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Nahtod-Erfahrungen – Neue Wege zu einem tieferen Verständnis
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eBook240 Seiten4 Stunden

Nahtod-Erfahrungen – Neue Wege zu einem tieferen Verständnis

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Über dieses E-Book

Nahtod-Erfahrungen im Spiegel der modernen Wissenschaft und als Tor zu einem neuen Welt- und Menschenbild!

Die Fülle von gut dokumentierten Nahtod-Erfahrungen ermöglicht es aufgeschlossenen Wissenschaftlern, die einzelnen Erlebnisberichte mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Instrumenten zu untersuchen. Fast alle Disziplinen, von der Philosophie über die Neurobiologie bis hin zur Quantenphysik befassen sich heute mit dem Phänomen Nahtod-Erfahrung.
Die vorliegende Dokumentation enthält einige der bemerkenswertesten Analysen aus den verschiedenen Fachbereichen und zeigt die vielfältigen Dimensionen auf, die sich anhand von unterschiedlichen Nahtod-Erfahrungen neu erschließen lassen.
Auch das Phänomen der „außerkörperlichen Erfahrung“ wird behandelt und schließt damit einen mannigfaltigen Kosmos des menschlichen Erlebens, der eine faszinierende Neubewertung des gesamten irdischen Daseins ermöglicht!

SpracheDeutsch
HerausgeberCrotona Verlag
Erscheinungsdatum16. Nov. 2020
ISBN9783861912194
Nahtod-Erfahrungen – Neue Wege zu einem tieferen Verständnis

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    Buchvorschau

    Nahtod-Erfahrungen – Neue Wege zu einem tieferen Verständnis - Wilfried Kuhn

    Einführung

    Von Zeit zu Zeit wird das Phänomen der Nahtod-Erfahrungen in den Medien diskutiert. Wenn man die Diskussionen regelmäßig verfolgt, kann man den Eindruck bekommen, die Nahtodforschung trete auf der Stelle. Es werden immer ähnliche Argumente Pro und Contra vorgetragen. Aber der Eindruck täuscht. Die öffentliche Diskussion ist verengt. Sie kreist um wenige Fragen, die sich vor allem auf medizinische Erklärungsversuche beziehen.

    In Wirklichkeit ist das Nahtod-Phänomen komplexer, als allzu vereinfachte Deutungen es erscheinen lassen. Es berührt Fragen, die nur in einer Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachrichtungen beantwortet werden können. Deshalb führt das Netzwerk-Nahtod-Erfahrung e. V. jährlich Tagungen durch, in denen Wissenschaftler aus relevanten Bereichen (zum Beispiel der Medizin, Theologie, Philosophie, Psychologie oder Physik) nach Antworten suchen. Die Ergebnisse veröffentlichen wir in unseren Tagungsbänden. Aus einer solchen Veranstaltung ist auch der vorliegende Band hervorgegangen, in dem wir neue Erkenntnisse und Wege vorstellen, die uns für die Zukunft der Nahtodforschung bedeutsam erscheinen.

    Eine wichtige Frage betrifft den Stand unseres Wissens. Wo stehen wir heute? Sind Nahtod-Erfahrungen, wie es manchmal heißt, »neurobiologisch erklärbar«? Der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. Dr. Wilfried Kuhn untersucht häufig genannte Erklärungsmodelle. Er zeigt, dass wir von einer Erklärung der Nahtod-Erfahrungen im Rahmen unseres heutigen Wissens weit entfernt sind. Er weist auf die außersinnlichen Wahrnehmungen hin, zu denen es während einer außerkörperlichen Erfahrung kommen kann. »Zahlreiche verifizierte Einzelbeobachtungen sprechen für die Realität dieser Wahrnehmung und gegen eine halluzinatorische Ursache.«

