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Ein Date zum Anbeißen
Ein Date zum Anbeißen
Ein Date zum Anbeißen
eBook641 Seiten7 Stunden

Ein Date zum Anbeißen

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Über dieses E-Book

Gerade als sie glaubt, es könnte nicht mehr schlimmer kommen, wird Chloe auf dem Nachhauseweg von einem Vampir angefallen und gebissen – und das, ohne vorher gefragt zu werden! Allerdings handelt es sich dabei um eine äußerst attraktive und charmante Vampirin, die ein ausgesprochenes Faible für Schokolade und Ordnung hat und sich so überhaupt nicht an all die Klischees halten möchte, die es für Vampire gibt. Kein Wunder also, dass Chloe sich zu der Fremden hingezogen fühlt – aber kann man einen Vampir daten?
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum18. Juni 2020
ISBN9783959493666

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    Buchvorschau

    Ein Date zum Anbeißen - Nadin Albrecht

    Nadin Albrecht

    Queer

    eBook, erschienen 2020

    Copyright © 2020 MAIN Verlag, Eutiner Straße 24,

    18109 Rostock

    www.main-verlag.de

    www.facebook.com/MAIN.Verlag

    order@main-verlag.de

    Text © Nadin Albrecht

    ISBN: 978-3-95949-366-6

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    1. Auflage

    Umschlaggestaltung: © Marta Jakubowska, MAIN Verlag

    Umschlagmotiv: © shutterstock 1353955910 / 1591983250 / 478020517 / 782795281

    Kapitelbild: © shutterstock_711939634

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die Handlung, die handelnden Personen, Orte und Begebenheiten

    dieses Buchs sind frei erfunden.

    Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ebenso wie ihre Handlungen sind rein fiktiv,

    nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    Wer ein eBook kauft, erwirbt nicht das Buch an sich, sondern nur ein zeitlich unbegrenztes Nutzungsrecht an dem Text, der als Datei auf dem eBook-Reader landet.

    Mit anderen Worten: Verlag und/oder Autor erlauben Ihnen, den Text gegen eine Gebühr auf einen eBook-Reader zu laden und dort zu lesen. Das Nutzungsrecht lässt sich durch Verkaufen, Tauschen oder Verschenken nicht an Dritte übertragen.

    Inhalt

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    EPILOG

    - 1 -

    Chloe, Darling, kannst du mir bitte ein Close-up von Mrs. Dartmouth und ihrem Hektor machen? Ich unterhalte mich derweil mal mit der Hairstyling-Abteilung.«

    Stumm nickend ergab ich mich meinem Schicksal, während mein Kollege Perry mit fast schon beschwingter Fröhlichkeit an den Tischen entlang schlenderte, auf denen kleine Hunde saßen, die von übereifrigen Menschen skurril gestylt wurden und sich ebenso still in ihr toupiertes Schicksal ergaben.

    Natürlich musste es eine Hundeshow sein! Bei dem Gedanken lief es mir zum x-ten Male kalt den Rücken hinunter. Für das kleine Revolverblatt, für das Perry und ich arbeiteten, war dies ein Top Highlight. Für mich ein weiterer Tiefpunkt in meiner eh schon angeschlagenen Karriere als Fotografin.

    Zähneknirschend griff ich nach meiner Kamera, die ich an einem Gurt um den Hals trug und zoomte besagte Mrs. Dartmouth näher heran. Sie posierte bereits für mich auf einer kleinen, improvisierten Bühne und hielt ihren Poodle … Poogle … ach, wie immer diese komischen neugezüchteten Rassen auch hießen, stolz vor die Brust. Ich korrigierte die Belichtung und drückte ab.

    »Oh, bitte nur von links.« Mrs. Dartmouth zog echauffiert eine Braue nach oben und drehte das aufgezwirbelte und äußerst unecht wirkende Gebilde, das angeblich ein Hund war, zu besagter Seite. »Links ist Hektors Schokoladenseite.«

    »Aber sicher doch, Mrs. Dartmouth«, flötete ich mit übertriebener Freundlichkeit, wendete mich dabei aber wohlwissend von ihr ab – sie sollte nicht mein genervtes Augenrollen sehen.

    Als hätten Hunde eine Schokoladenseite! Mann, es kostete mich wirklich jede Faser meiner Selbstkontrolle nicht das zu sagen, was mir wirklich durch den Kopf ging. Die ganze Veranstaltung war ein Albtraum. Der ganze Tag war ein Albtraum! Ach, was redete ich: die ganze Woche!

    Es war ja nicht nur die Hundeshow, nicht nur Mrs. Dartmouth, Hektor oder die Arbeit an sich. Nein! Alles fing schon damit an, dass meine Freundin Ella mich verlassen hatte.

    Sicherlich, als eine 35-jährige, eigenständige Frau, die ihre Freiheit und Selbstständigkeit zu schätzen wusste und fast täglich pries, sollte ich einer gerade mal sechs Monate alten Beziehung nicht wie ein pubertierender Teenager hinterher heulen. Aber hey, es kam ja auch nicht jeden Tag vor, dass man morgens aufstand und noch dachte, die Welt – inklusive Beziehung – wäre in bester Ordnung, nur um ein paar Stunden später wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen zu werden! Ohne irgendwelche Vorzeichen! So etwas ging doch an niemandem spurlos vorbei.

    Das Sahnehäubchen auf dieser Geschichte war aber eindeutig, dass wir erst vorletzte Woche ein romantisches Wochenende in einem Luxushotel geplant und gebucht hatten. Und dann machte sie einfach mit mir Schluss. In meinem Lieblingsrestaurant. Ja wirklich, sie hatte mich in mein Lieblingsrestaurant ausgeführt und während ich meine geliebten Tagliatelle Funghi kostete, eröffnet, dass es aus wäre. Ich würde Tagliatelle nie wieder mit denselben Augen sehen …

    Leider war das aber nur der Anfang meines Albtraums. Wie gesagt, es war eine ganze Albtraumwoche. Nur zwei Tage später verdarb ich mir den Magen an einem zweifelhaft wirkenden Burritostand in der Southside. So viel zum Thema Frustessen. Und zur Krönung durfte ich bereits am Tag darauf an einer Story zum Thema städtische Kläranlage mitarbeiten.

