahlendreher«, sage ich.

    »Darauf trinken wir«, sagt er und bestellt noch eine Runde. Wir kippen den Schnaps, er plappert weiter.

    »Regenwürmer werden beim Angeln nicht mehr so oft eingesetzt. Dabei ist der Regenwurm ein erstklassiger Köder, den die meisten Fische mögen. Rotfeder, Brassen und Karpfen sprechen auf ihn sehr gut an.«

    »Haifische?«

    »Verarsch mich nicht!«

    Eine neue Runde steht auf dem Tresen. Wir trinken. Und weiter geht’s.

    »Damit der Regenwurm für den Angler wieder interessant wird, habe ich mir überlegt, ihn aus Geschmacksgründen mit Honig zu füllen.«

    »Den Regenwurm oder den Angler?«, frage ich.

    »Den Regenwurm, du Depp!« Der Erfinder und Polizist im Nebenberuf mustert mich streng.

    »Warum nimmst du nicht Senf oder Dieselöl?«, frage ich, um Interesse zu heucheln.

    »Bei Senf kann ich mich ganz schlecht entscheiden.«

    »Nimm Löwensenf. Oder violetten Senf aus Frankreich. Soll gut sein. Ich nehme Löwensenf. Wegen des TSV.«

    Er schaut mich bekümmert an. »Senf kann Allergien auslösen«, sagt er.

    »Das ist kein Burner«, sage ich. »Man hat zwar bisher nix von einer Senfallergie bei Fischen gehört, aber immerhin.«

    Er starrt in sein leeres Glas. Ich bestelle nach.

    »Was ist mit Dieselöl?«, will ich wissen.

    »Dieselöl stinkt. Wenn es ausläuft, verseucht es mir die Meere.«

    »Du meinst, wenn es aus dem Regenwurm ausläuft, bevor ihn der Fisch geschluckt hat?«, frage ich.

    Wir schweigen eine Weile und bedenken das Problem. »Es ist schwierig. Frisst der Fisch den mit Dieselöl gefüllten Regenwurm, und das Dieselöl läuft im Magen des Fisches aus, was passiert dann mit dem Fisch? Er stinkt und sinkt.«

    »Vielleicht hilft Rapsöl«, sage ich.

    »Oder Kürbiskernöl aus der Steiermark.«

    »Oder Olivenöl.«

    »Oder doch Dieselöl. Aber Bio.«

    »Und bleifrei«, werfe ich erschöpft ein. »Was interessieren mich eigentlich die verdammten Regenwürmer?«

    »Das ist Fischquälerei«, sagt er grimmig. »Ich bin Erfinder, kein Tierquäler.«

    Wir kippen das letzte Glas, ohne dass wir das Problem lösen.

    »Gehen wir«, sagt Sepp. Er wirft noch einen Schein auf den Tresen, zwinkert dem roten Gift zu und weg sind wir.

    Im noblen Speiselokal Fedorman gleich über die Straße feiert eine geschlossene Gesellschaft den Geburtstag des Familiengründers. Überall hängen 80-Schildchen. Gold und Silber und Blech. Auf der riesigen Torte mitten auf dem Ehrentisch ebenfalls die Achtzig. Ich zähle achtzig Gäste. Bin ich besoffen?

    Jedenfalls konsumieren wir im Kreise der Gästeschar einige Gläser Schampus, je drei Cognac und vier Escorial grün. Man gönnt sich ja sonst nix. Ziehen ergebnisoffen weiter. Auf der Straße zieht Sepp ein Kaviardöschen aus der Hosentasche.

    »Hättest nicht gedacht, dass der Bulle Kaviar klaut, was?«, fragt er. Die Stimme rollt, die Zunge holpert.

    »Was willst du mit dem Kaviar?«, möchte ich wissen.

    »Regenwürmer füttern«, kichert er.

    Noch immer ist mein Zweihunderter ganz.

