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Adolf - Alles, was Recht(s) ist
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eBook248 Seiten3 Stunden

Adolf - Alles, was Recht(s) ist

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Über dieses E-Book

"Wer selbst mit Steinen ein Glashaus einschmeißt, der, äh, Moment, warte mal, ich hab's gleich, der – der sollte nicht drin sitzen. Das schreib dir mal hinter deinen Boden!" - "Mann, reg dich wieder ab, das schlägt doch glatt dem Fass 'nen Zacken aus der Krone", grinst er frech und wendet sich ab.
Ein Ostberliner Neonazi und eine polnische Geliebte – das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! Kann das überhaupt funktionieren, wenn es sich um einen sexistischen, trinkfreudigen Schäferhund und eine edle Afghanenhündin handelt? Obendrein sind deren Herrchen und Frauchen einander spinnefeind. Doch die Liebe macht mitunter ziemlich schräge Touren und so kommen sich zwei Hundeherzen auf absurde Weise näher. Denn die schöne Darinka spürt, dass der ungehobelte, tölpelhafte Adolf das Herz durchaus am rechten Fleck hat. Logisch, wo sonst?
Als ein Hundehasser die Vierbeiner rund um die Wuhlheide mit tödlichen Ködern terrorisiert, kann Adolf zeigen, dass in ihm eine wahre Führerpersönlichkeit steckt. Er muss es nur schaffen, über seinen mehr als kackbraunen Schatten zu springen!
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum8. Dez. 2021
ISBN9783754929896
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    Buchvorschau

    Adolf - Alles, was Recht(s) ist - Rhyfan Stahl

    cover.jpg

    „Was ist das?"

    „Das ist blaues Licht."

    „Und was macht es?"

    „Es leuchtet blau."

    John Rambo aus: Die Spektralfarben des Lichts bei der Brechung am Prisma unter Berücksichtigung des Einfallswinkels

    Inhalt:

    1. Dosenbier und irre Gefühle                                                             

    2. Was bin ich? – Jetzt ohne Robert Lemke                                       

    3. @Adolf – gez. Arschloch                                                               

    4. Was ein rechter Deutscher nie tun würde (eigentlich)   

    5. Adolfs Helfer                                                                     

    6. Schmetterlinge im Hundekuchen                           

    7. Freiheit – aber ohne Bier?                                               

    8. Warum um alles in der Welt Schamhaarfrisur?                    

    9. Fifty Shades of Bones                                                       

    10. Salemaleikum, verdammte Ratten!

    11. Triumph des Willens – zumindest ein bisschen                       

    12. Doitsche doch müsse zusamme halte! 

    13. Da, wo es weh tut            

    14. Und jetzt die Belohnung! 

    15. Dieser Weg wird kein leichter sein  

    16. Nicht alle Helden sterben jung  

    17. Die Wörter, hinter denen eine kleine Zahl steht

    18. Über den Autor – Was für eine abenteuerliche Geschichte!

    1. Dosenbier und irre Gefühle

    Da liegt auf einmal dieses ganz besondere Etwas in der Luft. Ich spüre es sofort. Es ist ein Gefühl wie – tja, wie soll ich sagen, wir Männer tun uns etwas schwer beim Beschreiben von Gefühlen. Aber es überfällt dich plötzlich wie eine Stucka aus heiterem Himmel - dieses „Boah ey, dieses „Hammer!, ihr wisst schon, was ich meine.