    Wobei das nicht ganz korrekt ausgedrückt war. Das Thema war eigentlich die Überbeanspruchung der besagten Anlage und die damit verbundene Geruchsbelästigung im Umkreis von fünf Wohnblocks. Die perfekte Mischung: Verdorbener Magen und verdorbene Gerüche! Gestern dann verreckte auch noch mein Auto. Mitten auf der Straße, auf dem Weg zur Arbeit. Von dem Hupkonzert der Autos hinter mir klingelten mir heute noch die Ohren.

    Also musste ich heute Morgen mit dem Rad zur Arbeit fahren – habe ich schon erwähnt, dass es heute einen wahren Regensturm gab? Ich kam patschnass und trotzdem zu spät an und wurde von meinem Chef zusammengestaucht. Tja und zu guter Letzt stand ich nun also hier und nutzte mein fotografisches Talent um aufgemotzte Hunde, mir unbekannter Rassen, mit wirklich peinlichen Frisuren abzulichten. Wie gesagt, ein Albtraum. Ohne Frage würde diese Woche in die Annalen der Geschichte als die schlimmste Woche aller Zeiten eingehen.

    Schlimmer konnte es nun wirklich nicht kommen. Das war zumindest ein positiver Gedanke, an dem es sich festzuhalten lohnte.

    Nachdem ich meine Fotosession mit Mrs. Dartmouth und ihrem Hektor beendet hatte, prüfte ich die Bilder auf meinem Tablet. Alle meine Fotos wurden dank der FluCard direkt übertragen und ermöglichten es mir so, die Qualität sofort zu checken. Nur die beste Technik und fotografische Leistungen auf höchstem Niveau für unsere vierbeinigen Freunde. Oh Gott, wenn mein 15 Jahre jüngeres Ich mich jetzt sehen könnte …! Hätte sie doch nur auf ihre Eltern gehört und wäre in die Buchhaltung gegangen. Aber nein, ich musste ja meine Träume verfolgen und Fotografin werden, nur um hier zu enden.

    Zumindest waren die Bilder gut geworden. Zufrieden mit den Ergebnissen schaltete ich das Tablet aus und bückte mich zu meiner Fototasche, um die Kamera wegzupacken. Auf halbem Weg erstarrte ich. »Was zum … verpiss dich!«

    Ob es der Schock und Schreck war, oder ob es einfach nur an meiner echt bescheidenen Woche lag, keine Ahnung. Aber als ich diesen kleinen, dauergewellten Köter erwischte, der gerade das Bein an meiner Tasche hob und sich entleerte, da reagierte ich aus purem Instinkt.

    Ich trat dem kleinen Mistkerl ganz unvermittelt in den Hintern. Es war nicht geplant und eigentlich auch nicht besonders hart. Hey, ich habe nichts gegen Hunde und ich würde einem Tier nie absichtlich Schmerzen zufügen, aber wenn es um meine Kameraausrüstung ging, dann neigte ich durchaus dazu, einen gewissen Beschützerinstinkt an den Tag zu legen.

    Immerhin waren die Materialien in meiner Tasche fünf Monatsmieten wert! Und jetzt missbrauchte es dieses vierbeinige Mistding als Laternenpfahl! Es wäre also durchaus möglich, dass ich den kleinen Wildpinkler mit etwas mehr Schwung als geplant erwischt hatte, aber noch mal: Das war keine Absicht. So oder so, er ließ einen kurzen Fiepser los, vermutlich eine extra und mühevoll angezüchtete Art der Kommunikation für diese Rasse, und machte einen Satz von einem halben Meter nach vorne.

    »Kiki! Meine arme Kiki!«

    Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, wie etwas Großes, Pinkfarbenes in die Richtung des nun etwas bedröppelt dreinblickenden Hundes rannte, während ich sofort meine eigentliche Aufmerksamkeit auf meine Tasche richtete. Der Stoff war an einer Stelle feucht und miefte. Besorgt und angeekelt zugleich, versuchte ich einerseits so wenig wie möglich damit in Kontakt zu kommen und gleichzeitig die zweite Kamera und meine Objektive darin zu prüfen, was kein leichtes Unterfangen war.

    Zu meiner Erleichterung hatte das Innenfutter aber die Ausrüstung anscheinend vor der Feuchtigkeit geschützt. Das war noch mal gut gegangen. Ich war so mit meiner Ausrüstung beschäftigt, dass ich zunächst gar nicht den Tumult bemerkte, der um mich herum entstanden war.

    »Schämen Sie sich!«

    »So eine Frechheit!«

    »Kiki! Meine arme Kiki!«

    »Das arme Ding.«

    »Man sollte die Polizei rufen.«

    »Mein Kiki-Mäuschen, was hat die böse Frau nur getan!«

    Innerhalb weniger Sekunden hatte sich um mich eine Traube von Menschen gebildet und die meisten von ihnen waren anscheinend nicht gut auf mich zu sprechen. Im Mittelpunkt dieser aufgebrachten Hundeliebhaber stand die Frau in Pink und drückte das Mistvieh, das meine Kamera angepinkelt hatte, schützend an ihre voluminöse Brust.

    Wenn ich sagte, sie war pinkfarben, dann meinte ich wirklich pink. Pinker Pulli, pinke Leggins, pinkes Haarband, ja selbst ihre Gesichtsfarbe war eher pink als alles andere. Ihr Kiki, oder wie ich ihn nannte, der Wildpinkler, trug ebenfalls pinkfarbene Schleifchen im hellen Fell. Pinkie drückte den Wildpinkler also schützend an sich und warf mir gleichzeitig mörderische Blicke zu. Könnten Blicke töten, ich wäre in diesem Moment wie ein Stein zu Boden gefallen.

    Sie war nicht die Einzige, die mich so ansah. »Tierquäler!«, raunte es aus allen Ecken und das waren noch die netten Worte, wobei die weniger netten Worte eigentlich auch noch vergleichsweise harmlos waren. Die Kreativität der Beleidigungen korrelierte eindeutig negativ mit dem Altersdurchschnitt.

