Mordsriecher Tatort Böblingen
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Als Helene in der nahen Verwandtschaft von Linda auf Unerwartetes stößt, droht dem Fall eine grausame Wendung …
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Rezensionen für Mordsriecher Tatort Böblingen
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Buchvorschau
Mordsriecher Tatort Böblingen - Heinrich Düllmann
Kapitel 1
Es war ein milder Frühlingsabend. Dirk Schnabel schlenderte über den Bürgersteig vor einem Hochhaus in Böblingen und spielte auf seinem iPhone OnlineFussballManager. Plötzlich schrie ein Kind aus einem der oberen Stockwerke, was ihn kaum in seiner Konzentration störte. Vielmehr schmunzelte der dreifache Vater sogar über die Lärmbelästigung, um die er sich ausnahmsweise nicht kümmern musste. Er genoss es, ungestört spielen zu können. Zu Hause konnte er sich selten konzentriert dem Strategiespiel widmen. Da er bei der Arbeit keine Gelegenheit hatte, sich um das Spiel zu kümmern, wollte er das unbedingt vor der Rückkehr erledigen.
Er setzte sich auf eine Bank und merkte bei den umfangreichen Einstellungen nicht, dass das Kind aufgehört hatte zu schreien.
Plötzlich riss er blitzschnell den Kopf hoch und sprang auf, weil ihn ein schriller Hilferuf aufschreckte.
»Friediiiiiiiii«
Er sah eine Frau mit einem Kind über die Brüstung eines Balkons fallen. Die Krone eines Baumes federte den Sturz nur wenig ab. Beide krachten durch die Äste und landeten auf dem Rasen der Grünfläche. Für Sekunden stand Schnabel starr vor Schreck einfach nur da. Die Frau lag auf dem Rücken, das Kind auf ihr.
Als er die Unglücksstelle erreichte, bewegte sich das Kind, das drei oder vier Jahre alt sein mochte. Es ertastete ein Stofftier, das unter dem Kopf hervoräugte. Daraufhin öffnete es die Augen, hob den Kopf und flüsterte:
»Mama, Friedi ist auch da!«
Hilflos blickte es auf das Gesicht der Mutter, die stumm und regungslos blieb.
»Mama, Mama! Was ist los?«
Verzweifelt schüttelte das Kind die Mutter an den Schultern, dennoch reagierte sie nicht. Daraufhin krabbelte es von der Mutter hinunter, um sich dann ganz dicht an sie zu schmiegen, sodass es ihr direkt ins Ohr flüstern konnte:
»Aufwachen, Mama! Mama, aufwachen!«
Doch sie wachte nicht auf. Das Kind weinte und streichelte ihre Wange.
Wie ein Lauffeuer hatte sich das Unglück herumgesprochen und sofort viele Leute angelockt. Es herrschte eine beklemmende Atmosphäre. Fassungslos starrten die herbeigeeilten Personen auf die Unfallstelle. Einige Schaulustige zeigten jedoch wenig Anteilnahme, sondern gafften die Verunglückten einfach nur aus nächster Nähe an. Ein junger Mann fotografierte sogar die beiden Körper mit seinem Handy.
Dirk Schnabel kam sich in der Menschenansammlung verloren vor. Immer mehr Leute strömten herbei und drängten ihn unsanft zur Seite, um schneller voranzukommen. Da stand unvermittelt ein Mann neben ihm, der sich erkundigte, was denn geschehen sei.
»Eine Frau ist mit einem Kind vom Balkon gestürzt. Sieht nicht gut aus!«, stammelte Schnabel und zeigte auf den vierten oder fünften Stock.
»Wo? Von dort oben?«, fragte der andere Mann fassungslos.
»Nicht auszudenken, wenn das unsere Wohnung ist!«, sagte er leise vor sich hin. Dann drehte er sich blitzschnell um und schrie in die Menge hinein:
»Lassen Sie mich durch! Macht Platz! Das ist meine Familie!«
Er machte sich so durchdringend bemerkbar, dass die Leute bereitwillig eine Gasse bildeten, durch die er sich drängte.
»Oh, mein Gott!«, klagte der zu Tode erschrockene Mann und schlug sich die Hände vors Gesicht, nachdem er seine Frau und Tochter erblickt hatte. Völlig aufgewühlt trat er dicht an sie heran und bückte sich zu ihnen hinunter.
»Papa«, flüsterte das Mädchen kraftlos. Die Kleine ergriff einen Zipfel seines Pullovers und zupfte vorsichtig daran. Daraufhin half er ihr vorsichtig auf und prüfte, ob sie verletzt war. Behutsam nahm er sie in die Arme. Sie schien wohlbehalten.
»Linda! Dir ist nichts passiert«, sagte er erleichtert.
