Wie kann ich dir nur helfen?: Der Arzt vom Tegernsee 59 – Arztroman
Von Laura Martens
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Über dieses E-Book
Seine Praxis befindet sich in Deutschlands beliebtestem Reiseland, in Bayern, wo die Herzen der Menschen für die Heimat schlagen.
Der ideale Schauplatz für eine besondere, heimatliches Lokalkolorit vermittelnde Arztromanserie, die ebenso plastisch wie einfühlsam von der beliebten Schriftstellerin Laura Martens erzählt wird.
Dr. Eric Baumann stand am Fenster seines Sprechzimmers und starrte in den Garten hinaus. An diesem Nachmittag warteten noch mehrere Patienten auf ihn, dennoch brauchte er ein paar Minuten, um sich zu entspannen. Der Mann, den er eben verabschiedet hatte, litt unheilbar an Krebs. Sie wußten beide, daß es keine Hoffnung mehr gab, und wie stets in so einem Fall gelang es ihm nicht, sich sofort dem nächsten Patienten zuzuwenden. Auch nach all den Jahren, die er als Arzt arbeitete, fiel es ihm schwer, den Tod durch Krankheit zu akzeptieren. Ununterbrochen fragte er sich wider besseres Wissen, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gab, seinem Patienten zu helfen. Es klopfte. »Ja, bitte!« rief er und wandte sich um. Franziska Kessler trat mit zwei Kaffeebechern ein und stellte sie auf den Schreibtisch. Eric eilte zur Tür und schloß sie hinter ihr. »Du bist ein Engel«, meinte er. »Ein Kaffee ist jetzt genau das richtige. Sieht aus, als könntest du Gedanken lesen.« »Ich habe Herrn Siebrands gesehen«, schrieb die junge Krankengymnastin auf den Block, den sie stets bei sich trug, da sie seit einem Unfall in ihrer Kindheit nicht mehr sprechen konnte, »und habe mir gedacht, daß du ein wenig Zuspruch gebrauchen könntest.« »Danke, Franziska.« Dr.
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Wie kann ich dir nur helfen? - Laura Martens
Der Arzt vom Tegernsee
– 59 –
Wie kann ich dir nur helfen?
Laura Martens
Dr. Eric Baumann stand am Fenster seines Sprechzimmers und starrte in den Garten hinaus. An diesem Nachmittag warteten noch mehrere Patienten auf ihn, dennoch brauchte er ein paar Minuten, um sich zu entspannen. Der Mann, den er eben verabschiedet hatte, litt unheilbar an Krebs. Sie wußten beide, daß es keine Hoffnung mehr gab, und wie stets in so einem Fall gelang es ihm nicht, sich sofort dem nächsten Patienten zuzuwenden. Auch nach all den Jahren, die er als Arzt arbeitete, fiel es ihm schwer, den Tod durch Krankheit zu akzeptieren. Ununterbrochen fragte er sich wider besseres Wissen, ob es nicht doch noch eine Möglichkeit gab, seinem Patienten zu helfen.
Es klopfte.
»Ja, bitte!« rief er und wandte sich um.
Franziska Kessler trat mit zwei Kaffeebechern ein und stellte sie auf den Schreibtisch.
Eric eilte zur Tür und schloß sie hinter ihr. »Du bist ein Engel«, meinte er. »Ein Kaffee ist jetzt genau das richtige. Sieht aus, als könntest du Gedanken lesen.«
»Ich habe Herrn Siebrands gesehen«, schrieb die junge Krankengymnastin auf den Block, den sie stets bei sich trug, da sie seit einem Unfall in ihrer Kindheit nicht mehr sprechen konnte, »und habe mir gedacht, daß du ein wenig Zuspruch gebrauchen könntest.«
»Danke, Franziska.« Dr. Baumann setzte sich ihr gegenüber an den Schreibtisch. »Man sollte meinen, daß ich lange genug Arzt bin, um mit den Tatsachen des Lebens fertig zu werden.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist schwer zu verstehen, weshalb ein noch so junger Mensch keine Chance mehr haben soll.« Vorsichtig nippte er an seinem Kaffee. »Heiß und stark, genau wie ich ihn liebe.«
»Wieviel Zeit bleibt Herrn Siebrands noch?« fragte Franziska schriftlich.
»Sechs, sieben Monate.« Eric holte tief Luft. »Was macht dein Kind?« wechselte er abrupt das Thema.
»Dem geht es gut.« Franziska legte eine Hand auf ihren Leib. »Ich schwebe nach wie vor auf Wolken. Es ist ein wundervolles Gefühl, in wenigen Monaten mein eigenes Kind in den Armen halten zu können. Ehrlich gesagt, ich kann kaum noch an etwas anderes denken.«
»Bitte, vergiß deinen Mann nicht darüber«, bat Eric. Manfred Kessler hatte sich erst an den Gedanken gewöhnen müssen, Vater zu werden. Er mochte Franziskas Mann und rechnete es ihm hoch an, daß er sogar die Gebärdensprache gelernt hatte.
»Nein, Manfred vergesse ich bestimmt nicht«, erwiderte sie. »Sag mal, hättest du nicht Lust, am Sonntag zu uns zum Essen zu kommen?«
»Warum nicht?« fragte er.