    Das Robinson ist ein Stehausschank der schlichten Sorte. Hab wenig Hoffnung auf Erfolg, wir gehen trotzdem rein. An der Tür schlägt uns Bierdunst entgegen, gemischt mit einer toxischen Dosis Zigarettenqualm. Die Frau hinter der Theke schaut drein, als wäre sie zu lange im Kamin gehangen. Ihre Kippe im Mundwinkel wackelt spöttisch, als sie meinen großen Schein sieht. Wortlos baut sie einen köstlichen Bommerlunder vor uns auf. Wir ziehen ihn rein, ohne lange zu lamentieren.

    »Ich bin pleite«, sagt Sepp draußen. Er wackelt mit den Hüften wie Elvis in den besten Tagen. Ich stütze ihn, er stützt mich, wir solidarisieren uns.

    »Eigentlich bin ich ein harter Hund«, sagt er. Dann bricht er zusammen.

    Ich zerre ihn zurück zu seinem Spezl. Der Kollege ist inzwischen nicht untätig gewesen. War zurück aufs Revier gefahren, hatte den großen Panzerschrank der Polizei geplündert und Wechselgeld besorgt. Während wir das Geschäftliche erledigen, kotzt Sepp auf die Windschutzscheibe. Der Scheibenwischer steckt fest. Die Karre ist blind.

    »Nehmen wir meinen Petroleumkocher«, schlage ich vor, obwohl es mir davor graut, Sepp durch die Gegend zu kutschieren. Betrachten wir’s als Gefälligkeit der Staatsmacht gegenüber.

    Dunkel erinnere ich mich an den Poller vor der Dienststelle, der nicht weichen wollte.

    ZWEI

    Der Blaue Löwe in der Admiralstraße ist zwar noch immer das alte Mistvieh, das er immer war, doch das Interieur und damit die Kundschaft haben gewechselt. Rüdiger, der neue Wirt, hat die Bude entkernt und komplett umgebaut. Den Raum teilt eine Theke, hinter der Rüdiger seinen Dienst versieht. Einmal wollte er einen Ruhetag durchsetzen. Es kam zum Sitzstreik, der erst nach sieben Tagen endete, als Rüdiger begann, die Eingangstür zuzumauern. Von innen. Rüdigers Mausoleum.

    Hinter Rüdiger hängt ein breiter Spiegel. Michi Meidl glaubt, es handelt sich um einen Venezianischen Spiegel. Aber er kann es nicht beweisen. Seither hat er Lokalverbot, kommt aber jeden Abend wieder. Er ist der unbesiegte Lokalverbotskönig.

    Michael Meidl hat flotte siebzig Sommer gesehen, pflegt noch immer seine Berufung als Meldeläufer für brisante Informationen und befindet sich vierundzwanzig Stunden täglich im Dienst. Eigentlich darf er im Dienst nicht trinken, aber er hat einen Assistenten, der ihn fährt, wenn er besoffen ist. Den Assistenten hat noch niemand gesehen. Michis Frau ist vor einem guten halben Jahrhundert mit einem Geburtshelfer, einer männlichen Hebamme, durchgebrannt. Michi mag mich, obwohl ich in einer schwachen Stunde ans Licht brachte, dass er als Witwentröster tätig ist. Er baggert trauernde Frauen auf dem Friedhof an, gibt die moralische Instanz, als Helfer in der Not, bringt sie nach der Trauerfeier nach Hause und macht sie willenlos mit Kirschlikör. Anschließend wirkt sein Viagra.

    Der Michi Meidl ist ein echtes Giesinger Unikum. Und ein wandelndes Lexikon, was unseren TSV angeht. Er weiß nicht nur alles über die Blauen, er wohnt auch noch in der Grünwalder Straße 7, einem Haus, von dessen viertem Stockwerk aus man einen wunderbaren Blick in das Sechzger Stadion hat. Es ist ein Wunder, dass er diese Wohnung innehat. Auf ihr liegt ein ganz besonderer Zauber. Und Michi Meidl, das blaue Lexikon, erfüllt diesen Zauber noch immer mit Leben. Mit seinen gefühlten hundertachtzig Kilo schleppt er sich tagein, tagaus die Treppen rauf und runter. Auch wenn die Knie knacken und die Lunge pfeift. Einen Lift hat es in dieser alten Burg nie gegeben. In die Allianz Arena ist er hingegen noch nie gegangen.

