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Was zum Teufel mache ich hier?: Der kanadische Weg
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Was zum Teufel mache ich hier?: Der kanadische Weg
eBook257 Seiten3 Stunden

Was zum Teufel mache ich hier?: Der kanadische Weg

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Über dieses E-Book

"Was zum Teufel mache ich hier?" ist eine Sammlung von Einwanderer Geschichten und handelt von Erlebnissen im Auswandererland Kanada und daraus gewonnenen Erkennt-nissen. Es ist ein lustig geschriebenes Buch und soll die Un-terschiede zwischen der alten Welt in Deutschland und der neuen Heimat in Kanada zeigen.
Es ist bewusst mit Humor geschrieben, um sich von themengleichen Büchern etwas hervorzuheben. Auf fast 260 Seiten wird erklärt es wie unterschiedlich sich das tägliche Leben im neuen Land abspielt - in einer Weise, so hoffe ich, dass es amüsierend und gleichzeitig unterhaltend ist.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum28. Juni 2012
ISBN9783842401587
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    Buchvorschau

    Was zum Teufel mache ich hier? - Klaus W. Liebing

    Erwecke den riesigen Tiger

    Schweißgebadet erwachte ich von meinem Traum. Unruhig wälzte ich mich im Bett umher, um diese schrecklichen Gedanken endlich wieder loszuwerden. Leider waren meine Versuche zum Scheitern verurteilt.

    Ich öffnete meine Augen und erblickte nur die Schwärze der Nacht. Die Dunkelheit im Schlafzimmer verriet mir, dass der Morgen noch in weiter Ferne liegen musste. Benommen und noch nicht richtig wach ahnte ich bereits, dass es im fernen Deutschland jetzt schon rege zugehen musste. Kein Wunder, denn die Zeitdifferenz zwischen Toronto, in Ontario eine der zentralen Provinzen in Kanadas – und Deutschland betrug ganze sechs Stunden.

    Von meiner Frau an meiner Seite, waren nur Schlafgeräusche zu vernehmen, sodass ich es vorzog, dem Badezimmer einen kleinen Besuch abzustatten. Auf dem Weg dorthin kollidierte ich mit unserem Sideboard, welche mir ein halblautes „Aua! abverlangte, gefolgt von einem „Mist!, und verschwand aus dem Schlafzimmer. Ich knipste den Lichtschalter um, und es wurde sogleich hell im Badezimmer. Leider reagierten meine Augen ein bisschen empfindlich auf die brutale Bestrahlung des Raumes. Also presste ich die Augenlider so weit zusammen, dass ich mich wenigstens im Spiegel betrachten konnte. Obwohl ich mich noch recht müde und unausgeschlafen fühlte, erkannte ich gleich die Schweißperlen, die sich auf meiner Stirn breitmachten.

    „Na bitte, da haben wir es", dachte ich mir, wusch mein Gesicht und stolperte anschließend wieder ins Schlafzimmer zurück.

    Trotz meiner Erfrischungsmaßnahme konnte ich nicht sofort wieder einschlafen. Es versteht sich von selbst, dass der Schlaf erst dann wieder eintritt, wenn es langsam Zeit zum Aufstehen wird. Diese kleine Regel schlich sich auch bei mir ein, sodass ich letztendlich ein bisschen von der Nacht profitieren konnte.

    Später am Frühstückstisch fragte mich meine Frau ein wenig besorgt „Was war mit dir los letzte Nacht?"

    „Ach!, und ich schlürfte ein wenig am Kaffee „Ich bin mitten in der Nacht wach geworden und konnte kein Auge mehr zumachen.

    „Das habe ich bemerkt, grollte ihr kleiner Protest hervor und sie gab mir nun eine kleine Alternative preis, die mir allerdings ein wenig zu spät hilfreich gewesen wäre. „Wenn du nicht schlafen kannst, geh ins Wohnzimmer und mach das Fernsehgerät an. Das hilft meistens. Das saß!

