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Löwentreter
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eBook444 Seiten5 Stunden

Löwentreter

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Über dieses E-Book

Zwischen kommunaler Mülldeponie, städtischem Umspannwerk und dem Gelände eines Rocker Clubs, liegt das ''Pärredais''. Es handelt sich um einen Campingplatz am Rande einer Großstadt. Die dort lebenden Bewohner sind bizarre, aber liebenswerte Randfiguren unserer Gesellschaft. Der ebenfalls dort lebende Protagonist ''Remy'' führt den Leser in 13 Kapiteln durch seine groteske und merkwürdige Welt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum20. Apr. 2017
ISBN9783742791016
Löwentreter

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    Buchvorschau

    Löwentreter - Bernd Dombek

    Kämpingplatz Pärredais

    ''Warum hast du die Würstchen aufgeschnitten?''

    ''Die hab ich nicht aufgeschnitten. Die sind beim Kochen geplatzt!''

    Rosi steht leicht angetrunken vor meinem Wohnmobil und schaut durch das geöffnete Fenster. Wie immer in diesem Zustand, besitzt sie dann keine Trennschärfe mehr. Man kann sie nicht als hardcore Alki bezeichnen, aber ihre Bereitschaft jederzeit eine Flasche zu öffnen ist sehr groß. Heute zum Beispiel, hat wieder einmal unser Postbote Schmitz als Anlass gedient.

    ''Oh, ich glaub wir bekommen Besuch. Da muss ich aber sofort 'ne Flasche rausholen!''

    ''Nein, Rosi. Ist nur der Briefträger.''

    ''Ja, jetzt hab ich die Flasche aber schon aufgemacht!''

    In Flaschen öffnen ist Rosi einfach unschlagbar. Egal ob Wein, Bier oder Sekt. Zack und auf.

    Blitzschnell. Ich hab manchmal das Gefühl, sie braucht die Teile nur anzuschauen und schon fliegen die Korken von ganz alleine heraus.

    Mit einem süffisanten,

    ''...möchten Sie auch ein Gläschen Rotwein, Herr Schmitz? Ich hab schon eingeschenkt...'',

    hat sie ihn zum Umtrunk gelockt.

    ''Da komm ich gerne für rüber Fräulein Roswita'', antwortet Schmitz und ist nur zu gerne in die Falle getappt.

    Vielleicht liegt Rosis Neigung zu Flüssigkeiten in der beruflichen Wahl ihres Vaters begründet. Der hat nämlich einen Getränke Handel betrieben. Seit ein paar Jahren ist er aber in den Ruhestand getreten und genießt jetzt sein Rentner Dasein auf Mallorca. Eigentlich sollte Rosi den Laden übernehmen und weiterführen. Da sie wahrscheinlich selbst ihr bester Kunde geworden wäre und das Business in den Bankrott gesoffen hätte, nimmt sie nach längerem Überlegen jedoch Abstand von diesem Vermächtnis.

    Außer dem umgebauten Getränke Wagen in dem sie jetzt schon seit einiger Zeit wohnt, erinnert nichts mehr an das Geschäft ihres Vaters. Ist wahrscheinlich auch besser so.

    Selbstverständlich sucht Rosi hin und wieder jemanden mit dem sie ihre sentimentalen Momente und die dazugehörenden Spirituosen teilen kann. Hier auf dem Campingplatz ist es eher schwer einen durstigen Kumpan zu finden.

    Bei Schmitz rennt sie jedoch mit ihren Anliegen immer offene Türen ein!

    Wolfgang Schmitz ist seit einigen Jahren unser Postbote. Ein tapferer, kleiner Mann der sich durch nichts einschüchtern lässt. Er ist seinen eigenen Angaben zufolge, im Algerienkrieg als Söldner dabei gewesen. Scharfschütze!

    Deswegen nennen wir ihn hier auf dem Campingplatz nur noch 'Schmitz Plempe'.

    Jedem, ob der es nun hören will oder nicht, kaut er mit seinen Söldner Abenteuern das Ohr ab.

    Das ist auf Dauer ganz schön anstrengend, weil es sich dabei durchweg um Produkte seiner eigenen Fantasie handelt und daher völliger Blödsinn ist. Er wohnt mit Mutter und Sohn zusammen in einem kleinen 2 Zimmer Apartment. Die Drei sitzen jeden Tag geschlossen vor dem Fernseher und schauen sich seit Jahren immer wieder dasselbe öde Kriegs Video an.

    DIE WILDGÄNSE KOMMEN

    Mittlerweile können sie den ganzen Film auswendig mitsprechen. Als gemeinsamer Zeitvertreib wird der Ton vom Fernseher ausgeschaltet und jeder synchronisiert seinen eigenen Schauspieler.

    Plempe übernimmt natürlich immer die Hauptrolle. In seinem Fall ist es Charlton Heston, der in dem Film einen abgebrühten Söldner spielt. Um die Nebenrollen können sich Mutter und Sohn streiten. Von dem ganzen Söldner Mist sind alle Familienmitglieder inzwischen ganz gehörig von der Rolle geraten und leiden unter akutem Realitätsverlust.

