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1971, Teil 1-3: Krieg ist einfach, Frieden ist schwer
1971, Teil 1-3: Krieg ist einfach, Frieden ist schwer
1971, Teil 1-3: Krieg ist einfach, Frieden ist schwer
eBook140 Seiten1 Stunde

1971, Teil 1-3: Krieg ist einfach, Frieden ist schwer

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Über dieses E-Book

Ein Jahr im Leben eines aus politischen Gründen verurteilten ostdeutschen Menschen in einer Welt, in der wir letzten Endes alle Gefangene sind, unter dem Aspekt der Allgegenwart der Vergangenheit, die in jedem Punkt gleichzeitig unsere Zukunft ist. Teil 3 exklusiv nur in dieser Ausgabe erhältlich! Bernd Kaczmarek
SpracheDeutsch
HerausgeberGvD
Erscheinungsdatum25. März 2020
ISBN9783968587318
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    Buchvorschau

    1971, Teil 1-3 - Bernd Kaczmarek

    Ein Jahr im Leben eines aus politischen Gründen verurteilten ostdeutschen Menschen in einer Welt, in der wir letzten Endes alle Gefangene sind, unter dem Aspekt der Allgegenwart der Vergangenheit, die in jedem Punkt gleichzeitig unsere Zukunft ist. 

    Bernd Kaczmarek

    1971

    Teil 1

    EINE KATZE SCHLEICHT DURCH DEN RAUM UND DIE WIDERWÄRTIGKEIT DER STILLE UMKLAMMERT MEINEN HALS...

    Die Gebeine der Toten stehen stumm im Widerglanz einer fast hinter Wolken versteckten Sonne. Der Wind umstreift mit lässiger Sorgfalt die blank gescheuerten Knochen. Einige letzte Krähen umkreisen suchend den Totenpulk. Aber außer den Stofffetzen, die noch an den Skeletten hängen und hier und dort spielerisch mit den Windböen einher wehen, ist nichts mehr zu holen. Die Welt atmet Stille. Der Mensch ist unentschlossen. Sand weht entlang einer nie gekannten Linie durch die trockene Ebene. Ab und zu hat sich nochmal ein Grasbüschel verirrt und setzt ein paar grüne Tupfer in die Landschaft. Das Ganze atmet Endzeit. Die ehemals gigantischen Bauten sind zu kleinen Hügeln geschrumpft, unter denen nur noch ein Rest-Wimmern von den barschen Befehlen der einst Mächtigen zurück geblieben ist. Kein Tier ist zu sehn. Kein kleiner Wurm, der nach getaner Arbeit in der Tiefe seinen Kopf über die Erde streckt. Die Wüste ist groß und endlos. Sie fängt nicht an und hört nicht auf. Es lebt der Hauch von Zeitenwende.

    Nichts wird geschehen, als dass es nicht schon geschehen ist.

    NICHTS WIRD GESCHEHEN, ALS DASS ES NICHT SCHON GESCHEHEN IST. DER IMPULS STEHT IN EINEM PUNKT, WIE (UNENDLICH / IN / SELBST) VON DIESEM PUNKT ENTFERNT.