    „Daran hab ich tatsächlich nicht gedacht, gestand ich ehrlich. „Die Programme sind hier allemal zum Einschlafen, zumal die Wiederholungen multipliziert werden, damit auch der letzte Unwissende in der ganzen Nation den Film endlich begreift. Das Kopfnicken von ihr zeugte davon, dass sie mal wieder recht hatte.

    „Und was war der wirkliche Grund? Warum konntest du nicht einschlafen?", erfolgte ihre Frage unmittelbar hinterher.

    „Ich hatte schlichtweg einen Albtraum, entgegnete ich äußerst knapp, denn eigentlich wollte ich mich nicht darüber auslassen. „Was für einen?, bohrte sie unerbittlich nach, als sei sie eine Traumdeuterin und wolle dem Übel auf die Spur kommen.

    „Stell dir vor, wir wären nach Kanada ausgewandert", wobei ich eine besondere Betonung auf das Wort ausgewandert legte und absichtlich eine kleine künstliche Pause einlegte.

    „Das sind wir, mein Lieber! Wir befinden uns im tiefsten wilden Westen von Kanada!", brachte sie die Realität auf einen Punkt.

    „Weiß ich auch, unterbrach ich sie und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. „Stell dir doch einmal vor, wir wären hier angekommen und man hätte uns doch tatsächlich von Anfang an geholfen oder uns nur etwas Hilfsbereitschaft entgegengebracht, wäre vielleicht sogar behilflich gewesen. Bei der Einreise hätten wir den einen oder anderen Ratschlag bekommen oder zumindest einen Hinweis erhalten, dass gewisse Dinge für Neuankömmlinge unabdingbar sind. Wo zum Beispiel der Führerschein umgeschrieben werden kann oder die Sozialversicherungskarte erhältlich ist. Sowohl das als auch ganz einfach, wie man ungehindert einen Zugriff auf den hiesigen Arbeits- oder Wohnungsmarkt erhalten kann. Dass man vielleicht eine Stelle bekannt gibt, die ein Einwanderer freundlich gesinnt wäre. Eine Beratung etwa!? Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

    „Meinst du?, klang es aus ihr und sie überlegte einen kleinen Augenblick „Keinen Zweifel! Du hattest wirklich einen Albtraum!, lautete das Resultat ihrer Auswertung meiner Darstellungen.

    „Das sagte ich doch, hakte ich unbeirrt nach, wobei meine Partnerin nun ins Grübeln kam. Daher fügte ich direkt meine Frage an „Kannst du dich noch daran erinnern, wie unsere Begegnung mit dem Gericht war?

    „Und ob!", erwiderte sie, wobei es nun zu einem Flashback der Erinnerung kam.

    Willkommen in Kanada

    Es begann alles mit einem Traum. Ein Traum, basierend auf dem Verlangen nach einer neuen Herausforderung, nach einem Abenteuer und der Möglichkeit das Beste aus dem Leben zu machen. „Du hast nur ein Leben, daher lebe das Leben so angenehm wie möglich." Dies war stets unsere Philosophie. Wir, das heißt meine Frau Sonja und ich.

    Bevor wir nach Kanada auswanderten, lebten wir in Deutschland – überall auf der Welt bekannt für die soziale Sicherheit, die vielen Feier- und reichlichen Urlaubstagen, eine gute Struktur von Ergebenheit und Treue sowie einer gut durchorganisierte Gesellschaft. In diesem Land definierten wir unseren Erfolg nicht nur auf der finanziellen Grundlage. Meine Frau arbeitete für viele Jahre in der Personalabteilung eines größeren Unternehmens, ebenso hatte sie Kenntnisse in der allgemeinen Buchführung gehabt. Meine letzte Tätigkeit war als Fachberater und Außendienstmitarbeiter mit über zehnjähriger Erfahrung. Ebenso zeichneten mich meine Fertigkeiten als Niederlassungsleiter mit einer soliden Ausbildung aus.