    Nach einem Zank um ein Kotelett, bedroht Plempes Mutter ihren Enkel mit der Ankündigung:

    ''...warte bis der Wolfgang nach Hause kommt! Der schießt dich im Kopp! Mit der Magnum!''

    Eine ungewöhnliche Wortwahl für eine 84 Jahre alte Dame. WILDGÄNSE geschädigt eben!

    Ich bin mir ziemlich sicher das Plempe ebenfalls einen Dachschaden hat.

    Er behauptet felsenfest, dass die von ihm verursachten Verluste in Algerien bei ihm ein tiefes Trauma hinterlassen haben. Ich persönlich hab was Algerien angeht, so meine berechtigten Zweifel. Das mit dem Trauma findet jedoch sofort meine Zustimmung.

    Wahrscheinlich dauerhaftes Schädeltrauma!

    Bevor er bei der Post angefangen hat, ist Plempe Taxifahrer gewesen.

    In einem Anfall seiner Söldner Schübe kurbelt er das Dachverdeck seines Taxis auf, stellt sich auf Fahrer und Beifahrersitz und fährt mit oben heraus schauendem Oberkörper und gezogener Gasknarre im Schritttempo über unsere Prachtallee in der Innenstadt.

    Dabei hat er lauthals gebrüllt,

    ''...und ich knall jeden ab, der hier auf der Straße noch mal 'nen Hamburger frisst!''

    Das ältere japanische Ehepaar auf der Rückbank des Taxis, ist von Plempes Vorstellung hellauf begeistert. Sie sind wohl ein paar Minuten vorher von Japan am hiesigen Flughafen angekommen und wollen ihren Enkel Toshi besuchen. Beide sind der deutschen Sprache nicht mächtig, finden es aber rührend, mit welcher Hingabe ein deutscher Taxifahrer dafür Sorge trägt, dass sie störungsfrei und unbeschadet ihren Enkel erreichen können!

    Umwerfend!

    Man knipst noch schnell ein paar Erinnerungsfotos und nimmt danach mit vielen Verbeugungen und noch mehr Dank voneinander Abschied.

    Plempe dienert ganz weltmännisch zurück und bemerkt:

    ''Das ist alles nicht der Rede wert.''

    Ist es dann aber doch, denn kurze Zeit darauf bekommt er die Kündigung mit dem Vermerk, dass so viel Enthusiasmus beim Taxifahren nicht gewünscht sei.

    Seitdem ist seine Teilnahme am Straßenverkehr beendet. Ich weiß aber aus sicherer Quelle, dass er immer noch seine Gaspistole mit sich herumschleppt.

    Er hat nämlich Wagners kleinen Jack Russel Terrier einmal damit bedroht.

    ''Ich schieß dich im Kopp! Mit der Magnum!'', soll er dabei gesagt haben.

    Nun ja, mit Hunden haben Postboten so ihre Probleme und Algerien lässt sich ebenfalls nicht so leicht abstreifen!

    ''Bei mir sehen die anders aus'', sagt Rosi.

    ''Was sieht bei dir anders aus?''

    ''Die Würstchen! Und die platzen auch nicht bei mir!''

    Rosi zeigt besserwisserisch auf meinen Topf.

    ''Ist schon klar Rosi. Du kochst ja auch nicht mehr!''

    Eigentlich ist das was ich mache, auch kein richtiges Kochen. Ich erwärme Dosenfood.

    Davon ernähre ich mich vorwiegend in der letzten Zeit, weil die Kohle mal wieder von vorne bis hinten nicht reicht. Deshalb verschwende ich auch den größten Teil meiner Zeit mit der Suche nach billigen Lebensmitteln. Irgendwie muss ich ja schließlich über die Runden kommen.

    Bei mir um die Ecke hat jetzt ein ganz neuer Supermarkt eröffnet. Wir haben zwar immer noch den alten Discounter mit den Tiefstpreisen, wo man sich die Regale und anderen Schnick-Schnack gespart hat und die Waren einfach so in den Laden schubst, aber der Neue übertrifft alles. Super billig, fast umsonst! Dafür ist auch so gut wie gar keine Einrichtung mehr dort drin. Bis auf die Kasse! Wird alles aus Kostengründen eingespart.

    Die gehen sogar soweit, dass sie das Personal mit zwei Mongoloiden von einer beschützenden Werkstatt aufstocken. Billig hat eben auch seinen Preis. Beide tragen ständig ein

    Schildchen am Revers. 'Happy To Help', steht dort fett drauf. Manchmal dürfen sie dem Kunden auch beim Einpacken zur Hand gehen und knallen dann die Waren nach dem Bezahlen völlig ungefiltert in die Plastiktüten. Unten das Obst und Gemüse und oben drauf die schweren Sachen.

    ''Euer Mongo hat mir gerade meine Tomaten zermanscht!''

    ''Unser Johannes ist kein Mongo! So 'was sagt man heute nicht mehr! Unser Johannes ist alternativ begabt!''

    ''Okay, euer alternativ Begabter hat mir gerade meine Tomaten zermanscht!''

