Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Tyler: Tattoo Bruderschaft, #2
Tyler: Tattoo Bruderschaft, #2
Tyler: Tattoo Bruderschaft, #2
eBook343 Seiten4 Stunden

Tyler: Tattoo Bruderschaft, #2

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Vier Jahre ist es her, seitdem ich mein Zuhause, meine Eltern und meinen Bruder Asher verlassen habe – seitdem ich meiner Vergangenheit den Rücken zugekehrt habe.

Und Erin. Vor vier Jahren habe ich sie das letzte Mal gesehen, ihre Stimme gehört und sie in meinen Armen gehalten. Ich habe meine Zeit damit verbracht, von einer Frau zur nächsten zu wandern, von Bett zu Bett, auf der Suche nach einer Antwort. Aber ich glaube, ich bin vom Weg abgekommen. Es gibt keinen Lichtschimmer am Ende der Dunkelheit.

Das ist keine große Überraschung. Ich trage die Dunkelheit in mir. Ich bin ein Bastard – von Anfang an als solcher gebrandmarkt. Ich hinterlasse nie meine Telefonnummer oder Adresse. Ich nehme mir, was ich brauche, und komme nie für mehr zurück. Keine Verpflichtungen, keine Versprechen und keine Happy Ends. Ja, ich bin ein Bastard durch und durch; und das ist mir so was von egal.

Aber jetzt bin ich zurück in meiner Heimatstadt, der Stadt, aus der ich mit achtzehn Jahren geflüchtet bin – zurück, um es bei dem Bruder, den ich im Stich ließ, wiedergutzumachen und das einzige Mädchen, das ich jemals gewollt habe, aus der Ferne zu betrachten. Hoffnung ist ein Luxus, den ich mir nicht leisten kann. Diese Lektion habe ich schon vor langer Zeit gelernt.

Aber wenn sie mich ansieht und meinen Namen sagt, kann ich nicht anders als zu hoffen.

SpracheDeutsch
HerausgeberJo Raven
Erscheinungsdatum11. Dez. 2018
ISBN9781386841913
Tyler: Tattoo Bruderschaft, #2
Autor

Jo Raven

Jo Raven is a New York Times and USA Today bestselling author, best known for her series Inked Brotherhood and Damage Control. She writes edgy, contemporary New Adult romance with sexy bad boys and strong-willed heroines. She writes about MMA fighters and tattoo artists, dark pasts that bleed into the present, loyalty and raw emotion. Add to that breathtaking suspense, super-hot sex scenes and a happy ending, and you have a Jo Raven original story. Meet Jo Raven online – on Facebook (https://www.facebook.com/AuthorJoRaven), chat with her on Twitter (@AuthorJoRaven) and join her readers group for sneak previews of her covers and stories (http://on.fb.me/1K2LvzO). Be the first to get your hands on Jo Raven’s new releases & offers, giveaways, previews, and more by signing up here ▶ http://bit.ly/1CTNTHM

Mehr von Jo Raven lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Tyler

Titel in dieser Serie (7)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Zeitgenössische Romantik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Tyler

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Tyler - Jo Raven

    Teil Eins

    Tyler

    Vier Jahre zuvor

    Letzte Nacht gab es einen heftigen Schneefall, der eine weiße Decke über die Welt legte. Auf dem Weg zum Schulbus stapfe ich durch den Schnee. Auch wenn heute mein achtzehnter Geburtstag ist, schleifen meine Füße schwerfällig über den Boden.

    Die Situation zu Hause ist angespannt. Mein Vater trinkt. Das ist neu. Seit er vor zwei Monaten mit dem Boxen aufgehört hat, ist er unzufrieden. Seine unzufriedene Art ist jedoch nichts Neues. Er war nie zufrieden mit mir. Er hasst mich.

    Er hat immer gemeint, dass ich ein Bastard sei, aber erst jetzt wird mir klar, dass er das wirklich so meint. Er ist davon überzeugt, dass ich nicht sein Sohn bin. Ich tue mein Bestes, das zu ignorieren; den Zorn und den Schmerz hinunterzuschlucken und wie bisher weiterzumachen. Meine Mutter meint, dass ich mich nicht über ihn aufregen soll, dass er seine Launen hat und wir ihn so akzeptieren sollten, wie er ist.