    Wir waren geladen mit angefülltem Optimismus und recht aufgeregt über die Möglichkeit, in einem anderen Land zu leben. Nicht viele Menschen sind bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen.

    Unsere Ideologie war schon immer die, dass wir nur ein Leben zur Verfügung haben, und daher wollten wir unser Leben selbst gestalten. Es macht da nicht viel aus, ob es mit positiven oder negativen Erlebnissen endet. Die Hauptsache besteht darin, dass etwas unternommen wird, auch wenn das Ergebnis nicht gerade günstig ausfallen mag.

    Ich erinnere mich an unsere Ankunft am Flughafen in Calgary, als sei es erst gestern gewesen. Der Beamte der Einwanderungsbehörde begrüßte uns mit:

    „Welcome to Canada!"

    Und mit Stolz erklärte uns dieser Herr: „Ihr befindet euch in einem freien Land und ihr könnt machen, was immer ihr auch wollt. Ihr könnt leben, wo immer ihr es wünscht …"

    „Schön!, entgegnete ich freundlich. „Ich lebte ebenfalls in einem freien Land. Von daher ist es absolut nichts Neues für uns. Ausgenommen die Sprachbarrieren am Anfang … Auf meinen Kommentar reagierte dieser Herr erst gar nicht. Heute weiß ich, warum.

    Rechtsunsicherheit

    Mücken riechen frisches Blut schon aus weiter Entfernung. Aasgeier riechen ihr vermeintliches Opfer schon kilometer- bzw. meilenweit. Die Kanadier müssen eine Mischung aus beiden sein, denn diese Spezies riechen Einwanderer schon meilenweit gegen den Wind. Dies ist wiederum kein Wunder, denn die Neuankömmlinge kennen die Gepflogenheiten und das neue Rechtssystem noch nicht. Gerade Immigranten sind daher ein begehrtes Opfer, zumal diese Menschen nicht die leiseste Ahnung von den hiesigen Bräuchen haben und prompt ausgesaugt werden können.

    Es ist daher auch kein Wunder, dass die Mehrheit der Newcomer rasch auf irgendeine planvolle Aktion hereinfällt.

    Wir saßen wie in einem Wartesaal. Zahlreiche Tische und etliche abgenutzte Stühle schmückten den riesigen Raum. An einer Wand hing das Maple Leaf, die „rot-weiße kanadische Nationalflagge" mit dem Ahornblatt, umgeben von einem Foto des Premierministers der Provinz sowie einem Porträt der Queen, die wie allgegenwärtig wirkte. Zumindest ist das der Fall, wenn es sich um eine öffentliche Einrichtung handelt. Und da es sich hier um einen Small Claims Court handelt, einem Gericht für kleinere Delikte bis zu einem Streitwert von 7.500,00 Dollar also, dürfen diese Darstellungen und Ansammlungen der politisch treibenden Kräfte nicht fehlen. Selbst auf einem Geldschein findet sich das Konterfei der Königin von England wieder.

    Der Bereich der eigentlichen Beratungsstelle wurde durch eine Glasscheibe abgetrennt. Es war ersichtlich, dass es hier etwas heftiger zur Sache ging. Der Zugang zu den Beratungsschaltern wurde durch einen separaten Eingang reguliert, sodass nicht jeder gleich in Erfahrung bringen konnte, was dem Beratenden so auf die Palme bringen konnte.

    Auch, oder gerade weil es sich um eine Behörde handelt, müssen hier ein paar Spielregeln eingehalten werden. Eine davon besagt, dass zuerst eine Nummer gezogen werden muss, und anschließend so lange abzuwarten war, bis diese schließlich aufgerufen wurde. Bis dahin musste mit dem Schicksal gehadert werden, warum der Gang zum Gericht im Grunde überhaupt notwendig wurde und warum der Beklagte nicht willig für eine friedvolle Vereinbarung war, ohne gleich den Rechtsweg einschlagen zu müssen.

    Im Allgemeinen hat der Kanadier als solcher ja Zeit. Viel Zeit. Und zwar so viel davon, dass er sie verplempern konnte. Somit schien das Warten die bürgerliche Pflicht schlechthin zu sein.