    »Hey, der Köter hat an meine Tasche gepinkelt!«

    Okay, das kam jetzt etwas härter herüber als beabsichtigt. Kaum hatten die Worte meinen Mund verlassen, bereute ich sie auch schon. Nicht die Worte per se, denn die entsprachen ja der Wahrheit, sondern meine Wortwahl. Das kollektive Schnappen nach Luft, das ihnen folgte, war definitiv kein gutes Zeichen. Ich musste diese Situation ja auch heraufbeschwören. Schlimmer konnte es nicht kommen? Von wegen.

    »Was ist denn hier los?«

    Ein älterer Mann in einem ebenso alt wirkenden grauen Anzug kämpfte sich durch die Menschenmenge, die mittlerweile so aufgebracht war, dass ich froh war, dass wir nicht von einer Gartenausstellung berichteten – denn damit standen hier auch keine Mistgabeln griffbereit herum.

    »Mr. Wiener, Gott sei Dank sind Sie hier.« Pinkie stürmte sofort auf den Neuankömmling zu.

    »Mr. Wiener, im Ernst?«

    Oh Gott! Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund. Heute hatte ich offensichtlich ein wahnsinniges Talent dafür, das Falsche zu sagen. Mr. Wiener schob seine dicke Nickelbrille nach oben und mustert mich verächtlich.

    »Alfred Wiener, Vorsitzender des Poodle-Zuchtvereins und Veranstalter der Chicagoer Hundeshow.« Er deutete auf das übertrieben große Namensschild an seinem Revers.

    »Diese Frau hat Kiki attackiert!« Pinkie sprang und fuchtelte wie ein wildgewordenes pinkfarbenes Huhn vor mir hin und her. »Sie hat mein armes Schätzchen traumatisiert!«

    »Oh wow, Moment mal!« Ich hielt meine Hände abwehrend vor mich. »Von einer Attacke kann nicht die Rede sein, der Köter …« Erneut ging ein kollektives Raunen durch die Menge. Oh Mann, das war echt nicht so einfach. Unter Aufbietung meiner gesamten Kontrolle biss ich die Zähne zusammen und verbesserte mich. »Natürlich meine ich, der liebe kleine Kiki hat auf meine Ausrüstung gepinkelt. Ich habe ihm aus reinem Reflex einen kleinen Tritt gegeben.«

    Um meine Aussage zu unterstreichen, wedelte ich nun meinerseits mit der feuchten Kameratasche, meinem Beweisstück A, vor Mr. Wiener herum. Doch der schenkte mir nur einen abfälligen Blick und schien wesentlich besorgter um Pinkie und ihren Wildpinkler zu sein. Im Ernst? Das war nicht ganz die Reaktion, die ich erhofft hatte. Nun ja, wenn ich etwas aus fünf Jahren wöchentlichem Fernsehtermin mit der Serie Law & Order gelernt hatte, dann, dass die Präsentation das A und O ist. Also probierte ich es noch mal.

    »Meine teure Ausrüstung!«, fügte ich mit Nachdruck und vor Wichtigkeit triefender Stimme hinzu und hielt mein Beweisstück noch etwas höher. Noch immer blieb die verständnisvolle Reaktion aus, auf die ich gesetzt hatte.

    »Der Hund«, ich betonte Hund ganz besonders und war stolz darauf, dass ich diesmal nicht über mein eigenes Mundwerk stolperte, »der Hund ist nicht verletzt. Es ist alles halb so wild.«

    Diesmal war empörtes Gemurmel die Reaktion um mich herum. Das hätte ich vorhin mal gebraucht, als ich mein Beweisstück präsentiert hatte!

    »Nicht verletzt? Kiki ist schwer traumatisiert. Mr. Wiener, sehen Sie nur, wie sie zittert!«

    Pinkie wirkte entsetzt, während ich beim besten Willen kein Zittern erkennen konnte. Das höchste der Gefühle wäre es, dem Vieh zuzugestehen, dass es vielleicht etwas bedröppelt dreinschaute, vermutlich weil ich es mitten im Geschäft unterbrochen hatte. Aber ansonsten sah es mir wie alle anderen Hunde hier aus: Verzogen, unnatürlich und irgendwie unsympathisch. Das war doch alles lächerlich!

    »Mr. Wiener, das ist alles nur ein Missverständnis …«

    »Ein Missverständnis! Was gibt es an Tierquälerei misszuverstehen?«

    »Okay, okay.« Mr. Wiener baute sich streng zwischen mir und Pinkie auf, was irgendwie lustig wirkte, denn immerhin war er kleiner als ich und das allein war schon eine Errungenschaft. »Ich denke, es ist das Beste, wenn Sie gehen.«

    »Bitte was?« Ich blickte ihn verwirrt an. Meinte er das ernst? Er wollte mich rauswerfen? Von einer Hundeshow?

    »Ich sagte, es wäre das Beste, wenn Sie gehen. Ihren Presseausweis bitte.«

    Damit streckte er mir seine Hand erwartungsvoll entgegen. Die Menschenmenge um uns war jetzt schlagartig mucksmäuschenstill geworden, die Anspannung war unverkennbar. Das war vermutlich die beste Show, die sie in ihrem tristen Hundezüchter-Leben je zu sehen bekommen hatten. Ironischerweise war das einzige Geräusch das leise Knurren von Kiki. Der kleine Mistköter schien ziemlich selbstzufrieden zu sein.

    So sehr ich diese Hundeshow auch hasste, es war mein Auftrag, von hier zu berichten und Fotos zu schießen, und das würde mir schwerfallen, wenn ich gehen müsste. Wie auf Kommando schob sich plötzlich mein Kollege Perry durch die Menge zu uns. Der Mann konnte Drama eindeutig schon drei Meilen gegen den Wind riechen!

    »Was ist hier los?«

    Mr. Wiener warf nur einen kurzen Blick auf seinen Presseausweis und zählte eins und eins zusammen.

    »Ihren Ausweis bitte auch.«

    »Was?«

    Perry blickte geschockt von mir zu Mr. Wiener. Er hatte ganz offensichtlich nichts von der ganzen Sache mitbekommen. Schade eigentlich, das hätte die vermutlich interessanteste Story der ganzen Veranstaltung sein können.

