Irrlicht 77 – Mystikroman: Im Spinnennetz der Angst
Von Nicole Claire
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Jennifer schloß die Tür von innen und drehte den Schlüssel zweimal herum, ehe sie ihn wieder abzog und auf den Nachtschrank legte. Überrascht stellte sie fest, daß das Fenster geschlossen war, obwohl sie sich nahezu sicher war, es offengelassen zu haben. Bei der nächtlichen Schwüle wollte sie wenigstens ein frisch gelüftetes Zimmer haben. Sogar die Vorhänge waren geschlossen. Als die junge Engländerin sie zur Seite zog, prallte sie entsetzt zurück und preßte die Hand auf den Mund, um nicht einen Schrei auszustoßen. Vor ihr klebte an der Scheibe eine riesige schwarze Spinne. Das bleiche Mondlicht warf die verzerrten Schatten ihrer Beine auf Jennifers Kleid, die wie erstarrt vor dem Fenster stand...
»Da ist es ja schon!« rief Jennifer Courtland aufgeregt und zeigte in die Richtung, wo sich vor ihnen auf der Hügelkuppe die Silhouette des Hotels abzeichnete.
»Si, Signorina«, bestätigte der Taxifahrer, der den Wagen über die holprige Auffahrt lenkte. Mit seiner Einsilbigkeit entsprach er so ganz und gar nicht dem Bild eines typischen Italieners, dessen Redefluß kaum zu stoppen war.
Doch Jennifer war das ganz recht. Sie schwelgte ohnehin in Erinnerungen, denn dieses zum Hotel umgebaute Landbaus dort oben kannte sie nur allzu gut. Mit ihren Eltern hatte sie hier oft ihre Sommerferien verbracht.
Wenn es hier auch keinen Rummel wie in den Touristenzentren gab, es hatte ihr hier immer gut gefallen, und sie war gerne mit ihren Eltern hierhergefahren. Am liebsten hatte sie auf der großen Terrasse gesessen, gelesen, in die Gegend geschaut oder einfach nur geträumt. Vom nahegelegenen Meer kam fast
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Irrlicht
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Irrlicht 77 – Mystikroman - Nicole Claire
Irrlicht
– 77 –
Im Spinnennetz der Angst
Jennifer Courtland erlebt einen Horrortrip, den sie nie vergessen wird
Nicole Claire
Jennifer schloß die Tür von innen und drehte den Schlüssel zweimal herum, ehe sie ihn wieder abzog und auf den Nachtschrank legte. Überrascht stellte sie fest, daß das Fenster geschlossen war, obwohl sie sich nahezu sicher war, es offengelassen zu haben. Bei der nächtlichen Schwüle wollte sie wenigstens ein frisch gelüftetes Zimmer haben. Sogar die Vorhänge waren geschlossen. Als die junge Engländerin sie zur Seite zog, prallte sie entsetzt zurück und preßte die Hand auf den Mund, um nicht einen Schrei auszustoßen. Vor ihr klebte an der Scheibe eine riesige schwarze Spinne. Das bleiche Mondlicht warf die verzerrten Schatten ihrer Beine auf Jennifers Kleid, die wie erstarrt vor dem Fenster stand...
»Da ist es ja schon!« rief Jennifer Courtland aufgeregt und zeigte in die Richtung, wo sich vor ihnen auf der Hügelkuppe die Silhouette des Hotels abzeichnete.
»Si, Signorina«, bestätigte der Taxifahrer, der den Wagen über die holprige Auffahrt lenkte. Mit seiner Einsilbigkeit entsprach er so ganz und gar nicht dem Bild eines typischen Italieners, dessen Redefluß kaum zu stoppen war.
Doch Jennifer war das ganz recht. Sie schwelgte ohnehin in Erinnerungen, denn dieses zum Hotel umgebaute Landbaus dort oben kannte sie nur allzu gut. Mit ihren Eltern hatte sie hier oft ihre Sommerferien verbracht.