    Muss er auch nicht, denn von der Decke des Blauen Löwen hängt die Glotze mit Bezahlfernsehen. Sie geleitet uns durch die wechselvolle Geschichte des TSV. Einst wollte ein Schwabinger, der versuchte, hier Fuß zu fassen, ein Match der Roten anschauen. Man hat ihn nie mehr gesehen. Und auch kein Spiel der Nebenstraßler aus dem Säbener Hinterhof.

    Am Fenster, gegenüber dem Gang zur Toilette, steht Rüdigers Baby: Eine Wurlitzer 1015 aus dem Jahre 1949 mit der Aufschrift ›Music for Millions‹, die er für fette Kohle bei einem Händler in den USA erstanden hat. Chrom und Glitzer, gelb und rot, mit aufsteigenden, die Farbe wechselnden Bubbles – das Ding macht mich verrückt, wenn ich bloß hinschaue. Inhalt: Fünfzig schwarze Vinyl-Scheiben, vorwiegend Waylon Jennings, Johnny Cash, Kris Kristoffersson und der andere Heuler, Willie Nelson. Die kompletten Highwaymen. Keine CDs – oh, nein – Vinyl muss es sein!

    Zentral im Tresen steht die Zapfanlage mit nur einem Hahn. Er wird von Rüdiger liebevoll gewienert und spendet unablässig Edelstoff. Anderes kommt nicht ins Glas. Die Zeiten, in denen die Leute Pils oder Weißbier verlangten, sind vorbei. Jedenfalls im Blauen Löwen.

    Am Nebentisch hocken zwei Kerle in schwarzen Lederjacken. Harte Gesichter. Cold eyes. Nicht mehr jung. Einer kahl, der andere schwarz gegelt. Männer wie geschmiedeter Stahl. Blue Steel. Man möchte ihnen nicht bei Tage begegnen. Nippen am Bier, quatschen, sehen zur Uhr, schweigen.

    Hab sie voll im Blick.

    Dann sind sie weg. Ein Handy bleibt zurück, verdeckt von einer unschuldigen Serviette. Einsam und verlassen lugt es hervor. »Spiel mit mir«, raunt es. Ich gehe rüber, nehme es zur Hand, meine Finger wischen übers Display, drücken hier und drücken dort, das ist cool, das ist sexy. Ich fühle mich ertappt, schiebe es ein, hocke wieder am Stammtisch.

    Der Kahle stürzt rein und sucht sein Telefon. Draußen brüllt einer: »Igor, komm endlich!« Igor wirft einen bösen Blick in die Runde, haut unverrichteter Dinge wieder ab, sein Spielzeug ist weg.

    Kaum ist er fort, schreit sein Smartphone in meiner Tasche. Ich gehe ran.

    »Servus«, melde ich mich tapfer, weil mir nichts anderes einfällt und weil ich von Geburt an neugierig bin.

    »Hör zu, Igor, der Plan geht so: Die Fahne ist jetzt beim Werkstatt-Wastl. Du kennst doch den Wastl am Wettersteinplatz?«

    »Wastl.«

    »Gut. Sie liegt beim Wastl versteckt. Der Fetzen ist für uns sehr wertvoll. Hast du das bis hierher kapiert?«

    »Kapiert«, knurre ich.

    »Gut. Wir alle wissen, dass der Werkstatt-Wastl ein Hänfling ist, der wo nix auf die Reihe kriegt.«

    Knurr.

    »Gut. Und weil das so ist, muss man ihn beschützen. Jetzt kommst du ins Spiel: Du gehst noch heute hin und redest mit ihm. Sagst ihm, du bleibst solange da wie nötig. Hast du das bis hierher kapiert?«

    »Kapiert!«

    »Gut. Sobald der Austausch stattgefunden hat, ist dein Job erledigt. Du kriegst dann Freikarten für das nächste Heimspiel gegen Dortmund. Aber pass auf, Igor: Die verdammten Blauen lauern überall! Wenn die Ultras was spitzkriegen, wird’s eng. Hast du das bis hierher kapiert?«

    »Kapiert!«

    »Gut. Ich muss los.«

    »Hausnummer?«

    »Was?«

    »Die Hausnummer vom Wastl am Wettersteinplatz?«

    »Siebzehn.«

    »Passt«, knurre ich wieder.

