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Bin hexen: Geht in Deckung
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Bin hexen: Geht in Deckung
eBook369 Seiten4 Stunden

Bin hexen: Geht in Deckung

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Über dieses E-Book

Es wird weitergehext! Prim geht in die zweite Runde! Hexe Prim will die Magie endlich mögen. Leider ist das schwieriger als erwartet. Zaubern ist noch immer gefährlich und völlig unberechenbar. Als jedoch ein Mitglied ihres Zirkels ermordet wird, erkennt Prim die unfassbare Wahrheit: Die Magie ist nicht nur chaotisch und frech. Sie kann auch töten. Prim will den Mörder fassen, bringt damit aber auch den ehemaligen Hexenjäger Liam in Lebensgefahr. Kann sie ihn retten? Oder ist der Preis dafür zu hoch?Eine Hexe, die für ihre Liebe kämpft.Ein Mörder, der sein Unwesen treibt.Und eine Magie, die alles nur noch schlimmer macht.

Teil 1: Bin hexen Wünscht mir Glück
Teil 2: Bin hexen Geht in Deckung
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum3. Juli 2019
ISBN9783959918169
Bin hexen: Geht in Deckung

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    Buchvorschau

    Bin hexen - Liane Mars

    Kapitel 1

    Wenn das Zauberpüppchen tanzt

    Ich starrte fassungslos das Hula-Mädchen an, das auf meiner Türschwelle herumzappelte. Das handtellergroße Püppchen klapperte wild mit seinem Kokosnuss-BH und ließ die Hüften so heftig kreisen, dass sein ohnehin schon viel zu kurzes Baströckchen in unanständige Höhen wirbelte. Dabei giggelte und kicherte es. Der laszive und gleichzeitig herausfordernde Blick aus sturmgrauen Augen war eindeutig eine Kriegserklärung. An mich.

    Ich schluckte.

    Der Tanz des Püppchens allein war schlimm genug. Sobald das Magiewesen zu hüpfen begann, zeigte es mir eindringlich an, dass ich dringend zaubern musste. Etwas, das ich möglichst vermied, da ich darin nach wie vor eher unbegabt war. Aber dass das Zaubermädchen vor meiner Haustür tanzte – das war das eigentliche Problem. Es hatte hier nichts zu suchen. Bisher hatte es bei meiner Mutter gewohnt. Was machte es also vor meiner Haustür?

    In der gleichen Sekunde klingelte mein Festnetztelefon. Okay. Es muhte vielmehr. Seitdem ich ein einziges Mal ohne Zirkelunterstützung daheim gezaubert hatte, waren sämtliche elektrischen Geräte defekt. Mein Toaster spielte die französische Nationalhymne, meine Kaffeemaschine gab Milch und mein Fernseher zeigte nur noch Dokumentationen über Kühe.

    Das Muhen des Telefons wurde intensiver, je länger ich wartete. Aber das Hula-Mädchen! Was machte ich denn jetzt mit dem? Ich durfte es unmöglich allein vor der Tür lassen. So was konnte in einer Katastrophe enden.

    Das Püppchen nahm mir die Entscheidung ab, sauste an mir vorüber und hielt auf die Treppe zu. Sofort geriet ich in Panik. Liam war oben im Bad und sang wie immer lauthals unter der Dusche. Das Hula-Mädchen hatte das gehört und erklomm bereits jede Stufe einzeln, das Ziel fest vor Augen. Liam.

    Jener Hüne, der panische Angst vor magischen Dingen hatte.

    Dem ich fest versprochen hatte, ihn vor den Belästigungen verzauberter Gegenstände, insbesondere verliebter Hula-Püppchen, zu beschützen.

    Und der mir die Hölle heiß machen würde, sollte er Besuch von ebenjenem Zaubermädchen bekommen. In der Dusche.

    Hektisch schmiss ich die Tür zu und wollte hinterher, da muhte mich das Telefon so laut an, dass ich meine Meinung änderte. Besser ich nahm den Anruf an. Klang dringend.

    »Was?«, schrie ich in den Hörer und brüllte gleichzeitig in Liams Richtung: »Achtung, das Hula-Mädchen kommt.«

    »Genau. Deswegen rufe ich an«, sagte meine Mutter am anderen Ende der Leitung. Zeitgleich fing Liam an zu quieken.