»Gott sei Dank.«
Als sein Blick jedoch auf seine Frau fiel, stellte er seine Tochter wieder auf dem Boden ab und ging in die Hocke.
»Mama redet nicht.«
Die Kleine blickte weinend ihren Vater an, der wie versteinert auf den leblosen und blutverschmierten Körper starrte. Urplötzlich berührte eine Hand seine Schulter, und bevor er etwas sagen konnte, sprach ihn eine männliche Stimme entschlossen von hinten an:
»Ich bin Sascha Kienle, der Notarzt. Ich bitte Sie, zurückzutreten, damit wir ungestört arbeiten können!«
»Aber ... das ist ... Clara ... das ist doch meine Frau«, stotterte er entschuldigend.
»Wir tun jetzt das Menschenmögliche für sie«, sagte der Arzt und zog ihn ohne weitere Diskussion vom Unglücksort weg. Gert Kunkel pendelte hin und her oder stellte sich auf Zehenspitzen, um die Rettungsmaßnahmen zu verfolgen. Aber er sah nur wenig. Das machte ihn noch ohnmächtiger. Am liebsten hätte er jetzt seine Angst herausgeschrien.
»Ich will zu Mama«, protestierte Linda und wollte sich von ihm lösen.
»Ach, Linda«, seufzte er und drückte sie an die Brust:
»Das geht jetzt nicht. Mama wird gründlich untersucht! Da stören wir!«
Linda versuchte, sich aus der Umklammerung zu befreien. Gert überlegte kurz, ob er sie vom Unfallort wegbringen sollte, um ihr den Anblick zu ersparen. Er verwarf jedoch diesen Gedanken, weil er seine Tochter kannte. Mit allen Mitteln hätte sie sich dagegen zur Wehr gesetzt, gestrampelt oder geschrien. Deshalb packte er sie kurzerhand und setzte sie auf seine Schultern.
»Siehst du etwas?«
Linda stützte sich an seinem Kopf ab und streckte sich nach oben, sodass ihr Vater sie besonders gut festhalten musste.
»Ja, Papa, ich sehe Mama.«
»Das ist gut«, erwiderte er.
Ein zweiter Notarztwagen und ein Polizeiauto waren eingetroffen. Jetzt gelang es der Polizei, die Unfallstelle großräumig abzusperren und die Schaulustigen zurückzudrängen. Vater und Tochter sahen gebannt zu, wie die Rettungskräfte, umgeben von unzähligen Schläuchen, Flaschen und Geräten, sich um die Schwerverletzte kümmerten. »Was ist los, Knuddel?«, fragte Gert seine Tochter, die es heftig durchzuckte.
Sie reagierte nicht. Nach einer Weile begann sie zu zittern und wurde unruhiger. Der Vater sicherte verstärkt mit beiden Händen ihren Sitz.
»Was ist los, mein Knuddel?«
»Alles gut, Papa!«, antwortete sie prompt, um ihn zu beruhigen. Aber sie selbst war völlig durcheinander und fragte sich verwundert, was passiert sei. Und wieso sie viele Worte verstand, die um sie herum gesprochen wurden. Vielmehr als früher. Sie schüttelte mehrmals den Kopf und schaute sich um, weil sie es nicht glauben konnte. Noch nie hatte sie so gebannt auf die Mundwinkel der Menschen geschaut und auf deren Worte geachtet wie in diesem Augenblick. In der Tat erfasste sie unmittelbar die Bedeutung der Aussagen. Sie konzentrierte sich auf das Gespräch zweier Frauen.
»Das wäre ein Wunder, wenn sie überlebt!«
»Ich frage mich, was da oben passiert ist. Das war kein Unfall. So unvorsichtig ist keine Mutter!«
»Denkst du an Mord?«
»Ja, warum nicht?«
»Ich finde, du siehst zu viele Krimis im Fernsehen. Wer kann so herzlos sein und eine Mutter mit ihrem Kind in den Tod stürzen!«
Linda drückte ihre Hände auf die Ohren. Sie wollte es nicht mehr hören und drehte den Kopf weg. Gert bemerkte das ungewöhnliche Verhalten seiner Tochter. Er sprach sie aber nicht mehr daraufhin an, weil er sicher vermutete, dass sie unter Schock stand.
Das Mädchen erinnerte sich in diesem Moment an eine Erfahrung, die sie Minuten zuvor an der Aufprallstelle gemacht hatte. Sie lag dicht bei ihrer Mutter, aufgelöst, ängstlich, weinend, verzweifelt ... Mit einem Male erhitzte sich ihre Stirn. Es war ein angenehmes Gefühl, das jedoch nach Sekunden wieder verschwand. Es ging so schnell, dass sie es in der trostlosen Situation kaum wahrnahm. Jetzt allerdings ging ihr diese Erfahrung nicht mehr aus dem Sinn. Sie fragte sich unentwegt, ob das kurze, intensive Brennen auf der Stirn ihre Veränderung bewirkt hatte.
