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DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman): Romantik-Thriller
DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman): Romantik-Thriller
DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman): Romantik-Thriller
eBook377 Seiten4 Stunden

DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman): Romantik-Thriller

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Über dieses E-Book

"DAS EXPERIMENT ist ein zutiefst emotionaler Romantik-Thriller, der kühn beginnt und seine Leser bis zur allerletzten Seite in seinem Bann hält." [NY-Times-Bestseller-Autorin Dianna Love]

Whitney Steel, Enthüllungsreporterin aus Florida, hat lange genug im Schatten ihres legendären Vaters gelebt. Um sich zu beweisen, muss sie die nächste große Story finden.
Und sie hat sie gefunden.
Doch wird sie ihr nun zum Verhängnis?
Nachdem sie einen Hinweis bekommen hat, der zum ersten geklonten Menschen der Welt führt – einem Mädchen – schwört sich Whitney, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Allerdings hat das Durchstöbern der Fakten gefährliche Folgen; darunter Todesdrohungen und Mord.
Als sie beinahe getötet und im letzten Moment von Blake Neely gerettet wird, einem verdeckt arbeitendem FBI-Special-Agent, lässt dieser sie um keinen Preis zwischen sich und sein Ziel kommen – zumindest nicht am Anfang.
Beide sind gefangen in einem tödlichen Spiel zwischen einem von genetischer Perfektion besessenen Milliardär, seinem nach Vergeltung dürstenden Auftragskiller und einem kolumbianischen Drogenboss, der direkt nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis fest entschlossen ist, sich für den Tod seines Zwillingsbruders vor über einem Jahrzehnt an Blake zu rächen …
Können sie ein unschuldiges Kind retten, bevor es zu spät ist?
Im Angesicht schwerer Entscheidungen mit tödlichen Konsequenzen, realisiert Whitney schon bald, dass eine Story manchmal mehr ist als bloß eine Story.
SpracheDeutsch
HerausgeberLuzifer-Verlag
Erscheinungsdatum18. Feb. 2019
ISBN9783958354012
DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman): Romantik-Thriller

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    Buchvorschau

    DAS EXPERIMENT (ein Whitney Steel Roman) - Kim Cresswell

    entnommen

    Kapitel 1

    Mason Bailey kippte seinen dritten Glenlivet herunter. »Ich habe sie nicht getötet.«

    Wie viele Male Whitney Steel diese Worte schon gehört hatte? Dutzende. Jedoch noch nie aus dem Mund eines US-Senators. Was sie betraf, könnte sich der Mann bis ins Delirium trinken, aber nicht, bevor sie das hatte, wofür sie gekommen war: einen Exklusivbericht.

    Im Schatten der Markise des Pink Flamingo Clubs nahm sie einen Schluck von ihrem Lime Daiquiri und kam nicht umhin zu bemerken, wie die Nachmittagssonne jede Falte auf Masons gebräuntem Gesicht gnadenlos hervorhob.

    »Von allen Reportern in Panama City, geschweige denn Florida, wieso ich? Wir haben unsere Beziehung schon vor Jahren beendet.« Dieses endlose Hin und Her, wollte sie sagen, schwieg jedoch.

    »Ich weiß, dass ich dir vertrauen kann.« Sein Blick wanderte zur anderen Straßenseite und dann zurück zu ihr. »Außerdem waren wir mal verheiratet. Das sollte doch was zählen.«

    Whitney richtete sich auf. Vor Wut drehte sich ihr der Magen um. »Komm mir nicht damit. Anderthalb Jahre lang dachte ich, wir wären verheiratet gewesen. Zu schade nur, dass deine Freundinnen nichts von unserer kleinen Rechtsvereinbarung wussten.«  Vor allem deine zwanzigjährige Assistentin.

    »Verdammt, Whitney, ich habe dich nicht hierhergebeten, um die Vergangenheit wieder aufzuwärmen.« Er zog ein Taschentuch mit Monogramm aus seiner Jackentasche und tupfte sich damit den Schweiß von der Stirn. »Ich brauche deine Hilfe. Ich weiß, wieso Carmen Lacey ermordet wurde.«

    Ihre Augen weiteten sich. Jetzt kamen sie der Sache schon näher. »Du hast meine volle Aufmerksamkeit. Wird das deine offizielle Aussage?«

    Mason schob sein leeres Glas zur Seite. »Ja.«

    Ihr Herz pochte vor Aufregung. Diese Story würde monatelang das Trendthema Nummer eins sein. Ihre Einschaltquoten bei WBNN-TV würden in die Höhe schnellen und ihre Kollegen würden sie endlich beachten und mit dem professionellen Respekt behandeln, den sie verdiente.