    Gerade eben trottest du nichts ahnend dahin, Blick auf den Boden, Sinne eingeschaltet, mal sehen, was los ist im Revier, und im nächsten Moment hat es dich erwischt. Wusch, trifft dich ein tausend Volt starker Gefühlsblitz ohne Vorwarnung und du weißt im ersten Augenblick gar nicht, was über dich gekommen ist. Doch sogleich spürst du dieses Kribbeln, das aufkommende Hochgefühl, die Gewissheit: Sie ist es! Sie ist gekommen, nur für dich! Eine von 80 Melon’, oder wie das in dem Lied heißt. Hab ich rein zufällig aufgeschnappt, müsst ihr mir glauben, sonst läuft solcher Weicheier-Gefühlsschmus nicht bei uns, aber aus irgendeinem Grund ist das bei mir hängen geblieben. Da war so ein Typ, der inmitten tausender und abertausender Menschen lebt, sie kommen und gehen an ihm vorbei, und genau die Eine trifft er. Eine einzige aus dem ganzen deutschen Volk, die perfekt zu ihm passt, die geht nicht an ihm vorbei und er weiß sofort, dass sie füreinander bestimmt sind.

    Wahnsinn!

    Dass die sich überhaupt begegnet sind! Kaum zu glauben, dass so was in echt passiert. Denken sich die Dichter nur aus, weil es so schön schnulzig klingt, meint Kevin.

    Aber haargenau so passiert es bei mir. Als ich mich dem Baum nähere, merke ich gleich, dass diesmal etwas anders ist. Schon so oft hier gewesen, im Sommer kommen wir fast jeden zweiten Tag in den Park, den Baum hatte ich dutzendfach markiert. Mein Revier, damit das gleich mal klar ist und sich weder der blöde Pinscher aus der Kaulsdorfer noch Theo, das schwarze Schwein, etwas einbilden von wegen Gebietsansprüchen. Dieser Pinscher sowieso! So etwas dürfte gar nicht als Hund zählen, von arisch ganz zu schweigen! Ich hab ihn tatsächlich schon beobachtet, wie er sich auf die Vorderpfoten stellt, Handstand am Baum macht und allen Ernstes glaubt, wenn sein Strahl weiter oben den Stamm trifft, geht er als großer Kerl durch. Lächerlich! Also wenn ihr mich fragt, dann gehört so was an die Wand…, ähm, naja, oder zumindest nicht in unsere schöne Wuhlheide. Jawoll, dazu stehe ich: Wir sind doch hier nicht bei den Hottentotten!

    Okay, ich bin etwas abgeschweift. Zurück zum Thema: Da hängt diese ganz besondere Markierung in der Luft, die ich sofort aus allen anderen Zeichen herausschnuppere. Obwohl wenn ich noch ein paar Längen von dem Baum entfernt bin. Ich meine, ich bin zwar kein ausgewiesener Schweißhund, aber auch ein Deutscher Schäferhund wie ich hat einen Sinn für alles Schöne. Und natürlich für das Weibliche, Mann, ich könnte schmachten!

    Wie schon gesagt: Wahnsinn!

    „Musste schon wieda?", nörgelt oder vielmehr nuschelt Kevin. Die Zigarette im Mundwinkel behindert ihn beim Sprechen. Seit er sich die Dinger aus Kostengründen selber dreht und dabei ein Geschick an den Tag legt wie ein Pekinese beim Katzen jagen, muss er ständig aufpassen, dass ihm seine Kippen nicht gleich im Mund auseinander fallen. Rauchen muss sein, klar, verstehe ich, das ist deutsche Leitkultur, wenn sie mir auch ziemlich auf die Nase geht, aber wir sind nun mal keine Neger, die Bambusblätter kauen. Manchmal wäre es allerdings ein Segen, wenn sich mein Herrchen ordentliche Räucherstäbchen leisten könnte. Ist bei Hartz IV aber nicht drin, weil dieser Scheißstaat alles für die Ausländer ausgibt, die ihm dann die Arbeit wegnehmen. Hat mir Kevin bereits mehrfach erklärt. Wenn er den vierten oder fünften Hopfenkübel vernichtet hat, dann durchschaut er die Welt mit all ihren Gemeinheiten.

    „Manchennesmal gloob ick, du vastehsjedes Wort von mir! Jedes–sss hick!", sagte er mir neulich und blickte mich dabei an wie ein Dackel, der den Eingang des Fuchsbaus nicht mehr findet. 