    Seufzend zog ich schließlich mein Ausweisband über den Kopf und drückte es dem Veranstalter in die Hand. Dann schnappte ich mir wortlos meine immer noch feuchte und miefende Tasche, und schob mich durch die Menge zum Ausgang. Perry folgte mir noch immer verwirrt und weitaus weniger beschwingt als noch vor einer halben Stunde. Auf dem Parkplatz holte er mich ein. Ich wäre ohne ihn eh nicht weit gekommen, da er ja gefahren war.

    »Was ist da drin denn bitte passiert?«

    »Das Mistvieh hat auf meine Ausrüstung gepinkelt und ich habe ihm reflexartig einen kleinen Tritt verpasst. Eigentlich keine große Sache«, knurrte ich frustriert als Antwort.

    »Keine große Sache?« Er sperrte seinen Toyota auf und wir stiegen beide ein. »Das sollte die Titelstory für morgen werden und ich habe gerade mal genug Material für einen kurzen Absatz! Wir wissen ja noch nicht mal, wer der Gewinner wird!«

    Ja, das war mein Leben. Meine Titelstory war eine Hundeshow.

    »Oh Mann, Chloe, das wird dem Boss gar nicht gefallen.«

    Ich schnallte mich an und starrte stumm aus dem Fenster. Nein, würde es sicherlich nicht. Gerade wenn man dachte, es konnte nicht mehr schlimmer kommen … Verdammt noch mal, was für eine beschissene Woche!

    - 2 -

    Als ich endlich die sicheren Gefilde meiner Wohnung betrat, entledigte ich mich als erstes von meinem angestauten Frust des Tages, indem ich einen Schrei losließ. Meine Katze Sphinx, die sich gerade von der Couch erhoben hatte, um ihren Dosenöffner zu begrüßen, machte daraufhin direkt auf dem Absatz halt und sprintete panisch ins Schlafzimmer.

    Mit schlechtem Gewissen entschloss ich mich, dem armen Ding nachher eine Extraportion Futter zu geben – sobald sie wieder unter dem Bett hervor gekrochen kam. Aber trotzdem fühlte ich mich jetzt erst mal einen Tick besser.

    Manchmal musste man seinen Frust einfach rauslassen. Und nach dieser Woche gab es nun mal eine Menge rauszulassen! Erschöpft ließ ich mich in die Kissen meiner Couch fallen. Was für ein Tag!

    Mein Blick fiel auf das Reiseprospekt auf dem Tisch, aus dem Ella und ich uns unser Hotel für das Wellnesswochenende herausgesucht hatten. Die Reservierung hatte ich noch nicht gecancelt, das hatte ich einfach nicht übers Herz gebracht. Wir beide hatten uns so darauf gefreut, ich ganz besonders, und auch wenn allein reisen keine Option für mich war, so wollte ich doch noch ein bisschen an diesem Bild festhalten.

    Die Vorstellung von Jacuzzi und Massagen wirkte einfach zu verführerisch. Vielleicht musste ich einfach mal raus. Ja, das war es! Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und wählte eine altbekannte Nummer.

    »Chloe! Hey, wie geht es dir, Süße?«

    Die Stimme meiner besten Freundin Holly erklang nach nur zwei Signalzeichen wie immer fröhlich an mein Ohr und ich spürte sofort, wie sich einer der vielen Knoten in meinem Körper aufzulösen begann.

    »Frag besser nicht, die Antwort könnte länger dauern.«

    »So schlimm?«

    »Schlimmer.«

    »Ah shit, das klingt gar nicht gut. Dagegen gibt es nur ein Mittel.«

    »Ich hatte gehofft, dass du das sagst.«

    Tatsächlich war das der Grund, warum ich sie angerufen hatte. Wenn es darum ging, einen schlimmen Tag, oder gar eine ganze Woche zu vergessen, dann war Holly die richtige Ansprechpartnerin dafür.

    Wir kannten uns bereits seit der High-School-Zeit und schon damals war sie diejenige, die immer wusste, wo gerade welche Feiern abgingen. Mit Holly war es nie langweilig. Man konnte mit ihr um die Häuser ziehen, Unsinn bauen oder auch nur einfach tiefgehende Gespräche führen. Aber sie war nicht nur ein Feierbiest, sondern auch eine hervorragende Zuhörerin. Holly war die perfekte Freundin.

    »Ich dachte an Tequila. Vielleicht ein paar Burritos, aber hauptsächlich Tequila.«

    Hollys dunkles Lachen klang durch den Hörer: »Ich bin dabei. Wir treffen uns um acht im El Coyote.«

    »Perfekt!«

    Ich verabschiedete mich und beendete den Anruf. Zufrieden und ein wenig entspannter als vor dem Telefonat, legte ich den Kopf zurück und schloss die Augen. Die Woche abhaken und den Timer auf null stellen, das wäre mein Plan für heute Abend.

    Eine Bewegung neben mir ließ mich die Augen öffnen. Sphinx, meine grau-getigerte Maine-Coon-Katze war mittlerweile mutig zurückgekehrt und neben mir auf die Couch gehüpft. Sie warf mir einen verdrießlichen Blick zu, der entweder ihren Missmut für mein vorheriges Verhalten demonstrieren sollte, oder aber ein Zeichen dafür war, dass sie gerade einen teuflischen Mordplan gegen mich ausheckte.

    »Ich schätze, du hast Hunger?«

    Wenn man die Stimmung auflockern will, sollte man immer etwas zu essen oder trinken anbieten. Diese goldene Regel hatte mir schon meine Großmutter eingetrichtert und vermutlich galt sie auch für Katzen. Sphinx regte auf meine Frage hin zwar keine Miene, doch als ich mich müde von der Couch erhob, sprang sie blitzschnell herunter. Auf dem Weg in die Küche rannte sie mir immer wieder zwischen die Beine, so dass ich ungefähr drei Mal fast über sie gestolpert wäre und mir das Genick gebrochen hätte. Wie ich schon sagte, sie plante eindeutig, mich umzubringen!

    Trotz ihrer Mordanschläge füllte ich ihr eine großzügige Portion Futter in ihr Schälchen und durchsuchte dann den Kühlschrank nach meinem eigenen Abendessen. Die Suche war jedoch nur von kurzer Dauer, denn ganz offensichtlich hatte ich es diese Woche nicht mehr in den Laden geschafft. Frustriert durchsuchte ich also den Schrank nach Essbarem.