    ''Soll er sie ihnen nochmal separat einpacken?''

    ''Auf keinen Fall! Geben sie mir einfach eine Jutetasche für die Dosen.''

    ''Hör'n se' ma', sie sprechen aber schlechtes Deutsch'', ermahnt mich die Kassiererin.

    ''Wie bitte?!''

    ''Das heißt gute Tasche und nicht jute Tasche!''

    ''?!?''

    Ich frag mich in solchen Augenblicken, wer von denen eigentlich bekloppter ist. Zumindest ist das beim Johannes dem alternativ Begabten offensichtlicher! Auf dem Schildchen der Kassiererin ist zu lesen,

    'Sie werden bedient von Fr. Schenck-Schneck-Nettelbeck'.

    Ich finde Leute mit multipler Persönlichkeit echt anstrengend.

    Man weiß nie wer gerade zu einem spricht!

    ''Du weißt doch warum ich nix mehr koche, oder? Hab ich dir doch neulich erklärt'', sagt Rosi.

    ''Schau mal Rosi, ich bin nur so 'n ottonormal Verbraucher. Hab ich nicht so ganz kapiert. Erklär's mir nochmal!''

    ''Mein Manni und ich, wir machen nämlich jetzt Diät!''

    Manfred Eisenbrech, genannt 'Manni', ist Rosis langjähriger Freund und sein Name wirklich

    Programm. Um Rosi auszuhalten, muss man entweder von Haus aus knallhart sein, auf das sowieso alles an einem abprallt, oder man macht Yoga. Am besten in der Position wo man auf dem Kopf steht, weil da das Gehirn am besten durchblutet ist!

    ''Bis dahin hab ich das schon verstanden Rosi, aber da ist doch noch so ein kniffliges Detail, nicht wahr?''

    ''Ja! Mein Manni und ich, wir machen nämlich jetzt Kältediät!''

    ''Wahnsinn! Worin besteht der Trick nochmal dabei?''

    ''Wir essen alles kalt!''

    ''Aha. Und wie seid ihr darauf gekommen?''

    ''Mein Manni und ich, wir waren nämlich im Internetz.''

    ''Aha.''

    ''Und da haben wir mal nachgeguckt.''

    ''Hm.''

    ''Bei Kalorien. Verstehst du?''

    ''Ah so!''

    ''Ja! Und wir haben da rausgefunden, dass das nämlich eine Wärmeeinheit ist!''

    ''Ist mir völlig neu!''

    ''Jaaaha! Das ist nämlich so; die Kalorien wirken ja nur wenn sie warm sind!''

    ''Ach nee?!''

    ''Doch; und da hab ich zu meinem Manni gesagt, 'Pass mal auf Manni, von jetzt an stellen wir erst einmal alles in den Kühlschrank und lassen das Zeug richtig kalt werden bevor wir es essen'. Ist doch cool was?!''

    ''Menschenskind Roswita, das ist ja echt genial.''

    ''Hihihi. Du bist 'n Schatz, Remy.''

    ''Und was sagt dein Manni dazu?''

    ''Manni findet es gut, glaub ich. Schließlich profitiert er ja auch von dem Wissen.''

    ''Siehst du. Und weil ich das alles nicht weiß, koch ich immer noch und mir platzt das Würstchen!''

    ''Ja eben! Möchtest du auch 'n Glas Rotwein?''

    ''Nein, ist mir noch zu früh.''

    ''Kann ich mal kurz reinkommen?''

    ''Auf keinen Fall! Ich hab grad ein Elektronikteil auseinander geschraubt. Das sind Millionen

    winzig kleine Teile und die liegen überall hier drinnen herum.''

    Ich kann die Rosi einfach nicht mehr bei mir rein lassen. Schon gar nicht wenn ich mir etwas zu essen bastle. Sie hat nämlich die unangenehme Art an sich, mit dem Bein zu vibrieren. Auf und ab und auf und ab. Und das mit einer unglaublichen Taktzahl. Wie die Kolben bei einem hochgezüchteten Rennmotor. Ich hab ihr schon tausendmal gesagt:

    ''Kannst du nicht mal das Bein ruhig halten Rosi, oder dir zumindest die Nerven da heraus operieren lassen? Die machen heute so etwas ambulant im Krankenhaus!''

    Hat alles nichts genutzt. Das Ergebnis ist immer das Gleiche. Rosis Bein vibriert als hätte es ein Eigenleben und nach ganz kurzer Zeit schaukelt sich mein Wohnmobil unglaublich auf und schwankt hin und her. Dabei kommen meine Sachen ins Rutschen, oder noch schlimmer, mein Essen schwappt über den Topfrand. So etwas brennt sich doch sofort in die heiße Herdplatte ein, sieht nicht gut aus und es dauert Äonen, bis man das verkrustete Zeug wieder abgekratzt hat. Nix da, Rosi bleibt draußen!

    ''Okay. Wenn das so ist. Vielleicht doch ein kleines Gläschen? So als Absacker?!''