    Seit nunmehr zwölf Jahren behaupteten ihre Kollegen, sie hätte wegen ihres Vaters, eines preisgekrönten Kriegskorrespondenten, und der politischen Beziehungen ihres Exmannes, einen Freifahrtschein gehabt. Jetzt würde sie ihnen das Gegenteil beweisen.

    Sie wühlte in  ihrer Ledertasche, platzierte ein digitales Diktiergerät auf dem Tisch und drückte entschlossen auf die Aufnahmetaste. »Fürs Protokoll … haben Sie, Senator Bailey, Carmen Lacey getötet?«

    »Nein.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lockerte seine gestreifte Krawatte. »Es ist wahr. Ich war der Letzte, der sie vor ihrem Tod sah.  Aber  hier geht es um mehr, als du ahnst.«

    In den braunen Augen, die einst ihr Herz zum Klopfen brachten, lag nun etwas Kühles, etwas Leeres. War es Schuld? War es Verzweiflung?

    Nein. Es war Angst.

    Ein unbehaglicher Schauer lief ihr über den Rücken. Sie stoppte die Aufnahme. »Mason, du  machst  mir Angst. Was zur Hölle ist hier los? Wir haben seit über drei Jahren nicht mehr miteinander gesprochen und dann flehst du mich aus heiterem Himmel an, dich heute zu treffen. Ich weiß, dass die Polizei nicht glaubt, du hättest sie umgebracht.«

    »Aber glaubst du es, Whitney? Glaubst du, dass ich sie getötet habe? Ich muss  es wissen. Es ist wichtig.«  

    Von der Dringlichkeit seines Tonfalls verblüfft, antwortete sie vorsichtig:  »Natürlich nicht. Du bist vieles, aber kein Mörder.«

    »Danke. Das bedeutet mir viel.« Er griff nach seinem leeren Glas und  tippte  es mit seinem klobigen Goldring an.  

    Whitney startete die Aufnahme wieder.

    »Carmen war als Wissenschaftlerin für ein Bio-Tech-Unternehmen in Nevada tätig. ShawBioGen. Schon davon gehört?«

    »Wer  hat das  nicht? Es war eines der ersten Unternehmen, die in den Achtzigern Tiere geklont haben. Hat ganz schön für Aufsehen gesorgt. Aber ich verstehe nicht, was das mit Carmens Tod zu tun hat.«

    Er öffnete seinen Mund, um zu antworten.

    Die große Fensterscheibe, die hinter ihnen die Terrasse vom Hauptrestaurant trennte, barst in Einzelteile. Eine Flut aus Scherben stürzte auf sie herab und bedeckte den Boden mit Glas.

    Es gab keine Vorwarnung. Alles geschah so schnell, und doch in Zeitlupe, wie in einem fürchterlichen Albtraum.

    Schreie. Hastige, schwer stampfende Schritte.

    Einige Meter weiter ließ ein Kellner zwei Teller mit Essen  darauf  fallen. Er blieb wie angewurzelt stehen.

    »Runter!«, schrie Mason.

    Whitney fiel zu  Boden. Sie kauerte sich unter dem Tisch zusammen und drückte die Seite ihres Gesichts gegen das steinerne Pflaster. Inmitten des Chaos ertönte ein Schuss. Der Kellner  versuchte, in Deckung zu gehen.

    Eine Kugel durchbohrte seine Schulter und traf ihn mit einer solchen Wucht, dass sein Körper gegen die Tür des Restaurants schlug. Er sank auf die Knie und heulte vor Schmerz auf.  

    Noch mehr Schüsse fielen. Dinge flogen durch die Luft. Essen, Gläser, Teller. Der ekelerregende Geruch von frittiertem Essen und verbranntem  Kordit  stieß ihr entgegen. Sie  musste würgen.

    Etwas Karmesinrotes floss auf ihre Hand zu. Die warme, klebrige Flüssigkeit erreichte ihre Fingerspitzen.

    Blut. Jede Menge Blut. Doch nicht ihres.

