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Hale-Bopp
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eBook324 Seiten4 Stunden

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Über dieses E-Book

Was würdest du denken, wenn du heute nach Hause kommen würdest und erfährst, dass die Welt nur noch knapp ein Jahr existieren wird? Wie denkst du, würden die Leute um dich herum reagieren? Wäre die Menschheit bereit, sich ihrem Untergang zu stellen? Am 20 Juli 2019, nach einer Woche eigenartiger Ereignisse, muss sich die Psychologin und Geigenspielerin Daniela Palmer diesen Fragen stellen, kurz bevor man sie wegen des Verdachtes auf Spionage verhaftet. Zwei Tage später wird sie unerwarteterweise freigelassen und flieht in Begleitung eines fähigen Hackers nach Sydney, um herauszufinden, was sich hinter der apokalyptischen Meldung und ihren Konsequenzen verbirgt. Ihre Entdeckungen stellen sich jedoch als deutlich komplexer heraus als erwartet, als sie auf eine geheimnisvolle Firma, mit der Daniela in der Vergangenheit zu tun hatte und ein Experiment mit unbegrenztem Potential stoßen. Mit allen Teilen vor sich, muss Daniela nun ein beunruhigendes Puzzle lösen, im Wissen, dass sie mit jedem Schritt den Grenzen ihres Verstandes näherkommt.

SpracheDeutsch
HerausgeberAlberto Rueda
Erscheinungsdatum18. Sept. 2019
ISBN9781071504215
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    Buchvorschau

    Hale-Bopp - Alberto Rueda

    I

    20. Juli 2019

    Tag 0 des Jahres der Ungewissheit

    Es war Samstag. Selbst wenn ich noch hundert Jahre gelebt hätte, hätte ich es niemals vergessen. Ich erinnere mich nicht mehr an die genaue Uhrzeit, es muss so gegen acht gewesen sein, da ich gerade von den Orchesterproben nach Hause gekommen war und das Wohnzimmer in völliger Dunkelheit lag. Ich erinnere mich, dass ich die nasse Regenjacke über den Stuhl gehangen, meine Einkäufe in der Küche abgestellt und Coyote gefüttert habe. Danach habe ich mir meinen Pyjama angezogen und den Fernseher eingeschaltet, während ich gewartet habe, dass das Bügeleisen heiß wurde. In den letzten Tagen hatte ich so viel zu tun, dass ich nichts mehr zum Anziehen hatte, in dem ich nicht wie eine Rosine aussah, also beschloss ich etwas zu unternehmen, bevor es noch schlimmer wurde.

    Nach etwa zehn Minuten unterbrachen alle Sender ihr Programm für eine Sondermeldung. Zunächst dachte ich, dass es sich um einen Scherz handeln musste, die typische Schnapsidee eines einfallslosen Moderators und einiger talentloser Drehbuchautoren, um ihre so schon zu lange Sendezeit zu füllen. Ich hatte das Theater satt und machte mich auf die Suche nach der Fernbedienung. Als ich sie gefunden hatte und umschaltete, fand ich verschiedene Kommentatoren in fast identischen Szenarien.

    Auf den nächsten drei oder vier Sendern war es das Gleiche. Alle sendeten gleichzeitig auf einer Seite des Bildschirmes das Bild eines Mannes, der einem Publikum etwas erklärte, während auf der anderen ein nervöser Moderator einen genauso aufgeregten Korrespondenten seines Senders mit Fragen bombardierte.

    Ich erinnere mich, dass ich erstarrte. Zwar plapperten alle hektisch durcheinander, aber es gelang mir, die verschiedenen Flicken an zusammenhanglosen Informationen zu verbinden und mir ein Bild darüber zu machen, was diese Anzugträger zu erklären versuchten.

