Parker schnappt den Erbsenzähler: Butler Parker 195 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Über dieses E-Book
Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
»Geht meine Wenigkeit möglicherweise recht in der Annahme, daß Sie das suchen, was man gemeinhin Händel zu nennen pflegt?« erkundigte sich Josuah Parker höflich und musterte den jungen, muskelstarken Mann, der ihn bereits zum zweiten Mal absichtlich gerempelt hatte. »Schnauze, Mann«, fuhr ihn der Angesprochene gereizt an. »Hau' endlich ab mit deinem Schrottkarren.« »Wie Ihnen nicht entgangen sein dürfte, bemüht man sich bereits meinerseits den Parkplatz zu räumen«, versicherte der Butler. Parker stand neben seinem hochbeinigen Wagen, der einst als Taxi am Londoner Straßenverkehr teilgenommen hatte. Sein Privatwagen sah zwar ungemein betagt aus, doch dieser Eindruck täuschte. Unter dem eckigen Aufbau befand sich modernste Technik, allein der Motor hätte jedem Rennwagen zur Ehre gereicht. »Wird's endlich, oder sollen wir dir Beine machen?« fauchte der junge Mann den Butler an. Parkers Wagen stand vorschriftsmäßig zwischen zwei Begrenzungslinien, wie es sich gehörte. Die beiden Männer hingegen hatten ihren Jaguar bis dicht an die hintere Stoßstange von Parkers Wagen gestellt und waren später dann von einem anderen Auto eingekeilt worden. Nun kamen sie mit ihrer teuren Limousine nicht heraus und waren wütend und ungeduldig. »Sie sollten zur Kenntnis nehmen, daß mir Ihr Ton keineswegs gefällt«, ließ der Butler sich vernehmen. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und entsprach, was die Kleidung betraf, dem Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers. Über seinem schwarzen Zweireiher trug er einen Covercoat, auf dem Kopf saß die gewohnte Melone. Parker strahlte Würde und Distanz aus.
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Parker schnappt den Erbsenzähler - Günter Dönges
Butler Parker
– 195 –
Parker schnappt den Erbsenzähler
Günter Dönges
Josuah Parker hatte gerade einige ausgesuchte Teesorten in einem Spezialgeschäft in der City von London eingekauft und schritt würdevoll und gemessen zu seinem hochbeinigen Monstrum, das auf einem kleinen, nur den Kunden des Teehauses vorbehaltenen Parkplatz stand. Der Butler hatte mit Sorgfalt gewählt und einige kleine Proben genommen. Er freute sich, Lady Simpson in spätestens einer Stunde mit einem gerade eingeflogenen Tee verwöhnen zu können. Und er dachte mit Sicherheit nicht an eine Begegnung mit Gaunern oder Gangstern.
Zur Zeit gab es keinen Fall. Die kriminelle Szene schien eine Verschnaufpause eingelegt zu haben. Wahrscheinlich hing dies mit einem Prozeß zusammen, der vor dem höchsten Gericht verhandelt werden sollte, von dem Parker aber nur aus Zeitungsberichten wußte. Er hatte seinen Privatwagen noch nicht ganz erreicht, als ein etwa fünfundvierzigjähriger Mann aus einem Bentley stieg und sich den Hut zurechtrückte. Als er dann die rechte Hand vom Hutrand wieder herunternahm, zückte der seriös aussehende Mann plötzlich eine Automatic, die mit einem Schalldämpfer versehen war. Parker blieb höflich-abwartend stehen, zumal der Lauf auf ihn gerichtet war.
»Muß man davon ausgehen, daß Sie auf meine Wenigkeit gewartet haben?« fragte Parker.