    Sie riss  ihren  Kopf herum und sah nach Mason, der auf dem Rücken lag. Dunkelrotes Blut floss aus einer klaffenden Wunde in seiner Brust und färbte  sein weißes Hemd. Sie hielt den Atem an, um nicht loszuschreien.  

    Er hob seinen Arm und streckte ihn in ihre  Richtung.  »Ich schwöre – ich habe sie nicht umgebracht. Ich schwöre es.«

    »Ich glaube dir.« Whitney hielt den Kopf unten und rückte näher an ihn heran. Sie ergriff seine Hand. »Ich glaube dir. Oh, Gott.«

    Bitte stirb nicht.  Ihr Puls dröhnte so laut in ihren Ohren, dass sie nicht einmal ihre eigenen Worte hörte.  

    »Du blutest so stark. Wir brauchen Hilfe!«

    Noch eine Kugel zischte durch die Luft und durchbrach das hölzerne Tischbein.  

    Gefühlt einhundert Holzsplitter bohrten sich wie Nadeln durch die Hose in ihren Oberschenkel. Der Schmerz trieb allen  Atem  aus ihrer Lunge. Die Welt drehte sich, alles wurde gelb. Dunkelheit überkam sie und drohte sie zu überwältigen.  Werd’ nicht ohnmächtig … hilf Mason.

    Er röchelte, drückte einen Schlüssel in ihre blutverschmierte Hand und schloss ihre Hand darum. »Vertraue … niemandem.«  

    Sie umklammerte das Stück Metall. Ein Kloß formte sich in ihrem Hals, einer, den sie nicht herunterschlucken konnte.

    »Ich hole Hilfe.«

    »Nein … bleib.« Blut spritzte aus seinen Mundwinkeln und rann an seinem Kiefer herunter. »Sie haben … es geklont …«

    Seine Augen fielen zu.

    »Was, Mason? Was haben sie geklont?«

    Whitney legte ihren Kopf auf seine Brust. »Mason! Oh nein.«

    Kapitel 2

    George Raines, der leitende Redakteur bei WBNN-TV, stützte sich auf die Kante von Whitneys Schreibtisch. »Ich kann dir einen Emmy garantieren.«

    Whitney saß an ihrem Schreibtisch in ihrem großräumigen Büro im zehnten Stockwerk und streifte sich die rosafarbenen High Heels von den Füßen.

    Sie betrachtete die bronzefarbene Peabody-Statue auf der anderen Seite des Raumes; die letzte ehrenvolle Auszeichnung, die ihr für ein Exposé über drei Polizisten in Panama City und das Verschwinden von Kokain im Wert mehrerer Millionen Dollar überreicht wurde.

    Ein Emmy. Die einzige Trophäe, die ihr noch fehlte. Diejenige, die sie sich am meisten ersehnte. Im Laufe ihrer Karriere wurde sie schon geschlagen, zensiert und sogar im Auto gekidnappt. Sie verdiente allein fürs Überleben einen Emmy. Sie war nicht auf Masons Tod gefasst gewesen. Der Senator war mehr als nur eine Story. Er war ein Mann, den sie einst geliebt hatte; noch immer liebte.

    Mit vor Erschöpfung brennenden Augen versuchte sie ein Gähnen zu unterdrücken. Die vielen schlaflosen Nächte forderten nun zweifellos ihren Tribut. Du warst nicht dort, George. Es sind auch andere gestorben. Der Kellner …

    »George, die Beerdigung ist noch keine sechs Tage her. Ich weiß, wie wichtig diese Story ist. Ich kann sie dir nicht liefern.«

    Es überraschte sie nicht, als er die Augen zusammenkniff. »Okay. Was ist aus der stahlharten Frau geworden? Weißt du noch, wie diese temperamentvolle Frau in jeden Raum marschierte und jedem Widerspruch trotzte? Wo zum Teufel hast du sie gelassen?«

    Whitney lächelte schwach. Wenn sie das nur wüsste.

    »Hey, wenn dein Vater noch am Leben wäre …«

    Sie hob ihre Hand, um ihn zu unterbrechen. »Daran musst du mich nicht erinnern.« So sehr sie ihren Vater auch liebte, war sie ihre gesamte Karriere über in seinem Schatten gestanden. Robert Steel; Rampenlicht-Reporter, Peabody-Preisträger, vierfacher Gewinner eines Emmys. Hingerichtet im kriegsgebeutelten Kolumbien.

