Wer hat dich lieb, Martina?: Fürstenkinder 15 – Adelsroman
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Adrian Graf Uhlenfels ließ den Wagen vor der Schloßtreppe ausrollen und beugte sich auf die andere Seite, um die Tür aufzustoßen. Dann öffnete er die Tür neben dem Steuer, sprang heraus und lief um den Wagen. »Komm, Martina«, sagte er auffordernd und streckte die Hand aus, »steig aus, wir sind am Ziel!« Das kleine vierjährige Mädchen kletterte gehorsam aus dem großen Wagen und stand dann abwartend neben dem Mann, der es heute aus dem Heim geholt und von dem Schwester Lioba gesagt hatte, daß es ihr lieber Vati sei. Martina legte die kleine Hand in die ihres Vaters und ging schüchtern und müde an seiner Seite auf die Schloßtreppe zu. Eine fremde Frau mit schwarzem Haar kam ihnen auf der Treppe entgegen. Sie trug eine weiße Schürze, beinahe wie die Schwestern, bei denen Martina bis heute gewesen war, und das ließ sie vertraut erscheinen. »Guten Tag, Herr Graf«, sagte die Frau zu Martinas Vater, beugte sich dann zu der Kleinen hinunter und streckte ihr die Hand entgegen. »Guten Tag, Martina! Ich bin Tante Annabella und freue mich, daß du gekommen bist! Komm, wir gehen jetzt hinauf, waschen dich, und dann ruhst du dich ein bißchen aus. Später wirst du deine liebe Großmama begrüßen.« Stumm und ohne Widerstand ließ Martina sich von dieser Tante Annabella bei der Hand nehmen. Nur einen kurzen, verschüchterten Blick warf sie auf den Mann, der sie anlächelte. »Nun geh nur«, sagte er und ließ ihre Hand los. Die Stufen der Schloßtreppe waren nicht hoch, aber breit, und die kleinen Füße mußten sich anstrengen, bis endlich das Portal erreicht war. Auch hier in der Halle, die sie jetzt betraten, war alles so groß.
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Buchvorschau
Wer hat dich lieb, Martina? - Hannelore Meiendorf
Fürstenkinder
– 15 –
Wer hat dich lieb, Martina?
Ein einsames Kind sucht Mutterliebe
Hannelore Meiendorf
Adrian Graf Uhlenfels ließ den Wagen vor der Schloßtreppe ausrollen und beugte sich auf die andere Seite, um die Tür aufzustoßen. Dann öffnete er die Tür neben dem Steuer, sprang heraus und lief um den Wagen.
»Komm, Martina«, sagte er auffordernd und streckte die Hand aus, »steig aus, wir sind am Ziel!«
Das kleine vierjährige Mädchen kletterte gehorsam aus dem großen Wagen und stand dann abwartend neben dem Mann, der es heute aus dem Heim geholt und von dem Schwester Lioba gesagt hatte, daß es ihr lieber Vati sei.
Martina legte die kleine Hand in die ihres Vaters und ging schüchtern und müde an seiner Seite auf die Schloßtreppe zu.
Eine fremde Frau mit schwarzem Haar kam ihnen auf der Treppe entgegen. Sie trug eine weiße Schürze, beinahe wie die Schwestern, bei denen Martina bis heute gewesen war, und das ließ sie vertraut erscheinen.
»Guten Tag, Herr Graf«, sagte die Frau zu Martinas Vater, beugte sich dann zu der Kleinen hinunter und streckte ihr die Hand entgegen.
»Guten Tag, Martina! Ich bin Tante Annabella und freue mich, daß du gekommen bist! Komm, wir gehen jetzt hinauf, waschen dich, und dann ruhst du dich ein bißchen aus. Später wirst du deine liebe Großmama begrüßen.«
Stumm und ohne Widerstand ließ Martina sich von dieser Tante Annabella bei der Hand nehmen. Nur einen kurzen, verschüchterten Blick warf sie auf den Mann, der sie anlächelte.
»Nun geh nur«, sagte er und ließ ihre Hand los.
Die Stufen der Schloßtreppe waren nicht hoch, aber breit, und die kleinen Füße mußten sich anstrengen, bis endlich das Portal erreicht war.