»Muß man«, bestätigte der Mann und lächelte dünn, »und das ist kein Scherz, Parker ...«
»Da Sie meinen Namen kennen, dürfte eine Verwechslung ausgeschlossen sein.«
»Ich bin nicht allein. Rechts hinter Ihnen steht mein Partner. Nein, nicht umdrehen, ich könnte das verdammt mißverstehen!«
»Ihr Wunsch ist mir verständlicherweise Befehl«, antwortete Josuah Parker. »Darf man erfahren, wie es weitergehen soll? Sie haben in dieser Hinsicht sicher konkrete Vorstellungen.«
»Bis in die letzte Kleinigkeit, Parker«, warnte der Fünfundvierzigjährige und lächelte erneut dünn. »Kommen Sie, steigen Sie ein! Wir haben ’ne kleine Rundfahrt vor uns.«
»Hegen Sie möglicherweise die Absicht, meine bescheidene Person in das sogenannte Jenseits zu spedieren?«
»Warten Sie’s doch ab. Vielleicht kommen Sie auch mit blauen Augen davon.«
»Bevorzugen Sie meinen Wagen, wenn man fragen darf?«
»Wir nehmen den Bentley«, entschied der Mann, der seine Waffe in die Schulterhalfter zurückgesteckt hatte. Parker hütete sich nach wie vor, eine falsche Bewegung zu machen. Er hatte längst erkannt, daß er es mit einem Mann zu tun hatte, den man nicht ohne weiteres überlisten konnte. Parker ging also vorsichtig zu dem Bentley, in dessen Fond jetzt plötzlich ein zweiter Mann zu sehen war. Er schien sich die ganze Zeit über flach auf das Sitzpolster gelegt zu haben.
Dieser zweite Mann öffnete die hintere Wagentür und überwachte das Einsteigen des Butlers, der behutsam Platz nahm. Der Fünfundvierzigjährige setzte sich ans Steuer und verließ dann langsam den kleinen Parkplatz. Bei dieser Gelegenheit entdeckte Parker den Mann, der schräg hinter ihm Posten bezogen hatte. Dieser Mann saß in einem kleinen Toyota und blieb anschließend dicht hinter dem Bentley.
»Hatte man in der Vergangenheit vielleicht bereits das Vergnügen?« erkundigte sich der Butler nach einer Weile.
»Bestimmt nicht, Parker, wir sind neu in der Stadt.« Der Fahrer des Bentley warf einen schnellen Blick in den Rückspiegel. »Und ob Sie später noch von ’nem Vergnügen sprechen werden, steht auf ’nem anderen Blatt.«
»Meine Bemerkung war selbstverständlich nur als Floskel zu verstehen«, äußerte Josuah Parker. Er war schon allein vom Aussehen her das Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers, den nichts zu erschüttern vermochte.
Parker trug an diesem frühen Nachmittag einen schwarzen Zweireiher, einen weißen Eckkragen und einen schwarzen Binder. Auf dem Kopf saß eine schwarze Melone. Zwischen den Knien hielt er seinen altväterlich gebundenen Regenschirm. Das Päckchen mit den Teesorten lag neben ihm auf dem Polster.
Sein Mitfahrer ließ ihn nicht aus den Augen. Er hielt einen kurzläufigen Revolver ohne Schalldämpfer in der Hand und drückte den Lauf gegen Parkers Seite.
»Wollen Sie gar nicht wissen, wer Sie sprechen will?« fragte der Fahrer nach einer Weile.
»Meine Wenigkeit möchte Sie keineswegs inkommodieren«, lautete Parkers umgehende Antwort.
»Mann, Sie haben vielleicht ’ne komische Sprache drauf«, amüsierte sich der Fahrer. »Sie reden wie ein Film-Butler.«
»Das ist eine Frage der Erziehung und Gewohnheit, wenn man es mal so ausdrücken darf«, gab Josuah Parker zurück. »Eine gepflegte Ausdrucksweise erleichtert die Kommunikation, wie die Erfahrung lehrt.«
»Mal sehen, ob Sie das durchhalten, Parker«, reagierte der Fünfundvierzigjährige skeptisch. »Man hat uns gesagt, daß Sie sowas wie’n Wunderknabe sind. Ich laß mich überraschen, aber ich sag Ihnen gleich, bei mir ist bisher noch jeder weich wie ’ne faule Birne geworden. Ich habe da so meine Methoden.«
*
Nicht weit entfernt von den weltbekannten Tennisplätzen in Wimbledon ließ der Fahrer den Bentley auf ein Grundstück rollen, das zur Straße hin von einer übermannshohen, dichten Taxushecke abgeschlossen wurde. Hinter hohen Sträuchern lag ein kleines Haus, das eigentlich nur aus Anbauten bestand. Man schien immer wieder ein weiteres Zimmer angefügt zu haben, ohne jede erkennbare Regel.