    »So hab ich dich noch nie gesehen.« George, dessen pummeliges Gesicht nach einer halbherzigen Rasur ungepflegt aussah, setzte sich wieder auf die Schreibtischkante. »Du machst doch jetzt nicht schlapp, oder?«

    Machte sie das? Ja. »Nein, das mache ich nicht.«

    »Dann überleg es dir noch mal. Es passiert nicht alle Tage, dass ein Senator erschossen wird.« Er stieß sich vom Tisch ab und strich glättend über sein hoffnungslos zerknittertes Hemd. »Masons Komitee hat an einer Riesensache gearbeitet. Topsecret. Er hat sein Leben dafür gegeben, und die Öffentlichkeit verdient zu wissen, wieso. Du bist die Einzige, die das liefern kann. Du bist die Beste.«

    Die Beste? Nein, nicht heute. Nicht in der letzten Woche. Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin erschöpft, ausgelaugt, am Ende. Gib die Story jemand anderes. Ich will sie nicht.«

    »Komm schon, Steel. Das kannst du doch nicht ernst meinen. Cliff Peterson wird sich auf diese Gelegenheit stürzen. Wir wissen beide, dass er dich das nie vergessen lassen wird. Ich dachte, du wolltest das. Die ganz große Story.«

    Der sechzigjährige Mann war überzeugend, aber nicht überzeugend genug.

    »George, warum fällt es dir so schwer, zu glauben, dass ich eine Pause brauche?«

    »Weil ich jahrelang mit dir zusammengearbeitet hab, Kleines. Whitney Steel braucht keine Pause. Sie nimmt sich keinen Urlaub. Und sie lässt verdammt sicher keine Story fallen.«

    Verborgen in seiner rauen Stimme lag nun ein Hauch Ungeduld. Er wollte sehen, ob sie nicht doch noch einknickte. Sie notierte rasch eine Adresse und eine Telefonnummer auf einem Stück Papier und reichte es ihm. »Oregon ist nur einen Anruf weit entfernt. Ehe du dich versiehst, werde ich wieder da sein.«

    Er nahm das Papier aus ihrer Hand. »Schwörst du auch, wieder zurückzukommen?«

    »Zwei Wochen. Versprochen.« Sie deutete mit ihrem Stift auf seine Schuhe. »Und George – du hast zwei verschiedene Socken an. Rechts grau und links braun.«

    Er steckte die Hände in seine Hosentaschen und sah an sich hinunter. Sie konnte über George, mit seinen selbstdiagnostizierten Farbproblemen nur lächeln.

    »Oh, Mann. Ich muss mir echt eine Frau suchen, die mich morgens anzieht.« Er gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Da ich dich nicht umstimmen kann, bis bald. Genieß deinen Urlaub.«

    Es roch noch lange nach English Leather Parfum, nachdem er das Büro verlassen hatte, als hätten der Teppich und die Wände den waldigen Moosgeruch in sich aufgesogen. George war in einer Zeitschleife gefangen. Sie würde den alten Trottel vermissen. In weniger als zwei Stunden würde sie in einem Flugzeug nach Florence, Oregon an einem Glas Wein nippen.

    Als sie ihre Schreibtischschublade öffnete, verschlug es ihr den Atem. Das zusammengeknüllte, weiße Taschentuch starrte sie daraus wie ein Geschenk an, das nur darauf wartete, ausgepackt zu werden. Darin, ein mit Blut beschmierter Schlüssel – Blut von Mason. Ein Schauer kroch über ihren Rücken, während Masons letzte Worte in ihrem Kopf widerhallten.

    »Sie haben … es geklont …«

    ***

    Blake Neely blickte dem sicheren Tod ins Auge. »Ich will dich nicht erschießen, aber wenn es sein muss, werde ich es tun.« Die Bestie starrte ihn zornig mit messerscharfen Zähnen aus ihren dunklen, marmornen Augen an und machte keinerlei Andeutungen, nachzugeben. Nichts außer einer kühlen Brise und dem Licht des Mondes stand zwischen ihnen.

    Der Anblick des Monsters und wie es ihn mit gespitzten Ohren und gesträubtem Haar anstierte, schnürten ihm die Kehle zu. Als würde sie auf seinen nächsten Schachzug warten, verzog die Kreatur das Gesicht und fauchte.

    Blake gefror das Blut in den Adern. Ja, er würde sterben.

    Er griff gerade nach der Neun-Millimeter-Pistole im Bund seiner Jeans, als sein Handy klingelte. Das wildgewordene Monster gab ein kreischendes Heulen von sich und huschte in die entgegengesetzte Richtung davon.