    ''Rosi, wir haben 11 Uhr vormittags. Du kannst doch nicht allen Ernstes von mir erwarten, mit dir jetzt schon einen Absacker zu trinken. Das ist etwas für Abends. Vielleicht solltest du auch einmal etwas Festes zu dir nehmen.''

    ''Dürrenberg, mit dir kann man sich überhaupt nicht vernünftig unterhalten. Schmitz Plempe hat übrigens Post gebracht. Ich glaub für dich ist auch etwas dabei.''

    Wahrscheinlich sind das wieder nur Rechnungen oder Reklamesendungen. Trotzdem ziehe ich meine Adiletten an und begebe mich zum Büro. Mein Briefkasten hängt am Eingang des

    Campingplatzes und fällt seltsamerweise ständig herunter. Vielleicht hängt der über einer Stelle mit erhöhter Erdanziehung, oder ist einfach nur zu schwer. Ich hab ihn jetzt mit ordentlich viel Blumendraht der noch übrig geblieben ist aus der Zeit als ich Bonsais züchten wollte, am Zaun angeknotet. Seitdem weigert sich aber Schmitz Plempe meine Post dort einzuwerfen.

    Mein Briefkasten würde ihn doch zu sehr an ein algerisches Freischärler Nest erinnern.

    Stattdessen gibt er meine Post im Campingplatz Büro ab. Wohl auch deshalb, um bei Fräulein

    Roswita ein Glas Puffbrause oder ähnliche Getränke abzustauben.

    Über dem Büro hängt ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift:

    ''KÄMPINGPLATZ PÄRREDAIS – MÄNNÄTSCHMÄNNT''

    Dieses Schild hat der Besitzer des Platzes selbst und ohne fremde Hilfe angefertigt.

    Herbert Matscholat!

    Herr über 20.000qm Grünfläche und 15 Dauercamper. Unser Gott!

    Wir nennen ihn Matsche und eigentlich ist er ein prima Kerl. Eine Seele von Mensch.

    Es gibt jedoch einen wunden Punkt in seiner Persönlichkeit. Matsche darf sich auf keinen Fall

    aufregen. Er hat nämlich ein Leiden, welches in den medizinischen Fachbüchern als 'Peripherer Mommsen' beschrieben wird. Ich hab mal genau recherchiert was es damit auf sich hat und dabei herausgefunden, dass es auf unserem Planeten insgesamt nur drei Menschen gibt die den peripheren Mommsen haben. Und Matsche ist einer davon. Unglaublich!

    Wahrscheinlich kommt auch seine recht freie Interpretation der deutschen Schrift daher, obwohl ich mir nach der letzten Rechtschreibreform nicht mehr so sicher bin, ob das nicht doch alles stimmt was er so schreibt. Aber zurück zu Matscholat.

    Herbert wird als Sohn seiner Eltern, Alfons und Hilde Matscholat, in der ehemaligen DDR geboren. Bis zu seinem Eintritt in die FDJ ist er nie auffällig gewesen. Im Gegenteil. Er hat mitgemacht, sozusagen. Findet Walter Ulbricht dufte, später Erich Honecker wirklich prima und ist auch sonst sehr engagiert und immer mit dem Aufbau des Sozialismus beschäftigt. Das haben die vom Kader auch schnell bemerkt und ihn dementsprechend gefördert. Keiner weiß aber zu diesem Zeitpunkt, dass der Mommsen schon in ihm schlummert und nur auf die richtige Gelegenheit lauert um auszubrechen. Die Gelegenheit kommt dann genau am 28sten Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik. Matscholat ist zu jener Zeit in der FDJ und bekleidet dort das Amt eines Fahnenträgers. Wie bei allen wichtigen Anlässen in der DDR, werden die Aufmärsche gut organisiert und die Teilnehmer sind handverlesen. Herbert Matscholat befindet sich nicht nur in der engeren Auswahl, nein, er darf sogar wegen seiner Verdienste um den Aufbau des Sozialismus als Fahnenträger an der Spitze der Kolonne marschieren. Was für eine Ehre!

    Der Periphere Mommsen ist eine Störung im peripheren Nervensystem mit Auswirkungen auf einen bestimmten peripheren Muskel. Hervorgerufen wird das durch innere Aufregung beziehungsweise Erregung. Das klingt alles ganz schön kompliziert, aber in der Realität konnte man es ziemlich einfach verfolgen. Matscholat marschiert also an der Kolonnenspitze und freut sich. Es geht über geschmückte Straßen und Matsche freut sich noch viel mehr. Dann biegt man ein auf den Platz der Republik.

    Und da ist die Tribüne!

    Auf ihr stehen, als sozialistisches Konzentrat sozusagen, alle Würdenträger der DDR.

    Honni, Mielke, Krenz und sämtliche anderen Funktionäre. Matsche ist vor lauter Aufregung völlig aus dem Häuschen. Je näher die Kolonne der Elite des Staates kommt, desto mehr steigert sich seine Erregung. Genau in dem Augenblick als sie die Tribüne passieren, bemerkt Matsche wie etwas mit ihm geschieht.

    Der Mommsen setzt ein!

    Die Nerven flattern und der bestimmte periphere Muskel versagt seinen Dienst.