    »Scheiße«, hörte ich und weitere Flüche folgten. Dann kam das, was ich bereits erwartet hatte. »Prim! Prim, komm her und schaff das verflixte Hula-Püppchen aus meiner Dusche.«

    »Vermisst du was?«, seufzte ich in den Hörer. Das Püppchen terrorisierte normalerweise Mamas Haushalt. Jeder Hexenzirkel besaß ein mehr oder weniger nerviges Exemplar. Es zeigte mit seinem Getanze an, wenn der magischste Hexer des Kreises zaubern musste. In meiner Runde war das ich.

    »Die freche Göre muss durchs Fenster getürmt sein«, erklärte meine Mutter und ich stutzte. Nanu? Meine Mutter klang gestresst. Das war sie noch nicht einmal beim bevorstehenden Weltuntergang gewesen. Hervorgerufen durch ihre eigene Tochter.

    »Ja, aber was will sie denn hier?«, fragte ich verwirrt. Ihre Antwort über Liams deftiges Gefluche hinweg zu hören war leider unmöglich. Ich vernahm nur Wortfetzen wie ›Änderung‹ und ›neu‹ und ›Zirkel‹.

    Was ich ziemlich gut hörte, war Liams Gebrüll. »Prim, Prim, Prim«, rief er immer wieder. »Das Püppchen entblättert sich. Es legt einen Striptease aufs Parkett. Hilfe!« Da der Mann ein überaus geachteter, richtig gut ausgebildeter Hexenjäger war, nahm ich seine Not nicht wirklich ernst. Ja, er hatte Angst vor Hula-Püppchen. Das konnte ich sogar verstehen. Aber die Dinger waren normalerweise nur nervig und eher ungefährlich. Viel beunruhigender war Mamas unverständliche Plapperei.

    Die Haustürklingel bimmelte erneut. Ich ignorierte sie zunächst, doch leider konnte ich dadurch Mamas Erklärung noch viel weniger verstehen.

    »Mama, ich rufe gleich zurück«, unterbrach ich ihren Redeschwall, warf den Hörer auf die Gabel und hetzte zur Tür. Bevor ich dort ankam, polterte Liam die Treppe runter und sah mich erzürnt an. Er war allein.

    »Wo ist das Püppchen?«, fragte ich entsetzt. Das Mädchen durfte man ähnlich wie einen Zweijährigen niemals unbeaufsichtigt lassen. Die Folgen konnten verheerend sein. Für die Wohnung, das eigene Wohlbefinden und sämtliche Nachbarn dieser Welt.

    Ein Pfiff ertönte und ein lasziv die Hüften schwingendes Püppchen erschien auf dem Handlauf der Treppe. Das Baströckchen und der Kokosnuss-BH hatten sich in Luft aufgelöst. Nur die Blümchenkette hielt es noch in den Händen und ließ sie wie eine Peitsche durch die Luft sausen.

    »Es wollte mit mir duschen. Nackt.« Liams Empörung war unübersehbar. Seine sonst bronzene Haut hatte jetzt einen Hauch von Rot und in seinen dunkelblauen Augen funkelte die reine Wut. Er fand die Avancen des Zaubermädchens überhaupt nicht lustig. Kein Wunder. Liam hasste nach wie vor alles Magische. Er ertrug den Toaster, die Kaffeemaschine und das Telefon nur mir zuliebe. Beim Hula-Püppchen hörte seine Geduld jedoch auf.

    Meine Haustürklingel starb inzwischen den Heldentod, sodass ich mir eine Antwort sparte. Stattdessen riss ich die Tür auf, um das Geklingel zu beenden.

    Ich blickte in zwei riesige grüne Augen. »Hey, Primadonna. Wie geht’s?« Zu den grünen Augen gehörten ein freches Grinsen, wildes Kaugummikauen und jede Menge Piercings.

    »Gut. Und wer fragt das?«

    Eine Kaugummiblase verdeckte kurz den schwarz geschminkten Mund. Ich wartete, bis sie platzte. »Ich bin Nao und freu mich voll, dass ich dich als Zirkelmutti zugeteilt bekommen habe. Endlich gehöre ich zu einer richtig coolen Truppe. So wie die da.« Sie deutete lässig über ihre Schulter und meinte damit drei Männer, die ich erst jetzt wahrnahm. Sie waren groß, schlank und attraktiv. Mehr registrierte ich nicht, bevor ich der Kaugummisüchtigen abrupt die Tür vor der Nase zuschlug.