Auch hier in der Halle, die sie jetzt betraten, war alles so groß. Und was waren das für merkwürdige schwarze Männer an den Wänden? Martina wußte nicht, daß dort Rüstungen aus dem Mittelalter standen, sie fühlte nur eine heiße Angst vor all dem Neuen und so furchtbar Großen in sich aufsteigen.
Tränen stiegen ihr in die Augen, und ohne daß sie es wollte, schluchzte sie leise auf.
Die neue Tante Annabella neben ihr blieb stehen und beugte sich zu ihr hinunter. »Hast du Angst, Martina? Komm, ich trage dich nach oben, morgen kennst du hier schon alles besser, dann ist es nicht mehr so schlimm.«
Annabella Thiessen hob das kleine verschüchterte Grafenkind auf den Arm, das Mädelchen schmiegte sich schutzsuchend an sie.
Schnell eilte Annabella die Treppe hinauf in das fix und fertig vorbereitete Kinderzimmer.
»So, Martina, hier sieht es anders aus! Sieh nur, da ist schon ein weißer Teddy, der auf dich wartet!«
Martina Komteß Uhlenfels wollte keinen weißen Teddy, sie wollte wieder zu ihrer lieben Schwester Lioba und zu den anderen Kindern. Hier gefiel es ihr ganz und gar nicht.
Aber ein braves Kind muß gehorchen, das hatte sie bei den Schwestern gelernt.
So hielt sie still, als Tante Annabella sie auszog, sagte höflich bitte und danke und gab Antwort, wenn sie gefragt wurde. Aber die Augen wurden nicht froh.
Es war Mittagszeit, Annabella rief durch das Haustelefon in der Küche an, kurz darauf wurde für das kleine Mädchen das Essen gebracht.
Die Tischplatte des niedrigen Tisches trug Bilder von Märchengestalten. Pilze mit lustigen Gesichtern, ein Frosch mit einer Krone und Zwerge mit Lampen und Spaten in der Hand marschierten darüber hin.
Auch der Tellerrand war verziert. Lauter zartrosa Blümchen umgaben ihn, und Martina hätte ganz sicher an all dem sehr viel Freude gehabt, wenn, ja, wenn sie nicht aus dem, was bisher ihr Heim und ihr Zuhause gewesen war, herausgerissen und in eine neue, völlig fremde Umgebung gebracht worden wäre.
Mit liebevollen Worten sprach Annabella immerzu mit dem Kind. Sie wollte das Vertrauen des mutterlosen Mädchens erringen, denn sie sollte die Kleine in den nächsten Jahren betreuen, und das ging nur, wenn zwischen ihnen die Fremdheit verschwand.
»Sehr schön hast du gegessen«, lobte sie, als das Kind satt war, nahm die Kleine bei der Hand und brachte sie zu Bett.
All das Neue und die lange Fahrt im Auto hatten Martina sehr ermüdet, und die Augen fielen sofort zu.
Einen Augenblick noch stand Annabella Thiessen neben dem Kinderbett und sah auf das schlafende Mädchen hinunter.
Wirst du hier glücklich werden, du mutterloses Kind? dachte sie und sah in Gedanken die alte Gräfin Feodora vor sich, die Mutter des Grafen Adrian und Großmutter des Kindes hier.
Wahrscheinlich hatten die Schwestern in dem teuren und komfortablen Heim dem Kind mehr Zuneigung geschenkt, als die Gräfin je zu vergeben hatte.
Annabella Thiessen dachte mit Schrecken daran, daß sie nachher, wenn das Kind geruht hatte, mit Martina hinunter mußte vor die kühlen, abweisenden Augen der Gräfin.
Ein plötzliches Mitleid mit der Kleinen ergriff sie, und sie nahm sich vor, ihr so liebevoll wie möglich zu begegnen.
*
Am Fenster, so daß sie in den Park hinaussehen konnte, saß in einem bequemen dunkelrot bezogenen Sessel Feodora Gräfin Uhlenfels.
Ihr gepflegtes weißes Haar hob sich von dem dunklen Hintergrund wirkungsvoll ab, und sie wäre trotz ihres Alters mit ihrem schmalen Gesicht eine schöne Frau gewesen, wenn nicht um den Mund und in den Augen der Hochmut und der Stolz gesessen hätten.
In den schlanken Händen, die von kostbaren Ringen geschmückt wurden, hielt sie den Stickrahmen mit einer Seidenstickerei. Bedachtsam zog sie die Nadel durch das Gewebe, zartfarbene Blüten wuchsen auf dem feinen Stoff.