    Aber wenn er betrunken ist, findet er Gründe, um mir seine Unzufriedenheit auf eine sehr handfeste Art und Weise zu zeigen. Vor ein paar Tagen hatte er mich so heftig gegen die Wand gestoßen, dass ich mit dem Kopf dagegen knallte und auf die kristallenen Lieblingsfiguren meiner Mutter fiel. Ich habe mir die Hand an den Glassplittern geschnitten und sie ist heute immer noch bandagiert. Gestern hat er mich dann gegen den Küchentresen gestoßen. Jetzt habe ich auch noch einen blauen Fleck an meiner Seite, der so groß ist wie Texas.

    Ich versuche, mich vor ihm zu schützen und zurückzuschlagen, aber mein Vater ist fast einen Kopf größer als ich und zweimal so breit. Ich glaube, ich werde ihm nie etwas entgegensetzen können.

    Die Sache ist die, ich sehe nicht aus wie mein Vater. Ich sehe einem Boxkollegen von ihm viel zu ähnlich. Also ist mein Vater losgegangen und hat den Kerl zusammengeschlagen, und als Folge davon hat der Boss vom Boxverein meinen Vater rausgeworfen und ihm verboten, jemals wiederzukommen. Also ist alles meine Schuld. Weil ich nicht von ihm bin. Weil ich der bin, der ich nun mal bin.

    Ich reibe mir mit einer Hand übers Gesicht, rücke die Trageriemen meines Rucksacks zurecht und gehe um die Ecke. Meinen Kopf halte ich gegen den eisigen Wind gesenkt. Der Bus kommt und ich beeile mich, ihn noch zu erwischen. Ich steige ein und lasse mich auf einen Sitz am Fenster gleiten. Ohne wirklich etwas zu sehen, starre ich in die nun geräuschlose Landschaft hinaus – Häuser und Bäume.

    Solange mein Vater nicht Ash oder meine Mutter anrührt, ist es mir egal. Er kann seine Wut an mir auslassen. Ich bin stark. Ich kann das wegstecken.

    Als wir am Schulgelände ankommen, wird der Bus langsamer und ich sehe jemanden, der mir zuwinkt – eine schlanke Gestalt mit langem dunklen Haar. Meine Stimmung hellt sich auf und ich grinse.

    Erin. Ich konnte im Laufe des vergangenen Jahres beobachten, wie sie sich von einem zierlichen Mädchen in eine Frau verwandelte, aber bis vor ein paar Monaten war ich für sie unsichtbar. Ein verstohlener Kuss im Umkleideraum, ein Abend im Kino, und sie ist meine Freundin; der einzige Lichtblick in meinem Leben.

    Sie strahlt mich an, als ich aussteige und wirft sich in meine Arme. Ich halte sie fest und wirble sie herum. Sie ist schlank und hübsch, lustig und voller Energie, wie ein Funken Feuer. Ich liebe es, mich in ihrem Leben zu verlieren, in ihren Armen, ihrem Körper.

    „Alles Gute zum Geburtstag, sagt sie atemlos und ich nutze die Gelegenheit, ihre weichen Lippen zu küssen. „Hast du viele Geschenke bekommen?

    Ich zucke mit den Schultern, will nicht daran denken. Meine Mutter hat mir etwas Geld gegeben. Mein Vater hat nicht einmal in meine Richtung geschaut, als ich zum Frühstücken in die Küche kam. Ash ist früh mit Audrey, einer Freundin, losgegangen, um vor der Schule an irgendeinem Projekt zu arbeiten, und ich werde ihn wahrscheinlich später sehen.

    Gut. Wenn er oft von zu Hause weg ist, ist es unwahrscheinlicher, dass er sieht, wie unser Vater mich aufmischt und nach dem Grund dafür fragt.