    Was ergibt sich vor diesem Hintergrund für das Verständnis des Bewusstseins? Dieser Frage geht der Bregenzer Philosoph Univ.-Doz. Dr. Eckart Ruschmann nach. Er sieht in Nahtod-Erfahrungen eine Herausforderung für die aktuelle Theorie, nach der Bewusstsein nur eine Hervorbringung des Gehirns ist. Er erörtert alternative Modelle, die den Erkenntnissen der Nahtod-Forschung adäquater sind. Seiner Ansicht nach sprechen viele empirische Daten dafür, dass Bewusstsein auch ohne funktionierendes Gehirn möglich ist. Diese Einsicht sei »durchaus geeignet, als ›Hebel‹ zu wirken, um die derzeit noch sehr festgefügt erscheinenden Konzepte des Naturalismus infrage zu stellen und langfristig abzulösen im Sinne eines grundlegenden Paradigmen-Wechsels«.

    Der Physiker Prof. Dr. Andreas Neyer geht von Berichten aus, in denen Nahtod-Erfahrene vom Eintritt in eine nicht-stoffliche Wirklichkeit berichten, in der Raum und Zeit keine Bedeutung haben und Alles mit Allem zusammenhängt. Eine solche Wirklichkeit erinnert ihn an die Eigenschaften von Quantenobjekten, wenn sie nicht gestört oder gemessen werden. Den Beitrag, den die Quantenphysik zum Verständnis von Nahtod-Erfahrungen leistet, sieht er darin, dass sie »als einzige aller Naturwissenschaften Denkmöglichkeiten (keine Beweise!) für Transzendenz« eröffne.

    Die Diplom-Pädagogin Dr. Silke Morche schreibt über »Pädagogische Konzepte und Nahtod-Erfahrungen – Mögliche Zugänge zu einem neuen Welt- und Menschenbild«. Sie orientiert sich dabei an Maria Montessori und Rudolf Steiner. Für beide gebe es ein »Mysterium des Kindes«. Rudolf Steiner sehe im Bild des Kindes den Träger des ewigen Lichtes, des Christuslichtes in uns. Nach Maria Montes­sori sei das Kind unser Lehrmeister der Liebe. Darin sieht Silke Morche auch eine Parallele zu Nahtod-Erfahrungen. »Eine mögliche Botschaft bzw. eine mögliche Schlussfolgerung wäre dann diese, dass in einem erweiterten Bewusstseinszustand in uns die Liebe und das Licht des Christus erfahren werden kann.«

    Ich selbst, Joachim Nicolay, bin Diplomtheologe und Diplompsychologe und habe in Philosophie promoviert. Ich stelle in meinem ersten Beitrag die Hermeneutik als die »Kunst, Nahtod-Erfahrungen zu verstehen« vor. Sie ermöglicht es, eine Ebene der Nahtod-Erfahrungen zu untersuchen, die bisher unerforscht geblieben ist. Das ist die Sinndimension. Sie entzieht sich dem naturwissenschaftlichen Zugriff und bedarf einer andersartigen Herangehensweise. Mit der Hermeneutik können methodisch abgesichert Aussagen beispielsweise zum Gottesbild, den Jenseitsvorstellungen oder ethischen Ansätzen in Nahtodberichten getroffen werden.

    In einem zweiten Beitrag zeige ich, dass sich auf hermeneutischen Untersuchungen aufbauend eine »Theologie der Nahtod- und Transzendenz-Erfahrungen« herausbilden kann. Sie hat ihre Grundlagen in den überkulturellen Erfahrungen von Menschen und ist daher unabhängig von vorhandenen religiösen Vorstellungen. Sie kann als eine Form »natürlicher« Theologie betrachtet werden, wie ich ausgehend von einem Konzept erläutere, das der britische Forscher Alister Hardy entwickelt hat.

    Für unsere Tagungen ist die Verbindung von Wissenschaft und Erfahrung kennzeichnend. Neben Fachreferenten laden wir Betroffene ein, die ihre Erlebnisse darstellen. Wir wollen so die Anbindung der Wissenschaft an die Erfahrungsebene fördern und der Gefahr entgegenwirken, dass Wissenschaftler, die Nahtod-Erfahrungen erforschen, sich in realitätsfernen Theorien verlieren. Diese Verbindung spiegelt sich auch in diesem Buch. Neben fachspezifischen Beiträgen enthält es zwei ausführliche Erfahrungsberichte.