    Danke. Es gibt wirklich einen Gott.

    Erleichtert zwang er seinen Körper aus der Starre und ging an sein Handy. »Ja, Blake hier.«

    »Konnten Sie den Sicherheitsverstoß bestimmen?«,  fragte Nathan Shaw.

    »Ja – eine Katze – ein gottverdammter Luchs. Er hat ein Loch gegraben, das gerade weit genug unter dem Zaun lag, um den Alarm auszulösen.«

    »Was? War es ein Rotluchs? Haben Sie ihn erschossen?«

    Blake hob eine Augenbraue. Er könnte genauso gut lügen. Dazu war er ausgebildet worden.

    »Nein. Hab ihn aber zu Tode erschreckt. Er war schon weg, bevor ich die Gelegenheit hatte.«

    Sein Vorgesetzter lachte. »Dann war er wohl nicht hungrig.«

    »Anscheinend nicht. Ich mach’ das hier noch fertig und bin in zehn Minuten wieder da.«

    »Halten Sie die Augen offen. Vielleicht kommt die Katze ja zurück.«

    Blake wirbelte herum, sein Handy fest in der Hand. »Ja … okay.« Er klappte das Handy zu und steckte es in seine Jackentasche.

    Er schnappte sich eine Schaufel aus seinem Truck und füllte das Loch mit der lockeren, rotbraunen Erde unter dem Zaun. Als er fertig war, stieg er in seinen Ford F-150, kramte ein Stück alten Donuts heraus und warf es aus dem Fenster. Für den Fall, dass die Katze doch hungrig war.

    Nordöstlich von Vegas, zwischen Alamo und Mesquite, hing der Vollmond wie ein schwebender Scheinwerfer über der schmalen Wüstenstraße. In der Ferne umgab ein zehn Meter hoher Sicherheitszaun den ShawBioGen-Gebäudekomplex;  eine Million Quadratmeter aus Stahl und Beton. Von oben sah der Ort wie ein Hochsicherheitsgefängnis mitten im Nirgendwo aus.

    Hinter diesen Wänden hatte Nathan Shaw erfolgreich einen Menschen geklont. Blake hatte sich Nathans Vertrauen teilweise verdient, jedoch noch nicht soweit, um von seinem Vorgesetzten Zutritt zum Labor zu bekommen oder gar eine persönliche Einladung, das Kleinkind zu treffen.

    Blake stellte seinen Truck vor den Haupttoren des Komplexes ab. Er spähte durch die kleine Öffnung für den Retina-Scan und hielt seine Augen auf das winzige grüne Licht gerichtet. Zehn Sekunden später piepte der Scanner und die Tore öffneten sich.

    Die letzte Woche über hatte er so verdeckt ermittelt, dass niemand im Präsidium von ihm gehört hatte. Das allein hatte ihn in eine missliche Lage gebracht. Wenn er nicht innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden vorbeischaute, würde eine Schar bewaffneter Schutzpolizisten auftauchen und er würde auffliegen. Dazu würde er es aber nicht kommen lassen. Er hatte bereits zweihundertsiebzig Tage so getan, als wäre er ein Sicherheitsspezialist für den Besitzer, einen skrupellosen Multimilliardär. Er hatte sogar sein dunkelblondes Haar gefärbt. Mit seinem mittlerweile einige Zentimeter längeren, dunkelbraunen Haar gefiel ihm sein ruppiger, neuer Look – vielleicht würde er ihn ja eine Weile behalten.

    Ihm war ein Auftrag zugeteilt worden. Ein nahezu unmöglicher Auftrag. Er sollte das Labor infiltrieren und die nötigen Beweise sammeln, um Nathan zu ruinieren. Und das schnell. Er hatte bereits zu viel Zeit und Kraft investiert, um das Präsidium jetzt die Mission abbrechen zu lassen.

    Nathan Shaw war eine Nummer für sich. Philanthrop. Zum sechsten Mal in Folge zum Las Vegas Man of the Year gekrönt. Der größte Arbeitgeber in ganz Nevada und, bis vor kurzem, der Vorgesetzte von Blakes Schwester. Wie endet eine Frau, die so panische Angst vor Wasser hat, tot auf einem Boot?

    Sie konnte nicht schwimmen und ein Boot war der letzte Ort, an den sie sich begeben würde. Sein Instinkt verriet ihm, dass jemand sie aus dem Weg räumen ließ. Aber wieso?