    Dad glaubt, dass ich nicht sein Kind bin, Ash. Dass wir nur Halbbrüder sind. Vielleicht sollte ich von hier verschwinden. Dann könnte Dad glücklich werden. Dann wäre es für dich sicherer.

    „Tyler. Erin umfängt mein Gesicht mit ihren Händen, ihr Lächeln verblasst. „Bist du okay?

    „Ja. Ich schüttle den Kopf, um die dunklen Gedanken zu vertreiben. „Ja, mir geht es gut.

    „Ich habe etwas für dich", wispert sie, ihr Atem formt weiße Wölkchen in der Luft. Sie hebt eine zusammengeballte Hand und öffnet ihre Finger. Etwas schimmert metallisch auf ihrer Handfläche. Es ist ein Anhänger.

    „Was ist das?", frage ich, während sie ihn von einer silbernen Kette herunterhängen lässt und diese um meinen Hals legt.

    „Ein Baum des Lebens."

    Ich berühre den Anhänger, der kalt an meinem Schlüsselbein ruht. Meine Mundwinkel zucken. „Wieso?"

    Eine leichte Röte zieht sich über ihre Wangen. „Es steht für das Zentrum der Welt. Und du bist … Sie beißt sich auf die Unterlippe und das ist so sexy, dass ich sie wieder küsse. „Ich mag den Anhänger einfach, murmelt sie. „Aber wenn er dir nicht gefällt …?"

    „Er ist toll. Ich will ihr sagen, wie viel mir das bedeutet, wie viel sie mir bedeutet. „Ich werde ihn tragen, verspreche ich ihr. „Immer."

    Ich werde den Anhänger nie wieder abnehmen. Sie hat ihn mir gegeben und ich werde ihn für immer nah an meinem Herzen tragen.

    Kapitel Eins

    Tyler

    Das Gebäude ist alt und hässlich, ein schmutziges Grau, die Farbe blättert von den Wänden ab. Rostflecken ziehen sich an der Regenrinne entlang nach unten. Ein Spritzer Rot fällt mir ins Auge. Jemand hat einen Blumentopf auf eine Fensterbank im zweiten Stock gestellt.

    Unpassend. Völlig fehl am Platz.

    So wie ich.

    Ich parke mein Motorrad auf der Straße, eine schwarze Ducati 999 – die einzige wertvolle Sache, die ich von Onkel Jerry geerbt habe. Dann setze ich mich im Motorradsattel zurück und starre den Eingang des Gebäudes an, ein Stück Papier mit der verschmierten Adresse in meiner Hand.

    Ich bin daheim

    Nun, zumindest in meiner Heimatstadt. Madison. Nach all diesen Jahren an einem anderen Ort, mit seltenen Besuchen, um nach meiner Mutter und später nur noch nach meinem Bruder Asher zu sehen, bin ich jetzt langfristig hier. Fürs Erste.

    Bis ich alles auf die Reihe gekriegt habe. Bis ich sicher bin, dass es meinem Bruder gut geht. Bis ich wieder atmen kann.

    Ich lasse mir Zeit dabei, das Stück Papier zurück in meine Lederjacke zu schieben und steige ab, atme den vertrauten Geruch von Autoabgasen in der kalten, feuchten Luft ein. Aus meiner stählernen Hecktasche im Militärdesign hole ich meinen alten Rucksack und meinen Laptop, dann schaue ich ein weiteres Mal zum Gebäude hoch.

    Ah, scheiß drauf. Ich schließe die Hecktasche ab, fahre mit der Hand über den Schlüssel in meiner Hosentasche, stelle sicher, dass das Bremsscheibenschloss am Vorderreifen vom Motorrad eingerastet ist und ziehe das dicke Kettenschloss durch den Hinterreifen. Das sollte fürs Erste sicher genug sein. Danach öffne ich die Tür zum Gebäude.

