Geschichten über Gott, Engel und Menschen: tiefsinnige Kurzgeschichten - Band 2 -
Von Josef F. Justen
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Über dieses E-Book
Alle Geschichten weisen unter der Oberfläche der Erzählung einen tiefen spirituellen Gehalt auf, der zum Nachdenken anregt und die Frage aufwirft:
»Was ist die Moral von der Geschichte?«
Sie sind für Groß und Klein (etwa ab 14 Jahre) gleichermaßen geeignet.
Josef F. Justen
Josef F. Justen wurde 1950 in Gelsenkirchen geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung zum Kaufmann in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Nachdem er auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nachgeholt hatte, studierte er Mathematik und Informatik an den Universitäten Dortmund und Hagen. Von 1980 bis 2008 war er als Dozent und Ausbilder im IT-Bereich tätig. Schon in seiner Kindheit und Jugend wurde er in seinem privaten Umfeld mit vielen Todesfällen konfrontiert. Die Frage, wie es mit diesen Verstorbenen nun weitergehe, beschäftigte ihn sehr stark und ließ ihm keine Ruhe. Er musste erkennen, dass weder die Lehren der Wissenschaften noch die der katholischen Kirche die ihn bewegende Frage befriedigend zu beantworten vermochten. So machte er sich schon als junger Mann auf den Weg, spirituelle Erkenntnisse zu gewinnen. Auf diesem Weg kam er mit vielen religiösen, okkulten und esoterischen Strömungen in Berührung, deren Lehren er studierte und miteinander verglich. Schließlich kam ihm das Schicksal zu Hilfe. In der Schaufensterauslage eines kleinen Buchgeschäftes fiel sein Blick auf eine völlig unscheinbare Broschüre mit dem Titel »Rudolf Steiner: Anthroposophie«. Obwohl ihm weder der Autor noch der Titel etwas sagten, nahm er eine »innere Stimme« wahr, die ihm nahe legte, das Buch zu kaufen. So fand er zur Anthroposophie, der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, deren Erkenntnisse seinem Naturell, auch spirituelle Themen mit nüchternem Verstand und ohne Schwärmerei zu behandeln, besonders gut entsprechen. Schon bald wurde ihm klar, dass Rudolf Steiner mit den Resultaten seiner Geistesforschung eine schier unfassbare Fülle spiritueller Weisheiten in die Welt gebracht hat und dass ein einziges Erdenleben kaum ausreichen dürfte, um auch nur annähernd alles verstehen zu können. Aber bekanntlich ist ja oftmals der Weg das Ziel... Der Verfasser war lange Zeit als ehrenamtlicher Hospiz-Helfer in der Sterbe- und Trauerbegleitung tätig. Heute sieht er es als seine Aufgabe an, Bücher für Menschen zu schreiben, die Sehnsucht nach wahrhaften spirituellen Erkenntnissen haben und die sich bisher noch nicht mit der so eminent wichtigen anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft Rudolf Steiners befasst haben.
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Buchvorschau
Geschichten über Gott, Engel und Menschen - Josef F. Justen
Kein Mensch kann
eine Geschichte erfinden.
Alles, was in Geschichten erzählt wird,
ist schon einmal irgendwo
– zumindest in sehr ähnlicher Weise –
in der Wirklichkeit passiert
oder aber es wird in der
Zukunft irgendwo geschehen.
Inhaltsverzeichnis
Die merkwürdige Bettlerin
Das Kind, das sein Schicksal nicht leben durfte
Das Jahr 2184
Die absurde Beichte
Die mütterlichen Ratschläge
Die fatale Lüge
Der arme reiche »Herr Noncapisco«
Die verlogene Trauerrede
Die Waffenfirma und die andere Firma
Die etwas enttäuschten Engel
Der Kreislauf der guten Tat
Der Lehrer und der Bergmann
Die erfüllte Prophezeiung
Die göttlichen »Baumeister«
Wie ein kleiner Engel sich goldene Flügel verdiente
Anhang (Gedichte)
Der Mensch und sein lieber Gott
Das Menschenwerk
Der Totenkult
Die Reise
Die merkwürdige Bettlerin
Andrea war an diesem Tage, der sich noch als äußerst denkwürdig erweisen sollte, spät dran. Sie musste etwas länger arbeiten als üblich.
Eilig räumte sie notdürftig ihren Schreibtisch auf und schaltete ihren Computer aus. Dann machte sie sich etwas schneller als sonst auf den Weg zum Bahnhof, wo sie noch den letzten Bahnbus erreichen musste, der sie in ihr acht Kilometer entferntes Heimatstädtchen bringen sollte.
Als sie endlich etwas außer Puste am Bahnhof angekommen war, sah sie auf der Treppe zur Eingangshalle eine alte Frau sitzen. Obwohl die Zeit schon sehr drängte, zog sie der Anblick der alten Frau in ihren Bann.
Die Alte war mit einem schäbigen Umhang bekleidet, der für die Jahreszeit viel zu warm war. Auf dem Kopf trug sie einen abgenutzten, völlig altmodischen Hut. Ihre rechte Hand streckte sie leicht nach oben geöffnet aus.