    'Pflaatsch', 'Pflaaatsch'; und mit jedem Schritt noch mehr, 'Pflaaaatsch'.

    Matsche scheißt sich ein!

    Bekackt das Ehrenkleid der Nation vor den Augen vom Stolz der Nation! Großer Gott, wie peinlich. Und weil die Jungs von der FDJ immer kurze Hosen anziehen müssen, läuft die ganze Scheiße obendrein auch noch an seinem Bein herunter und hinterlässt auf der Straße eine Spur des Makels.

    Das ist insgesamt fünf Mal passiert und hat dem Kader echtes Kopfzerbrechen bereitet.

    ''Wie kriegen wir den da wieder weg'', heißt die damalige Losung.

    Man kann dem Matscholat aber nicht so einfach Amt und Fahne wieder abnehmen. Hat sich ja nichts zu Schulden kommen lassen. Erschießen geht damals einfacher in der DDR, können die aber auch nicht machen, weil er ja ein verdientes Mitglied im Aufbau des Sozialismus ist.

    Also wird er gelinkt. Man macht ihn vom Kader darauf aufmerksam, dass seine Oma im Westen krank ist und ob er denn nicht mal kurz rüber fahren will, um die alte Dame zu besuchen. Die nötigen Papiere sind schon alle ausgefüllt und genehmigt. Er braucht noch nicht einmal etwas zu unterschreiben oder einen Antrag stellen, sondern einfach nur Sachen packen und schon kann es losgehen. Genauso hat Matsche es dann auch gemacht. Er muss dann aber im Rheinland erstaunt feststellen, dass seine Oma kerngesund auf der Veranda sitzt, ihm selber aber die Rückreise in die DDR verweigert wird. An der Grenze wird glatt behauptet, man kenne ihn nicht und das sei ja wohl der billigste Infiltrationsversuch der ihnen jemals untergekommen ist.

    Und so ist Matsche hier kleben geblieben.

    Später hat ihm seine Oma dann den Campingplatz vererbt und Hand aufs Herz, wir sind hier alle froh darüber. Ist ein aufrechter Kerl. Wir mögen ihn.

    ''Sofort alle da rauskommen! Ihr Drecksäcke! Ich weiß genau das ihr da drin seid!''

    Plempe sitzt im Büro und bedroht gerade ein Frühstücksei mit seiner 'Magnum'.

    Meine Güte, kann der Typ nicht mal ein Ei essen wie jeder andere normale Mensch auch?!

    '' 'n Morgen Matsche!''

    ''Guten Morgen Genosse Remy!''

    Herbert Matscholat sitzt wie immer in seinem Fernsehsessel und verfolgt seine Lieblingsseifenoper im Fernsehen. Völlig entspannt trägt er seinen alten blauen Trainingsanzug mit dem weißen Streifen an der Seite und dem Schriftzug DDR auf der Brust. Das Ding ist echt Kult. Ich habe ihm einmal ein Computerprogramm gegeben mit dem man Backstage Pässe und ähnliches Zeug fälscht, damit er sich den Zugang zum Bühnenbereich bei 'Heino' Konzerten erschleichen kann. Er hat sich daraufhin einen eigenen Ausweis gebastelt, mit Passfoto und allem Drum und Dran. Den hat er sich laminieren lassen und trägt ihn jetzt voller Stolz an einem Kördelchen immer um den Hals.

    'MÄNNÄTSCHER' steht da ganz fett drauf.

    Ich glaub mit dem Computerprogramm habe ich ihm einen echten Gefallen getan, denn seitdem sind wir richtig dicke Kumpel. Seinen Trainingsanzug will er mir aber trotzdem nicht vermachen. Schade.

    ''Ist Post für mich angekommen?''

    ''Feldpost für dich, Kamerad'', brüllt Plempe vom Frühstückstisch herüber.

    Mittlerweile hat er die verdächtige algerische Partisanenstellung im Frühstücksei vollkommen

    ausgemerzt. Wahrscheinlich sind alle tot. (noch mehr Trauma)

    ''Ausgabe an der Waffenkammer!''

    Ich greife mir meine Briefe und sehe zu, dass ich da verschwinde. Himmelherrgott nochmal, hat der Typ 'nen Knall. Ich überlege, ob ich nicht doch Rosis Angebot annehmen soll, lasse es dann aber lieber bleiben.

    Ist wirklich noch zu früh für einen Absacker.

    *

    Wiesel

    Mein direkter Nachbar auf dem Campingplatz ist Peter Patschulke, genannt 'Wiesel'.

    Er stammt aus einer alteingesessenen Schaustellerfamilie, ist also an das Leben auf Rädern gewöhnt und dementsprechend ausgestattet. Wiesel wohnt in einem wunderschönen alten Oberlichtwagen aus Holz. Zwölf Meter lang und mit ausreichender Stehhöhe, versteht sich.

    Momentan sieht die Kiste leider so aus, als hätte sie unter Granatbeschuss gelegen.

    Zerfetzte Holzplanken, heraushängendes Isoliermaterial und lose Kabel dekorieren die Außenseite. Im hinteren Teil des Wagens fehlt sogar der komplette Boden.