    Über den Sternentüchern ballen sich die roten Farben. Das System steht in Blut und Untergang. Im Gleichmarsch revolutionieren die Angepassten gegen den freien Geist. Die GESTAPO des Dritten hat sich zur STASI des Vierten Reiches gewandelt. Deutschland zeigt sich wieder einmal von seiner besten Seite. Die Politgeister haben wie immer einen Weg gefunden, die Gegenwart nach ihren Vorstellungen zu brechen, das Leben zur Spielwiese perversen Treibens umzuformen. Die Mauerbauer haben das Sagen. Schon früh wird die Jugend, kaum dass sie die Windelabteilung hinter sich gelassen hat, erneut in roten und blauen Tüchern verpackt. Nicht den ganzen Körper, den Hals hüllen die Stoffe, so als wäre ein Atmen ohne diese Utensilien nicht möglich, aber bestimmt so, als wäre die Ideologie, die hinter dem Tragen dieser Fetzen steht, ganz bestimmt lebensnotwendig. Seid bereit!, Immer bereit! hallt es durch die sozialistischen Welten und Gemächer. Rot und blau als Vereinigungsmanifestation der roten Jungpioniere zur folgenden blauen Freien Deutschen Jugend. Von welcher Freiheit wird da gesprochen? Wie kann ein Volk hinter Mauern frei sein? Oder besitzt der Mensch in seiner Jugend Flügel, die ihn über alle Mauern und Hindernisse hinweg tragen können? Wovon ich hier schreiben, als sprechen will, ist ein Aspekt gelebter sozialistischer Gegenwart. Neben den Gleich-Marsch-Fanatikern gibt es auch jene, die still am Rande stehen und jeden unbekannten Gedanken aus tiefem Unbewusstsein hervor rufen, der ihnen die Kraft gibt sich 1. gegen die Staatsideologie des neuen Reiches zu positionieren und 2. in stillem Ertragen des Unsinns, nach einem Weg zu suchen, sich aus der allgegenwärtigen Umklammerung zu befreien. Zu diesen Leuten gehöre  ich.

    SCHNEE FÄLLT LEISE. Der Winter hat die Landschaft erobert. Hier kann es sehr kalt werden. Die Lausitz, zu der Cottbus mit seinem großen Gefangenenlager für Neukriminelle gehört, steht über Polen hinweg oft unter dem Einfluss des russischen Landklimas. Trockene, aber eisige Kälte regiert nicht selten den Winter. So sind auch die Menschen hier dieses Wetter gewohnt und verstecken in schnellen Schritten ihr Sein hinter gewaltigen Schneewehen, eingehüllt in tiefem katholischem Glauben und dem Sinn einer immer währenden Eintracht ihrer Sorben-Schaft zum Deutschen Staat. Wütend drängen die Flocken im eisigen Sturm die Menschen in ihre Behausungen und werfen im Gegenlicht blakender Gaslaternen die Ewigkeit zu Boden, so als wäre der Winter ein immer währender Augenblick. Nichts hält die Seelen fest, als dieses Fliehen vor der Kälte. Nichts bleibt gedacht, als dass die Hoffnung auf den Frühling nicht allgegenwärtig wäre und im selben Augenblick der Hoffnung auf den nächsten Morgen weichen muss. So stehen wir da, wir Neu-Ankömmlinge. Neu-Kriminelle ist unsere juristische Bezeichnung. Der Sturm durchdringt in eisigem Willen unsere ausgelaugten Körper und setzt zu den drei Reihen hintereinander, zu denen wir anbefohlen aufgebaut sind, seine eigenen Befehle. Zieht Euch warm an! ... doch womit. Viele von uns, zu denen auch ich gehöre, haben nichts als unsere Sommer-Klamotten, die wir am Leibe tragen. Sommer war es, als wir verhaftet wurden! Hinter uns schält sich gut sichtbar, weil angestrahlt, das Zuchthaus aus dem Flockenmeer. Vor uns schwadronieren die in blau gekleideten Schließer auf und ab.

    Müller?

    Hier!

    Meier?

    Hier!

    Schulze?

    Hier!

    So wird die ganze Truppe nacheinander aufgerufen, bis alle Namen laut Tabelle genannt sind. Wir haben gerade einen schweren Gefangenentransport hinter uns. Dabei geht bekanntermaßen selten jemand verloren. Wir wurden aus dem Untersuchungsgefängnis hierher zu unserer zukünftigen Haftanstalt verbracht. Dieses geschah mit Hilfe eines Eisenbahnwaggons, der an einen Personenzug hinten angehängt wurde. Dicht an dicht standen, mehr hingen wir darin an unseren Handgelenken, die an einer Über-Kopf-Haltestange mit Handschellen fest verbunden waren. Zogen wir daran, wurden diese immer enger. Niemand war bereit, sie aufzuschließen und neu einzustellen. Jetzt stehen wir alle im Schnee. Und stehen und stehen. Dann geht es los. Quietschend öffnet sich ein großes Tor, durch das wir, geführt und begleitet von den Schließern, in eine unbekannte Zukunft gehen. Wir finden uns wieder in einem sehr großen dunklen Raum, mehr einer Halle. An den Wänden  sind Doppelstockbetten, die bis in den 5. Stock reichen, aufgebaut. Ich suche mir ein Bett im 1. Stock. Dort erwartet mich eine staubige Decke. Nichts zum Wärmen, eher etwas zum Fürchten. Einer weint. Ruhe! ist von draußen durch die Tür zu hören