    Eine Schachtel Cornflakes war aber alles, was ich zu Tage fördern konnte. Wenigstens entdeckte ich auch noch eine ungeöffnete Tüte Milch in der hintersten Ecke des anderen Schrankes. Zwar war das Mindesthaltbarkeitsdatum bereits vor drei Wochen abgelaufen, trotzdem öffnete ich sie und nach dem altbekannten Geruchstest der Verzweifelten füllte ich sie in die Schüssel. Je hungriger man war, desto risikobereiter wurde man und so schob ich mir kurz darauf einen Löffel Cornflakes in den Mund. Gelangweilt blätterte ich durch die Post.

    Mein Blick blieb an einem braunen Umschlag hängen, der zwischen Werbung und Rechnungen hervorlugte. Als ich die Absenderadresse entzifferte, fiel mir beinahe der Löffel aus dem Mund.

    Vom Tomorrow Magazine! Das war ein echtes Magazin, kein Provinzblatt, das sich mit zweitklassigen Hundeshows beschäftigte! Es war mein Traum, dort zu arbeiten, doch meine Chancen es dorthin zu schaffen, waren ungefähr so groß, wie die Chance wie … wie … gut, mir fiel gerade keine passende Metapher ein, aber genau deshalb war ich ja auch Fotografin und kein Schreiberling!

    Doch trotz dieser schlechten Erfolgschancen hatte ich vor einigen Wochen dort meine Fotomappe mit den besten Shots, die ich anzubieten hatte, abgegeben und mich für das alljährliche Praktikum beworben. Seitdem hatte ich allerdings nichts mehr von Tomorrow gehört – bist jetzt.

    Vorsichtig griff ich nach dem Brief und stellte fest, dass meine Hände zitterten. Behutsam balancierte ich ihn auf meiner Handfläche und versuchte das Gewicht einzuschätzen. Er war dünn. War das ein gutes Zeichen? Immerhin hatte ich meine Fotomappe nicht zurückbekommen. Das könnte ein gutes Zeichen sein. Oder nur eines dafür, dass sie sich nicht die Mühe machte, das extra Porto zu bezahlen.

    Und wenn es eine Absage wäre? Na ja, es war ja nicht so, als würde die Welt davon untergehen, ich hatte ja schon einen Job. Zumindest noch aktuell. Was nach der Episode heute geschehen würde, konnte ich nicht einschätzen, schließlich hatte ich bisher noch nie einen Artikel ruiniert. Denn obwohl ich meinen Job bei der Daily Post nicht besonders mochte, was eine diplomatische Ausdrucksweise für »ich hasste ihn« war, er bezahlte nun mal die Miete.

    Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meiner Starre. Aus den Augenwinkeln nahm ich wahr, dass Sphinx sich wieder in mein Schlafzimmer verkrümelte. Das rief ein Stirnrunzeln bei mir hervor, denn das war normalerweise nicht ihre Art. Die einzige Person, bei der sie immer abgehauen war, war … Oh verdammt, mir schwante Übles. Mit übertriebener Vorsicht, als wäre es ein Horcrux, legte ich den Brief von Tomorrow zurück auf den Tisch, bevor ich zur Tür ging und diese öffnete.

    »Hi Chloe.«

    Ella. Kein Wunder, dass Sphinx sich sofort verkrochen hatte. Auch bei mir rief das Gesicht, das mir nun von der Tür aus falsch zulächelte, einen ähnlichen Fluchtreflex hervor. Gerne würde ich mich zu meiner Katze unter dem Bett gesellen, aber das würde vermutlich nur eine falsche Botschaft senden und so kniff ich stattdessen die Augen zusammen und starrte meine Ex-Freundin so böse wie möglich an.

    »Was willst du?«, zischte ich ihr entgegen.

    Damit ich gewann ich vielleicht nicht gerade den Preis für Höflichkeit, aber meiner Meinung nach brachte ich dadurch meine Haltung ganz gut zur Geltung.

    Leider hatte bei mir die ernste und ablehnende Seite noch nie funktioniert. Egal welche Grimassen ich schnitt oder welche bösen Gedanken ich projizierte, von allen leeren Sitzen im Zug oder Bus wurde immer der direkt neben mir besetzt, es wurde immer mit mir das Gespräch gesucht und Vertreter und Makler jagten mich mit einer Leidenschaft, die mich vermuten ließ, dass ich so etwas wie »Opfer-Pheromone« abstrahlte. Auch bei Ella funktionierte es nicht, denn ohne dass ich sie dazu eingeladen hätte, schob sie sich lächelnd an mir vorbei in die Wohnung. Meine Wohnung, nur um das noch mal hervorzuheben.

    »Ach Chloe, sei doch nicht so.«

    Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, stolzierte sie also in mein Wohnzimmer und ließ sich auf meiner Couch nieder, beanspruchte sie mit einer Selbstverständlichkeit für sich, die mich wahnsinnig machte – und die ich leider auch auf eine verquere Art bewunderte. Grundsätzlich. Nicht in diesem Fall.

    Tatsächlich war ich auf Ella gerade nicht gut zu sprechen. Aber das interessierte sie natürlich nicht. Sie grinste mich nur mit einem Lächeln an, dass ich einst als verführerisch bezeichnet hätte und klopfte auf das Polster neben sich.

    Keine Frage, sie wollte etwas von mir und versuchte mich um den Finger zu wickeln. Seufzend schloss ich die Tür und folgte ihr in die Wohnung. Allerdings würde ich den Teufel tun und mich zu ihr setzen. Stattdessen lehnte ich mich an den Türrahmen und zog fragend eine Augenbraue hoch.

    »Du hast mir noch immer nicht gesagt, was du willst. Aber hey, komm doch rein, setz dich, mach’s dir bequem.«

    Meine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus, doch Ellas Lächeln wankte in keiner Sekunde. Mir wurde plötzlich bewusst, dass das ihre Masche war. So hatte sie damals meine Aufmerksamkeit erreicht. Das verführerische Lächeln, ihre Hand, mit der sie sich durch das goldfarbene Haar fuhr, die Art wie sie sich leicht vorbeugte, Gott sie sah wie immer gut aus … Ich schüttelte meine Gedanken ab und rief mir in Erinnerung, dass es dasselbe Lächeln war, mit dem sie mir erst vor einigen Tagen eröffnet hatte, dass Schluss war. Bei der Erinnerung spürte ich eine Mischung aus Schmerz und Wut in mir aufsteigen.