    Das alles sieht schon ziemlich krass aus und ist so passiert:

    Wiesel reagiert furchtbar empfindlich auf Umwelteinflüsse. Ist sozusagen hypersensibel.

    Vor etwa einer Woche, als sein Wagen noch wunderschön ist, hat er mich angesprochen.

    ''Eh Remy, haste mal eben Zeit?''

    ''Klar Pitter, was ist denn los?''

    ''Komm mal kurz rein. Ich muss dir etwas zeigen!''

    ''Okay.''

    Wiesel ist mein Freund und wenn er so fragt, dann muss das auch schon wichtig sein. Also betrete ich den Wagen und bewundere erst einmal den wunderschönen Mahagoni Parkettboden.

    ''Mensch Pitter, den hast du ja wirklich super eingebaut. Sieht echt geil aus.''

    ''Nee nee, den wollte ich dir nicht zeigen.''

    ''Sag bloß, du hast dir die vergoldeten Badezimmerarmaturen geholt. Die mit den Meerjungfrauen?''

    ''Remy! Jetzt komm rein und mach bloß die Türe zu!''

    ''?!?''

    ''Und jetzt guck dir den Scheiß an!''

    Wiesel hat mittlerweile sein Thermoholzfällerhemd ausgezogen.

    ''Ach du meine Güte! Was ist das denn?''

    ''Ich hab keine Ahnung. Das hat vor ein paar Tagen angefangen und ich sage dir eins Remy, das juckt wie die Sau!''

    Wiesel steht mit freiem Oberkörper vor mir und sieht einfach nur katastrophal aus.

    Seine Brust, Arme und sein Rücken, sind über und über mit roten Pusteln und Quaddeln bedeckt.

    ''An den Beinen und am Arsch hab ich den Scheiß auch!''

    ''Haste das auch am...''

    ''Ja! Überall.''

    ''Ist das ansteckend?''

    ''Ich glaub eher nicht. War schon beim Arzt damit, aber der kann mir auch keine genauere Auskunft darüber geben.''

    ''Sieht für mich aus wie ein Strahlenschaden. Ich hab dir aber doch damals gesagt, dass im Solarstudio die Röhren beim Karibik Turbo Bräuner gefuckt sind.''

    ''Da war ich schon seit Wochen nicht mehr.''

    ''Oh. Was kann das denn sonst noch sein? Sieht ja wirklich übel aus.''

    ''Ich hab da so einen Verdacht.''

    ''Kannst du ruhig sagen Pitter, wir sind unter uns.''

    ''Also, ich glaub hier ist Kroppzeug im Wagen!''

    ''Was! Echt?!''

    ''Ja. Ich tippe auf Termiten. Ist doch alles aus Holz hier drin!''

    ''Meinst du wirklich wir haben jetzt Termiten im Rheinland?''

    ''Ja dann eben etwas Anderes, aber halt Kroppzeug. Du weißt doch was ich meine. Kroppzeug!''

    Wiesel hat schon immer eine Phobie in Bezug auf Insekten und ist nicht gerade tolerant ihnen gegenüber. Grenzt schon fast an eine ausgewachsene Paranoia. Alles was mehr als zwei Beine hat ist ihm wirklich suspekt. Kroppzeug eben.

    ''Und was willst du jetzt machen?''

    ''Ich mach die platt. Ich werde schon rauskriegen wo die sich verbunkert haben und dann mach ich die platt!''

    ''Meinst du wirklich, Pitter?''

    ''Remy, mir war es noch nie so ernst wie jetzt!''

    ''Okay.''

    Und dann hat Wiesel ernst gemacht. Er ist ein sehr entschlossener Mensch und wenn die Entscheidung erst einmal getroffen ist, gibt es danach kein Halten mehr für ihn. Die nächsten fünf Tage hat er damit zugebracht, seinen Wagen systematisch mit einem Brecheisen zu zerlegen. Erst den Innenraum. Dort riss er die Wandverkleidungen und den wunderschönen Mahagoni Parkettboden heraus, immer auf der Suche nach dem Kroppzeug. Hat sich Tag für Tag ein Stückchen mehr durch den Wagen gefräst. Von hinten nach vorne. Als nach fünf Tagen immer noch nichts gefunden ist, kommt die Außenseite an die Reihe. Auch dort bricht er mit teutonischer Akkuratesse die Verkleidung weg und macht selbst vor der Isolierung nicht halt. Seit zwei Tagen wütet er nun schon außen am Wagen herum. Sieht für mich nicht so aus, als hätte die ganze Aktion Aussicht auf Erfolg.

    ''Eh Remy, kannst du mal reinkommen?''

    Wiesel liegt im zerschossenen Fenster seines Wagens mit einer Tasse Kaffee auf der Fensterbank und winkt zu mir herüber.

    ''Hör mal Alter, ich hab gerade vorne meine Post abgeholt und da sind Briefe dabei. Eigentlich will ich die gerade mal durchsehen. Also, wenn das noch ein bisschen Zeit…''

    ''Ist wirklich wichtig Remy. Ich muss jetzt unbedingt mit dir reden.''