    ... Stille. Ganz hinten oben in der Ecke ist ein kleines quadratisches Fenster zu erkennen. Ein Licht von draußen zeigt den immerwährenden Schneefall, der mit jeder Flocke, die am Fenster vorbei fällt, so tut, als würde er nach uns sehen wollen. Hundegebell dringt an meine Ohren. Es ist das Letzte, was ich vor dem Einschlafen höre. Ein Schlüssel rast durchs Schloss. Aufstehen! Wach werden! Wir mühen uns aus den Betten. Wir werden zu einer Kleiderkammer geführt, die uns mit Anstaltskleidung ausrüstet. Nix Dolles. U.a. ein dünner brauner Anzug aus Filzstoff mit einem gelben Streifen auf dem Rücken. Dann werden wir zu den Zellen geführt, die jeweils für uns vorgesehen sind. Ich trete ein ... und begehe den ersten großen Fehler! Ich setze einen großen Schritt über das vor mir auf dem Boden liegende Handtuch. Nur der, welcher auf das Handtuch tritt, ist einer von Ihnen, ein echter Strafgefangener. Sie, das sind all die Leute, die schon in der Zelle sitzen. Ca. 20 Leute auf ein paar Quadratmetern. Ich trete ein und mir wird gleich rechts neben der Tür ein Bett im 1. Stock zugewiesen. Auch hier sind die Betten bis zu fünffach übereinander gestapelt. Da bin ich nun. Einer von über 20 Leuten in einem engen Raum zusammengepfercht. Lass es 30 qm sein, vielleicht 40. Macht die Sache auch nicht besser! Links in der Ecke eine Toilette mit Schwingtür, kurz davor ein  Waschbecken mit tropfendem Wasserhahn. Tagsüber dürfen wir nur sitzen und stehen, nicht liegen. Nachts darf nicht mehr gesprochen werden. Nachts, das heißt ab 20 Uhr. 6 Uhr morgens werden wir geweckt. Es gibt Frühstück, dann ab zur Arbeit. Wir arbeiten alle für den VEB Pentagon. Die gestanzten Aluminiumgehäuse für deren Fotoapparate entgraten. Dafür erhält jeder einen Dreikant-Schaber, ein dreikantiges, spitz zulaufendes Werkzeug, ... und einmal in der Woche Einkauf. Wer gut arbeitet, erhält so um die 20,- Mark im Monat und kann sich u.a. dafür Tabak kaufen. Eine Packung Columbus kostet 1,50 M. Tabak ist hier Währung. Unsere Zelle befindet sich im dritten Stock innerhalb eines zusätzlich vergitterten Zellentraktes. Sonntags werden alle Zellentüren geöffnet und die Gefangenen können miteinander reden und Tischtennis spielen. Ich arbeite zusätzlich freiwillig in der Küche. Dort schälen wir riesige Berge von Kartoffeln. Nach der Arbeit müssen wir in Reih und Glied antreten und werden durchgezählt. Ich hatte einmal losen Zucker in meinen Hosentaschen versteckt, um den Gefangenen oben auf Zelle eine Freude zu machen. Mir war jedoch nicht bewusst, dass sich in meiner rechten Hosentasche ein Loch entwickelt hatte, so dass sich ein Zuckerhof um meinen rechten Schuh bildete. Es ist strengstens verboten, Lebensmittel nach oben auf die Zelle mitzunehmen. Als der Schließer vor mir stand und erst auf meine Schuhe und dann mir tief in die Augen sah, glaubte ich, es wäre um mich geschehen. Einzelhaft unter erschwerten Bedingungen! Aber er schritt an mir vorbei

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