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eBook256 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Hätte ich nicht schon in Schulzes Trödelladen stutzen müssen, als diese so harmlos wirkende Glaskugel bei der kleinsten Berührung zu leuchten begann? Hätte es mir nicht merkwürdig vorkommen müssen, dass im Inneren dieser Kugel plötzlich seltsame, unverständliche Botschaften aufleuchteten? Und hätte ich nicht spätestens dann die Flucht ergreifen müssen, als mich am nächsten Morgen vom anderen Ende meines Kopfkissens mein Doppelgänger frech angrinste? Natürlich hätte ich das! Aber hätte das etwas geändert? Hätte es mich und die anderen womöglich gerettet? Wahrscheinlich nicht, denn in diesem Moment, als die Finger meiner rechten Hand das Glas dieser Kugel zum ersten Mal berührten, war ich, ohne es zu wissen, bereits gefangen in einer völlig fremden und gefährlichen Welt und eine Jagd durch jede Menge mysteriöse Abenteuer nahm ihren Anfang.
Doch was zum Kuckuck noch mal hatte das eigentlich alles mit dieser ominösen Zahl "151" zu tun?
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum6. Nov. 2012
ISBN9783844236415
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    Buchvorschau

    151 - Sam Rimola

    Inhaltsverzeichnis

    3 + 4 

    Doppel-Tim und Hanno-Kröte

    Schulze

    Immer noch 7

    8

    11

    17

    21

    22

    33

    37

    39

    49

    57

    77

    82

    89

    97

    110

    116

    123

    127

    134

    141

    143

    148

    150

    151

    Déjà-vu

    Schulze und Schluss

    Epilog

    Danke

    In eigener Sache

    3 + 4

    »Hey, du Idiot, willst du erwischt werden? Nimm die Finger da weg!«

    »Warum das denn?«

    »Weil das auf dem Schild dort steht.«

    »Was für ein Schild?«

    »Das da, mit der durchgestrichenen Hand!« Oh Mann, hätte ich mich bloß nicht wieder breitschlagen lassen, mit Hanno herzukommen. Ich hatte schon den ganzen Tag das komische Gefühl, als würde ich diesen Entschluss noch bitter bereuen müssen.

    »Nun mach dir mal nicht ins Hemd, Tim. Seit wann bist du denn plötzlich so ein Feigling?«

    »Ich bin kein Feigling, ich habe nur keine Lust, erwischt zu werden.«

    »Wir sind hier doch noch nie erwischt worden.«

    »Kann ja noch kommen. Außerdem langweile ich mich. Können wir jetzt endlich gehen?«

    »Das ist doch lustig hier.«

    »Ja, genauso lustig wie Lateinvokabeln lernen und sogar noch staubiger.«

    Mit dem Wort „staubig" brachte man es übrigens auf den Punkt. Von den unzähligen Kuriositäten, die Schulze hier in seinem Trödelladen beherbergte, war neben Millionen von Spinnweben der Staub definitiv das hervorstechendste Merkmal. Den zentimeterdicken Schichten nach zu schließen, hatte hier vermutlich seit dem letzten Urknall kein Großputz mehr stattgefunden. Ich befürchtete manchmal sogar, dass Hausstauballergiker schon beim Betreten des Ladens eines sicheren Erstickungstodes sterben müssten. Doch erlebt hatte ich derlei Dramatik allerdings noch nicht.