    ''Okay.''

    Ich betrete den Trümmer und bin schockiert. Da drin sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen!

    ''Hast dir ja ganz schön viel Arbeit gemacht Pitter, was?''

    ''Mach bloß die Tür zu Remy. Oh Mist. Ich geh kaputt!''

    ''Sag jetzt bloß nicht, dass ist schlimmer geworden mit den Pusteln?''

    ''Nein. Das ist es ja. Die sind weg!''

    ''Ja, aber das ist doch super.''

    ''Ist es eben nicht. Scheiße Remy, ich geh kaputt!''

    Pitter sitzt auf seinem Höckerchen, scharrt mit den Füßen, schwitzt und hyperventiliert in eine braune Papiertüte. Irgendwie sieht er völlig zerknirscht aus.

    ''Du machst mir richtig Angst Alter, also was ist los?''

    ''Pass auf Remy. Du weißt ja, ich hab keinen Bock auf unseren Waschsalon und...ich geh kaputt, ich geh kaputt...''

    ''Soweit waren wir schon Pitter. Also was?''

    ''Ja; und deshalb bring ich meine Wäsche immer zu meiner Mutter.''

    ''Hmhm.''

    ''Zum Waschen, verstehst du?''

    ''Hmhm.''

    ''Ja; und heute war ich wieder dort um mein Zeug zu holen.''

    ''Hmhm.''

    ''Und weißt du was meine Mutter zu mir sagt?''

    ''Ähmm...nein.''

    ''Das sie von jetzt an wieder das gute Waschpulver nimmt, weil das Andere wäre zwar billiger, würde aber auf der Haut so Pickel machen und ganz furchtbar jucken! Ich geh kaputt, ich geh kaputt!''

    ''Heißt das etwa, du hast die ganze Zeit nur eine stinknormale Waschmittelallergie?!''

    ''Ja! Sag jetzt bloß nix!''

    ''Ach du Scheiße.''

    ''Das kannst du laut sagen!''

    ''Und jetzt?''

    ''Pfhhhhh.''

    ''Ich meine mit dem Wagen und so?''

    ''Pfhhhhh.''

    Es gibt Menschen auf unserem Planeten, denen passieren unglaubliche Sachen und Wiesel gehört definitiv dazu. Er ist sozusagen eine lebende 'accident prone zone'.

    So wie neulich, als er sich einen neuen Fernseher gekauft hat.

    ''Remy komm mal rein. Guck ihn dir an!''

    ''Was denn?''

    ''Mein neuer TV.''

    ''Okay.''

    Ich betrete also den Wagen und da steht sie, die Megakiste!

    ''BOOAAHH!!!''

    ''150 Zoll Bildschirmdiagonale, 1080Pi hochauflösender LED Curved Screen!''

    ''Whow.''

    ''High definition!''

    ''Wahnsinn.''

    ''Extended ultra resolution!''

    ''Echt?''

    ''Phase controlled level balance!''

    ''Ich glaub es nicht.''

    ''Iris check pitch button!''

    ''Irre!''

    ''High frequency aurora alteration!''

    ''Pitter...''

    ''Plasma protected in line scan!''

    ''PITTER...''

    ''Ist das neueste Modell von Taboshi. Heißt 'SAMURAI' und hat obendrein noch zwei gegenläufige LFO's!''

    ''P I T T E R !''

    ''Was denn?''

    ''Wozu sind die denn gut, die LFO's?!''

    ''Weiß ich jetzt auch nicht so genau. Müsste ich mal in der Users Manual nachsehen. Aber 'ne Fernbedienung ist auch noch mit dabei!''

    ''Wie? Fernbedienung? Keine voice control?!''

    ''?!?''

    Ich muss den einfach unterbrechen. In seiner Euphorie besingt er die Artikel immer so stark, dass einem der Schmalz aus den Ohren herauskommt!

    ''Und wann geht die Reise los?''

    ''Was für 'ne Reise? Wohin denn?''

    ''Na zum Mars. Oder kann man das mit dem Ding etwa nicht?''

    ''Ts! Remy hör auf mich zu verscheissern!''

    ''Wie hast du den denn überhaupt hier hinbekommen?''

    ''Hab ich mir von einer Spedition anliefern lassen!''

    ''Und hier rein?''

    ''Hab nur kurz die Tür ausgehangen. Beide Flügel.''

    ''Mensch Pitter, ist ja jetzt hier besser als im I-Max Kino.''

    ''JAAAA!!''

    Und so streichen die Tage ins Land. Ich bin damit beschäftigt, die neuesten Kinofilme aus dem Internet herunter zu saugen. Dazu muss ich mich aber immer wieder ins WIFI reinhacken. Geht wirklich easy, aber plötzlich ist Schluss. Ich bekomme dann eine Zeit lang die Message, dass der Kunde den ich gehackt habe, seinen Account noch nicht ausgeglichen hat. Bin stark in Versuchung gewesen dem Typ eine Nachricht zu schicken, er soll endlich mal seinen Scheiß bezahlen. Ich muss ja schließlich ins Net. Ohne bin ich aufgeschmissen. Die Durststrecke ist Gott sei Dank nach einigen Tagen wieder vorbei. Er hat gezahlt! Ich habe wieder Zugang ins Net. Alles ist wieder gut! Es ist wirklich ein Genuss, sich Kinofilme auf Wiesels Astronautenteil in HD anzuschauen.