    Dr. Ralph Skuban ist Autor zahlreicher Bücher zur Philosophie und Praxis des Yoga. Mit den meditativen Praktiken des Yoga und anderen Methoden hat er viele Male außerkörperliche Erfahrungen herbeigeführt, um eine persönliche Antwort auf die uralte Frage des Menschen zu finden, ob das Bewusstsein nach dem Tode weiterlebt bzw. unabhängig vom Körper existieren kann. Von einigen dieser Erfahrungen berichtet er in diesem Buch.

    Bernhard Marmorstein war berufstätig in der Pharmaindustrie. 1991 und 1992 unterbrach er seine berufliche Tätigkeit für den Dienst bei den UN-Blauhelmen. 2004, im Alter von vierzig Jahren, hatte er einen Tauchunfall in einem österreichischen See. Dabei kam es zu einer Nahtod-Erfahrung. Am Anfang stand ein ungewöhnlich langer Außerkörperzustand. Er schildert detaillierte Beobachtungen, die er im Zustand der Bewusstlosigkeit machte.

    Ich habe Bernhard Marmorstein in einem E-Mail-Austausch gefragt, ob er später mit seinen Tauchkameraden, die ihn reanimiert hatten, über seine Beobachtungen gesprochen habe. Seine Antworten finden sich in meinem abschließenden Beitrag: Joachim Nicolay, Nachträgliche Bestätigung – Ein Gespräch mit Bernhard Marmorstein über seine außersinnlichen Wahrnehmungen.

    Der Tagungsband erscheint zum ersten Mal im Crotona-Verlag. Wir danken dem Verleger Peter Michel für sein Angebot, unsere Bücher in seinem Verlag zu veröffentlichen, nachdem der Santiago Verlag, in dem unsere Tagungsbände bisher erschienen sind, geschlossen hat.

    Dr. phil. Joachim Nicolay

    (Vorsitzender des Netzwerk-Nahtod-Erfahrung e. V.)

    Wilfried Kuhn: Neurobiologische Modellvorstellungen und ihre Grenzen

    Besondere Erlebnisse in Todesnähe wurden schon in früheren Jahrhunderten sporadisch beschrieben, aber erst der amerikanische Psychiater Raymond Moody machte mit der Veröffentlichung des Buches »Life after Life« im Jahr 1975 das Phänomen der »Nahtod-Erfahrung/en (NTE)« einer breiten Öffentlichkeit bekannt (1). Seitdem rückten NTE auch zunehmend in den Blickpunkt der Naturwissenschaften, insbesondere der Neurobiologie. Allerdings hat sich die wissenschaftliche Erforschung der NTE aufgrund des spontanen Auftretens und der Subjektivität der Erlebnisse in der Folgezeit als nicht einfach erwiesen. Lange Zeit war man auf anekdotische Schilderungen einzelner Erlebnisse und retrospektive Studien angewiesen. Eine erste systematischere Untersuchung stammt von Albert Heim aus dem Jahr 1892. Im Jahrbuch des Schweizer Alpenclubs stellte er 30 Fälle von Bergsteigern vor, die einen Absturz nur knapp überlebt hatten. In diese Sammlung wurden zudem auch andere Menschen aufgenommen, die bei Unfällen oder im Krieg fast gestorben wären (2). Bis heute wurden mehr als 40 Studien über NTE in wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften publiziert. Bis zum Jahr 2000 waren die meisten dieser Untersuchungen jedoch retrospektiv angelegt. Wegen wissenschaftlicher Mängel in der Befragung und Rekrutierung der Teilnehmer wurden diese jedoch heftig kritisiert. Erst in den letzten zehn Jahren konnten mehrere prospektive Studien durchgeführt werden, bei denen wenige Tage nach einem medizinischen Ereignis (zum Beispiel Herzinfarkt und Reanimation) nach einem vorgegebenen Protokoll persönliche und medizinische Daten exakt erfasst wurden und die erhaltenen Ergebnisse somit wissenschaftlich als zuverlässig eingeordnet werden konnten (3).