    Die Warterei konnte sich unter Umständen noch erheblich verlängern, wenn zwischendurch ein paar Geldeintreiber im Kollektiv auftauchten. Meistens haben solche Leute auch noch Vorrang, da diese mehrere Eingaben, Klagen und weiß der Kuckuck noch was aufweisen können. Es versteht sich von selbst, dass einige dieser Fachmänner persönliche Kontakte zum Personal des Gerichtes unterhielten. Dieses wiederum war ja auch kein Wunder, da ein Zusammentreffen zwischen Gerichtsdienern und den „Geldhaien" fast im Tagestakt erfolgte. Natürlich basierten die Konversationen nicht nur auf die anrüchigen Klageschriften, sondern es wurde auch über allgemeine Geschehnisse offen erörtert. Aus diesem Grund konnte sich die Wartezeit für den Antragsteller dramatisch verlängern und die tägliche Routine durcheinanderbringen.

    Als wir diesen Saal betraten, waren sämtliche Tische belegt. Teilweise waren Dokumente als Zeichen der massiven Besetzung ausgebreitet, sodass es für einen Eindringling keine Chance gab, den Tisch zu teilen. Anwälte erzählten offen herum, welche Chancen ihre Klienten hätten, und beratschlagten – unbeeindruckt von der neugierigen Nachbarschaft ihre Probleme.

    Die angrenzenden Sitzelemente, die für die wartende Masse gedacht waren, entnahmen jegliche Privatsphäre, sodass jeder Wartende unfreiwillig Zeuge der Rechtsverunsicherung wurde.

    Die Anzahl der Tische und Stühle war ein klares Zeichen dafür und Beweis genug, dass viele Leute dieses Gericht munter in Anspruch nahmen. Das Getümmel und Gerede wirkte in diesem Saal Furcht einflößend und zeugte gleichzeitig auch davon, dass die Beratung sich erheblich verzögern konnte und dementsprechend sowohl Geduld als auch Ausdauer von einem abverlangt wurde.

    Auch wir zogen unser Los und mussten uns in das Schicksal der Warterei einreihen. Dem Höhepunkt bot jedoch ein Trio von Geldeintreibern, das sich an der wartenden Meute vorbeischlängelte und den direkten Weg zur Beratungsstelle suchte.

    „Das gibt es doch nicht!, empörte sich mein Nebenmann auf Deutsch und fügte gleich eine kleine Verwünschung hinterher. Erstaunt darüber, dass jemand das Englisch zur Seite legte und in meiner Muttersprache hier – im heiligen Gerichtsgebäude – eine kleine Verfluchung auf die drei Geldhaie heraus brauste, entgegnete ich nur: „Keine Panik! Um an unser Recht zu kommen, müssen wir Geduld und Opfer bringen. So lautete mein kleiner Hinweis. Wir kamen ins Gespräch und stellten uns vor. Sein Name war Georg und er kam erst vor wenigen Monaten aus Leverkusen hierher. Vor ein paar Wochen ist er in diese kanadische Stadt gezogen.

    „Alles, was du hier brauchst, ist Geduld", entgegnete ich ihm abermals.

    „Nur Geduld?", fragte er nur brüsk zurück und machte dabei eine wegwerfende Handbewegung, die auch zugleich seinen Gemütsausdruck reflektierte.

    „Nein!", war die kurze Antwort von Sonja, meiner Lebenspartnerin.

    „Geduld?", fragte Georg etwas zögerlich nach.

    „Nicht nur!" antwortete ich.

    „Viel Geduld und viel Geld?" Georg rieb sich nun seinen Daumen und Zeigefinger.

    „Schon wesentlich besser, aber das reicht hier noch lange nicht aus! Denn jeder Idiot kann schließlich für ein paar Dollar eine Klage bei Gericht einreichen", setzte ich sachte hinterher.