    Zum Glück – oder leider, denn eigentlich hatte ich mir insgeheim schon immer gewünscht, mal jemandem das Leben zu retten. Ich meine, wie cool wäre das denn, wenn hier dieser Jemand plötzlich zusammenbricht, ich mich daraufhin selbstlos auf ihn stürze, ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassagen wiederbelebe und gleichzeitig ein Notarztteam Kommandos zubrülle? »Sein Zustand ist kritisch. Schnell, er ist systolisch auf 90 gefallen, zyanotisch und bradykard. Ich brauche ein großes Blutbild, eine Thoraxaufnahme, sterile Kompressen, einen Defibrillator und ein Intubationsset. Wo, verdammt noch mal, bleibt der Internist? Muss ich denn hier alles allein machen? Bringt mir zwei Konserven Null negativ und ein OP-Besteck, aber zack zack!«

    Okay, dieses Wiederbelebungs-Gedöns sollte ich mir nochmal vorher zeigen lassen, aber wenn ich mir vorstelle, was für einen enormen Imagegewinn so eine Lebensrettung bringt …, aber ich schweife ab.

    Schulze verdient sein Geld mit dem Restaurieren alter Möbel. Ein Grund, weswegen er sich fast ausschließlich in seiner Werkstatt aufhält, sodass Hanno und ich uns so oft unbemerkt zum Stöbern in den Laden direkt vor der Werkstatt schmuggeln können. Eine Zeit lang fanden wir es superspannend und arbeiteten uns mit Eifer durch das Gerümpel, mit denen die altersschwachen Regale zugemüllt waren. Es gab nichts Schöneres für uns, als uns spannende Geschichten zu den einzelnen Fundstücken auszudenken, immer mit der Bedrohung im Nacken, jederzeit erwischt zu werden, und der Hoffnung, einmal einen wahren Schatz auszugraben. Doch irgendwann konnten wir nichts Neues und Aufregendes mehr entdecken und das Abenteuer verlor allmählich seinen Reiz.

    Heute war es das erste Mal seit Monaten, dass wir uns wieder hereingeschlichen hatten. Wie schon beinahe erwartet, hatte sich zwischenzeitlich so gut wie nichts verändert, mit Ausnahme der spärlichen Deckenbeleuchtung. Hier hatte eine der beiden Glühbirnen offensichtlich das Zeitliche gesegnet, sodass das funzelige Licht des ohnehin schon schummerigen Verkaufsraumes nun noch gespenstischer wirkte. Geisterhafte Schatten krochen uns über den ausgetretenen Holzboden entgegen, färbten den Rest des Ladens in eine unheimliche Dämmerstimmung und ließen mich zum ersten Mal inständig hoffen, unter den Staubschichten nicht doch noch auf einen erstickten Hausstauballergiker zu stoßen.

    »Los jetzt, lass uns hier verschwinden, der alte Schulze kann jeden Moment wieder aufkreuzen.« Alles in mir schrie förmlich nach Flucht. Leider schien umgekehrt kein Bisschen in Hanno danach zu schreien. Im Gegenteil. »Wow! Die Regale sind ja noch voller geworden. Schau mal, hier drüben! Die ist garantiert neu.« Er nahm eine kleine Beethovenbüste in die Hand und versuchte den grimmigen Gesichtsausdruck zu kopieren.

    »Hanno!«, zischte ich warnend und drehte schnell das ausgestopfte Frettchen herum, um es daran zu hindern, mich weiterhin aus seinen staubstumpfen Augen bösartig anzuglotzen.

    »Boah, guck mal, dieser alte verrostete Schlüssel! Vielleicht gehört der ja zu einer geheimen Schatztruhe und kein menschliches Wesen, außer uns natürlich, weiß bisher davon. Komm Tim, lass uns bitte-bitte auf Schatzsuche gehen!«, flehte er und sah mich dabei mit Bettel-Welpen-Blick an.

    »Komm Hanno, lass uns bitte-bitte abhauen gehen!«, äffte ich ihn nach. »Und dich am besten gleich im Kindergarten abgeben«, fügte ich leise hinzu.

    »Da ist sie ja!«, quiekte Hanno, dem mein Sarkasmus – wie üblich – entgangen war. »Komm zu Hannolein, du kleine süße Schatzkiste!«

    Er reckte sich und zog eine fünfeckige Holzschachtel aus dem Regal hervor. »Guck mal, die ist jetzt aber wirklich neu!«, hustete er, nachdem er sie von einer dicken Staubschicht befreit hatte.