    Langsam drehte ich mich zu Liam um, der mich entsetzt anstarrte. Vor ihm stand noch immer das Hula-Püppchen und warf ihm Luftküsschen zu, doch vergebens. Liam ignorierte es gekonnt.

    »Hat sie Zirkelmutti gesagt? Und dich damit gemeint?«, fragte er tonlos.

    Ich brachte nur ein gequältes Würgen hervor und wählte in Windeseile Mamas Nummer. »Da stehen drei Typen und ein Teenager vor meiner Tür und behaupten, ich sei jetzt ihre Zirkelmutter«, quiekte ich.

    »Jaaaaaa«, sagte meine Mutter gedehnt. »Das habe ich mir schon gedacht, als dein Hula-Püppchen abgehauen und ein etwas lethargisches neues hier aufgetaucht ist. Die Mädels verschwinden nur, wenn der mächtigste Zauberer im Zirkel tot oder selbst zur Zirkelmutter geworden ist. Und da du ganz offensichtlich noch lebst, gilt in deinem Fall Letzteres. Herzlichen Glückwunsch, Prim. Du führst jetzt einen eigenen Zirkel.«

    Mir gaben die Beine nach, und ich sackte vor der Tür zusammen. Ich? Zirkelmutti? Bestimmt nicht!

    »Wer ist tot?« Liam war schneller als der Schall bei mir und hatte meinen Zusammenbruch falsch verstanden. Besorgt legte er seine große Hand auf meine Schulter, rüttelte an mir.

    »Niemand«, krächzte ich. Wobei das relativ war. Ich würde bald tot sein. Umgebracht von Liam, sobald er die Neuigkeiten hörte. »Aber das da draußen … das sind meine neuen Zirkelangehörigen. Liam … Ich bin jetzt Zirkelmutter.«

    Liam blinzelte mich an. »Guter Witz.«

    »Kein Witz. Echt wahr.«

    Er blinzelte erneut und schnippte dabei das Hula-Mädchen von seiner Schulter, das unaussprechliche Dinge mit seinem Ohr tat. »Prim«, knurrte er mich in einem Tonfall an, den er schon lange nicht mehr bei mir verwendet hatte. Das letzte Mal hatte er so mit mir gesprochen, als ich ihm gestehen musste, dass ich eine Hexe bin. Jene Hexe, die ihn in seiner Kindheit versehentlich verhext und damit sein Leben zerstört hatte. Die zahlreichen Narben, die er dadurch davongetragen hatte, waren unübersehbar in seine nackte Haut eingebrannt. Sobald er sich bewegte, waren sie offensichtlich. Ein Sinnbild für alles, was mit Magie schiefgehen konnte. Und wie gefährlich sie war. »Bring das wieder in Ordnung.«

    Ich raufte mir meine kurzen Haare, die momentan silbern waren. Eigentlich hatte ich den Fluch gebrochen, der meinen Haaren jede Woche eine neue Farbe verpasste. Die Magie hatte jedoch weiterhin Spaß an der Verwandlung und quälte mich trotzig weiter mit wilden Farbkombinationen.

    Leider waren meine Haare aktuell mein kleinstes Problem.

    Zirkelmutter. Das musste ein verdammter Fehler sein. Wer vertraute mir schon einen eigenen Zirkel an? Mir, die Magie ablehnte? Niemand bei Verstand tat so etwas!

    Niemand bei Verstand. Aber jemand mit Hang zum absoluten Chaos. Die Magie selbst.

    Ich knirschte mit den Zähnen. »Ich versuche das mit den Leuten vor meiner Haustür zu regeln«, sagte ich zu Liam. »Geh du hoch und zieh dir was an.«

    Erst jetzt registrierte er, dass er komplett nackt und tropfend neben mir stand. Das Wasser perlte dabei durchaus ansehnlich an seiner gebräunten Haut entlang, folgte seinen breiten Schultern, auf denen das Hula-Püppchen längst wieder Platz genommen hatte, und kullerte an seinem hübschen Sixpack runter. Ich hatte schon lange gelernt, die vielen Narben zu übersehen. Heute fiel mir das jedoch schwerer als sonst.

    Magie. Sie drängelte sich erneut in unser gemeinsames Leben.