    Die bisher bedeutendste prospektive Studie wurde 2001 in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift »Lancet« veröffentlicht (4). In dieser niederländischen Studie konnten konsekutiv 344 Patienten mit insgesamt 509 erfolgreichen Reanimationen nach Herzstillstand aufgenommen werden. Es fanden sich 41 Patienten (12%), die eine moderate bis tiefe NTE hatten. 82% der Patienten hatten keine Erinnerungen, 6% unklare, den Kriterien einer NTE nicht genügende schemenhafte Erinnerungen. Alle Patienten in dieser Studie waren zeitweise klinisch tot. Als klinisch tot wird ein Zustand bezeichnet, bei dem eine Phase der Bewusstlosigkeit bedingt durch Herzstillstand und/oder Atemstillstand aufgetreten ist. Eine dauerhafte Schädigung der Gehirnzellen ist bei rechtzeitiger Reanimation nicht zu erwarten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass bereits nach drei bis fünf Minuten Herz- und Kreislaufstillstand Gehirnschäden auftreten können. Trotz eventuell vorhandener Schäden kann dennoch das Bewusstsein wiedererlangt werden. Von diesen reversiblen klinischen Zuständen zu unterscheiden ist der Hirntod, bei dem ein irreversibler Verlust des Bewusstseins (Koma) bei gleichzeitigem Ausschluss anderer Koma-Ursachen wie zum Beispiel Narkose, Sedierung sowie dem Fehlen von Hirnstammreflexen und Spontanatmung gesichert ist. Der Nachweis der Irreversibilität wird nach genauen Untersuchungsvorschriften in einem Hirntod-Protokoll festgehalten.

    Die Umstände der Begegnung mit dem Tod sind nur von minimaler Bedeutung für das Auftreten der NTE (5). Diese Invarianz spricht aus neurobiologischer Sicht für das Vorliegen spezifischer physiologischer Mechanismen im Gehirn. Da die Induktion echter NTE experimentellen Zugriffen aus ethischen Gründen weitgehend verschlossen bleibt, beruhen die neurobiologischen Erklärungsmodelle hauptsächlich auf Vermutungen, Beobachtungen und experimentellen Studien von partiellen Elementen der NTE. Ausgehend vom wissenschaftlichen Paradigma, dass die neuronalen Repräsentationen bei Menschen die biologischen Grundlagen seiner subjektiven psychischen Erscheinungen sind (6), ergibt sich als Konsequenz, dass die Phänomene der NTE an materielle Vorgänge gebunden sein müssen und organische Ursachen haben. Vor diesem Hintergrund sind die vielfältigen Erklärungsversuche von Naturwissenschaftlern und Medizinern zu verstehen, welche bereits vor mehr als dreißig Jahren, als noch kaum wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema vorlagen, über mögliche Ursachen wie gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit, Ausschüttung von Endorphinen, cerebrale Veränderungen, biochemisch-elektrische Entladungen oder Veränderung des Gehörs, traumartige Zustände, Halluzinationen, Sauerstoffmangel oder Sauerstoffüberschuss, geschädigtes Kreislaufsystem, Einbildungen, Angst vor dem Tod, Traumata, induzierte Phantasien etc. spekulierten (7).

    Sind die bereits vor mehr als einem Vierteljahrhundert geäußerten Spekulationen inzwischen bestätigt oder sogar widerlegt worden? Kann die Neurobiologie heute NTE oder Elemente davon vollständig und überzeugend erklären? Diese Fragen sollen in den folgenden Abschnitten diskutiert werden.

    Rätsel Bewusstsein

    Bewusstsein und seine möglichen Veränderungen werden neurologisch in unterschiedliche Erscheinungsformen eingeteilt. Neben dem Zustand der Wachheit können im alltäglichen Leben häufig auch Phasen verringerten Bewusstseins beobachtet werden. Zur Beurteilung von pathologischen Prozessen des Gehirns ist aus neurologischer Sicht insbesondere die graduelle Einteilung in Somnolenz (allgemeine Verlangsamung), Sopor (Bewusstseinsstörung ohne Spontanaktivität) und Koma (Stadien tiefer Bewusstlosigkeit) von Bedeutung. Bei fast allen Komaformen kommt es im EEG zu einer Reduktion der Frequenzen bis zum sehr langsamen Deltarhythmus von 1-3 Hz. Ein Nulllinien-EEG zeigt das Fehlen jeglicher kortikaler Aktivität an und ist bei der Bestimmung des Hirntodes von Bedeutung.