    „Wahrscheinlich brauche ich mehr Zeit und Geduld, Geld und ein Urteil, um mein Bargeld wiederzubekommen", lautete die sichere Analyse von Georg.

    „Hört sich schon besser an, aber bis zum Urteil ist es noch ein verdammt weiter, unbeschreiblich steiniger Weg und vor allem ein langer Pfad, der mit zahlreichen Fallen bespickt ist", bekundete ich wahrheitsgemäß.

    Georg wirkte etwas ungläubig „Warum … wenn ich die Klage eingereicht habe, sollte doch alles wie von selbst gehen!?"

    „Und, reicht das etwa aus? Hat denn der Beklagte die Klageschrift überhaupt erhalten oder gar entgegengenommen?" fragte ich nun unverblümt zurück. Natürlich wusste ich, dass man eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantwortet sollte. Da wir uns aber in Kanada befanden, ignorierte ich diese Regel einfach.

    „Wieso? Wofür ist denn das Gericht da?" Georg setzte diese Regel ebenfalls außer Kraft und schien mir nun leicht verunsichert zu sein.

    „Ganz einfach: zum Urteilen und nicht mehr! Oder glaubst du, es ist dein Laufbursche und überreicht dem Beklagten das Dokument, das du beantragt hattest?"

    „Muss ich etwa die Klageschrift ..., begann Georg, doch ich unterbrach: „... ganz genau! Die musst du ihm bringen oder schicken. Hat er das Schreiben per Boten bekommen, bekommst du mit Sicherheit Schwierigkeiten mit dem Richter, denn dieser duldet keine Boten, da diese recht unzuverlässig sind und sich teilweise die nötigen Unterschriften von wildfremden Personen von der Straße. Und das entspricht nicht nur den Erfahrungen, die ich gemacht habe, sondern auch den Tatsachen. „Vielleicht hast du dennoch Glück und der Bote legt einen Eid ab, dass er das Schreiben auch wirklich der richtigen Person ausgehändigt hat. Wenn das der Fall ist, wird der Richter wahrscheinlich die Übergabe akzeptieren. Ansonsten musst du wieder von vorne anfangen. Denn wer weiß schon so genau, wie viele Personen in einer Wohnung leben. In den Studentenzeiten wurde es bei uns schlichtweg als Kommune bezeichnet. Einmal im Rederausch, holte ich nun direkt zum Rundumschlag aus: „In Kanada liegt die Sachlage aber total anders: Hier ist das eine Zweckgemeinschaft, um die Miete zu teilen, damit der restliche Lohn zum Leben reicht. Denn bei einem minimalen Stundenlohn von einer Handvoll Dollars, zumindest hier in Alberta, bleibt nicht viel zum Leben übrig. Dementsprechend kann der Lebensstil nicht in Luxus oder andere Annehmlichkeiten ausarten, da das Budget nicht dafür ausgerichtet werden kann. Somit kann man keine großen Sprünge machen, eine eigene Wohnung rückt in weiter Ferne und steht auf fast jeder Wunschliste ganz oben.

    Dies entspricht leider tatsächlich den Gegebenheiten. Zumindest ist es der Fall, wenn man eine Wohnung in der näheren Umgebung der Innenstadt, also downtown, besitzen wollte. „Ein Kanadier behauptete mir gegenüber einmal, dass es sich hierbei nur um die ‚Kunst des Überlebens’ handle."

    „Wirklich?, entwich es Georg, der jetzt ins Grübeln kam, doch ich setzte unbeirrt fort: „Die Logik ist recht simpel: Alleine zu wohnen, ist zu teuer und fast unerschwinglich. Zu zweit bedeutet halbe Miete; zu viert eben nur ein Viertel; mit fünf Personen nur noch zwanzig Prozent. Darüber hinaus fängt für die meisten hier, die höhere Mathematik an, sodass in der Regel mit fünf Personen zu rechnen ist. Ich kenne jedoch ein Appartement, da wohnen so viele Menschen, dass sie, wenn alle einmal zusammen feiern wollten, einen Saal mieten oder zur McDonalds-Partyzone gehen müssten. Da wurde ein ...