    Laut dem Schriftzug an der Unterseite des Bildschirms handelte es sich um den Stabschef des Weißen Hauses, der eine Pressekonferenz gab. Einer von diesen wichtigen Leuten, die hin und wieder mit dem Präsidenten Golf spielen; in langen, schwarzen Autos reisen und häufig, über ein, in ihren grauen Schläfen gut getarntes, Hörgerät Mitteilungen empfangen. Er sprach mit sehr ernstem Gesicht zu einem Publikum, das ihn gnadenlos fotografierte. Dabei machte er mit den Händen einstudierte Gesten, die ein Gefühl von kalkulierter Ruhe vermitteln sollten, die jedoch weder er noch die akkreditierten Journalisten vor ihm verspürten. Dennoch stand er da und unterdrückte seine Hysterie, damit die Welt nicht plötzlich durchdrehte und täuschte Ruhe vor, genauso wie man es ihm in diesen teuren Kursen zur Panikbewältigung beigebracht hatte, die er alle zwei Monate besuchen musste. Man konnte ihm zumindest nicht vorwerfen, seine Zeit nicht genutzt und Steuergelder verschwendet zu haben.

    Der starke Geruch vom verbrannten Nylon eines Blusenärmels holte mich schlagartig in das Wohnzimmer der kleinen Penthouse-Wohnung, in der ich lebte, zurück. Eine Bluse, die zwar nicht echt, aber dennoch sauteuer gewesen war. Es war eine fast sechzig Dollar teure Gucci-Fälschung, die ich für besondere Anlässe gekauft hatte. Aus Mangel an Gelegenheiten hatte ich aber angefangen, sie täglich zu tragen. Nun war sie dabei unter meiner Nase zu verbrennen und ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich angefangen hatte, sie zu bügeln.

    Ich schaltete das Gerät aus und stellte es auf dem Brett ab. Dann setzte ich mich auf das Sofa und verharrte dort für mehrere lange Minuten. Der Fernseher lief zwar noch, aber ich hörte nicht mehr zu. Das Video des grauhaarigen Mannes, der eine Erklärung abgab, lief in Endlosschleife, während sich Arbeiter der Nachrichtensender bemühten, die aktuellste Mitteilung zu bringen und sich mit neuen und ausgesuchten Informationen einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.

    Das Telefon riss mich aus meinen Gedanken. Es hätte jeder sein können. Zu diesem Zeitpunkt waren bestimmt achtzig Prozent der Bevölkerung des Planeten auf dem Laufenden über die Entdeckung und würden bei einem Bekannten Dampf ablassen müssen, aber in diesem Fall war es meine Mutter.

    »Dani, Liebling, hast du die Nachrichten gehört? Sie sagen, das Ende der Welt kommt!«, brachte sie zwischen Schluchzern hervor. »Ganz ruhig, Mama, es wird schon nicht passieren. Es gibt sehr schlaue Leute und ich bin mir sicher, dass sie eine Lösung finden werden.« Ich weiß nicht, warum ich es mit solcher Überzeugung gesagt habe. Bis zu jenem Zeitpunkt konnte ich es selbst noch nicht so ganz glauben, aber irgendwie gab mir diese Antwort einen Schubs in Richtung Realität.

    »Bist du sicher? Ah, ich weiß nicht, Kleine ...Diese Dinge können unmöglich aufgehalten werden. Wir sind nicht in einem dieser Filme, in denen uns ein sehr attraktiver Mann kurz vorm Ende rettet.«

    »Ich weiß, Mama, aber mache dir keine Sorgen, okay? Wir haben sehr attraktive Männer noch nie gebraucht und das werden wir auch nicht. Wir haben noch viel Zeit und ich bin mir sicher, dass Tausende intelligenter Leute an einer Lösung arbeiten. Ja, man hat uns gerade erst informiert, aber sicher wussten sie schon seit Monaten Bescheid.«

    »So viel Zeit haben wir nicht, Liebling. Ein Jahr, bis wir es sehen können. Und was dann? Ein weiteres Jahr? Diese Dinge geschehen sehr schnell.«

    Meine Mutter hatte Recht. Laut den Nachrichten wäre der Arcangel-Komet innerhalb eines Jahres am Himmel sichtbar. Zunächst nur als winziger Punkt, der nur an wolkenlosen Tagen zu sehen wäre. Dann würde der Punkt immer grösser werden, je näher er uns käme bis zum Tag des Einschlags. Zu diesen Zeitpunkt wäre allerdings niemand mehr übrig, um eine Willkommensfeier abzuhalten.