    Ella beäugte mich noch immer lächelnd, aber ich konnte sehen, wie sich die Räder ihres Gehirns hinter dieser Maske drehten. Langsam begann sie zu begreifen, dass ihre Masche nicht mehr zog. Schließlich streckte sie ihre Arme in einer Ich-gebe-auf-Geste zur Seite und zuckte mit den Schultern. Das Lächeln verschwand. Endlich.

    »Okay, ich dachte, wir könnten Freunde bleiben und …«

    »Freunde bleiben? Das ist jetzt nicht dein Ernst?! Du lässt mich mir nichts, dir nichts sitzen und erzählst mir was von Freunde bleiben? Willst du mich eigentlich verarschen?«

    Die Wut hatte den kleinen Zweikampf gewonnen und ich hieß sie willkommen.

    »Schon gut, schon gut. Du musst dich nicht gleich aufregen, ich dachte wir sind beide erwachsen.«

    Sie schenkte dem »beide« genau genug Betonung, um eine klare Botschaft zu schicken. Sie wusste, wie man mich provozieren konnte und das machte mich nur noch wütender. Aber wütend zu werden war in erster Instanz meine Entscheidung gewesen! Nun, da sie genau das beabsichtigte, wurde ich wütend, weil sie wollte, dass ich wütend wurde. Verdammt noch mal, war sie schon immer so manipulierend?

    »Was. Willst. Du«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

    »Es geht um den Urlaub, das Wellness-Wochenende. Ich möchte gerne die Plätze übernehmen.«

    Ich glaube, jetzt fiel mir die sprichwörtliche Kinnlade dann wirklich wortwörtlich nach unten. Hatte ich richtig gehört?

    »Du hast ja sicherlich keine Verwendung dafür und du weißt ja, wie schwer es ist, in diesem Hotel ein Zimmer zu bekommen.«

    Ja, das wusste ich. Ich war diejenige, die Tage damit zugebracht hatte, unseren Traumtrip zu planen und zu buchen. Dazu kamen noch die langen Telefonate, um das einzige Zimmer sowohl mit Gartenzugang, als auch Blick auf den See zu bekommen. Plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf.

    »Mit wem willst du dort hin?«

    Sie unterbrach den Blickkontakt zu mir und ließ ihn stattdessen durch den Raum schweifen. Auch wenn wir nur ein paar Monate zusammen gewesen waren, in einigen Pokerrunden mit unseren Freunden hatte ich gelernt, dass dies bei ihr ein untrügliches Zeichen für einen Bluff war. Deshalb wusste ich, noch bevor sie die nächsten Worte sprach, dass eine Lüge folgen würde.

    »Niemanden, ich wollte nur mal gerne wieder raus.« Sie setzte wieder ihr berühmtes Lächeln auf, aber diesmal beeindruckte es mich nicht mehr. »Vielleicht nehme ich auch meine Schwester mit, mal sehen.«

    »Wer ist es.«

    »Chloe, ich sagte doch …«

    »Wer ist es?«

    »Chloe, es ist nicht so, wie du denkst.«

    »Verkauf mich nicht für doof, Ella. Wer ist es!«

    Die Wut kehrte wieder zurück. Ella würde nie im Leben mit jemanden, den sie erst seit einer Woche kannte, auf einen romantischen Trip fahren. Es hatte über vier Monate gedauert, bis sie bereit war, ihre Zahnbürste bei mir zu deponieren!

    Wenn es etwas an Ella gab, das ich von Anfang an an ihr mochte, dann das Tempo, in dem sie sich in unserer Beziehung bewegte. Das Klischee, dass Frauen in ihren Beziehungen zu schnell vorgingen, war nichts für mich und auch nicht für sie. Was uns betraf, hatte dieses Klischee eine Pause eingelegt und war erst mal ein Eis essen gegangen. Wenn sie also schon jetzt jemanden hatte, mit dem sie auf einen romantischen Trip fahren wollte – unseren romantischen Trip –, konnte das nur eines heißen. Ihr Blick verriet mir, dass ich damit absolut Recht hatte. Nicht etwa, dass er schuldig war, nein, Ella hatte nie ein schlechtes Gewissen, dazu war sie zu sehr auf sich selbst fixiert. Es war eher der Blick von jemanden, den man mit der Hand in der Keksdose erwischt hatte. Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Alle Wut fiel von mir ab und sammelte sich in einer Pfütze aus Enttäuschung zu meinen Füßen.

    »Wie lange?«

    Ella blinzelte mich überrascht an. Dann öffnete sie den Mund, um etwas zu sagen, überlegte es sich in letzter Sekunde anders, schloss ihn wieder und blickte stattdessen zu Boden. Es war alle Antwort, die ich letztendlich brauchte. Sechs Monate waren wir zusammen und nein, es war bei Weitem keine perfekte Beziehung gewesen. Gab es die denn überhaupt? Aber wenn sie mich in so kurzer Zeit nebenher betrogen hatte, war sie wohl noch schlechter gewesen, als ich es angenommen hatte. Was sagte es über uns aus, dass sie nicht mal sechs Monate treu sein konnte? Was sagte das über mich aus? Es war ein Schlag in die Magengrube und jetzt gab es nur noch eines zu tun.

    »Ich möchte, dass du jetzt gehst.«

    Ich ging zur Tür, richtete mich zu meiner mit 168 cm nicht sehr beeindruckenden Größe auf und öffnete sie demonstrativ. Dabei schaute ich sie nicht an, ich wollte sie nicht mehr sehen. Es tat zu weh zu lernen, dass ich mich derart in ihr geirrt hatte. Doch ich würde einen Teufel tun und ihr die Genugtuung geben, sie das wissen zu lassen. Ich hörte ihre leisen Schritte auf meinem Teppichboden, dann war sie auch schon an mir vorbei. Die Schritte verstummten, als sie kurz im Türrahmen verharrte.