    Na klar, was denkt der denn! Sehe ich aus wie ein blöder Hamster oder ein Karotten fressendes Karnickel? Hey, ich bin ein Deutscher Schäferhund, schon vergessen? Das Wort „deutsch" nimmst du doch sonst so gerne in den Mund! Wir sind vom selben Volksstamm und da wundert ihr Zweibeiner euch, wenn wir eure Sprache verstehen? Da fällt mir echt nichts mehr ein dazu. Wobei, unter uns, der hellste Stern an Wotans Himmel ist mein Herrchen nicht unbedingt. Nicht einer der hellsten, soviel steht fest, aber dafür einer der deutschesten, das muss man ihm zugute halten.

    Fünf Jahre ist es her, dass er mich vom Polen-Markt weggekauft hat. Obwohl er das gar nicht vorhatte, wie er seinen Kameraden gegenüber betonte. Vor allem aber seiner Mutti, bei der er auch heute noch wohnt und die damals ihre Hände über dem Kopf zusammenschlug, als er mich – neben seinen Zigaretten und den neuen Springerstiefeln, die er sich beim Fidschi geholt hatte – stolz und zugleich ein wenig verschämt präsentierte.

    „Ein echter deutscher Schäferhund, schau dir nur seinen Blick an!, sagte er und seine Stimme wurde auf einmal ganz weich. Und ein bisschen kleinlaut. Ich bemühte mich, meinen Blick den aus seinen Worten wachsenden Erwartungen anzupassen, doch seine Mutter ignorierte meine aufrechten Bemühungen. Sie schüttelte fortwährend den Kopf und sagte nur immer wieder „Um Gottes Willen!

    „Aber den Dreck machst du weg, wenn er in die Stube macht!, rief sie noch, bevor sie sich wieder vor den Fernseher setzte. Dort lief nämlich gerade die investigative Bildungssendung „Vera am Mittag, die sie nicht verpassen durfte. „Warum sind Sie denn damals nach Bangladesh gegangen? Nur der Arbeit wegen?", fragte soeben die Moderatorin und beugte sich beängstigend nah zu ihrem Gesprächspartner.

    „Nun ja, antwortete dieser und kratzte sich etwas verlegen den Schorf hinterm Ohr ab, „ich wollte schon immer mit Kindern arbeiten, und da war dann diese Aufseher-Stelle in einer Textilfabrik frei. Die legen dort viel Wert auf deutsche Tugenden wie Gründlichkeit und Pünktlichkeit.

    Vor Schreck lief mir direkt ein Tröpfchen auf den Vorsaal-Teppich und meinem frisch gebackenen Herrchen entfuhr ein gänzlich undeutsches „Fuck!"

    Ja, fast fünf Jahre ist das her, eine kleine Ewigkeit, wenn man bedenkt, dass das ungefähr ein Drittel Lebenszeit bedeutet, und wir sind immer noch ein Team. Ein Dreamteam, würde ich normalerweise sagen. Das ist jetzt keine bierselige Verklärung meinerseits, sondern Kevin, mein Herrchen, sieht das exakt genau so.

    „Adolf, mit dir würd’ ick bis nach Stalingrad ziehen! Du bist ein rechter Deutscher!"

    Das hat er tatsächlich so gesagt und mir dabei ganz tief in meine schwarzbraunen Augen – so, wie angeblich auch die Haselnuss ist – geblickt. Ich wedelte eifrig mit dem Schwanz, bleckte meine Zähne und hoffte auf ein Leckerli. Das gab’s dann auch: einen tiefen Schluck aus seiner Bierdose. Lecker! Genau das Richtige für einen deutschen Schäferhund, wie mein Herrchen aus sicherer Quelle weiß.     

    Dummerweise zählt neben der Vorliebe für ein ordentliches Bier auch die Pünktlichkeit zu den deutschen Tugenden. Deshalb lässt mir mein Herrchen nun leider keine Zeit, in dem Duft der neuen, aufregenden Markierung an meiner deutschen Lieblingseiche im Park zu schwelgen.