»Manfred hat dienstfrei, und er unterhält sich gern mit dir. Außerdem kann er es kaum noch erwarten, dir das Zimmer zu zeigen, das er für unser Kind richtet. Er will alles selbst machen. Momentan ist er dabei, es zu streichen.«
»Er wird bestimmt ein guter Vater.«
»Ja, das glaube ich auch.« Franziska nickte. »Mir ist es egal, ob unser Kind ein Bub oder ein Mädchen wird, aber Manfred wünscht sich einen Sohn, das weiß ich, auch wenn er behauptet, er hätte gern eine Tochter, die mir gleicht.«
Wenige Minuten später rief Tina Martens, eine der beiden Sprechstundenhilfen, Angelika Neuberg auf. Eric hatte sich wieder gefangen. Das Gespräch mit Franziska hatte ihm gutgetan und ihn auf andere Gedanken gebracht. Als er Frau Neuberg die Hand reichte, fiel ihm sofort auf, daß sie sich wie ein junges Mädchen zurechtgemacht hatte, dabei hatte sie im letzten Jahr ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert.
Frau Neuberg war vor zwei Jahren Witwe geworden. Zuerst hatte es ausgesehen, als wollte sie ihrem Mann ins Grab folgen, doch bereits knapp sechs Monate später hatte sie ihre Trauerkleidung abgelegt und sich in dem Tegernseer Modehaus, in dem ihre Tochter arbeitete, völlig neu eingekleidet. Sie schien alles nachholen zu wollen, was sie eventuell während ihrer Ehe versäumt hatte.
»Gestern hatte ich auf der rechten Seite heftige Leibschmerzen«, klagte sie, nachdem sie Platz genommen hatte. »Heute sind sie nicht ganz so schlimm.« Ihr teures Parfüm erfaßte auch noch den letzten Winkel des Raumes. »Am besten, Sie machen noch einmal einen Ultra-Schall.«
Eric hatte Frau Neuberg während der vergangenen Monate mehrmals gründlich untersucht. Mal klagte sie über Schmerzen auf der linken, dann auf der rechten Seite. Er konnte nichts feststellen. Sie war auch schon geröntgt worden. Physisch schien sie kerngesund zu sein. Deshalb vermutete er, daß es sich um psychosomatische Schmerzen handelte.
»Machen Sie sich bitte frei«, bat er, weil er ganz sicher gehen und nichts versäumen wollte.
»Gern.« Angelika Neuberg stand auf und zog sich ohne Scheu aus. Sie schien es sogar zu genießen, sich entkleiden zu können. Seit dem Tod ihres Mannes trug sie fast nur noch schwarze Unterwäsche, diesmal mit roten Spitzen. »Bitte, Herr Doktor, tun Sie Ihr Werk«, meinte sie, als sie sich hinlegte. Ihr Benehmen paßte so gar nicht zu den Schmerzen, über die sie klagte, und genauso wenig paßte es dazu, daß sie versuchte, dem Arzt tief in die Augen zu sehen, als er auf dem Hocker vor dem Ultra-Schall-Gerät Platz nahm.
Auch die erneute Ultra-Schall-Untersuchung brachte kein Ergebnis. Dr. Baumann wartete, bis sich Frau Neuberg völlig angezogen hatte, bevor er sagte: »Meiner Meinung nach wäre es ganz gut, wenn Sie einmal einen Neurologen aufsuchen würden. Der Tod Ihres Mannes hat Ihre Nerven stark belastet. Und denken Sie daran, wie lange sie ihn gepflegt haben. So etwas bleibt meistens nicht ohne Folgen.«
»Wollen Sie etwa behaupten, daß ich mir meine Schmerzen nur einbilde, Doktor Baumann?« fragte Angelika Neuberg empört. »Es handelt sich um einen sehr konkreten Schmerz. Mal verschwindet er für zehn Tage, dann taucht er wieder auf. Gestern ist mir sogar übel geworden.« Sie schlug ihre langen Beine übereinander. Völlig unpassend zu der Kälte, die an diesem Tag herrschte, trug sie einen Minirock und eine sehr dünne Feinstrumpfhose. Ihre Füße steckten in teuren Pumps.
»Es gäbe noch die Möglichkeit einer gründlichen Untersuchung im Krankenhaus. Dazu müßten Sie für einige Tage stationär aufgenommen werden.« Er beugte sich zu ihr. »Auf jeden Fall sollten wir Ihren Schmerzen auf den Grund gehen.«
»Nein, ein Krankenhaus kommt nicht in Frage.« Sie schüttelte so heftig den Kopf, daß ihre halblangen Locken nach allen Seiten flogen.
»Und wie wäre es mit einer Untersuchung bei einem Internisten?«
»Wenn Sie meinen, daß Sie mir nicht helfen können, geben Sie mir eben eine Überweisung zu einem Internisten«, antwortete sie. »Auf jeden Fall weiß ich, daß meine Schmerzen sehr real sind. Den Neurologen schlagen Sie sich bitte aus dem Kopf.«
Angelika Neuberg war noch immer wütend, als Dr. Baumann sie nach draußen brachte. Kühl wünschte sie ihm einen schönen Abend und verließ hochaufgerichtet die Praxis. Ununterbrochen dachte sie darüber nach, daß er sie zu einem Neurologen hatte schicken wollen. Was bildete er sich eigentlich