    »Die hat kein Schlüsselloch – und jetzt komm endlich!«

    »Natürlich hat sie das nicht. Sei doch nicht so fantasielos, Tim! Hast du noch nie „Galileo Mystery" gesehen? Der Legende nach ist sie nur alle tausend Jahre für eine Minute sichtbar, denn dies hier ist die geweihte Holzschatulle für den magischsten aller Hinweise.«

    »Eher wohl für 151 Hinweise«, wand ich ein, denn den Deckel zierte eine großgeschwungene 151. »Und außerdem gucke ich lieber Kriegsdokus, und hier riecht es gleich verdammt nach Blitzangriffen und Vergeltungsschlägen.« Aber auch diese Drohung versickerte in Hannos Gehörgängen.

    »Hundert – ein – und – fünf – zig.« Die Zahl ließ er sich wie ein Stück Milchschokolade auf der Zunge zergehen. Verdammt, hätte ich ihn bloß nicht darauf hingewiesen.

    »Das ist der sagenumwobene „Da-Hanno-Code"! Halte dich bereit, Tim! Die Geschichte der Menschheit kann ab sofort neu geschrieben werden.«

    Halt, stopp! Oberflächlich gesehen müsstet ihr spätestens jetzt zu dem Schluss gekommen sein, dass Hanno wahrscheinlich an einer mittelschweren Vollmeise leidet, oder? Dann lasst euch von einem leidgeprüften Fachmann sagen, dass sich diese Einschätzung auch bei gründlicher Betrachtung bestätigen wird. Aber seht selbst!

    »Achtung, Schulze kommt!«, zischte ich und zupfte an seinem Ärmel, doch Hanno fiel nicht auf meinen Bluff herein und spielte lieber weiter den „großartigen und unübertrefflichen Merlin".

    »Der Schlüssel zum Ursprung der Menschheit. Der heilige Gral unter den Holzschatullen, der ...«

    »Hanno, wenn du das Ding jetzt nicht sofort zurückstellst, ticke ich gleich so was von aus.« Das war definitiv das aller-allerletzte Mal, dass ich mich mit diesem durchgeknallten Spinner verabredet habe.

    Hanno und ich kennen uns schon seit dem Kindergarten, also fast unser ganzes Leben lang und solange hatte sich bei ihm schon immer alles um Fantasy, Mystery und Science-Fiction gedreht. In seinem Kinderbett schlummerten keine Teddys oder Kuschelhasen, sondern Actionfiguren, Laserschwerter und das komplette Jedi-Team aus Star Wars Episode 1. Alles, was nur im Entferntesten nach Magiern, Superhelden und fernen Galaxien roch, wurde geradewegs inhaliert, mit einer kräftigen Prise Hanno-Schwachsinn angereichert und im Anschluss unzensiert in die Umlaufbahn geschossen. Und nun ratet mal, wer dabei seine Lieblingsumlaufbahn war!

    »Ich habe echt keinen Bock mehr, deine Umlaufbahn … äh, ich meine mit dir hier noch länger in diesem Trödelladen abzuhängen.«

    »Lass mich nur noch einmal nachsehen, welches Geheimnis die Schachtel in ihrem Inneren verbirgt.« Feierlich hob er den Deckel. Unüberhörbar war das schon seit Langem nicht mehr geschehen, denn der Ton, den die kleinen Scharniere von sich gaben, hätte auch wunderbar als Geräuschkulisse für besonders blutige Horrorstreifen herhalten können. In meinem Hirn spielte sich prompt eine Parade unschöner Szenen ab, in denen alle Requisiten aus Grufttüren und Holzsärgen bestanden. Eiskalte Schauer veranstalteten Staffelläufe über meinen Rücken.

    »Die verschollene magische Zauberkugel«, hauchte Hanno voller Ehrfurcht.