    Kürzlich wurde eine weitere Mitarbeiterin erstochen in ihrem Apartment in Las Vegas aufgefunden. Reiner Zufall? Unwahrscheinlich. Dafür gab es zu viele Leichen, die alle auf die eine oder andere Art zu ShawBioGen führten.

    Er parkte am hinteren Ende des Sicherheitsgebäudes und schaltete den Motor aus. Sein Handy klingelte erneut. »Ja?«

    »Kommen Sie auf der Stelle wieder her.«

    Die Stimme seines Chefs klang angespannt. »Was gibt’s?«

    »Sofort«, knurrte Nathan.

    Die Verbindung brach ab.

    ***

    Auf der zweiten Etage in ShawBioGen lehnte Blake an einer makellos polierten Stahlwand und ließ seine Knöchel knacksen. Dieses exzentrische Arschloch hatte ihn schon über eine halbe Stunde warten lassen.

    Hoffentlich würde sich die miese Laune seines Vorgesetzten nur als einer seiner täglichen Anfälle entpuppen.

    Nicht ein Tag verging, ohne dass Nathan aus irgendeinem Grund ausflippte. Wie zum Beispiel, als das Reinigungspersonal seinen Mülleimer nicht geleert hatte, oder als die Sekretärin den Aschenbecher auf seinem Schreibtisch von der linken auf die rechte Seite umgestellt hatte. Der Mann konnte ausgesprochen pingelig sein. Wenn man Milliarden schwer ist, kann man sich benehmen, wie man will. Wen interessierte es, was die anderen dachten?

    Die stählernen Türen zum Büro sprangen auf und enthüllten eine würzige Geruchswelle aus Paprika und waldigem Tabak.

    Blake grunzte. Verdammt noch mal höchste Zeit. Er atmete tief ein und schlenderte in das gewaltige Büro.

    In der Mitte des Raumes saß Nathan hinter seinem goldverzierten Schreibtisch aus massivem Kirschholz und rauchte eine Zigarre von einer Marke, die Blake höchstwahrscheinlich nicht mal aussprechen, geschweige denn sich jemals leisten könnte. Durch den wogenden Rauch hob der Mann eine Hand und zeigte auf einen der braunen Rindsledersessel vor dem Schreibtisch.

    Blake setzte sich, wie angeordnet.

    Nathan paffte seine Zigarre und lief zum deckenhohen Fenster am östlichen Ende des Büros. »Wir haben ein Problem. Ein Angestellter bei ShawBioGen hat nur vorgegeben, auf meiner Seite zu sein. Sie wissen ja, wie sehr ich Lügner hasse.«

    Blakes Herz sprang beinahe aus seiner Brust. Bleib ruhig. Deine Tarnung ist nicht in Gefahr. Das kann nicht sein.

    Nathan drehte sich um und drückte seine Zigarre in einem der zahlreich im Raum verstreuten Aschenbecher aus. »Sie verstehen doch, was ich meine, oder?«

    Cool bleiben. Lass ihn nicht an dich ran. »Natürlich. Keiner mag Lügner.«

    »Genau. Das Problem ist folgendes: Eine meiner engsten Vertrauten im Mitarbeiterkreis hat eine Kamera in mein Forschungslabor geschmuggelt. Solche Verstöße sind inakzeptabel.«

    Blake fiel ein Stein vom Herzen. Er konnte wieder atmen. Sein Geheimnis war sicher – fürs Erste. »Wirklich? Wer?«

    »Ihr Name ist unwichtig. Sie war eine brillante Wissenschaftlerin.« Nathan lief gemächlich zur voll ausgestatteten Bar. »Scotch?«

    »Gern.« Blake sah zu, wie Nathan das Getränk aus einer der vielen kristallenen Karaffen in zwei Gläser füllte.

    »Das klingt ja, als würde diese Frau nicht länger unter uns weilen.«

    »Leider ist dem so. Sie war schon ein wichtiger Bestandteil meines Teams, seit ich vor Jahrzehnten meine Forschungsarbeit begonnen habe. Ich habe gehört, dass sie kürzlich ermordet wurde. Wirklich tragisch.«

    Carmen Lacey. Ja, du hörst dich so an, als hätte ihr Tod dir wirklich was ausgemacht. Hatte Nathan ihren Tod angeordnet und bezahlt?