    Ein Experte hatte während der Sendung bestätigt, dass mit der Verbreitung der Nachricht ein Zeitraum begann, den er als „Jahr der Ungewissheit bezeichnete. Der Begriff gefiel mir. „Das Jahr der Ungewissheit. Es handelte sich um einen Zeitraum, in dem die Leute noch nicht realisiert hatten, dass das Ende der Welt nun eine konkrete Wirklichkeit war und die Informationen von offizieller Seite nicht akzeptierten, weil sie unglaubwürdig schienen und die Leute unvorbereitet trafen. Der Experte sagte voraus, dass sich nach diesem Jahr, sobald alle mit ihren eigenen Augen sehen könnten, was vor sich ging, Chaos und Zerstörung ausbreiten würden. Die Menschen hätten ihr Schicksal akzeptiert, keiner würde sich mehr die Mühe machen, früh aufzustehen, um zur Arbeit zu gehen, zu säen, um die Früchte zu ernten oder sich um seine Gesundheit und die Umwelt zu kümmern. Die Situation wäre bald untragbar und die Welt würde ihre letzten Tage in allgemeiner Anarchie verbringen. Ein echter Optimist.

    Mama seufzte am anderen Ende der Leitung.

    »Oh Gott! Bedauerlich, dass wir so sterben werden!«

    »Komm schon, Mama, jetzt nichts überstürzen. Du wirst schon sehen, dass sich alles klären wird. Wie geht es Papa?«

    »Gut.«

    »Versucht in den nächsten Tagen, das Haus so wenig wie möglich zu verlassen, okay? Ich weiß nicht, wie die Leute reagieren werden und ich mache mir Sorgen, dass ihr in Gefahr geraten könntet.«

    »Ja, Schatz. Mach du das Gleiche.«

    »Natürlich, Mama. Passt auf euch auf. Wir reden später.«

    »Auf Wiedersehen, meine Liebe.«

    Es war nur ein kurzes Gespräch, aber es hat sich auf ewig in mein Gehirn gebrannt. Wie hätte es anders sein können?

    Kurz darauf klingelte das Telefon noch einige Male, aber ich nahm weder ab, noch sah ich nach, wer angerufen hatte. Zu jenem Zeitpunkt kam es mir nicht einmal in den Sinn, dass es sich um Ronnie oder meine Schwester handeln könnte, die versuchten, mich zu erreichen. Vermutlich waren auf meinem Handy etliche Nachrichten und Anrufe, aber ich hatte keine Lust, es aus meiner Tasche zu holen, um nachzusehen. Ich schaltete einfach um und suchte einen dieser Sender, die den ganzen Tag Musikvideos zeigten. Ich lehnte mich auf dem Sofa zurück und dachte an belanglose Dinge. Ich hatte für das Abendessen Fisch besorgt, als ich aber sah, welche Zeit das Display meines Mediaplayers anzeigte, stellte ich fest, dass es zu spät war, um ihn zuzubereiten. Ich hatte eh keinen großen Hunger. Aus dem Fernseher tönte Have You Ever Seen the Rain? von Creedence Clearwater Revival. Es erschien mir eigenartig, dass die Musik so ziemlich das einzig Heilige im Fernsehen war, das Einzige, das niemand gewagt hatte, für eine improvisierte Weltuntergangsmeldung zu unterbrechen.