    Ein letzter mahnender Blick in meine Richtung, dann drehte sich Liam wortlos um und pflückte das überraschte Hula-Püppchen von seiner Schulter. In der Küche angekommen sah er sich kurz um, öffnete die Mikrowelle und warf das quiekende und zappelnde Zaubermädchen hinein. Um jeden Ausweg zu versperren, sicherte er die Tür sogar noch mit einem Löffel, den er in die Ritze klemmte. Das Püppchen kreischte frustriert auf und trommelte gegen die geschlossene Klappe, doch vergebens. Es war gefangen. Sofort entspannte ich mich.

    Zumindest die Chaos-Gefahr war gebannt.

    Liam lief bereits drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe rauf. Fast lautlos. In Momenten wie diesen erinnerte ich mich wieder an seine Ausbildung. Hexenjäger. Den Job hatte er an den Nagel gehängt, trainierte aber weiter. Klar, dass mir das natürlich gefiel. Unter normalen Umständen hätte ich den Anblick seines muskulösen Hinterteils genossen, doch momentan hatte ich für derlei Schwärmerei keine Zeit. Es galt, eine Katastrophe abzuwenden.

    Ich öffnete die Tür und stutzte. Nanu. Aus den vier Leuten waren fünf geworden. Eine Frau Mitte dreißig hatte sich nach vorne geschoben und lächelte mich gewinnend an. Ihre Augen wirkten freundlich und jede einzelne ihrer wenigen Fältchen musste durch Lachen entstanden sein. Sie erinnerte mich an eine jüngere Version von Mary Poppins, zumal sie tatsächlich einen Regenschirm dabeihatte und einen adretten Hut samt buntem Schal trug. Ihr langer schwarzer Mantel raschelte, als sie mir die Hand hinstreckte.

    »Ich bin Melly. Du wurdest mir als neue Zirkelmutter zugeteilt.«

    Normalerweise erwachte meine Magie bei der Nennung eines Namens zum Leben. Dass sie in diesem Fall vollkommen reglos blieb, zeigte, dass mir Melly ihren wahren Namen verschwieg. Sofort wurde ich misstrauisch. Wer Namen unterschlug, war verdächtig. Bevor ich jedoch eine spitze Bemerkung fallen lassen konnte, kam sie mir zuvor.

    »Selbstverständlich ist Melly nur eine Abkürzung für meinen richtigen Namen. Bitte verzeih die Heimlichtuerei, aber deine Fähigkeiten der Namensanalyse sind weithin bekannt. Es ist schwierig, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der alles über einen weiß. Daher nur der Spitzname. Sobald es sich ergibt, verrate ich dir meinen vollständigen Namen.«

    Sie lächelte so charmant, dass ich ihr augenblicklich verzieh und sie sympathisch fand. Das gab den Ausschlag. Ich trat zur Seite und winkte die Meute herein. »Lasst uns drinnen weiterreden.« Liams Zorn würde ich später besänftigen. Zunächst hatte meine Neugierde die Oberhand gewonnen.

    Als Erste betrat Melly meine Wohnung, danach folgten Nao und zuletzt die drei Zauberer, die ich heimlich Schön, Schöner und am Schönsten nannte. Woher kamen die? Aus einem Modelkatalog für Hexer?

    Liams und mein Wohnzimmer wirkte winzig, sobald alle drin waren. So viel Besuch hatten wir noch nie gehabt. Um ehrlich zu sein, besuchte uns eher selten jemand. Die meisten meiner Hexen-Freunde hatten Angst vor Liam und Liam … na ja. Er war nicht der Typ Mann, der Kumpel zum Biersaufen mit nach Hause brachte. Wobei er sich wirklich bemühte, weniger bedrohlich zu erscheinen. Doch als fast zwei Meter großer Kerl mit dunkler Haut, strengem Blick und Muskeln wie ein Möbelpacker hatte man es schwer, normale Freunde für den Alltag zu finden.

    Melly hatte sich den blauen Einersessel ausgesucht und ihre kleine Handtasche akkurat neben sich gestellt. Fehlte nur noch, dass sie die Hände artig im Schoß faltete. Ihre steife Haltung stand im krassen Kontrast zu ihrem strahlenden Lächeln. Auch ihre Stimme war angenehm. Hell und freundlich. »Mein Chauffeur bringt gleich mein Gepäck«, erklärte sie sanft.

    Ich gab einen erstickten Laut von mir. Bitte WAS?!