Andrea erkannte, dass die Frau offensichtlich um eine milde Gabe bat. Die anderen Passanten gingen an der Alten vorbei, als ob sie diese gar nicht bemerkt hätten. Obwohl Andrea in rechter Zeitnot war, brachte sie es nicht übers Herz, einfach an ihr vorüberzugehen. Sie schaute hektisch zur Bahnhofsuhr und kramte nach etwas Kleingeld in ihrer Geldbörse.
»Es ist noch zu früh für dich!«, sagte die Alte mit leiser und freundlicher Stimme. Andrea schaute etwas verwundert und dachte: »Woher will die wissen, welchen Bus ich nehmen möchte?« Dann legte sie ein paar Münzen in die Hand der Bettlerin und verabschiedete sich freundlich.
Als sie eiligst in Richtung Bahnsteig zu rennen begann, sah sie schon von weitem, dass der Bus losfuhr. Andrea war natürlich recht verärgert. Schließlich blieb ihr jetzt nichts anderes übrig, als den langen Weg zu Fuß zu gehen.
Als sie wenige Augenblicke später den Bahnhof wieder verließ, fiel ihr auf, dass die alte Frau nicht mehr dort saß. Andrea war ziemlich verdutzt. »Die kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben«, dachte sie. Ihre Verwunderung steigerte sich noch, als sie die Münzen, die sie ihr in die Hand gedrückt hatte, auf dem Boden liegen sah. »War ihr das nicht genug?«, fragte sie sich und hob die Münzen wieder auf.
Ohne noch lange über dieses seltsame Erlebnis nachzusinnen, machte sie sich auf den langen Heimweg. Zum Glück kannte sie einige Abkürzungen und Schleichwege, so dass sie nicht den langen Weg nehmen musste, den der Bus fuhr.
So waren es vielleicht nur gut sechs Kilometer, die sie zu bewältigen hatte. Unterwegs musste sie dann doch wieder an die merkwürdige Bettlerin denken. Je länger sie darüber nachsann, desto mehr fiel ihr auf, dass die Alte eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer vor Jahren verstorbenen Großmutter, zu der sie stets ein sehr inniges Verhältnis gepflegt hatte, aufwies.
Am nächsten Tag erfuhr Andrea aus der Zeitung, dass der Bus, den sie am Vorabend verpasst hatte, einen schweren Unfall hatte.
Vermutlich durch eine Unachtsamkeit des Fahrers war er von der Fahrbahn abgekommen und eine Böschung hinuntergestürzt.
Elf der Fahrgäste erlitten lebensgefährliche Verletzungen, an denen fünf wenige Tage später starben!
Das Kind, das sein Schicksal nicht
leben durfte
Eine Menschenseele stand unweit des Himmelstores und schaute auf die Erde herab. Die Seele wusste, dass es bald wieder an der Zeit sein wird, als Menschenkind auf der Erde geboren zu werden.
In der langen Zeit, die sie in den himmlischen Gefilden verbracht hatte, ist ihr vieles von dem, was sie im letzten Erdenleben an nützlichen und weniger nützlichen Taten vollbracht hatte, klar vors Seelenauge getreten.
Ihr Engel trat an die Seele heran und sprach: »Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, bis du wieder auf die Erde geschickt wirst.«
Die Seele hüpfte voller Vorfreude. Der Engel sagte: »Es ist schön, dass du dich freust, wieder als Menschenkind geboren zu werden. Aber dein nächstes Leben wird nicht ganz einfach werden.«
»Das ist mir ganz egal!«, entgegnete die Seele. »Hauptsache ich kann wieder auf die Erde, um mich weiterzuentwickeln.«
Der Engel fuhr fort: »Es ist gut, dass du das so siehst! Aber dein neues Erdenleben wird wirklich sehr, sehr hart werden. Um einen wirklich großen Schritt in deiner Entwicklung machen zu können, musst du ein Leben führen, das dich in vielerlei Hinsicht stark einschränken, das dir etwas sehr Schweres auferlegen wird.«
»Was habe ich zu tun?«, fragte die Seele neugierig und voller Tatendrang.
»Nun, du musst ganz radikale Erfahrungen machen. Du musst mit einer schweren Behinderung zur Welt kommen. In einem solchen Leben wirst du vieles erfahren und lernen, was du bisher noch nicht kennengelernt hast und was dein Erdenleben sehr beeinträchtigen wird«, sprach der Engel ein wenig mitleidig.
»Was sind das für Beeinträchtigungen?«, wollte die Seele wissen. »Nun, du wirst in der Schule nicht gut vorankommen. Vielleicht kannst du auch gar nicht zur Schule gehen. Einen Beruf wirst du wohl auch nicht ausüben können. Dann musst du gewiss häufig mitleidige Blicke oder gar Spott deiner Mitmenschen ertragen. Und du wirst dein ganzes Leben lang auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Aber ein solches Leben ist für dich eine Notwendigkeit, um dich höher entwickeln zu können«, antwortete der Engel.
»Das ist doch alles nicht schlimm! Das ist doch der Sinn unserer