    Ich sah zum riesigen Stapel Bügelwäsche. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich keine Lust, meine Zeit mit mühsamer Hausarbeit wie Bügeln zu verbringen. Lange vor dem vom Experten vorhergesagten Zeitraum fing ich bereits an zu zweifeln, ob es noch etwas brachte, zur Arbeit zu gehen. Ich wusste nicht, wie sich meine Patienten verhalten würden. Würden sie weiterhin zu den vereinbarten Terminen erscheinen? Würde Anette mir helfen? Obwohl, nicht in meiner Praxis zu sein, auch bedeutete, dass ich keine knitterfreien Blusen brauchte, kam ich nach reichlicher Überlegung zum Schluss, dass ich zumindest bis zum Ende des „Jahres der Ungewissheit" weiterarbeiten musste. Es überraschte mich, wie schnell ich den Begriff verinnerlicht hatte. Ich hatte nicht das Geld, um einen so langen Zeitraum zu überstehen, ganz besonders wenn man bedenkt, dass nach der Sondersendung die Preise für Nahrungsmittel sicherlich in die Höhe schießen würden, bis die Vorräte aufgebraucht waren. Den Worten des Experten zu Folge würden die Leute ihr Geld weiterhin für materielle Dinge ausgeben, so lange sie nicht überzeugt waren, dass sie sterben würden. Danach würden wir weitersehen ...Es war ziemlich klar, dass dieser Mann keine Ahnung von menschlichen Psychosen hatte.

    Ich erhob mich vom Sofa und ging in die Küche, füllte zwei Finger vom Kaffee, der vom Frühstück übriggeblieben war, in einen Becher, holte eine Milchflasche aus dem Kühlschrank, öffnete sie und goss etwas davon zum Kaffee. Den Geschmack von aufgewärmten Kaffee mag ich zwar nicht besonders, aber ich war bisher nicht dazu gekommen, eine kleinere Kaffeekanne zu kaufen, weshalb ich jeden Tag mehr kochte, als ich brauchte. Nun dachte ich, dass es sich sowieso nicht mehr lohnte, da mir nur noch so wenig Zeit auf dieser Welt verblieb. Ich packte die Milch zurück in den Kühlschrank und räumte danach meinen Wocheneinkauf ein. Mir fiel das Verfallsdatum auf einer Ölflasche auf, die ich für immerhin sieben Dollar gekauft hatte. Sie würde in fünf Jahren ablaufen aber wenn ich sie nicht innerhalb einiger Monate verbrauchte, gäbe es auf dem ganzen Planeten niemanden mehr, der sie wegwerfen könnte. Ohne es zu wollen, hatte ich eine neue Art der Zeitrechnung erschaffen: „vor dem Ende der Welt und „nach dem Ende der Welt. Alles fiel unweigerlich auf die eine oder andere Seite der Grenze.

    Mit einem Seufzer wärmte ich die bräunliche Mischung in der Mikrowelle auf und setzte mich begleitet vom Geräusch des Sekundenzeigers der Küchenuhr wieder vor den Fernseher. Bis dahin hatte er immer vergangene Sekunden gezählt. Ab sofort würde er fehlende Sekunden zählen. Und das war eigenartig, da mir schon von klein auf bewusst war, dass ich eines Tages sterben würde und dass jeder vergangene Augenblick mein Leben etwas kürzer machte. Irgendwie hatte die Existenz eines festgelegten Datums meine Perspektive radikal verändert.

    Ich vergrub das Gesicht zwischen meinen Händen. Wie lange wussten sie schon, dass sich dieser Felsbrocken näherte? Wie viele Entscheidungen auf der ganzen Welt waren auf Grund dieser Tatsache getroffen worden? Zumindest war klar, dass ab diesem Zeitpunkt alle zukünftigen Beschlüsse davon beeinflusst sein würden. Warum hatten sie sich gerade diesen Tag ausgesucht, um es der ganzen Welt zu verkünden? Ich nahm an, dass die Astronomen bei der NASA den Zeitpunkt so weit wie möglich herausgezögert hatten. Wahrscheinlich würde der Himmelskörper bald auf Teleskopen mit geringerer Reichweite als die der großen Radioteleskope zu sehen sein, aber das war auch nicht mehr als eine Vermutung.