Schweigend arbeitete sie schon eine ganze Zeit. Allmählich wurde es dämmrig im Zimmer, die Sommersonne sank glutrot hinter dem Wald, und in den Büschen im Park lagen schon die ersten blauen Schatten.
Gräfin Feodora legte ihre Handarbeit beiseite und hob den Blick. Ihr Sohn, Graf Adrian, spürte, daß seine Mutter ihn ansah. Er faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den kleinen Tisch, der neben ihm stand.
Erwartungsvoll blickte er dann auf.
Die schmalen Hände der alten Frau lagen auf der Platte ihres Nähtisches, sie saß aufrecht mit erhobenem Kopf und blickte hinaus in die immer tiefer werdende Dämmerung.
»Das Kind ist ängstlich und meiner Meinung nach verzogen worden. Mir scheint, die Schwestern in dem Heim sind sehr weiche Naturen!«
Der Graf holte sich mit einer Handbewegung seine Pfeife und den Tabaksbeutel aus Schweinsleder heran. Während er sorgfältig die Pfeife stopfte, ging er in Gedanken noch einmal den heutigen Tag durch.
»Bist du nicht gleich ein wenig zu anspruchsvoll? Schließlich ist das Kind erst vier Jahre alt und hat immerhin heute eine für sein Alter erhebliche Umstellung erlebt!«
Fast unmerklich hoben sich die feingestrichenen Augenbrauen der Gräfin. Eine leichte Mißbilligung lag in ihrem Blick, und sie meinte mit einer Stimme, die Erstaunen ausdrückte:
»Mir scheint, du vergißt, daß sie immerhin eine Komteß Uhlenfels ist. Haltung in jeder Lage sollte ihr angeboren sein. – Aber nun ja«, ihre Stimme wurde ironisch, »sie ist eben nur zur Hälfte eine Uhlenfels!«
Über das Gesicht des jungen Grafen lief eine zornige Röte. Er wäre am liebsen aufgefahren, beherrschte sich aber und antwortete nur: »Ich wäre dir dankbar, wenn du das alte Thema endlich aus dem Spiel lassen könntest. Isabell ist lange genug tot, wir sollten nun wirklich aufhören, abfällig von ihr zu sprechen.«
Die Gräfin gab keine Antwort mehr. Sie wußte, weiteres Verharren bei diesem Thema hätte zu Unerfreulichkeiten geführt, und das paßte ihr heute nicht. Außerdem war es im Augenblick nicht so wichtig.
»Nun gut«, beschwichtigend winkte sie mit der Hand, »lassen wir das! Ich werde mich jedenfalls in der nächsten Zeit intensiv um die Erziehung des Kindes kümmern. Haltung braucht eine Uhlenfels, Haltung in jeder Lage!«
Nervös wippte der Graf mit dem Fuß. Diese fatale Neigung seiner Mutter, sich immer und überall in seine Angelegenheiten zu mischen, gefiel ihm gar nicht. Leider konnte er sich nicht so recht wehren, das Testament seines Vaters hatte die Mutter zur Mitbesitzerin des Gutes und zur Alleinerbin des Vermögens gemacht. Er war also in gewisser Weise von ihr abhängig, wenn er seinen gewohnten Lebensstil nicht aufgeben wollte. Und das wollte er ganz und gar nicht!
Die Gräfin kannte ihre Machtposition nur zu gut, sie lächelte leise und griff wieder nach ihrer Handarbeit.
Ein leichter Druck auf den Schalter der Tischlampe, und ein warmer Schein fiel auf die Tischplatte.
Die Gesichter der beiden blieben im Dunkel.
Gerade wollte der Graf wieder nach seiner Zeitung greifen, als die Gräfin wieder zu sprechen begann.
»Adrian, du solltest wieder heiraten! Das Gut und der Name der Familie brauchen einen Erben, und außerdem solltest du eine Frau haben!«
»Und wen sollte ich, deiner Meinung nach, heiraten?« fragte Graf Adrian, nun seinerseits ein bißchen ironisch.
Vollkommen ungerührt von seiner Stimmung sagte die Gräfin:
»Geraldine Aarenhorst wäre meiner Ansicht nach ein Mädchen, das in Frage käme. Sie ist jung, ebenbürtig, reich, und wir kennen die Familie sehr genau. Eine sehr gute Gutsherrin würde