    »Was die Reservierung anbetrifft …«

    »Die brauche ich selbst!«

    Mit diesen Worten schlug ich ihr die Tür vor der Nase zu.

    - 3 -

    Sie hat was?!«

    Ich setzte mein Schnapsglas schwungvoll ab, griff nach der Zitronenscheibe und verzog das Gesicht, als der saure Saft auf meine Geschmacksknospen traf. Mit einer Hand signalisierte ich unserer Barfrau eine weitere Runde, bevor ich mich zu meiner Freundin drehte.

    »Mich beschissen, mit einer anderen. Gott weiß wie lange schon.«

    »Diese Schlampe!« Holly schnappte sich ihren noch unberührten Tequila und schob ihn in meine Richtung. »Hier, ich glaube, du hast den nötiger.«

    Stumm nickend nahm ich das Glas und leerte es, ohne groß nachzudenken.

    »Ich habe dir schon immer gesagt, du bist zu gut für diese Frau. Aber ich muss zugeben, dass hätte ich ihr nicht zugetraut.«

    Ein Schaudern durchfuhr mich und ich war mir nicht sicher, ob das vom bitteren Alkohol oder der ebenso bitteren Erinnerung an mein Gespräch mit meiner Ex herrührte.

    Nachdem ich Ella aus meiner Wohnung komplimentiert hatte, hatte ich Holly angerufen und unser Treffen nach vorne verlegt. Die letzte halbe Stunde, die genau vier Tequilas und ein Bier lang war, hatte ich damit zugebracht, mich über Ella auszulassen. Langsam aber sicher fühlte ich mich ein klein wenig besser. Ob das von der Gelegenheit kam, meinen Frust heraus zu lassen, oder von der betäubenden Wirkung des Alkohols, keine Ahnung, aber es war mir auch egal.

    Die Barfrau stellte ein weiteres Schnapsglas vor jedem von uns ab und machte einen Strich auf unserer Rechnung, nicht aber ohne Holly ein zweideutiges Lächeln zuzuwerfen. Oder eher ein eindeutiges. Dieses Verhalten war mir nicht neu, es war die Wirkung, die meine Freundin auf Frauen hatte. Es war ihre Ausstrahlung, ihr charmantes Lächeln, ihre dunklen Augen, wenn sie das Gegenüber mit einem ruhigen Blick musterte und fast schon auszog. Ihre eleganten Bewegungen, ihr schlanker Körper, dessen Rundungen sie gerne mit engen Klamotten zur Geltung brachte, oder einfach nur ihre Körpersprache, wie sie sich in einer flüchtigen Geste ihr fransig geschnittenes Haar aus dem Gesicht strich, alles an ihr strahlte Verführung aus und Holly war das wohl bewusst. Sie blieb selten allein und wenn, dann war das für gewöhnlich ihre Entscheidung. Wobei es ihr nicht an Angeboten mangelte.

    Sie erwiderte das Lächeln der Barfrau mit einem Blick, der so viel sagte wie später vielleicht und ließ ihre langen Finger über das Tequila-Glas wandern, bevor sie sich wieder zu mir wendete. Die Barfrau errötete leicht und schenkte ihre Aufmerksamkeit wieder den anderen Gästen. Ja, Holly hatte eindeutig Eindruck bei ihr hinterlassen. Das konnte ich gut nachvollziehen. Ich selbst war zu unserer High-School Zeit auch schon ihrem Bann verfallen. Aber nach einem ziemlich desaströsen ersten Date hatten wir uns schnell darauf geeinigt, dass wir als Freunde eine wesentlich bessere Figur abgeben würden. Das war seitdem so geblieben.

    »Und wie lange geht das schon so?«

    Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung, aber sie wollte die Reservierung übernehmen.«

    »Die für das Wochenende im Luxushotel?«

    »Die für das romantische Wochenende im Luxushotel!«

    »Diese Schlampe!«, wiederholte Holly und schnappte sich das Tequila-Glas, diesmal aber für sich selbst. Sie leerte es in einem schnellen Zug und spülte mit einem Schluck Bier nach. »Ich habe es von Anfang an gesagt, du warst zu gut für sie! Aber dass sie jetzt echt euer Wellness-Wochenende mit einer anderen durchzieht, das ist wirklich das Letzte.«

    »Wollte«, verbesserte ich sie.

    »Was?«

    »Durchziehen wollte. Ich habe ihr die Reservierung nicht gegeben.«

    Meine Freundin blickte mich verblüfft an. »Hast du nicht?«

    Kopfschüttelnd nippte ich an meinem Bier. »Nein. Ich weiß, es ist albern, denn das Wochenende hat eine verdammte Stange Geld gekostet und ich kann ja offensichtlich nichts damit anfangen, aber …«

    Holly lachte laut und herzhaft los. »Du hast sie echt abblitzen lassen?« Sie umarmte mich. »Du überrascht mich immer wieder! Ich bin stolz auf dich.«

    Okay, wo kam das denn her? Was genau war an meinem Verhalten denn überraschend? Es war vielleicht dumm, finanziell gesehen, aber überraschend?

    »Ähm, danke?«

    Meine Freundin lachte erneut, ließ mich aber schließlich los und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Bier. »Du bist einfach immer zu nett, Chloe. Zu sehr darauf aus, es allen recht zu machen. Wie viel Zeit hast du allein in diese Wochenendplanung gesteckt?«

    Viel, viel zu viel. »Es war ein lang geplanter Trip, das perfekte Wochenende, mit Weinverkostung, Wellness …«

    »Und er basierte auf wessen Wunsch?«

    Darüber musste ich nicht lange nachdenken. Ella. Es war Ellas Vorstellung von einem kristallklaren See, ruhiger Natur und Bergen und so war ich losgezogen und hatte den perfekten Ort dafür gefunden.

    »Genau. Ellas Idee. Und Chloe macht die Arbeit. Du bist einfach zu gut für diese Welt und es wurde langsam Zeit, dass du dir nicht mehr alles gefallen lässt. Also darauf, dass Ella sich jetzt ihren eigenen Traumurlaub basteln darf!«

    Sie hob ihren Tequila für ein Prosit nach oben und ich griff nach meinem Glas, um mit ihr anzustoßen. Vielleicht hatte sie ja Recht, vielleicht war ich wirklich zu nett und auch wenn es ein teurer Spaß werden würde, das Wissen, dass Ella ihren perfekten Urlaub nicht mit ihrer neuen Flamme antreten würde, fühlte sich tatsächlich gut an.