    „Hey, nein, so warte doch, was soll denn diese jüdische Eile?, grunze ich verzweifelt, während das Halsband an meiner Kehle zerrt und ich wohl oder übel Kevin folgen muss. Dieser, immer noch mit seinem miserabel gedrehten Zigarillo im Mundwinkel, knurrt mich an: „Nun komm schon, die Kameraden warten. Bei Fuß, Adolf! Ein kräftiger Ruck mit der Leine und ich löse den Druck auf meine Vorderpfoten, mit denen ich mich entschlossen und zu beinahe allem bereit in den harten Rasen gestemmt hatte. Was soll’s – der Klügere gibt nach! 

    Eines muss ich an diesem Punkt klarstellen: Den Spruch „Ich glaube, der versteht jedes Wort!" würde ich auch gerne mal bei einem Zweibeiner gebrauchen. Gerade bei meinem Herrchen. Aber das kannste vergessen. Was das betrifft, da ist Polen echt verloren. Kriegt der überhaupt etwas mit, frage ich mich immer wieder!

    Aber anders herum: Los, Adolf, komm, Adolf, bei Fuß, Adolf, sag mal, kannst du nicht hören, Adolf, blablabla, Adolf. Wehe, ich verpasse auch nur einen Befehl, aber dann fahren die Affen Panzer, das kann ich euch sagen! Na gut, Befehlsverweigerung wurde früher sofort an die Wand gestellt, das ist mir natürlich klar, aber wenn der Befehl mehr gelallt wird und der Oberbefehlshaber beim dritten Versuch der klaren Artikulation nach vorne auf die Fresse kippt, dann bräuchten wir verdammt viele Wände!

    Wir trotten also weiter über den kurz geschorenen englischen Rasen. Kevin auf seine Zigarette schimpfend, die ihm auseinander zu fallen droht; ich enttäuscht die Nase am Boden haltend und ab und zu den Kopf drehend, um die aufregende Spur nicht zu verpassen. Verflucht, die Markierung war so frisch, die Torte ist garantiert noch in der Nähe! Ich renke mir fast den Hals aus, aber ich kann sie nirgendwo entdecken. Was ich an Artgenossen zu Gesicht bekomme, ist einfach enttäuschend. Eine Pudeldame, der man die Arthrose schon von weitem ansieht, so wie sie mit den Hinterläufen stelzt; eine Promenadenmischung, die erst in meine Richtung knurrt und es sich dann schnell anders überlegt, als ich meine Rute aufstelle und aufmerksame Kampfbereitschaft signalisiere. Eine dumme Dogge, die mich betont auffällig ignoriert, weil Doggen sich stets für etwas Besseres halten.

    Natürlich nehme ich unseren Trupp wahr, den wir schon bald an der Holzhütte treffen. Diese liegt an einer etwas erhöhten Stelle im Park, zwischen niedrigem Gebüsch und mir bleibt die Sicht auf den Platz lange Zeit versperrt. Doch ein Hund sieht bekanntlich mit der Nase mehr als mit den Augen und so genügen mir wie stets einige wenige Schnüffler, um festzustellen, wer alles da ist. Kanu, der Mischlings-Rottweiler von der langen Evi, der kleine Jack Russell namens Irvin, den ich eigentlich nicht ausstehen kann, aber das nicht zeigen darf, weil sein Herrchen Paule und Kevin dicke Kumpels sind. Firo darf natürlich nicht fehlen, der blasierte Riesenschnauzer, der sich unwahrscheinlich viel auf seine edle Herkunft einbildet, nur weil er von einem deutschen Züchter abstammt. Die übliche Versammlung also.

    Während ich noch versuche, die Spur meiner unbekannten Angebeteten in dem Potpourri neuer Düfte zu verfolgen, werden wir, Kevin und ich, mit großem Hallo begrüßt. Paule packt mich vertraulich am Genick, schüttelt mich ein paar Mal hin und her, während ich versuche, nach seiner freien Hand zu schnappen. Das übliche Begrüßungsritual unter Männern.