    Sein Vorgesetzter reichte ihm ein Glas Scotch.

    »Danke.« Blake nahm einen Schluck und genoss den lieblichen, kräftigen Geschmack.

    Nathan stellte sich wieder vor das Fenster. Er fuhr mit der Hand durch sein schütteres, graues Haar.

    Entweder mochte der Typ es, sein Spiegelbild anzustarren, oder er liebte es, auf das bis in die letzte Ecke beleuchtete Vegas bei Nacht zu schauen. Wahrscheinlich traf Letzteres zu. Er wusste, dass Nathan auf Glücksspiele stand und ein illegales Klonprojekt war nichts anderes. Ein enormes Risiko.

    »Aufgrund dieses Verstoßes müssen Sie die Sicherheitsmaßnahmen im Labor optimieren. Installieren Sie so schnell wie möglich einen Retina-Scanner. Meine Forschungsarbeiten sind zu wichtig.«

    Blake schluckte den Rest seines Drinks herunter. »Alles klar. Es könnte ein paar Tage dauern, bis die Anlage richtig läuft. In der Zwischenzeit werde ich zwei Männer am Labor postieren.«

    »Dann sind wir hier fertig.«

    Die Türen hinter Blake öffneten sich. Anscheinend war er entlassen. Bevor er den Raum verließ, stellte er sein leeres Glas an der Bar ab. Sobald seine Stiefel den Flurboden berührten, schwangen die Türen mit einem dumpfen, gefängnisartigen Schlag zu.

    Lock down. Genau wie im Gefängnis. Gewöhn' dich dran, Nathan. Denn genau da wirst du landen.

    Kapitel 3

    Wellen brachen an der kühlen Nachtluft und durchdrangen sie. In den Tiefen der Schatten ertönten Schüsse. Eine Leiche schwemmte ans Ufer und verwandelte den Sand in einen Strudel aus Blut.

    Mason – oh Gott, es war Mason.

    Ein leichter Windhauch flüsterte. »Sie haben … es geklont …«

    Whitney schreckte keuchend auf und war erleichtert, festzustellen, dass sie nicht am Strand lag, sondern auf dem Deck im Rattan-Schaukelstuhl eingenickt war. Noch ein Albtraum. Sie kamen jetzt immer öfter, jeder noch lebendiger als der vorherige. Wann würde das ein Ende haben?

    Nach den Anschlussflügen und Zwischenlandungen am späten Nachmittag des Vortags, war der kurze Flug von Florida nach Florence, Oregon zu einem siebenstündigen Abenteuer geworden. Gegen vier Uhr morgens war sie endlich eingeschlafen. Müde und etwas mürrisch entschied sie, dass sie sich ihren ersten Urlaub seit Jahren durch nichts vermiesen lassen würde.

    Auf dem geräumigen Deck brannte die heiße Sonne auf ihrer hellen Haut. In weißen Shorts und einem lockeren, rosaroten T-Shirt stand sie da und dehnte sich, während sie das türkisfarbene Meer bestaunte.

    Ihr langjähriger Freund, Marcus Wheeler, hatte ihr für die Zeit seines Auftrags in Europa sein Strandhaus zur Verfügung gestellt. Es war mit offenem Kamin, Whirlpool und Sauna wahrlich ein abgelegenes Paradies, aber die Rückkehr nach Florence schmeckte bittersüß. Das letzte Mal war sie hier gewesen, um ihren Vater zu beerdigen.

    Whitney schloss ihre Augen und positionierte ihre Füße schulterbreit voneinander entfernt, um ihre täglichen Tai-Chi-Übungen zu machen.

    Sie entspannte ihren Körper, atmete lang und tief ein und fand ihre Mitte. Sie beugte leicht ihre Knie, richtete ihre Handflächen gegen ihre Oberschenkel und atmete noch langsamer aus. Mit bewussten, fließenden Bewegungen hob sie ihre Arme auf Schulterhöhe, die Handflächen in Richtung Himmel, und machte mit ihrem rechten Fuß einen großen Schritt nach vorn.

    Sie wiederholte die Bewegungen, bis ein ungeduldiges Dreifachklingeln an der Haustür ihre Konzentration unterbrach. Whitney stürmte durch das Haus und riss die Tür auf, schon bereit, einem armen Hausierer für die Unterbrechung ihres Urlaubs gehörig den Marsch zu blasen.