    »Man sieht sich«, sagt er und legt auf.

    Ich spiele im falschen Film. Wer ist der Werkstatt-Wastl? Wie dämlich muss einer sein, den sie Werkstatt-Wastl nennen? Nun zum Objekt der Begierde. Was ist das für eine Fahne und wer hat sie geklaut? Was haben die Ultras damit zu tun? Und welche Ultras, die blauen von der Vendetta oder die roten von der Socceria? Was hat das mit Dortmund zu tun? Die spielen wie die Roten in der ersten Liga, die Blauen nicht, schrammen vielmehr am Abstieg zur Dritten entlang. Und was für ein Austausch überhaupt? Also, was für eine Fahne ist das? Man muss es sehen, das elendige Teil. Erst dann weiß man Bescheid.

    DREI

    Eine Gestalt wischt zur Tür herein. Wenn mich nicht alles täuscht, ist es der Schnittlauch, mein neuer Spezl von der Polizei. Käsiges Mondgesicht, die Hose spannt, er hat gefühlte hundert Kilo zugenommen.

    »Servus, Sepp«, sage ich karg und rutsche zur Seite.

    »Servus, Eddie«, antwortet er und hockt sich nieder.

    »Kannst Valentin sagen«, sage ich.

    »Servus, Valentin«, sagt er.

    »Was isn passiert?«, frage ich arglos.

    »Komm ich gestern aus der Kneipe auf den Parkplatz«, beginnt er.

    »Hast gladen ghabt«, ergänze ich.

    »Schwer geladen«, sagt er, »sehr schwer geladen. Taste bei den Autos auf den Dächern herum. Das sieht ein Passant und fragt mich, was ich da mache. ›Ich suche mein Auto‹, sage ich zu ihm.«

    »Logisch«, sage ich.

    »›Guter Mann‹, sagt der Kerl, ›so werden Sie ihr Auto nie finden. Dadurch erkennt man weder die Marke noch die Farbe. Und das Kennzeichen können Sie auf diese Weise auch nicht lesen.‹ ›Das macht nichts‹, sage ich, ›aber irgendwo muss das Blaulicht drauf sein.‹«

    »Verdammte Hacke!«, sage ich. »Und wie geht’s dir im Augenblick?«

    »Gut«, antwortet er. »Sehr gut sogar. Sie haben mich vom Dienst suspendiert, ich bin geschieden, die Kinder haben beim Heiraten die Namen ihrer Partner angenommen – aber sonst läuft’s prima.«

    Ich warte, bis er das zweite Stöffchen geleert hat.

    »Was treibstn so?«, frage ich, geplagt von falschem Mitleid.

    »Ich wohne«, sagt er still.

    »Verstehe«, sage ich stiller.

    »Ich sag dir was, Valentin: Nüchtern betrachtet war es besoffen besser.«

    »Verstehe«, nicke ich mitleidig.

    »Ich brauche dringend einen Job, sonst dreh ich durch. Hast du einen Job für mich, Schnüffler?«

    »Vielleicht beim Rüdiger in der Kuchl?«, versuche ich es.

    Rüdiger zeigt mir zwischen Topf und Tiegel den Stinkefinger.

    Eine Pause. Muss nachdenken. Werfe einen Blick auf Sepp. Als Beschatter zu auffällig, als Verfolger zu langsam, als Beschützer zu dünn. Vielleicht Internet. Vielleicht kann er wenigstens telefonieren, Dokumente auswerten, mit dem Fernglas umgehen. Jemanden verhauen. Vielleicht.

    Sepp schaut grantig. Muss nix besagen. Der Grant ist der Blues des Südens. Das ist so normal wie der Föhnhimmel oder besoffene Spaghetti auf der Wiesn. Kein Mensch regt sich darüber auf.