    Obwohl mir die Musik gefiel, fühlte ich die Versuchung, auf einen der normalen Sender zurückzuschalten. Vermutlich würden sie über Arcangels Größe, die Auswirkungen des Einschlags oder die Überlebens- oder Fluchtmöglichkeiten zu einem anderen Ort des Universums berichten. Um es kurz zu machen: eine endlose Liste von Vermutungen, Voraussagen und Prognosen. Was ich wusste, reichte mir aber völlig: in einigen Jahren würde uns ein so großer Komet treffen, dass das Leben auf der Erde vollständig ausgelöscht werden würde. Es gab keinen Platz für Hoffnung. Der Stabschef war sehr deutlich gewesen und hatte nicht um den heißen Brei herumgeredet. Irgendwie erinnerte er mich an einen erfahrenen Arzt, der seinem Patienten erklärte, dass er nur noch Monate zu leben hatte. Der einzige Unterschied war, dass er es Milliarden Patienten auf der gesamten verdammten Welt auf einmal gesagt hatte.

    Als ich gerade den zweiten Schluck aus meiner Tasse nehmen wollte, klingelte es zwei Mal an der Tür. Ich nahm an, dass es sich um einen Nachbarn handelte, der sich wegen des drohenden Untergangs sorgte. Allerdings war ich mit niemandem aus dem Wohnblock so eng befreundet, dass ich die Verpflichtung spürte, das Gejammer zu ertragen, also ignorierte ich es. Dann klingelte es zum dritten Mal, ohne dass ich den Drang verspürte, die Tür zu öffnen. Es klingelte zum vierten Mal. Genervt und schlecht gelaunt kam ich zu dem Schluss, dass wer auch immer klingelte, sehr geduldig und hartnäckig war und nicht gehen würde, bevor er mit mir gesprochen hatte. Es konnte natürlich auch Francisco sein, der sich mit mehreren Koffern unterm Arm verabschieden wollte, bevor er ein Flugzeug Richtung Chile nahm. Ich weiß nicht, wie ich nach den jüngsten Ereignissen auf Flugzeuge kam.

    Schließlich ging ich zur Eingangstür, stellte die Tasse auf den Schuhschrank und öffnete die Tür. Auf der anderen Seite warteten weder ein Nachbar noch Francisco. Stattdessen standen dort zwei Männer in langen Mänteln und mit säuerlicher Miene. Es schien sich um Agenten zu handeln, aber es war schwer festzustellen von welcher Behörde. Ich fragte mich, ob sie von den Nachrichten wussten, oder ob sie sie während der Dienstzeit überrascht hatte.

    »Daniela Palmer?«, würde ich sagen, dass sie gefragt haben, wobei es aber mehr danach klang, als ob sie mir meinen Namen mitteilen würden. Aus ihrem Mund klang es, als ob ich ihn noch nie zuvor gehört hätte.

    »Ja, das bin ich. Wie kann ich ihnen behilflich sein?«, erwiderte ich vorsichtig. Ehrlich gesagt, hatte ich absolut keine Ahnung, was sie in meinem Apartment wollten.

    Es stellte sich heraus, dass die Art, wie ich ihnen helfen konnte, so überraschend wie unangenehm und so ziemlich das Letzte war, das man nach einem Tag wie diesen, den wir gerade erlebt hatten, erwarten würde.

    »Bundesagenten. Sie sind wegen Verdachts auf Spionage verhaftet«, sagten beide gleichzeitig.