    »Ich habe bereits mein gesamtes Hab und Gut dabei«, sagte Nao stolz. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie einen abgeranzten Rucksack auf den Knien balancierte. Er platzte aus allen Nähten, was durchaus wortwörtlich zu nehmen war. Der Großteil eines fleckigen Kapuzenpullis lugte hervor und der Bommel einer Wollmütze hatte sich in einem Reißverschluss verfangen. Nao hatte eindeutig in großer Eile gepackt.

    Im Gegensatz zu Schön, Schöner und am Schönsten. Neben ihnen stand jeweils ein Lederkoffer Marke sehr teuer. Auch sie entsprangen einem Modekatalog. Vielleicht sollte ich sie in Schick, Schicker und am Schicksten umtaufen.

    Mir sackte der Magen weg, als mir ihr Gepäck bewusst wurde. Nein! Das hatte ich ganz verdrängt. Jeder Hexer, der neu in einen Zirkel kam, wohnte zunächst bei der Zirkelmutter. Und zwar für …

    »Das Jahr wird garantiert bombastisch«, beendete Nao meinen angefangenen Gedanken.

    Bombastisch. Garantiert. Wie wahr.

    Ich bemühte mich um gute Miene zum bösen Spiel, dennoch brach mir der Schweiß aus. Sollte Liam das herausfinden, war ich geliefert. Er litt so schon unter meinen kruden Magieanwandlungen. Aber wenn sich das mit sechs multiplizierte … Ich wagte kaum weiterzudenken.

    Eine Katastrophe, dachte ich panisch und die Ziegel auf dem Dach klapperten dramatisch zur Untermalung.

    »Prim! Das Wetter«, tönte es prompt aus der obersten Etage. Natürlich hatte Liam sofort die Anzeichen bemerkt. »Es stürmt auf einmal.«

    Ich atmete tief durch. Versuchte mich zu beruhigen. Es war leider ein verdammter Fakt: Wenn mir etwas wortwörtlich den Tag verhagelte, hagelte es in der realen Welt dicke Körner. Das konnten durchaus golfballgroße Exemplare sein. Der Grund lag in meiner magischen Wetterkopplung. War ich gut drauf, schien die Sonne. War ich zu Tode betrübt, gab es Sturm. Mittlerweile verstand ich es meisterhaft, äußerlich total cool zu wirken und innerlich zu platzen. Zum Glück fiel die Magie genau wie der Rest meiner Gesprächspartner auf diesen einfachen Trick rein. Zumindest meistens.

    Liam hatte ich meine Wetterverbundenheit zunächst verheimlicht. Mit der Zeit war er jedoch dahintergekommen und erinnerte mich sanft an mein sonniges Gemüt, sobald es drei Tage durchgeregnet hatte. So wie jetzt.

    Kaum atmete ich tief ein und lächelte, hörte das Geklapper auf dem Dach auf.

    »Wie genau kommt ihr denn auf die Idee, dass ihr zu meinem neuen Zirkel gehört?«, fragte ich mit einem gequälten Grinsen auf den Lippen.

    Melly zog eifrig ein ordentlich gefaltetes Blatt aus dem mit reichlich Seide bestickten Hemdsärmel und reichte es mir. »Diesen Brief haben alle von uns bekommen.«

    Ergeben las ich: »Liebe Hexe, wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie ab sofort einem neuen Zirkel angehören. Begeben Sie sich unverzüglich zu Primadonna Nimbifera in die Wallabeestreet. Sie ist Ihre eingeteilte Zirkelmutter und wird sich um alles kümmern. Mit freundlichen Grüßen, Paul Handman.«

    O Gott! Das war noch viel schlimmer als erwartet. Das war kein Versehen, wie ich insgeheim gehofft hatte. Es war offiziell. Mein Blick blieb am Namen des Unterzeichnenden hängen. Paul. Der Geringe. Er tat stets, was man ihm auftrug. Und das absolut korrekt und pedantisch. Dass er Fehler machte, war so gut wie ausgeschlossen.

    Ich stand mit dem Brief in den Händen auf und eilte zu meinem Telefon. Anders als normale Erdenbürger benutzte ich noch ein altes Modell mit Wählscheibe. Es war deutlich weniger störanfällig. Mal abgesehen davon, dass es muhte statt zu klingeln, funktionierte es einwandfrei. Etwas, das in einem Hexenhaushalt nicht selbstverständlich war.

    Ich wählte und wartete, bis sich Paul meldete.