    Ursachen schwerer Bewusstseinsstörungen sind meistens Schädigungen der Formatio reticularis in Hirnstamm und Mittelhirn. Diese ist beteiligt an der Kontrolle von Atem, Kreislauf, Wachen und Schlafen und wirkt bei der Regulation der Aufmerksamkeit mit. Auch die aufsteigenden retikulären Bahnen zum Großhirn sowie Läsionen des Großhirns selbst können zu Bewusstseinsstörungen führen. Neben der Beeinträchtigung des allgemeinen Bewusstseinszustandes gibt es spezifische Bewusstseinstrübungen und Veränderungen, welche im Allgemeinen auf kurzzeitige und dauerhafte Veränderungen im Großhirn zurückzuführen sind. Insbesondere die Heterogenität dieser »veränderten Bewusstseinszustände« (altered states of consciousness) wie z.B. Wachen und Schlafen, Tagträume, sexuelle Orgasmen, rhythmusinduzierte Trance, Meditation, Hypnose, psychotische Störungen, epileptische Störungen, Hyperventilation etc. erfordert eine differenzierte wissenschaftliche Beurteilung. Vaitl et al. beschreiben in einer Übersicht diverse psychologische und physiologische Ursachen der Entstehung (8).

    Im Unterschied dazu erweist sich die ursächliche Erklärung und Einordnung der NTE als außerordentlich schwierig. In den meisten Fällen sind die Patienten dabei ohne Bewusstsein (komatös). Das Bewusstsein wird dabei als hellwach und klar beschrieben, verbunden mit der Wahrnehmung einer beeindruckenden Sequenz von Phänomenen, die während eines Komas nach bisherigem neurologischen Kenntnisstand nicht auftreten dürften (»paradoxes Bewusstsein«). Aufgrund der Vielzahl von Auslösemechanismen ist jedoch eine eindeutige Zuordnung zu psychologischen oder physiologischen Ursachen zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, sodass NTE eher den spontan auftretenden veränderten Bewusstseinszuständen – ähnlich wie Schlaf und Traum – zugeordnet werden.

    Bei spontan auftretenden veränderten Bewusstseinszuständen finden sich oftmals Veränderungen der kortikalen Aktivität und eine Zunahme des Arousals (siehe unten). Dies gilt insbesondere für NTE, welche sich somit deutlich von pathologisch induzierten komatösen Zuständen unterscheiden, bei denen eine Reduktion der kortikalen Aktivität und des Arousals nachzuweisen ist. Wegen dieses nicht zu erklärenden Paradoxons argumentieren manche Neurobiologen, dass die Patienten bei einer NTE kurzfristig aus dem Koma erwachen, dies aber nicht vom ärztlichen Personal bemerkt wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass dies vielleicht in einigen seltenen Fällen vorgekommen ist, jedoch muss bei der deutlichen Mehrheit der aufgetretenen NTE diese Erklärung ausgeschlossen werden.

    Unter NTE sind die Betroffenen häufig unbeweglich, nehmen aber bewusst bestimmte Aspekte der Realität wahr, insbesondere die Tatsache, sich an der Grenze zum Tod zu befinden. Dieser Zustand ähnelt den Stadien des REM-Schlafs. Der REM-Schlaf wird auch als paradoxer Schlaf oder aktivierter Schlaf bezeichnet und ist gekennzeichnet durch rasche Augenbewegungen, muskuläre Atonie und vermehrte EEG-Aktivität. Im REM-Schlaf tritt zudem eine vermehrte psychische Aktivität auf, die sich in visuellen und motorisch geprägten Erlebnisprozessen (Träumen) darstellt. Dieses Stadium kann auch in das Wachbewusstsein eindringen (REM-Intrusion) und visuelle Halluzinationen beim Einschlafen (hypnagog) und beim Erwachen (hypnopomp) hervorrufen. Zudem kann REM-Intrusion zu Muskelerschlaffung (Atonie) und Schlaflähmung führen. Diese Symptome treten auch bei der Narkolepsie (Schlafkrankheit) auf, welche genetisch und auch symptomatisch bedingt sein kann. Man vermutet hier als Ursache Störungen in Arealen des Gehirns, welche für die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich sind (z.B. Hypothalamus).