    II

    16. Juli 1995

    24 Jahre vor dem Jahr der Ungewissheit

    Diana sah mich an und brach in schallendes Gelächter aus. Zunächst schenkte ich ihr nicht viel Aufmerksamkeit, da sie die Angewohnheit hatte, sich über jede Kleinigkeit kaputtzulachen, aber nach zwei Minuten ununterbrochenen Gelächters hatte ich genug. Ich warnte sie ein paar Mal, dass sie aufhören sollte, mich anzusehen oder ich würde sie ohrfeigen, aber es brachte nichts. Sie tat so, als ob sie versuchen würde, sich zu beherrschen, in dem sie auf ihren Teller sah, aber kurz darauf hob sie den Blick und fing wieder an zu lachen. Schließlich hatte ich genug. Ich nahm ein bisschen Quark auf meinen Löffel und schleuderte ihn ihr mit solcher Treffsicherheit ins Gesicht, dass ich sie genau in der Mitte der Stirn traf.

    »Kinder, das reicht!«

    Meine Mutter verlor nicht oft die Ruhe, aber wenn es geschah, war es in neunzig Prozent der Fälle unsere Schuld. Nicht überraschend, Diana und ich benahmen uns wie zwei Teufel, obwohl wir uns liebten wie nichts auf der Welt. Wer einen Zwilling hat...oder hatte, weiß was ich meine.

    »Wir hatten vereinbart, dass ich euch Möhrenkuchen machen würde, wenn ihr euch benehmt, aber ich fange an zu glauben, dass ihr mich betrogen habt.«

    »Nein, Mama! Es ist nur so, dass Daniela... sehr dem Ferkel ähnelt, das gestern geboren wurde!«

    Diana brach wieder in schallendes Gelächter aus. In der Nähe von unserem Haus wohnte Miss Willmore, eine alte Frau, der eine Farm mit einem ansehnlichen Maisfeld und etwas Vieh gehörte. Sie lud uns immer ein, wenn ein neues Tier geboren wurde.

    »Ach ja?«, fragte ich empört. »Dann siehst du wie ihre Mutter aus, weil du frisst wie eine Sau!«

    »Was?!«

    In ihrem Stolz verletzt, nahm Diana ein Kuchenstück und warf es nach mir, aber ihre Treffsicherheit war nicht so gut wie meine und ihr Wurfgeschoss klatschte gegen die Wand.

    »Aber Hallo! Was ist denn hier los?«, fragte unser Vater, der in der Küchentür stand, um zu sehen, was der Lärm sollte.

    »Nichts, Papa.«

    »Deine Töchter sind unerzogene Lügnerinnen.«

    »So, so... Tja, dann werden sie heute Nachmittag zu Hause bleiben müssen. Schade, am Leuchtturm weht eine steife Brise.«

    »Och nö, Papa!«

    »Dann macht hier sauber und wenn ihr fertig seid, macht den Abwasch. Dann sehen wir weiter.«

    »Wie gemein!«

    Gemein oder nicht wir hatten es verdient.

    Wir tranken still die Milch aus und räumten den Tisch ab. Danach wuschen wir Teller und Besteck, wie Vater es befohlen hatte. Ich seifte alles ein und spülte ab, während Diana das Geschirr mit einem Tuch trocknete. Am Ende haben wir das Geschirr in die Schränke geräumt und ein frischgewaschenes Tuch auf den Tisch gelegt. Die Küche sah aus, als ob niemals in ihr gekocht worden war, was uns die Zustimmung unserer Mutter einbrachte.

    »Komm, bevor wir losgehen, will ich dir etwas zeigen«, sagte Diana und zog an meinem Ärmel.

    »Was ist es?«

    »Wirst schon sehen.«

    Wir gingen die Treppe hoch in unser Zimmer und schlossen die Tür. Diana kniete sich neben das Bett und holte einen kleinen, funkelnden Gegenstand hervor. Sie hielt ihn mir hin, damit ich ihn genauer betrachten konnte, ließ ihn aber nicht los. Es war ein stark glänzender, weißlicher Stein, Quarz oder etwas ähnliches.