Wenn es hier auch keinen Rummel wie in den Touristenzentren gab, es hatte ihr hier immer gut gefallen, und sie war gerne mit ihren Eltern hierhergefahren. Am liebsten hatte sie auf der großen Terrasse gesessen, gelesen, in die Gegend geschaut oder einfach nur geträumt. Vom nahegelegenen Meer kam fast ständig ein angenehm kühlender Wind, und drei riesige Pinien spendeten schützenden Schatten. Von diesen Bäumen stammte auch der Name des Hotels: »La Pineta«.
Nach ihrer Kindheit war Jennifer noch einmal hier gewesen. Drei Jahre war das nur her. Sie war damals zweiundzwanzig Jahre alt, furchtbar verliebt und mit ihrem Freund hier gewesen. Doch bald darauf hatten sie sich getrennt.
Ein Schatten flog über Jennifers Gesicht, als sie daran zurückdachte. Eine neue feste Beziehung hatte sich bis jetzt nicht ergeben, obwohl Jennifer mit ihren langen dunkelblonden Haaren sehr hübsch war und so mancher junge Mann versucht hatte, ihr Interesse zu wecken.
Doch sie konzentrierte sich voll auf ihr Studium an einer Modede-
sign-Schule daheim in London, das ihre volle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Noch ein Jahr würde es dauern. Sie hatte beschlossen, die Chance zu nützen und einen guten Abschluß zu schaffen. Sie wollte endlich auf eigenen Beinen stehen, so gerne ihre Eltern vielleicht den monatlichen Scheck schickten und ihr auch diesen Urlaub ermöglichten.
»Wir sind da, Signorina«, sagte der Taxifahrer und hielt den Wagen auf dem schotterbedeckten Parkplatz vor dem Hotel.
Jennifer schreckte etwas hoch, sie hatte ihre Umgebung in den letzten Minuten völlig vergessen. Sie sah auf die weißgetünchten Mauern des Hauses, und ein Lächeln zeigte sich auf ihrem Gesicht, als sie vor dem Eingang Maria erkannte.
Diese lebenslustige, vielleicht vierzigjährige Frau war die Inhaberin und Leiterin des kleinen Hotels. Sie hatte das Haus geerbt und später umbauen lassen. Sie war stets freundlich und fast schon rührend um das Wohlergehen ihrer Gaste besorgt.
Vor Maria stand ein dicklicher Mann inmitten vieler Koffer und redete wild gestikulierend auf sie ein, während seine Frau neben ihm ein schreiendes Kind in den Armen schaukelte, um es zu beruhigen. Ein anderes Kind zupfte aufgeregt an ihrem Rock. Offensichtlich eine Familie, die gerade angekommen war oder abreisen wollte.
Jennifer bezahlte den Fahrer und stieg aus.
»Uns werden Sie hier nie wieder sehen!« hörte sie den dicken Mann schreien. Dann schnappte er sich zwei Koffer und stiefelte auf den Taxifahrer zu, der gerade Jennifers Gepäck aus dem Kofferraum holte. Maria blieb hilflos stehen, während die Familie in das Taxi einstieg. Schließlich brauste der Wagen davon. Erst jetzt fiel Jennifer auf, wie leer der Parkplatz vor dem Hotel war. Hatten früher zu dieser Jahreszeit Dutzende von Wagen vor dem Landhaus gestanden, so waren es jetzt gerade drei Wagen.
Langsam näherte sie sich der Hotelbesitzerin, die sie erst jetzt zu bemelken schien. Hatte Maria eben noch ausgesehen, als wurde sie jeden Augenblick in Tranen ausbrechen, zeigte sich jetzt auf ihrem Gesicht ein Lächeln. Sie breitete die Arme aus, als wollte sie Jennifer umarmen.
»Oh, Signorina Courtland!« rief sie aus. »Schön, daß Sie endlich da sind. Wie war die Reise!«
»Gut, Maria. Aber was ist hier los? Warum ist die Familie abgereist? Hat es Ärger gegeben?«
Maria winkte ab.
»Ach, nichts Wichtiges«, sagte sie, doch Jennifer ahnte, daß mehr hinter dieser Sache steckte. Die Familie hatte verärgert und empört ausgesehen, fast schon ein bißchen erschrocken. Lag es nur daran, daß sie mit der Gegend hier unzufrieden waren, die nun wirklich nicht das Richtige für eine Familie mit Kindern war, oder war etwas anderes der Grund?