    »FedEx. Sind Sie Whitney Steel?«

    »Ja.«

    »Unterschreiben Sie hier.« Der Mann reichte ihr das elektronische Unterschriftenpad.

    Sie unterzeichnete.

    Er gab ihr ein Päckchen in der Größe eines Taschenbuchs. »Hier, bitte.«

    Ihr Magen verknotete sich. Sie starrte verwirrt auf das Päckchen. Niemand weiß, dass ich hier bin … bis auf George.

    Nachdem der Zusteller gegangen war, schob Whitney die Tür mit ihrem Fuß zu und bemerkte den Namen Trossen and Meyers in einer Ecke der Verpackung. Irgendwo hatte sie den Namen schon mal gehört. Dann erinnerte sie sich. Masons Scheidungsanwalt. Wieso sollte ihr sein Anwalt etwas schicken? Auf dem Weg zum offenen Wohnraum schlüpfte sie aus ihren Flipflops und riss das Päckchen auf.

    Darin fand sie einen weißen Umschlag, auf dem in blauer Tinte ihr Name stand, eine handgemalte Karte und etwas, das aussah wie eine Videokassette. Mit gewecktem Interesse öffnete sie zuerst den Umschlag.

    Trotz der Hitze der Sonne, die durch die deckenhohen Fenster schien, lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Ein Brief von Mason.

    Whitney,

    vor etwa 18 Monaten empfing das FBI in einem anonymen Tipp von einem Nutzer ihrer Website Informationen über illegale Experimente, die bei ShawBioGen durchgeführt wurden und im erfolgreichen Klonen eines Kindes resultierten. Zur Ermittlung wurde unter der Leitung des Justizministeriums eine verdeckte Sondereinheit gegründet. Aufgrund meines früheren Engagements im Justizministerium wurde ich als Hauptkontaktstelle berufen.

    Das FBI hat die Nutzerin, Carmen Lacey, die zu der Zeit für Nathan Shaw gearbeitet hat, rückverfolgt. Während der folgenden vier Monate standen wir uns nahe.

    Obwohl ihr die Gefahren vollkommen bewusst waren, sammelte sie die beigelegten Unterlagen, da sie fürchtete, Nathan würde diese Technologie verwenden, um seine eigene Super-Rasse zu kreieren, die Technologie zu verkaufen, oder, noch schlimmer, um das Kind umzubringen und seine teuflischen Taten zu verbergen.

    Nathan hält das geklonte Kind, ein dreijähriges Mädchen namens Angel024, irgendwo in seinem Gebäudekomplex gefangen.

    Whitney, du musst dich in dieses Labor einschleusen.

    Vertraue niemandem.

    Ihr klappte die Kinnlade runter. »Um Gottes willen, Mason, ich bin eine Reporterin und kein verflixtes Einsatzkommando. Was hast du dir nur gedacht?« Ihre Beine zitterten. Sie sank auf das Sofa und las weiter.

    Ich weiß, was du jetzt denkst, Whitney. Du bist doch nur eine Reporterin, richtig? Du schaffst das. Du hast den Verstand und das Geschick, um in dieses Labor reinzukommen. Ohne eine Dokumentation oder greifbare Beweismittel kann die Staatsanwaltschaft nichts tun. Sie brauchen Beweise, und bisher waren alle anderen Bemühungen vergeblich. Im Gegenzug bekommst du einen unvergesslichen Exklusivbericht.

    Sie lief vor dem Couchtisch hin und her. »Wieso denkst du bloß, dass ich das schaffe? Wieso? Weil ich den schwarzen Gürtel in Karate habe? Was soll mir das bringen, Mason? Soll ich die Tür zum Labor mit meiner Hand durchschlagen?«

    Kontaktiere Ned Ford im Justizministerium, sobald du die Beweismittel hast.

    Bedenke, dass Shaw über endlose Einsatzmittel und gewaltige Macht verfügt.

    Vertraue niemandem … Mason

    Tränen sammelten sich in ihren Augenwinkeln. Verdammt, Mason!

    Sie schob das Band in den VHS-Player und drückte auf Play. Der gigantische Plasmabildschirm zeigte erst nur Unmengen an knisternden weißen Punkten, bevor ein unscharfes Schwarz-Weiß-Bild erschien. Whitney kniff die Augen zusammen, um etwas sehen zu können. Irgendetwas. Die Kamera wackelte und schwenkte nach rechts. Es war offensichtlich, dass das Video mit einer

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