    »Hier ist Primadonna Nimbifera. Ich habe in meinem Wohnzimmer eine Horde Hexen und Hexer sitzen, die behaupten, ich sei ihre Zirkelmutti. Sind Sie verrückt geworden?« Den letzten Satz schrie ich. So viel zur äußerlichen Ruhe. Sofort pfiff der Wind bedrohlich um die Hausecke. Ein Dachziegel stürzte mit einem leisen Schrei in den Tod und zerschellte unten auf dem Gehweg. Der fünfte in diesem Monat. Ein Zeichen, dass ich innerlich schon lange aufgewühlter war als üblich. Hatte ich womöglich geahnt, was die Magie plante?

    Paul schwieg einige Sekunden. Vermutlich, um mich zuordnen zu können. Dann seufzte er tief auf. »Ich dachte mir bereits, dass die Zuteilung Ärger geben wird. Die Information kam von oberster Stelle und war eine direkte Order. Ich musste die Briefe noch heute verschicken und Ihrer ist zurückgekommen. Benutzen Sie einen Abwehrzauber gegen Rathausbriefe? Eine Unart, kann ich Ihnen sagen. Wie dem auch sei: Wer immer Sie auserwählt hat, muss kurzzeitig verwirrt gewesen sein. Im Moment sind ja alle wegen der Zirkelmorde in Panik. Oder aufgrund des politischen Umbruchs.«

    »Welche Zirkelmorde?«, fragte ich irritiert.

    Wieder ein dramatisches Seufzen. Offenbar hatte Paul das perfektioniert. »Das Rathaus hat die Probleme nicht an die große Glocke gehängt, aber seit einem Jahr gibt es ein paar … ungeklärte Todesfälle in verschiedenen Zirkeln.«

    »Nicht an die große Glocke gehängt? Sie meinen, Sie wollen ominöse Morde einfach vertuschen?«

    »Ihre Worte. Nicht meine.«

    Na toll. Ein ganz kluger Klugscheißer. »Und was mache ich jetzt mit den Zauberern in meiner Wohnung? Ich kann unmöglich eine Zirkelmutter sein. Auf keinen Fall!«

    »Sie haben die Welt gerettet und sind eine A-Hexe. Wer sonst wäre prädestiniert genug, um die Elite unserer Hexenwelt anzuführen?«

    Die Elite? Ich musterte den Haufen Magier skeptisch. Die Einzige, die halbwegs kompetent aussah, war Melly. Die anderen lümmelten gelangweilt auf der Couch herum. Waren Schön, Schöner und am Schönsten neben schön etwa auch noch talentiert? Das wäre zu viel des Guten. Und Nao? Die wirkte eher wie ein gruftiger Teenager. Doch der erste Eindruck konnte trügen. Bei mir war das jedenfalls definitiv der Fall. Die meisten hielten mich für aufgeweckt, extrovertiert und voller Lebensfreude. In Wirklichkeit ärgerte ich mich mehr über Kleinigkeiten als der Durchschnittsmensch, benutzte Sarkasmus als Waffe und hasste die Magie nach wie vor, obwohl ich mich wahrhaftig bemühte, es sein zu lassen.

    Und ich konnte ungemütlich werden. Sehr. Das ließ ich Paul natürlich auch spüren. »Holen Sie diese Hexen aus meinem Wohnzimmer. Ich will zurück in meinen alten Zirkel«, knurrte ich wie ein Alpha-Wolf in den Hörer. Oder wie Liam in seinen schlimmsten Hexenjägerzeiten.

    »Bedaure. Ihr Hula-Püppchen ist bereits gewechselt. Die Magie hat sich verschoben und die Veränderung damit unabänderlich gemacht. Da sind wir machtlos. Sie sollten aufhören zu schmollen, sondern sich geschmeichelt fühlen. Nur auserwählten Hexen wird die Ehre zuteil, die Anführerin eines SM-Zirkels zu sein.«

    Das wurde ja immer schlimmer. SM stand für Supermega, ein Name magischen Ursprungs. Diese speziellen Hexen waren sehr selten, weil sie mit Magie umgehen konnten. »Aber ich bin keine SM-Zauberin«, protestierte ich entsetzt. »Von so was bin ich meilenweit entfernt. Neunundneunzig Prozent meiner Zauber gehen schief.«

    »Sie haben als einzige Zauberin auf der Welt mit der Magie gesprochen. Sie hat durch Sie kommuniziert. Seien Sie selbstbewusster. Vertrauen Sie auf Ihr Können und die Magie.«

    »Welches Können denn?«, rief ich panisch.