    Georg lachte offen und laut über meine nüchterne Analyse, obwohl dies keineswegs von mir beabsichtigt war.

    „Hey, schüttele nicht deinen Kopf und zu lachen gibt es da auch nichts!", entgegnete ich eine wenig gereizt.

    Verzweifelt schweiften meine Blicke im Saal umher. Keiner unserer mittelbaren Nachbarn fand Anstoß an unserer Auseinandersetzung und dem Lachen von Georg. Also fuhr ich mit meiner Erklärung unbeeindruckt fort: „Diese Leute erstellen einen Plan, wer von wann bis wann und wo auf der Couch schlafen darf. Das war durch und durch organisiert und nichts, aber auch gar nichts wurde dem Zufall überlassen."

    „Ist doch nicht möglich, oder?! Du machst Witze!" Nun wirkte er doch ein wenig verunsichert.

    „Nein, ich bin ehrlich. Vielleicht willst du darum wetten? Ich garantiere dir, dass du schnell und ohne Umschweife verlieren wirst., bestätigte ich. „Ich kannte einen aus dieser Gemeinschaft. Auf meine Frage, warum gleich die Couch geteilt werden musste, meinte er nur, und absolut typisch und logisch für ihn: Sieh mal, im Winter ist es ganz praktisch. Egal, wann ich nach Hause komme, ich habe ein warmes Bett und brauche meine Körperwärme nicht zu verschwenden, denn draußen ist es furchtbar kalt.

    „Das stimmt allerdings, da hat er ja recht … verstand Georg nun. „Und was macht er im Sommer?

    „Da ist es länger hell und wärmer, da bleibt man eben länger draußen – außerhalb des Gebäudes. Nun weißt du auch, warum der Richter keine Boten mag oder anerkennt", wollte ich das lästige Thema nun abwickeln.

    Für eine Weile schien Ruhe eingekehrt zu sein. Georg wirkte nachdenklich. Ich schaute mich derweil etwas gelangweilt um und stellte fest, dass keine weiteren Ankömmlinge eingetroffen waren. „Noch nicht!", dachte ich pessimistisch.

    „Und wenn ich die Klage per Einschreiben schicke?", fragte mich Georg nun.

    „Ah! Der Richter favorisiert Einschreiben. Warum? Weil diese von der kanadischen Post verschickt und registriert werden. Du hast aber auch noch die Möglichkeit, die Klageschrift dem Crook selbst zu übergeben", wobei Crook die hiesige Bezeichnung für einen Gauner ist. „Bei der Übergabe musst du allerdings darauf achten, dass der Mini-Al-Capone auch unterschreibt, andernfalls heißt es Nicht zugestellt und alles war umsonst, denn ein zweites Mal lässt sich der Beklagte mit Sicherheit nicht überrumpeln und du kannst dein Geld oder Eigentum gleich abschreiben."

    „Worauf muss ich denn besonders achten?" hakte Georg nach. Ahnte ich doch, dass diese Frage kommen würde.

    „Damit du überhaupt eine Chance hast, solltest du darauf achten, dass Namen etc. richtig geschrieben sind. Wenn du zum Beispiel einen Dieter Müller verklagst und die Ü-Pünktchen vergisst, dann heißt der Beklagte: Dieter Muller und dieser hat mit dir nichts, aber auch gar nichts zu tun. Die Klage wird im Vorfeld noch direkt am Schalter abgewimmelt." Ich zeigte ungeniert mit meinen Fingern in Richtung Glasscheibe.

    „Wie auch immer, keiner ist perfekt und von daher kann man doch Fehler machen und die Pünktchen einfach nachtragen! Man stellt sich ja doch sonst nicht so zimperlich mit der Grammatik an", argumentierte Georg etwas geschockt, aber richtig.

    „Keine Frage, natürlich besitzt du die technischen Fähigkeiten, um diese kleinen Kleckse nachträglich auf das Papier

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