    Ein schwacher Uringestank weht mir vom Treppenhaus aus entgegen und ich nehme zwei Stufen auf einmal, bis ich im dritten Stock angekommen bin. Meine Tür, Nummer 3A, hat einen dunklen Fleck in der Mitte, so als wäre irgendwann mal ein Kopf dagegen gerammt worden, mit spritzendem Blut und allem, was dazu gehört.

    Der Gedanke lässt mich in der Bewegung erstarren. Der Rucksack fällt zu Boden und ein Schauer läuft mir über den Rücken.

    Denk nicht daran, Tyler. Tu’s nicht, verdammt noch mal.

    Ich ziehe am Ausschnitt meines T-Shirts, greife nach dem Anhänger und zwinge einen tiefen Atemzug in meine Lungen. Der Schlüssel klemmt einige Male im Schloss, aber ich schaffe es, die Tür aufzuschließen und aufzuschieben. Ich hebe meinen alten Rucksack hoch und trete in mein brandneues, temporäres Zuhause.

    Ein Einzimmerapartment – ein Bett an der Wand, ein Tisch und Stühle in der Mitte, eine Küchenzeile an der hinteren Wand. Ein Badezimmer. Ich spähe hinein. Standardausstattung. Duschkabine, Waschbecken, Toilette.

    Ich lasse meinen Rucksack auf das Bett fallen und schlendere zurück, um die Tür abzuschließen. Dann öffne ich die zwei Fenster und fröstele in der kalten Zugluft. Ich lehne mich nach draußen. Die Wände bis zum dritten Stock hochzuklettern wäre verdammt schwierig, also hoffe ich, dass es in Ordnung ist, sie aufzulassen.

    Nicht, dass ich groß eine Wahl hätte. In geschlossenen Räumen kann ich nicht schlafen.

    Ich packe meine Sachen aus, hole Bettwäsche raus und mache das Bett. Dann nehme ich meine Kleidung und lege sie ordentlich in die Kommode. Oben drauf stelle ich die drei Bücher, die ich gekauft habe, mit den Buchrücken nach außen. Der illustrierte Mann von Bradbury. Der Wüstenplanet. Neuromancer. Ich schaue mir keine Filme mehr an, aber ich lese manchmal, wenn ich nicht schlafen kann.

    Dann öffne ich wieder die Schublade und ordne meine T-Shirts nach Farben, dann meine Socken und Unterhosen. Ich schließe die Schublade wieder. Atme tief ein.

    Ich sitze auf dem Bett und hole mir meine zwei Paar Schuhe – Laufschuhe, Wanderschuhe – und stelle sie an die Wand, zum Zimmer hin ausgerichtet. Mein Rasierzeug, mein Shampoo und andere Hygieneartikel lege ich auf die schmale Ablage über dem Waschbecken im Badezimmer. Der Duschvorhang fällt mir ins Auge, er ist fleckig und zerschlissen. Ich muss ihn austauschen. Allein bei seinem Anblick zieht sich meine Brust zusammen.

    Ich reibe die Stelle über meinem Herzen, wende mich ab und zwinge mich dazu, mit dem Auspacken weiterzumachen. Es gibt nicht viel zum Auspacken. Mein ganzes Leben ist dort im Rucksack – ein Notizbuch, meine Jogginghose und der Kapuzenpulli, Schmerztabletten, Verbandszeug, mein Handy und mein Portemonnaie.

    Und die kleine Box für sie, mit dem Geschenk, das ich vor Jahren gekauft, aber ihr nie gegeben habe.

    So was von erbärmlich.

    Ich starre meine wenigen Besitztümer an. Natürlich ist da noch mein altes Zeug im Haus meines Vaters, das ich abholen muss, bevor es weggeworfen wird, da das Haus verkauft wird.

    Bei dem Gedanken, zum Haus zurückkehren zu müssen, stellen sich mir die Nackenhaare auf. Wenn ich ein Tier wäre, würde ich knurren. Verdammt. Ich fahre mir mit der Hand durch mein zotteliges Haar. Es ist so lang geworden, dass es mich am Kiefer kitzelt und mir in die Augen fällt.