    „Hey, ich glaube, Adolf braucht erst mal einen ordentlichen Schluck, dem hängt ja die Zunge fast bis zu den Eiern", grunzt Petri, einer aus der Runde ohne Hund. Sein eigenes Bier würde er dafür bestimmt nicht investieren, der alte Geizhals, so gut kenne ich ihn.

    „Na los, Adolf: Mit deutschem Gruß!", fordert mich Paule auf, während ich noch versuche, in Richtung der Parkallee zu peilen. Ob sie vielleicht dort wartet und eine neue Markierung setzt in der Hoffnung, dass ein richtiger Kerl ihre Botschaft versteht?

    „Hey, ich hätte demnächst Lust auf einen straffen Quickie und ich stelle jetzt keine allzu speziellen Ansprüche bei der Partnerwahl", habe ich aus ihrer Botschaft heraus gerochen. Außerdem ist sie erst drei Jahre alt und hat noch nicht geworfen. Die braucht es aber auch so was von – warum sonst würde sie solche eindeutig unzweideutigen Nachrichten verschicken?

    Für solche Dinge habe ich ein Näschen. Die Menschen wissen zwar, dass wir Hunde exzellent riechen können, aber dennoch wundern sie sich immer wieder, welche Nachrichtenvielfalt wir aus der Baumpost herauslesen können. „Der riecht bestimmt, dass da vorhin schon ein Hund da war, hihihihi", bemerkte gestern eine albern kichernde Zahnspangenträgerin, als sie mich an einer Markierung schnüffeln sah.

    Was glaubt die denn? ‚Der riecht bestimmt, dass da vorhin schon ein Hund da war!’

    Absoluter Wahnsinn, was es nicht alles gibt! Solche Scharfsinnigkeit haut den stärksten Eskimo vom Schlitten. Wenn die ignorante Schnepfe jetzt noch dahinter käme, dass ein Hund sogar bellen kann, dann wäre ich aber total von den Socken.

    So eine Markierung ist für uns wie ein Buch. Oder besser noch: wie eine Zeitung, aber mit Facebook-Funktion. Der neueste Klatsch und Tratsch, Eigentumsansprüche, Nachrichten und wichtige persönliche Daten wie Alter, Geschlecht, Paarungsbereitschaft, aber auch die blanke Wichtigtuerei im Stile von „Ich war hier!" Wie ich gehört habe, pflegen die Menschen ganz ähnliche Bräuche. Bloß eben nicht, indem sie an einen Baum strullen, sondern sie nehmen dazu ein Klappmesser und ritzen diese Botschaft in die Baumrinde. Und während sie ihr Messerchen zusammenfalten und blöde grinsend ihren Spruch anstarren, der wirklich keine Sau interessiert, erzählen sie was von wegen Umweltschutz und dass ein kleines Hundehäufchen auf der Wiese die Natur verschandele. Woran man mal wieder sieht, dass der Mensch als solcher auf einer relativ niedrigen Stufe der Evolution steht. Obwohl ein gewisser Sockrattes oder so ähnlich – ich habe den Namen nur gehört, im Entziffern menschlicher Verständigungszeichen bin ich nicht viel besser als Kevin im Verstehen der Hundesprache, aber es war auf alle Fälle irgendwas mit Ratte – schon vor tausenden Hundeleben die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis, verbunden mit der Selbstreflexion, als grundlegende menschliche Eigenschaft beschrieben haben will. Muss wohl ein Science-Fiction-Autor gewesen sein, dieser alte Grieche, oder er hat Seinesgleichen Eigenschaften aus der Tierwelt angedichtet. Fabel nennt man so etwas. Den Mund könnt ihr übrigens wieder zuklappen. Ich schaue öfters fern, wir haben zu Hause Full HD, welches sämtliche Farbtöne der Natur von allen Graunuancen bis hin zu blau und rot gestochen scharf zeigt. Einen glasklaren Sound hat die Kiste obendrein. Kevin behauptet zwar, es gäbe sogar noch mehr Farben, aber da bin ich jetzt ein bisschen außen vor, was er damit meint. Gut, er denkt ja auch, dass Hunde ausschließlich schwarz-weiß sehen.