    Der Kerl klang so, als glaube er selbst an seine Worte. »Sie machen das schon«, sagte er gelassen – und legte auf.

    Ich starrte den Hörer fassungslos an. Dann knallte ich ihn auf die Gabel und drehte mich um.

    »Also gut, ihr Hübschen. Wie es ausschaut, hab ich euch vorerst am Hals. Die Magie will, dass ich euch aufnehme. Zumindest so lange, bis sich eine Lösung für diesen Schlamassel aufgetan hat. Sprich: Bis wir diesen Zirkel auflösen können, ohne die Magie zu verärgern.« Wie mir das gelingen sollte, war mir schleierhaft. Leider war das nur eines meiner vielen kleinen Probleme, die im Hinterhalt lauerten. Apropos Probleme. »Wisst ihr zufällig was von vertuschten Zirkelmorden?«

    Die fünf wechselten untereinander Blicke, dann räusperte sich am Schönsten. Er war der größte unter den Männern und der mit den meisten Muskeln. Seine schwarzen Haare trug er stylisch in die Höhe gegelt und dank der Nerdbrille sah er klug und gleichzeitig freundlich aus. So in etwa hatte ich mir immer Superman in seiner natürlichen Gestalt vorgestellt. Also wie der nette Nachbar ohne seinen hässlichen Strampler für die Weltrettung. »In meinem Zirkel ist ein junger Zauberer ermordet worden. In seiner eigenen Wohnung erstochen. Da es der Sohn meiner Zirkelmutter war, hat sie den Zirkel aufgelöst. Daher bin ich hier.«

    »Bei mir wurde die Zirkelmutter selbst ermordet. Ebenfalls erstochen. Es fehlt noch jede Spur von dem Mörder. Alles sehr rätselhaft. Dass ich aber so schnell einen neuen Zirkel bekomme, hatte ich nicht erwartet«, meldete sich Schöner zu Wort. Seine blonden Haare harmonierten perfekt mit seinen unfassbar blauen Augen. Nur die komische Haartolle auf seiner Stirn lenkte ein wenig von den dramatischen Worten aus seinem Mund ab.

    Wow. Das war definitiv schlimmer als gedacht. Ich sah Schön fragend an. »Und du?« Aus dem Bauch heraus mochte ich ihn von den dreien am wenigsten. Er wirkte wie ein Mann, der kaum was sagte, dafür alles mitbekam und als ordinär einstufte. Vielleicht lag diese Einschätzung aber auch nur an der etwas zu spitzen Nase in seinem sonst makellosen Gesicht. Als Einziger des Trios trug er einen ordentlich gepflegten, kurz gehaltenen Vollbart, extrem enge Blue-Jeans und Krawatte mit Hemd. Ein Hipster wie aus dem Bilderbuch.

    Schön zog eine hübsch gezupfte Augenbraue in die Höhe, als ich die Frechheit besaß, ihn anzusprechen. Aber wenigstens antwortete er mir. »Ich wollte wechseln. Meine Zirkelmutter hatte sich in mich verliebt und es kam zu Spannungen. Keine Toten. Von Morden höre ich das erste Mal.«

    Na, immerhin etwas.

    »Meine Zirkelmutter war meine richtige Mutter«, erzählte Nao ganz ohne Nachfrage im typisch gelangweilten Teenagertonfall. »Auf die Dramen hatte ich keinen Bock mehr. Einerseits hat sie mich überbehütet, andererseits total gestresst. Ich habe an den Rat geschrieben und um einen neuen Zirkel gebeten. Hier bin ich also.« Sie machte das Peace-Zeichen und angelte gleichzeitig nach der Fernbedienung. Ehe ich sie daran hindern konnte, flimmerte eine Kuh-Dokumentation über die Leinwand und fesselte ihre Aufmerksamkeit. Es ging um eine Schönheitsshow und um die äußerst essentielle Frage, welche Dame den schönsten Euter hatte.