    Okay, okay. Ich brauche einen Plan. Ich brauche einen Job, zusätzlich zu den Grafikdesignaufträgen, die ich für ein paar feste Kunden erledige. Ich habe nicht viel Geld und ich habe Asher jeden Monat etwas Geld versprochen, bis er wieder auf die Beine kommt. Ich kann ihn nicht enttäuschen. Er wurde in seinem Leben bereits zu oft im Stich gelassen und misshandelt. Ich bin die einzige Familie, die er noch hat, und ich werde ihn nicht hängen lassen.

    Allerdings habe ich Chicago verlassen, ohne etwas zu haben, auf das ich zurückgreifen kann; abgesehen von meiner Onlinearbeit. Ich kündigte meinen Job im Café, verließ die Wohnung, die ich mir mit einem Kerl teilte, der so tief im Strudel von Drogen und Alkohol gefangen ist, dass ich mich frage, ob er meine Abwesenheit überhaupt in nächster Zeit bemerken wird, und …

    Mein Handy klingelt und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich greife danach, wische es dreimal an meiner Hose ab und mache die streichende Bewegung auf dem Display, um das Gespräch entgegenzunehmen.

    Ich bereue es augenblicklich.

    „Tyler?, fragt eine schrille und leider vertraute Frauenstimme. „Wo bist du? Ich habe den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen.

    „Marlene." Ich verdrehe die Augen.

    „Soll ich rüberkommen? Bist du zuhause? Ich kann bei deinem Lieblingschinesen vorbeifahren und deine Lieblingsgerichte besorgen und dann können wir uns gegenseitig füttern und …"

    „Marlene, unterbreche ich ihren Wortschwall. „Ich habe dir gesagt, dass es mit uns vorbei ist.

    „Das kannst du doch nicht so meinen." Ihre Stimme bricht und ich setze mich schwerfällig aufs Bett, ziehe mit der freien Hand an meinem Haar.

    „Ich habe es so gemeint."

    „Wie kannst du das sagen? Wie kannst du einfach per SMS Schluss machen? Du Bastard."

    Ja, ich bin ein Bastard, in vielerlei Hinsicht. Wortwörtlich und im übertragenen Sinne. Durch und durch, und ich stehe dazu.

    Ein Schnauben kommt mir über die Lippen und sie hört es. Ich habe echt kein Glück.

    „Findest du das etwa lustig? Du beendest eine Beziehung einfach so?"

    „Wir hatten nie eine Beziehung, meine ich. „Wir haben nur gefickt.

    „Wir haben nur …", stottert sie.

    Nun, das ist die Wahrheit. Kein Küssen, kein Kuscheln. Kein Oralverkehr, keine unnötigen Berührungen. Sex ist alles, was ich anbieten kann, akzeptier das oder lass es sein.

    „Arschloch", murrt sie und legt auf.

    Gott, ich will sie nicht quälen. Aber sie klammert sich an mir fest und ich kann nicht mit ihr zusammen sein. Mit niemandem. Ich komme schon kaum mit mir selbst klar.

    Es gibt nur eine Frau auf der Welt, die ich will. Eine, die ich immer gewollt habe. Aber diese Beziehung habe ich schon vor langer Zeit vergeigt.

    Ich werfe das Handy auf die Matratze, dann hebe ich es wieder hoch und wische es dreimal an meiner Hose ab. Es muss dreimal sein oder etwas Schlimmes wird passieren und auch wenn ich mittlerweile weiß, dass das nicht stimmt, kann ich nicht anders. Ich spüre ein Jucken zwischen meinen Schulterblättern, im Inneren meines Ellenbogens, es breitet sich bis zu meinen Handgelenken aus, lässt mich erschaudern. Ein dunkler Druck füllt mich aus.

    Ich zwinge mich aufzuhören und atme aus. Verdammt, es ging mir besser. Ich kann nicht wieder rückfällig werden. Kann diese Rituale nicht mein Leben bestimmen lassen. Ich habe vor mehr als einem Monat mit den Tabletten aufgehört, sobald ich gehört habe, dass mein Vater gestorben ist. Wie lange dauern die verfluchten Entzugserscheinungen?