    »Wie hübsch! Er sieht aus wie ein Fisch. Wo hast du ihn gefunden?«

    »Am Strand. Ich glaube, es ist ein Fossil.«

    »Aha, ein Fischfossil, natürlich! «

    »Heute können wir nach weiteren suchen. Den hier werde ich für ein Geschenk verwenden, an dem ich arbeite.«

    »Für wen?«

    »Für dich, Dummerchen!«

    Es waren noch einige Monate bis zu unserem Geburtstag, weshalb es etwas eigenartig war, zu diesem Zeitpunkt ein Geschenk zu erhalten.

    »Und was ist es?«

    »Immer das Gleiche! Es ist eine Überraschung. Du wirst schon sehen«, sagte Diana und legte das Stück Mineral wieder in sein Versteck.

    »Versteckst du dort auch mein Geschenk?«

    »Wehe du guckst! Wenn du es siehst, bevor es fertig ist, schenke ich es Mama. Oder behalte es selbst.«

    »Na gut, na gut, ich werde nicht gucken.«

    Unsere Mutter klopfte an die Tür.

    »Mädchen, seid ihr bereit? Euer Vater wartet unten.«

    »Wir kommen gleich, Mama!«

    »Wo ist mein Hut?«, fragte sich Diana.

    »Im Schrank«, prophezeite meine Mutter vom Flur aus.

    Die Brise brachte das Aroma des Meeres bis zu unserer Tür, ein Ruf, dem man sich nicht widersetzen konnte. Sobald ich die Veranda betrat, wandten sich meine Füße in Richtung Meer und fingen an, sich gelenkt vom Einfluss des Salpeters in meinen Lungen zu bewegen. Es war die Sorte Geruch, die einen hypnotisiert und anzieht, ohne einen beim Hals packen zu müssen. Die Seeleute kennen ihn gut und können sich nie mehr von ihm trennen, sobald sie ihn zum ersten Mal eingeatmet haben.

    Wir drei gingen los, Papa in seinem Wollmantel und wir in unseren Sonntagskleidern und Strohhüten, wobei ich meinen bald abnahm. Die elegante Kleidung passte zu einem Frühling, in dem man bereits die Anzeichen der sommerlichen Hitze spüren konnte. Mama ging morgens an den Strand, wenn die Luft noch frisch war und die Sonne noch nicht so sehr heizte. Nachmittags blieb sie lieber in der Nähe der Haustür und stickte oder las Liebesromane. Wir gingen den schmalen Weg, zwischen den Seefeigen hinab und an den Dünen entlang, bis wir den Weg erreichten, der zum Leuchtturm führte. Dieser stand auf einer Ebene auf dem Gipfel eines kleinen Hügels, der vom Pflanzenbewuchs befreit worden war. Von dort hatte man einen wunderbaren Ausblick auf den Strand und die Klippen, die sich jenseits der Wellengrenze erhoben.

    Auf dem Sand ruhte das Gerippe eines alten, gestrandeten Bootes, auf dem sich die Kormorane niederließen, wenn das Wasser es freigab. Obwohl wir seine Spanten schon oft durchsucht hatten, ohne etwas Interessantes zu finden, war Diana überzeugt, dass irgendwo eine alte Truhe voller Juwelen und Goldmünzen wartete. Ich hatte ihr schon oft gesagt, dass es nichts anderes als ein heruntergekommenes Fischerboot war, bei dem sich niemand die Mühe gemacht hatte, es abzuwracken, aber ihre Fantasie brachte sie weit darüber hinaus. Ohne nachzudenken, ließ ich mich von ihr mitreißen und wir hatten viel Spaß, während wir uns vorstellten, dass wir wilde Piraten waren, die mit ihrer Galeone auf einer einsamen Insel landeten. Wenn unser Vater uns rief, kehrte ich sofort in die reale Welt zurück. Unsere Feinde und ihre Schiffe verschwanden, die geheimnisvolle Insel wurde wieder zu einem Strand in der Nähe unseres Hauses und wir zu zwei Mädchen

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