Sascha Kienle löste sich aus der Mitte der Rettungskräfte, kam auf sie zu und sprach Gert unvermittelt an.
»Die Lage Ihrer Frau ist stabil, aber sehr kritisch. Sie schwebt in Lebensgefahr. Sie liegt im Koma. Eine Diagnose ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Deshalb wissen wir nicht, ob sie durchkommt. Es ist sowieso ein Wunder, dass beide den Sturz überlebten! Wir bringen ihre Frau jetzt in die Klinik.«
Er hielt kurz inne.
»Und nun zu dir, wie heißt du?«
Der Notarzt schaute das Mädchen an, das ihm regungslos zugehört hatte.
»Linda«, antwortete sie.
»Linda«, wiederholte er begeistert.
»Das ist ein toller Name. Linda heißt nämlich die Schöne. Und wie schön du bist mit deinen schwarzen Haaren und dem langen Zopf!«
Der Arzt streckte ihr die Hände entgegen.
»Ich will dich gründlich untersuchen. Fährst du mit in die Klinik?«
Die verkrampfte Körperhaltung des Mädchens lockerte sich und sie fragte wie aus der Pistole geschossen:
»Mit Tatütata?«
»Aber natürlich, mit Tatütata und ... sogar mit Blaulicht, das ist doch klar«, lächelte er sie an.
Sie befreite sich aus den Armen des Vaters und sprang den Arzt an.
»Uih, bist du wild«, sagte er und fing sie sicher auf.
»Friedi muss mit!«
Linda drehte sich um und zeigte auf das am Boden liegende Kuscheltier. Gert bückte sich und hob Friedi auf.
»Aber der ist doch völlig mit Blut verschmiert, den kannst du so nicht mitnehmen!«
»Macht nichts. Friedi muss mit!«
Sie überhörte einfach die Einwände des Vaters.
Gert suchte Hilfe beim Doktor.
»Geht das?«
»Natürlich«, antwortete der verständnisvoll.
»Linda hat doch auch viele Blutflecken!«
Der Notarzt zeigte auf das verschmierte Blut im Gesicht und auf den Armen.
Zögerlich gab der Vater ihr das Kuscheltier, das sie sofort an sich drückte.
Jetzt ging alles rasend schnell. Die Sanitäter transportierten Clara Kunkel in einen der zwei Notarztwagen. Der Arzt, der die Kleine im Arm hielt, ging mit zügigen Schritten auf den zweiten Rettungswagen zu. Gert folgte ihm.
»Ich begleite natürlich meine Tochter.
»Ja, das ist doch selbstverständlich.«
Kapitel 2
»Komm bitte hierher!«
Der Arzt forderte Linda energisch auf, als sie sich sofort nach dem Einsteigen an den Geräten zu schaffen machte.
»Ich muss dich hier anschnallen, sonst können wir nicht losfahren! Wenn du nicht sitzt, gibt es kein Tatütata und auch kein Blaulicht.«
Widerwillig kam sie und ließ sich anschnallen. Als der Rettungswagen wenige Augenblicke später tatsächlich mit Tatütata losfuhr und das Blaulicht durch die Fenster flackerte, leuchteten Lindas Augen. Gebannt und fasziniert verfolgte sie die rasante Fahrt. Nachdem sie angekommen waren, erfuhren sie, dass Clara sich bereits auf der Intensivstation befand. Der Notarzt ging nach dieser Information mit beiden in die Ambulanz, um dort das Mädchen zu untersuchen. Eine Krankenschwester bat er vorher, das Kuscheltier gründlich zu reinigen, was Linda sehr beruhigte. Überhaupt war Gert erstaunt, wie bereitwillig sich seine Tochter behandeln ließ und bei den verschiedenen Tests konstruktiv mitmachte. Nach einer eingehenden Untersuchung sagte der Arzt:
»Bei Ihrer Tochter ist alles in Ordnung. Sie hat vor allem keine inneren Verletzungen. Und die leichten Schürfungen am Oberarm sind gar nicht der Rede wert.«
Er pustete sanft über die Wunde.
»Papa, auch pusten!«
Sie hielt ihm den Arm hin und lachte ihn an.
»Linda, schau her, hier ist dein Kuscheltier. Ich habe es gebadet, geföhnt und gekämmt! Gefällt er dir?«
Die Krankenschwester zeigte stolz den zotteligen Hund und strich zärtlich über die lange, helle Hundeschnauze.
Das Mädchen strahlte sie glücklich an, vergaß alles um sich herum und knuddelte