Dieses seltsame Haus machte einen unbewohnten Eindruck, doch als der Bentley vor dem Eingang stoppte, wurde die Tür geöffnet. Zwei weitere Männer tauchten auf und zeigten ungeniert ihre Schußwaffen.
Parker verließ den Wagen und entdeckte den kleinen Toyota, der gerade von der Straße einbog. Der Butler fürchtete vorerst nicht um sein Leben. Man hätte ihn auf dem Parkplatz in der City ohne weiteres niederschießen können. Da man aber darauf verzichtet hatte, schien es hier um andere Dinge zu gehen. Um sie herauszufinden, hatte Parker bisher auf jede Gegenwehr verzichtet.
Gemessen und würdevoll betrat er das Haus, flankiert von den beiden Männern, die ihn am Eingang erwartet hatten. Er ließ sich durch eine geräumige Diele in einen Wohnraum bringen, der mehr als spärlich möbliert war. Es gab da nur einige alte, sehr mitgenommen aussehende Sessel, einen Schrank und einen Couchtisch, auf dem jede Menge Bierdosen standen.
»Setzen Sie sich, Parker«, sagte der Fünfundvierzigjährige. »Tanken Sie noch etwas Energie auf. Sie werden sie brauchen.«
Josuah Parker setzte sich. Dabei legte er den altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm quer über die Knie. Er hatte seinen Zweireiher beiläufig aufgeknöpft und zeigte seine Weste, in deren Taschen erstaunlich viele Kugelschreiber zu sehen waren. Die Gangster aber hatten erfreulicherweise keinen Blick dafür. Der Fünfundvierzigjährige hatte sich eine Zigarette angezündet und warf nun einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Sie erwarten Besuch, wie zu vermuten ist?« erkundigte sich der Butler höflich.
»Überlegen Sie sich inzwischen schon mal, wo Sie ein paar Disketten versteckt haben«, erwiderte der Mann.
»Disketten?« wiederholte Parker. »Darf man erfahren, was der normale Mensch sich darunter vorzustellen hat?«
»Mann, ziehen Sie hier bloß keine Show ab«, fuhr ihn der Mann an. »Natürlich wissen Sie verdammt genau, was Disketten sind, oder?«
»Sie sehen einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann vor sich, für den die moderne Technik nicht mehr nachvollziehbar ist«, antwortete der Butler.
»Wenn man Sie so sieht, Parker, glaubt man’s sogar«, redete der Fünfundvierzigjährige weiter. »Disketten sind so ’ne Art Schallplatten, die man mit Informationen vollstopfen kann. Diese Dinger sind noch kleiner als Compact-Discs, klar?«
»Es handelt sich also um Speichereinheiten in Form kleiner, schallplattenähnlicher Scheiben?«
»Kapiert, Parker. Und die Dinger werden Sie ja erst vor ein paar Tagen in Händen gehabt haben, oder?«
»Sie erlauben, daß ich meiner Irritation Ausdruck verleihe?«
»Uns machen Sie nichts vor, Parker, Sie haben einige von diesen Dingern an Land gezogen. Und die wollen wir zurückhaben. So einfach ist das.«
»Könnte man Sie möglicherweise mit einer falschen Information bedient haben, was meine Wenigkeit betrifft?«
»Warten Sie, bis der Boß kommt, Parker, dann reden wir weiter und werden uns ... Aha, er rauscht an. Gleich wird Ihr Gedächtnis wieder voll funktionieren. Wetten?«
Parker hörte durch das Fenster das Knirschen von Kies, der von Autoreifen gedrückt wird. Die beiden Türwächter verließen den Wohnraum, um dem Neuankömmling zu offenen. Der Toyota-Fahrer baute sich an der Tür zur Diele auf, während der Fünfundvierzigjährige und sein Partner sich kühl gaben, was allerdings gespielt war, wie Parker sofort erkannte.
Um die allgemeine Entwicklung nicht außer Kontrolle geraten zu lassen, gab Josuah Parker seine bisher geübte Reserve auf. Er drückte mit dem rechten Zeigefinger seiner schwarz behandschuhten Hand auf einen Knopf, der oben am Schaft des Schirmes versteckt angebracht war. Daraufhin entwich komprimierte Kohlensäure