    Visuelle Halluzinationen wurden z.B. bei Läsionen des Mittelhirns beschrieben (pedunkuläre Halluzinationen). Es wurden dabei Tunnelwahrnehmungen mit einem goldenen Tor am Ende, das Auftreten von Engeln oder auch Gefühle des Schwebens (Levitation) geschildert (9). Man nimmt an, dass Störungen in der mesopontin gelegenen Formatio reticularis, welche verknüpft ist mit dem serotonerg innervierten nucleus raphe, von Bedeutung sind. Es ist zudem bekannt, dass bestimmte Bahnen im Hirnstamm (ponto-geniculo-occipital) das visuelle System aktivieren können. Desweiteren induzieren kardiorespiratorisch auftretende Veränderungen das Eindringen der REM-Phasen in das Wachbewusstsein. Diese Beobachtung wie auch die Tatsache, dass OBE gehäuft bei Patienten mit Narkolepsie auftreten können, führte zu der Vermutung, dass die physiologischen Mechanismen der REM-Intrusion eine wichtige Rolle bei NTE spielen könnten (10). Nelson untersuchte deshalb 55 Patienten, die bereits NTE erlebten, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe und fand signifikant vermehrt schlafbezogene optische und akustische Halluzinationen bei Menschen mit NTE in der Vorgeschichte. Dies könnte dafür sprechen, dass NTE bevorzugt bei Menschen auftritt, die dazu befähigt sind, in lebensbedrohlichen Situationen physiologische Mechanismen im Gehirn zu aktivieren, die in der Folge REM-Intrusionen induzieren können (11).

    Schlaf, Wachen und auch andere veränderte Bewusstseinszustände sind sehr eng mit der Funktion des Arousal-Systems verknüpft. Dabei wird durch Aktivierung der Formatio reticularis des Hirnstammes eine gesteigerte Wachheit und Aufmerksamkeit induziert. Die Formatio reticularis umfasst ein ausgedehntes Neuronen-Netzwerk im Hirnstamm, dass von der Medulla oblongata (verlängertes Mark) bis zum Diencephalon (Zwischenhirn) reicht. Teile davon sind mit den serotonergen (nucleus raphe) und noradrenergen (locus coeruleus) Nervenbahnen verknüpft. Durch Verbindung von hypothalamischen Kernen und dem limbischen System ist die Formatio reticularis für die affektive Färbung von Sinneseindrücken von Bedeutung. Darüber hinaus führt die unspezifische Erregung von Tier und Mensch im Rahmen des Arousals zu einer allgemeinen Aktivierung der Großhirnrinde. Die Folge ist eine gesteigerte Wachheit und Aufmerksamkeit.

    In einer ergänzenden Analyse fand Nelson während der REM-Intrusion in der Gruppe mit NTE eine erhöhte Zahl von außerkörperlichen Erfahrungen (Out-of-Body-Erfahrung, OBE) (12). Die erhöhte Prävalenz von REM-Intrusionen wie auch OBE lässt darauf schließen, dass NTE, aber insbesondere auch OBE, durch das Arousal-System ge­triggert werden. Das Arousal-System kann durch mehrere Faktoren, z.B. Gefahr und/oder niedriger Blutdruck aktiviert werden. Auch bei den experimentell erzeugten Synkopen wurde eine Aktivierung der Formatio reticularis vermutet. Es ist somit naheliegend, dass sowohl NTE wie auch Synkopen in

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