    Eine Idee sagt Grüß Gott.

    »Ich hätt da was«, sage ich.

    »Ich mach alles«, sagt er.

    »Ich kann dir aber nix zahlen.«

    »Kein Problem«, japst er und richtet sich auf.

    »Du bist doch ein echter Kerl«, sage ich, »ein harter Hund.«

    »Hart wie Kruppstahl«, sagt er mit geballter Faust.

    »Gut. Wir besuchen den Werkstatt-Wastl.«

    »Wen?«

    »Des sag ich dir auf dem Weg.«

    VIER

    Der Wettersteinplatz ist einen Steinwurf vom Sechzger entfernt. Man kann sagen, er ist der Bauch der Grünwalder Straße. Sie führt direkt zum Trainingsgelände des TSV 1860 und nach Grünwald hinaus. Die Grünwalder Straße ist eine breite, schöne, schnelle und laute Straße. Vom Wettersteinplatz zweigt eine andere Straße ab, die Säbener Straße. Sie ist nur zufällig eine Straße, eher eine Nebenstraße. Wo sie hinführt, ist nicht ganz klar, vermutlich verliert sie sich im Perlacher Forst, also im finsteren Wald. In dieser überflüssigen Nebenstraße hausen die Roten. Sie haben dort einen Protzbau errichtet. Das kann jedoch nicht verhindern, dass sie nicht nur in Giesing als die Nebenstraßler bezeichnet werden.

    Giesing ist blau. War es immer, wird es immer sein. Das haben die verwöhnten Erfolgsfans mit ihrer krankhaften Sucht nach Titeln und Meisterschaften nicht begriffen. Fällt einer ihrer Stürmerstars aus, weil er sich den kleinen Finger verbogen hat, oder sie verlieren ein Spiel, geht die Jammerei los.

    Ganz anders bei uns Blauen. Wir sind hart im Nehmen. Schon seit Jahrzehnten. Das macht uns keiner nach. Besonders nicht die Roten von der Säbener Straße, die im Nirwana endet. Mich berührt das nicht, ich bin körperlich und physisch topfit – wie es Thomas Häßler einmal ausdrückte.

    Genug der Topologie. Ich muss meinen neuen Mitarbeiter Sepp Spindinger testen, ihn einer strengen Prüfung unterziehen. Dafür ist der Job, bei dem ich als Igor der Fahnenhüter auftrete, genau das Richtige.

    Das Gebäude, in dem der Werkstatt-Wastl wohnt, ist eine sechsstöckige Mietskaserne. Das Klingelschild weist einen gewissen ›Sebastian Weckstad‹ auf; zweiter Stock links. Das muss er sein. Ich schaue nach oben. Kein Balkon. Sepp ist meinem Blick gefolgt, erwartet eine Erklärung.

    »Kennst du das Spiel Guter Cop/böser Cop?« frage ich.

    »Klar«, sagt er. Ich glaube ihm kein Wort, also erkläre ich den Sachverhalt mit ein paar ruhigen Worten. »Wir besuchen Sebastian Weckstad, weil er etwas Wertvolles besitzt, das man versucht, ihm wegzunehmen. Weil Wastl ein Hänfling ist, muss man ihn beschützen. Wer könnte Wastl besser beschützen als zwei Beamte in Zivil?«

    »Wir sind keine Polizisten«, sagt er störrisch.

    »Hab ich was von Polizisten gesagt?«

    »Nein«, sagt er und schaut wieder nach oben.

    »Du bist der gute Bulle, ich bin der böse Bulle«, sage ich und drücke irgendeine Klingel im sechsten Stock. Sogleich krächzt eine Stimme aus dem Blechkasten: »Bist du das, Bärli?«

    »Ja«, krächze ich zurück. Die Tür öffnet sich. Wir erklimmen die Treppen und stehen bald im zweiten Stock.

    An Wastls Wohnungstür ein Türkranz mit verwelkten Rosen. Mittendrin – ich fass es nicht – ein Emblem der Roten! Ist man denn nirgendwo sicher vor dieser Seuche? Reicht es nicht, dass sie ständig Meister werden, die

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