    Wer hat aufgepasst, wo liegt der Fehler im Satz? Er denkt…

    Außerdem höre ich gern Radio. Vom ausgezeichneten Gedächtnis eines Hundes habt ihr vielleicht schon gehört. Also kein Grund, in Ehrfurcht zu erstarren, wenn ich solche Dinge weiß.

    Natürlich hatte ich die Nachricht an der Baumrinde sofort verstanden: Hier ist jemand neu im Revier, jung und mit Sinn für alles Schöne, kennt noch niemanden und würde sich über einen netten, aufgeschlossenen Freund freuen. Das Wichtigste an der Botschaft: Dieser Jemand ist weiblich und er signalisiert: ‚Nicht mehr lange, dann ist meine Zeit gekommen! Ich will mich schon mal ein bisschen umschauen, wer für mich alles in Frage kommt.’

    Da will ich den Zweibeiner-Kerl sehen, dem nicht die Zunge über die Mundwinkel hängt bei solchen Angeboten! Ich weiß, bei den Mädels muss man den richtigen Moment abpassen, sonst läuft gar nichts. Wenn sie nicht wollen, dann spielen sie nur mit dir, bringen dein Blut in Wallung, um schließlich die Rute zwischen die Hinterläufe zu klemmen und mit einem frechen Grinsen das Feld zu räumen. Das kenne ich aus Erfahrung und es ist immer ein bisschen, wie soll ich sagen – na, eben unbefriedigend, so etwas zu erleben. Ehrlich gesagt, ich könnte immer! Anfangs dachte ich, mit mir wäre irgendwas nicht in Ordnung und ich müsste mich dafür schämen oder eine Therapie machen. Bis ich erfahren habe, dass alle meine Geschlechtsgenossen, ob nun zwei-, vier- oder sonst wie viel beinig, so empfinden. Es ist halt der Wille der Natur und da geht es den Hunden wie den Leuten und, wie ich von Kevin weiß, den Menschen nicht viel anders.

    „Also los, Adolf, mit deutschem Gruß, dann gibt’s ein Bier!"

    Die erneute Aufforderung reißt mich aus meinen sehnsuchtsvollen Gedanken. Ich kann nun mal schlecht nein sagen bei den Kumpels und ein bisschen hebt der zu erwartende Applaus auch mein Selbstwertgefühl. Ich setze mich also auf die Hinterläufe, tariere kurz meinen Schwerpunkt aus und strecke dann meine rechte Vorderpfote schnurgerade und leicht nach oben geneigt von mir – ein typischer Adolf-Move eben.

    „Höhöhö, a-ha-ha-ha, ja, so ist’s richtig", erklingt es reihum voller Anerkennung. Kevin packt mich zärtlich am Hals, krault mich und schaut mit einem Stolz auf mich herab, als hätte er selbst dieses Kunststück gezeigt. Hat er aber nicht, obwohl er es ebenfalls kann, ich habe ihn schon mehrmals dabei beobachtet. Scheint auch für ihn nicht ganz einfach zu sein in Sachen Gleichgewicht, denn meistens schwankt er dabei gehörig.

    Tscherry hält mir eine Büchse hin und kippt sie leicht nach vorn. Ich platziere meine lange Zunge darunter, lasse das Bier darüber laufen und schlürfe genüsslich. Etwas lauwarm, genau wie ich es am liebsten mag. Ein kräftiger Rülpser, das muss so sein beim Bier trinken, und ich bette meinen großen Kopf behaglich auf die Vorderpfoten.

    „Wer zuviel säuft, stirbt", mault Irvin beleidigt, weil er nichts

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