    Es ist nur ein bisschen eng im Wagen, weil das Ding so riesige Dimensionen hat.

    ''Wäre vielleicht besser, wenn man etwas weiter weg von der Mattscheibe sitzen würde, was Pitter?''

    ''Ich brech die Wand raus, Remy. Morgen brech ich die scheiß Wand raus! Die stört mich sowieso die ganze Zeit.''

    ''Überleg es dir noch mal Pitter. Lass es ruhig angehen!''

    ''Remy, ich mein es ernst!''

    ''Okay.''

    Die Wand fällt dann auch am anderen Tag und es wird wirklich sehr geräumig im Inneren. Es wird sogar so geräumig, dass Wiesel noch Platz für vier extra Sessel hat. So sitzen wir also Abend für Abend mit wechselnden Besuchern beim Wiesel und schauen uns Filme an. Jeder von uns hat so seine eigene Vorliebe was Filme betrifft und ich bin stetig bemüht den Wünschen Folge zu leisten. Solange der Typ seine Rechnungen bezahlt, ist downloaden kein Thema. Selbst Schmitz Plempe beteiligt sich mit eigenen Vorschlägen.

    ''Kannst du nicht mal 'DIE WILDGÄNSE KOMMEN' runterladen, Kamerad? Ist mit Charlton Heston. Der beste Söldnerfilm, der je gedreht wurde. Spielt übrigens in meiner alten Heimat Algerien!''

    ''Nee Schmitz. Den bekomme ich nur auf so einer Website für Perverse. Da geh ich nicht drauf.''

    ''Hm.''

    Ich persönlich mag Filme, die im Sozialmilieu angesiedelt sind. Ich habe damals gerade 'Serje LaRue' als einen hervorragenden Regisseur entdeckt und bin ganz versessen auf seine Filme.

    Bis heute unvergesslich ist sein Debut in Cannes, als er mit der Sozialstudie 'HAST RECHT STEIGER, KOHLE IST SCHWARZ' sämtliche Preise abgeräumt hat. Jetzt habe ich sein neues Epos runtergeladen. Ein Flüchtlingsdrama mit dem Titel 'ZU FUSS IST WEITER ALS ÜBER'N BERG'. Muss ein wahres Meisterwerk sein. Ich habe soweit alles fertig, den Film dekomprimiert und auf blue-ray gebrannt. Es kann losgehen.

    ''Pitter!''

    ''Yep!''

    ''Hör mal, ich hab den neuen Serje LaRue. Den können wir uns ja heute Abend bei dir anschauen. Was meinst du?''

    ''Nee, geht nicht!''

    ''Häh? Wieso nicht?''

    ''Der Fernseher ist kaputt!''

    ''Was? Jetzt schon? Den hast du doch gerade erst gekauft!''

    ''Ja, is' aber so!''

    ''Kannst du den nicht umtauschen? Da muss doch noch Garantie drauf sein.''

    ''Komm mal eben rein Remy und mach bloß die Tür zu!''

    Gut, ich gehe also zum Wiesel rein und mach die Türe zu.

    ''Erzähl Alter, was ist los?''

    ''Hör mal Remy, ich hab 'ne Maus hier im Wagen!''

    ''Ja und? Hab ich bei mir auch. Wir leben ja schließlich draußen auf 'm Campingplatz. Da ist das doch normal. Ist sozusagen Bord Crew.''

    ''Remy, ich hab die GESEHEN!''

    Ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass Pitter echt fies vor Mäusen ist.

    ''Und?''

    ''Ich wollte die abknallen!''

    ''Was wolltest du?''

    ''Erschießen, verstehst du? Ich wollte mich auf die Lauer legen und das Vieh wegputzen!''

    ''Okay, Pitter. Ich sehe da jetzt trotzdem keinen Zusammenhang. Was hat das denn mit dem Fernseher zu tun?''

    ''Ja, das war so. Ich sitze also hier im Sessel, guck TV und warte auf die Maus. Hab mein Luftgewehr so auf dem Schoß und denk , 'weißt du was, is' noch früh, mach alles fertig und lad das Ding schon mal durch'. Hab ich dann auch gemacht und wie der Teufel es so will, bin ich danach im Sessel eingeschlafen.''

    ''Mit der geladenen Knarre auf dem Schoß?''

    ''Ja. Und weil die Asis bei den Werbeblöcken die Lautstärke immer voll aufreißen, bin ich davon irgendwann aufgewacht!''

    ''Und?''

    ''Hab sofort abgedrückt. Scheiße Remy, ich hab voll in den Fernseher geschossen! Der ist jetzt total im Arsch.''

    ''Ach du meine Güte!''

    Damit hat sich Filme gucken in HD erst einmal erledigt.

    Da hat der doch echt seinen Fernseher

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