    »Hör doch mal endlich mit deinem albernen Magisch-Kinderkram auf!« Langsam hatte ich die Faxen dicke. »Und wenn überhaupt, ist das nur eine halbe Kristallkugel.«

    »Nimm diese halbe Kugel an dich, du Ungläubiger, und finde ihre zweite Hälfte! Nur so wirst du den steilen Weg der Erkenntnis erklimmen«, verkündete Hanno bedeutungsschwer und fuchtelte mit der Kiste vor meiner Nase herum.

    »Lass das!«, zischte ich und schubste das Ding von mir weg.

    »Was hast du getan?« Hanno deutete auf die Kugel, die urplötzlich zu leuchten begonnen hatte.

    »Gar nichts«, versuchte ich mich herauszureden. »Ich habe sie nur weggeschoben. Was hältst du sie mir auch so dicht unter die Nase?«

    »Du musst an irgendeinen Schalter gekommen sein.« Er sah mich voller Vorwurf an und vergaß dabei prompt sein Merlin-Getue.

    »Na und, dann kann man das Ding auch sicher wieder ausschalten.«

    Forschend drehte Hanno die Kiste herum.

    »Ich habe nur das Glas berührt«, verteidigte ich mich und drückte zur Demonstration nochmal auf die Kugel. Zusätzlich zu dem Licht begann sich jetzt im Inneren der Kugel irgendetwas spiralartig in Bewegung zu setzen.

    »Ah, das ist so was wie eine Schneekugel«, meinte Hanno zu erkennen. »Ist ja krass! Schau mal, sieht aus wie ein kleiner Miniblizzard!«

    Ich strengte meine Augen an. «Nee, nach Schnee sieht das nicht aus, eher wie ein kleiner Sandsturm, ein Tornado ... oder so. Nein warte, das sind keine Sandkörner, guck mal, das sind kleine Zahlen.«

    »Ja stimmt, und Buchstaben«, ergänzte Hanno. »Wie abgefahren ist das denn?«

    »Ja, ganz toll! Und nun lass uns hier endlich verschwinden!«

    »Drei!«, hauchte Merlin-Hanno.

    Bitte sehr, er will hier allein zurückbleiben – kann er haben. Ich hatte mich schon abgewandt, drehte mich aber trotzdem noch einmal zurück, als Hanno aufgeregt rief: »Da stand eben eine ganz große Drei.«

    »Super! Du bist ein Held«, sagte ich, verstummte aber sofort, als ich feststellte, dass ein paar weitere Zahlen und Buchstaben plötzlich zu wachsen begannen. Langsam blubberten sie nach oben und stellten sich in einer Linie auf.

    »2SWUD1ARI«, las Hanno vor. »Das ist er, der Geheimcode! Wir müssen ihn nur noch knacken und die Welt gehört uns.«

    Gerade wollte ich eine geniale Verbindung zwischen ‚knacken‘ und ‚beknackt‘ herstellen, da sah ich, dass einige Buchstaben begonnen hatten, ihre Plätze miteinander zu vertauschen. »Ich glaube, dein Code knackt sich gerade von ganz allein.« Gefesselt starrten wir in die Kugel.

    »AUS 1 WIRD 2«, las Hanno wieder vor. »Ist das aufregend. Und jetzt bin ich dran.«

    Ehe ich die Gelegenheit fand, einen Einwand loszuwerden, hatte er mir die Kiste aus den Händen gerupft und fing an, sie kräftig durchzuschütteln.

    »Nein, nicht so», erklärte ich. »Du musst nur die Kugel berühren.«

    Behutsam strich Hanno über das Glas und nochmal spielte sich das gleiche Schauspiel ab.

    »4«, las er vor und anschließend: »Ein Tier für dir«

    »Jetzt ich wieder!« Mit dem Finger stupste ich an das Glas.