    »Auf weniger Nettsein!«

    Ich stieß mein Glas mit einem hellen Klirren gegen das ihre.

    Etwa drei Stunden und einige weitere Tequilas und Biere später, ich hatte irgendwann den Überblick verloren, war die Welt schon um einiges besser und irgendwie auch … unschärfer.

    »Oh, meine arme Kiki!« Holly kicherte unkontrollierbar vor sich hin – auch an ihr war der Alkohol nicht spurlos vorbei gegangen –, während sie sich köstlich über meine Erfahrung auf der Hundeshow amüsierte.

    »Hey, das ist nicht lustig! Ich könnte schließlich deswegen meinen Job verlieren.«

    »Ach komm schon, Chloe, der Job ist scheiße! Du bist zu gut für dieses Revolverblatt.«

    »Dieses Revolverblatt zahlt aber meine Miete!«

    »Was ist mit deiner Bewerbung bei Tomorrow?«

    Oh, verdammt, der Brief! Die Erkenntnis durchfuhr mich so heftig, dass ich fast vom Stuhl gefallen wäre, wobei der Tequila vermutlich auch seinen Teil dazu beitrug. Ich hatte den Brief vom Tomorrow Magazine über das Ella-Desaster völlig vergessen!

    »Huhu, Erde an Chloe, alles ok?«

    »Ja, ja, alles klar. Ich habe mich nur gerade daran erinnert, dass ich tatsächlich Antwort erhalten habe.«

    »Ja und?«

    »Ich habe den Brief noch nicht aufgemacht. Ich war gerade dabei, da kam Ella vorbei und …«

    Ich machte eine abwinkende Handbewegung und leerte stattdessen mein Bier. Auf meinem Deckel waren mittlerweile einige Striche zu finden, aber es fiel mir schwer, den Blick darauf zu fokussieren. Sie verschwammen zu einem großen dunklen Punkt. Keine Ahnung, wie viele es waren, aber es waren eindeutig zu viele.

    »Ah, noch ein Abschiedsgeschenk von unserer lieben Ella.« Plötzlich weiteten sich Hollys Augen und richteten sich auf irgendetwas über meiner Schulter, hinter mir. »Wenn man vom Teufel spricht!«

    Als ich meinen Kopf drehte, um ihren Blick zu folgen, wäre ich beinahe zum zweiten Mal innerhalb von nur drei Minuten vom Stuhl gefallen. Diesmal lag es aber weniger am Alkohol, als an dem Anblick, der sich mir bot.

    Die Bar war mittlerweile gut gefüllt und an den Tischen im hinteren Bereich drängten sich die Gäste dicht zusammen. In der anderen Ecke des Raumes war eine kleine Tanzfläche, auf die sich die ganz Mutigen oder Verzweifelten gewagt hatten. Sowie natürlich die Betrunkenen. Denn Tanzflächen und Trunkenheit zogen sich magnetisch an, das war eine Wissenschaft für sich.

    Und dort, am Rande der Tanzfläche, für alle Welt sichtbar, wog sich tatsächlich Ella zu den Takten des Songs, der gerade lief. Zwar kannte ich das Lied nicht, aber die große braunhaarige Frau, die sie dabei an ihre Brust drückte, dafür umso besser. Das durfte doch nicht wahr sein! Gerade wollte ich mich wütend Richtung Tanzfläche stürzen, als ich Hollys warme Hand an meinem Ellenbogen fühlte, die mich stoppte. Wahrscheinlich war das besser so, ich wäre eh nur kopfüber vom Stuhl gestürzt.

    »Lass es gut sein, sie ist es nicht wert.«

    »Nicht wert?« Energisch fuhr ich in meinem Stuhl herum, nicht gewillt, die Wut, die bei diesem Anblick in mir aufkeimte, zu unterdrücken. »Von allen Frauen dieser Welt betrügt sie mich ausgerechnet mit fucking Deidre Shaffer!«

    Deidre Shaffer war eine ehemalige Kommilitonin von mir und das war die netteste Beschreibung unseres Verhältnisses, die ich geben konnte. Eine andere und vermutlich zutreffendere wäre: Meine Nemesis.

    Vom ersten Semester an, Deidre hatte genau wie ich Journalistik als Hauptfach, hatten wir uns immer wieder aneinander gerieben. Zunächst war dies alles der normale und gesunde Wettbewerb zwischen zwei Studenten, die sich um die besten Storys und Fotos für die Uni-Zeitung bemühten. Nachdem Deidre aber eines Tages damit angefangen hatte, meine Unterlagen zu manipulieren und Aufträge an mich abzufangen, nur damit sie diese selbst abdecken konnte, erreichte unsere Beziehung eine neue Qualität. Denn ihre Tricks führten dazu, dass ich gleichzeitig für mein fehlendes Engagement und die mangelnde Professionalität gescholten wurde.

    Deidre versuchte mich bei jeder Gelegenheit zu diskreditieren, was ich ironischerweise anfangs noch als Kompliment aufgefasst hatte, schließlich sah sie mich offensichtlich als ihre ärgste Konkurrentin an. Als ich aber dann wegen ihr von der Uni flog, war dies weniger schmeichelhaft. Dank Deidre Shaffer hatte ich keinen Abschluss in der Tasche, während sie – sehr zu meinem Leidwesen – eine Anstellung bei einer der besseren Zeitungen Chicagos erreicht hatte.

    Ich hasste diese Frau! Und mal ehrlich, war das nicht nachvollziehbar? Diese Kuh hatte mir meine Karriere, ja vielleicht sogar meine Zukunft versaut! Nun tanzte sie eng umschlungen mit der Frau, die noch vor einer Woche ihr Bett mit mir geteilt hatte! Ich glaube, kein Richter dieser Welt würde mich dafür verurteilen, wenn ich ihr jetzt die leere Bierflasche über den Schädel ziehen würde. Wenn ich so recht darüber nachdachte, in meinem angetrunkenen Zustand käme ich

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