Jennifer war jedoch zu höflich, um der Hotelbesitzerin Löcher in den Bauch zu fragen, besonders jetzt, da sie gerade erst angekommen war
Außerdem sah Maria nicht so gesund aus, wie sie sie in Erinnerung behalten hatte. Das Rouge konnte die Tränensäcke unter ihren Augen nicht verborgen. Die Hotelbesitzerin mußte oft geweint haben in letzter Zeit. Jennifer nahm sich vor, der Sache in den nächsten Tagen auf den Grund zu gehen. Schließlich war Maria für sie fast so etwas wie eine liebe Bekannte geworden.
»Jetzt kommen Sie aber erst einmal herein.«
Behende griff Maria nach einem der Koffer und trug ihn ins Hotel, während Jennifer mit ihrer kleinen Reisetasche folgte.
»Wie lange möchten Sie bleiben?« erkundigte sich Maria, als sie hinter der Rezeption stand und im Gästebuch blätterte. Hier in der Empfangshalle war es angenehm kühl. Jennifer freute sich schon darauf, den Staub der Reise unter der Dusche vom Körper zu spülen und sich frische Kleidung anzuziehen.
»Zwei Wochen.«
»So ganz alleine diesmal?«
Jennifer war klar, daß Maria damit auf ihren Freund anspielte, den sie beim Urlaub vor drei Jahren dabei hatte. Es war immel wieder seltsam, wieviel die Hotelbediensteten im Laufe der Jahre noch über ihre Gäste wußten.
»Ja, vorerst bin ich allein. In einer Woche wird allerdings meine Freundin nachkommen.«
Für einen Augenblick dachte sie daran, Maria zu fragen, warum so wenige Gäste hier waren, wo dieses Hotel doch immer so etwas wie ein Geheimtip gewesen war. Trotz der Abgeschiedenheit war es hier immer sehr voll gewesen. Doch dann schwieg sie.
»Also brauchen Sie erst einmal nur ein Einbettzimmer?«
»Ja. Wenn es möglich ist, möchte ich gerne wieder mein altes Zimmer. Zimmer 17.«
Maria erstarrte und wurde bleich.
»Zimmer 17?«
»Ja«, sagte Jennifer und runzelte beunruhigt die Stirn. Dieses Zimmer war es, in dem sie immer gewohnt hatte, wenn sie mit ihren Eltern hier gewesen war. Es war so eine Art Zuflucht für sie geworden, in der sie sich sofort wohl fühlte. »Ist es etwa belegt?«
»Nein... es ist noch frei«, stotterte Maria.
»Na also!« Jennifer strahlte.
»Aber Signorina. Möchten Sie nicht vielleicht ein anderes Zimmer? Mit Blick auf das Meer?« Maria wirkte beunruhigt, sie schien etwas zu verheimlichen. Es mochte an Jennifers Urlaubslaune liegen, daß sie es nicht bemerkte.
»Nein, Maria, ich würde am liebsten in meinem alten Zimmer wohnen. Oder ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
»Äh, nein«, stotterte Maria. »Es... es ist alles in Ordnung. Sie... Sie wissen ja, wo das Zimmer ist. Soll ich die Koffer hinaufbringen lassen?«
»Nicht nötig«, winkte Jennifer ab. »Ich habe den Koffer durch halb Italien geschleppt, die restlichen Meter werde ich auch noch schaffen!«
*
Jennifer hatte den Koffer und die Reisetasche auf das Bett gestellt, über dem – wie konnte es hier auch anders sein – ein hölzernes Kreuz an der Wand befestigt war.
Aus dem geöffneten Fenster sah sie auf die Felder, die sich auf dieser Seite bis ins Landesinnere erstreckten und bei weitem nicht so planmäßig und geometrisch angelegt waren wie die Felder im Norden Europas. Ein frischer Wind wehte durch das Fenster, spielte mit ihren Haaren und brachte eine erfrischende Kühlung.
Nur langsam konnte sie sich von dem Anblick der wogenden Felder losreißen und zum Bett zurückgehen, um die Koffer auszupacken. Sie ließ sich Zeit dabei, die Sachen in den Schrank einzuräumen.