    Ich eilte zum Fernseher und schaltete ihn hastig aus. »Ein fehlgeschlagener Zauber meinerseits«, erklärte ich mit rotem Kopf. »Seitdem werde ich von Kühen verfolgt. Wo wir direkt beim Thema sind: Seid ihr wirklich SM-Magier?«

    Als alle nickten, wurden meine Beine weich wie Pudding. »Das ist … überraschend. Meine Zaubersprüche gehen meistens in die Hose.«

    »Aber du bist extrem magisch«, mischte sich Melly ein. »Jeder Zauberer auf dieser Welt kennt deinen Namen.«

    Das stimmte, leider machte mich das keineswegs zu einer guten Hexe. Durch meinen Zusammenprall mit der Magie konnte ich sie durchaus besser verstehen, aber dennoch nicht besser beherrschen. Das war wohl nur den SM-Hexern vorbehalten. Warum die das vermochten und es dem Rest von uns verwehrt blieb, war der gesamten Zaubergemeinschaft ein Rätsel.

    »Und was ist mit deinem Zirkel?«, lenkte ich Melly von meinem mangelnden Magietalent ab.

    »Ich habe vorher keinen zugeteilt bekommen. Als SM-Hexerin konnte ich auf solch eine Gemeinschaft ganz gut verzichten.«

    Ich erinnerte mich vage an diese Besonderheit. Wir Hexen schlossen uns nur zu Zirkeln zusammen, weil gemeinsam zaubern sicherer war. Die richtig guten SM-Magier hielten das Zirkelleben für Zeitverschwendung. Einsame Wölfe und so.

    Und solch ein Exemplar hatte ich jetzt vor mir sitzen?

    Melly erriet meine Gedanken, denn sie lächelte milde. »Keine Sorge, Prim. Ich bin freiwillig zu dir gekommen. Seitdem ich aus den FFF ausgetreten bin, suche ich magischen Anschluss.«

    »Du warst ein Fieser-Verbrecher-Fänger?«, rief Nao aufgeregt. »Die sind voll cool! Ich will mich da auch bewerben.«

    Melly warf ihr einen Blick zu, der eine Mischung aus geschmeichelt sein und Groopie-Genervtheit war. Die FFF waren so was wie unsere Zaubererpolizei. Sie schritten ein, wenn Leute absichtlich durch Zauber verletzt wurden. Wobei Absicht relativ war. Magie zu steuern war extrem schwierig. In meinem Fall schnitt, verbrannte oder verbrühte ich mich zum Glück meist selbst und selten meine Zirkelmitglieder. So was passierte den FFF niemals. Sie galten als die Elitetruppe unter den SM-Magiern.

    Melly war also etwas ganz Besonderes unter den Besonderen. Na super. Warum konnte sie nicht Zirkelmutter sein?

    Die Zauberin lächelte Nao freundlich an. »Ich kann dir mal bei Gelegenheit mehr über die Arbeit der FFF erzählen.«

    Nao überschlug sich augenblicklich vor Aufregung. Ich überhörte das absichtlich, denn Liam kam die Treppe runter, wie immer gewohnt lautlos. Seine geheimnisvolle Art zu Gehen hatte er nach wie vor beibehalten. Sie erinnerte mich stets daran, wer er war. Der Oberste Hexenjäger. Auch er war einst ein Besonderer unter den Besonderen gewesen. Vor allem, weil er sich in eine Hexe verliebt hatte.

    Wir waren ein echtes Chaospaar. Und wie es aussah, verfolgte uns das Drama erneut.

    Liam blieb auf der untersten Stufe stehen und betrachtete die Versammlung in seinem Wohnzimmer mit ausdruckslosem Gesicht. Ich kannte ihn aber gut genug und wusste genau, was er tat. Er analysierte die Anwesenden bis auf die Nanopartikel. Seine Gabe des Hexenzwillingszaubers. Ich erfuhr unangenehme Details über Leute, sobald ich ihre Namen gehört hatte. Liam dagegen durchschaute sie durch bloße Betrachtung ihres Äußeren.

    Was er sah, beunruhigte ihn. Er kniff die Augen leicht zusammen. Ein Zeichen höchsten Misstrauens. Sofort sackte mir der Magen in die Knie. Da kamen harte Zeiten auf mich zu.

    Auch Schön, Schöner und am Schönsten hatten Liam gesehen und musterten ihn unverhohlen. So wie ich, war auch mein Verlobter eine Legende unter den Zauberern. Er war als erster und letzter Oberster Hexenjäger in die Geschichtsbücher eingezogen.

    Nao hatte ihn ebenfalls gesehen

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