    Diesmal wurde das Licht etwas schwächer und das Wort »Viktoria« flimmerte auf.

    »Haha!«, lachte Hanno schadenfroh. Keine Zahl, du hast verloren.

    Schnell strich er wieder über das Glas, aber nichts veränderte sich.

    »Haha!«, lachte ich mindestens genauso schadenfroh. »Nein, du hast verloren. Viktoria heißt nämlich Sieg und das stand bei mir, also bin ich der Sieger und du der Loser.«

    »Aber bei dir wurde das Licht schwächer, also zählt das nicht.«

    »Loser, Lo …«

    »Ist da wer?«, krächzte es plötzlich aus dem hinteren Teil des Ladens, in dem sich der Durchgang zu Schulzes Werkstatt befand.

    Von da an ging alles blitzschnell. Hanno klappte die Kiste zu, warf sie zurück ins Regal und wir flüchteten so schnell aus dem Laden wie sonst nur Bankräuber vor der Polizei.

    Erst zwei Straßenecken weiter blieben wir schwer schnaufend stehen. Das heißt, eigentlich war es nur Hanno, der so schwer wie eine altersschwache Espressomaschine schnaufte. Ein Wunder, dass er es bei dem vielen Schwabbelfett überhaupt geschafft hatte, so weit zu laufen.

    »Denn mach‘s mal gut, Alter! Ich muss los.«

    »Wieso das denn?«, keuchte Hanno. »Wir waren … für den ganzen Nachmittag … verabredet. Du wolltest doch noch … puh … mit … zu mir kommen. Meine Mama hat uns extra Pizza zum Mittag … gebacken.«

    »Ach, habe ich etwa vergessen, dir zu sagen, dass ich nur bis … äh …« Ich warf einen Alibiblick auf meine Armbanduhr, »… bis genau jetzt kann?«, log ich nicht gerade glaubwürdig, aber noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen, hätte ich nicht ertragen. Hannos peinliches Kleinkinder-Nachmittags-Programm – nein danke. Langweilen kann ich mich auch zu Hause.

    »Tja, denn mal bis morgen!«, sagte ich und ließ Hanno einfach stehen.

    Doppel-Tim und Hanno-Kröte

    Es war Freitagmorgen sieben Uhr und im Radio schmetterte irgendein sadistischer Moderator: »Ich hab ’ne Tante aus Marokko.«

    Das Radioprogramm wird auch immer bekloppter, dachte ich matt, zog mir die Bettdecke über den Kopf und versuchte mir angestrengt einzureden, es sei Sonntag, aber da klopfte schon meine Mutter an die Tür: »Tim, aufstehen, du musst zur Schule!«

    Der Moderator sang unbeirrt weiter. Wie viele Strophen hatte diese Tante aus Marokko eigentlich? Aber halt mal, schoss es mir plötzlich durch den Kopf: Seit wann habe ich eigentlich einen Radiowecker? Und was mich noch viel brennender interessierte: Seit wann steht der Radiowecker, den ich ja nicht habe, auf dieser Seite des Bettes?

    Ganz langsam drehte ich mich zur Wand und blickte am anderen Ende meines Kopfkissens in mein eigenes Gesicht.

    »Guten Morgen!«, sagte mein Gesicht in schönster Sonntagslaune.

    In Sekundenschnelle war ich hochgeschossen und stolperte, noch fest in meine Bettdecke verkrallt, rückwärts aus dem Bett.

    Das Gesicht, war nicht nur mein Gesicht, es hing auch noch der Rest von mir unten dran. Sogar den gleichen Schlafanzug trug das Etwas, also das Untendran.

    »Gut geschlafen?«, fragte es mit meiner Stimme.

    »Ja danke«, antwortete ich aus Reflex. »W… w… wer bist du?«, stammelte ich. »U… und was machst du in meinem Bett?«, lautete die natürliche Anschlussfrage.

    »Du bist ja drollig«, lachte das Es. »Weißt du nicht mal, wie du aussiehst? Ich bin Tim und in dem Bett habe ich geschlafen. Sogar hervorragend, wenn ich das sagen darf.«

    »Tim?« Meine Zimmertür öffnete sich und meine Mutter steckte ihren Kopf herein. Blitzschnell warf ich die Bettdecke über meinen Doppelgänger.

    »Ach gut, du bist schon aufgestanden«, flötete sie. »Ich muss jetzt aus dem Haus.«

    Ich sah sie an, als hätte sie bei mir gerade eine Currywurst mit frischen Erdbeeren und Rasierschaumhäubchen bestellt.

    »Hallo Tim, schläfst du noch? Du musst dich beeilen! Heute ist Freitag, die Schule fängt gleich an und denke diesmal bitte daran, die Wohnungstür ordentlich abzuschließen! Bis später.« Zum Abschied schmatzte Mama noch einen Kuss in die Luft und verließ dann das Zimmer. Gerade noch rechtzeitig, denn kaum war sie raus, schleuderte es … oder er (na, Ihr wisst schon wer) meine Decke von sich.

    »Puh, ist das hier stickig!« Der andere Tim hüpfte aus dem Bett und öffnete meinen Kleiderschrank. »Was wollen wir denn heute mal anziehen?«

    »Wir?«, quiekte ich. »Du hast doch schon etwas von mir an. Das sollte ja wohl erst mal genügen.«

    »Aber mit einem Schlafanzug kann ich doch unmöglich zur Schule gehen«, amüsierte er sich.

    »Halt, halt, mein Lieber!«, sagte ich. »Nicht du wirst zur Schule gehen, sondern ich gehe. Du wirst schön in meinem Zimmer bleiben und dich ganz ruhig verhalten, bis ich wieder zurück bin. Und dann werden wir uns damit befassen müssen, wie wir dieses Schlamassel hier wieder aus der Welt schaffen.«

    Ein Blick auf meine Uhr, signalisierte, dass es jetzt allerhöchste Eisenbahn war, mich auf den Weg zu machen.

    »Nö, das geht nicht«, sagte mein zweites Ich gelassen und betrachtete eingehend seine Fingernägel.

    »Was heißt hier NÖ?«

    »Das heißt, dass du mich mitnehmen musst«, sagte er, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

    »Ich muss gar nichts«, blaffte ich ihn an und warf mir schnell ein paar Klamotten über, schnappte mir meine Schultasche und spurtete aus der Wohnung. Erst als ich den Schlüssel zweimal im Schloss herumgedreht hatte, atmete ich erleichtert auf.

    »Was für ein irrer Tag!», seufzte ich.

    »Finde ich auch«, stimmte mir jemand fröhlich zu.

    Erschrocken fuhr ich herum. Mit verschränkten Armen lehnte er lässig am Treppengeländer.

    »Nein!«, schrie ich ihn an, öffnete noch einmal die Tür, schubste ihn in die Wohnung hinein und schloss hinter ihm sorgfältig ab.

    »Hab ich dir doch gesagt, dass das nicht funktioniert«, ertönte es hinter mir. »Wir bleiben jetzt für immer zusammen. Ist das nicht supi?«

    » Ich hab ’ne Tante aus Marokko und die kommt, hippeldihopp …«

    »Kannst du nur für einen Moment mal ruhig sein?« Ich war genervt.

    »Wieso? Magst du keine Musik?«

    »Ich liebe Musik, aber was du da von dir gibst, ist Ohrenfolter.«

    »Haha«, lachte er fröhlich. »Das war doch die Tante aus Marokko und nicht Folter. Klingt meine Stimme nicht wunderschön?«

    »Ja, und zwar genauso, als würde jemand den ganzen Tag mit Fingernägeln auf einer Tafel herumkratzen.«

    »Tinki Winki, Dipsi, Lala, P…«

    »Mann,

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