    Mit zitternden Händen greife ich nach meinem Portemonnaie und ziehe ein Foto aus dem Plastikfach. Ich fahre mit dem Daumen darüber – über den verschmitzten Mund, die großen Augen, das lange dunkle Haar und dann tiefer, über ihren schlanken Hals und ihren Körper.

    Ein weiteres Ritual, eins, das ich mir nicht abgewöhnen kann. Ich habe das Foto an einem Tag im Park geschossen, beim Wasser. Es war Sommer und sie trug einen weißen Bikini und abgeschnittene Shorts. Ich kann fast schon das Wasser und das geschnittene Gras riechen, wenn ich sie ansehe; ich kann beinahe die Wärme ihrer Haut unter meinen Fingerspitzen spüren. Ich kann sie beinahe schmecken.

    Sie war gerade erst fünfzehn geworden. Ich war siebzehn, fast achtzehn. Eine Zeit so kurz vor dem Ende meines Lebens, wie ich es kannte. Ich hatte noch Hoffnung, wusste nicht, dass es egal war, was ich glaubte oder hoffte.

    Ich stecke das Foto zurück in mein Portemonnaie und vergrabe mein Gesicht in den Händen. Ich kann nicht aufhören, an meine Highschool-Freundin zu denken. Kann nicht aufhören, mir Tabletten zu wünschen, die mir den Schmerz nehmen. Kann nicht aufhören zu denken, dass ich niemanden mehr auf dieser Welt habe – keine Freunde, keine Familie, die mit mir reden will. Asher will mich nicht einmal ansehen. Erin weiß nicht einmal, dass ich noch lebe.

    Ich bin vom Rest der Welt abgeschnitten. Mein Vater hatte dafür gesorgt. Dann Onkel Jerry.

    Und dann ich selbst.

    Als ich schließlich aus der Wohnung gehe und um den Häuserblock laufe, ist es später Nachmittag. Ich versuche mich zu orientieren, mich mit der Nachbarschaft vertraut zu machen. Ich habe vor, nach der Art Job zu suchen, den ich auch in Chicago hatte – Türsteher oder Kellner. Das Tattoostudio, in dem Zane arbeitet, ist nicht weit entfernt. Ich kann das Geschäft sehen, die Lichter des Schaufensters wirken in der fortschreitenden Dunkelheit einladend.

    ‚Damage Control‘, der Name des Geschäfts flackert in blauer Neonfarbe über der Tür.

    Ich zögere für einige Sekunden. Zane scheint ein netter Kerl zu sein, aber ich kenne ihn kaum und er ist ein guter Freund von Ash. Er muss über mich nur das Schlimmste gehört haben – und dennoch schien er im Krankenhaus, in das sie Ash gebracht hatten, nicht sauer auf mich zu sein. Er hatte sich sogar bei meinem Bruder für mich eingesetzt, ihn gebeten, mir bis zum Ende zuzuhören.

    Aber Ash wollte nicht.

    Ich schiebe die Hände in meine Jackentaschen, gehe mit ausholenden Schritten zum Laden und betrachte die Designs, die von Innen ans Glas geklebt sind. Schmetterlinge, Gesichter, Totenschädel, Herzen und Schwerter. Ich war schon immer von Tattoos fasziniert und habe selbst einige, aber nichts von den ausgestellten Sachen spricht mich an, also wende ich mich zum Gehen.

    „Hey! Die Tür öffnet sich und ein Kerl kommt nach draußen gelaufen. „Warte.

    Ein hoher Irokese mit blauen Spitzen, mandelförmige Augen, Arme, die vollständig mit farbenprächtigen Tattoos bedeckt sind. Wenn man vom Teufel spricht … „Zane." Ich bleibe stehen und warte ab, was er will.

    Er fährt sich mit den Händen über die rasierten Seiten seines Kopfes. „Ich wusste nicht, dass du wieder in der Stadt bist."

    „Ja."

    „Weiß Ash, dass du hier bist?"

    Ich ziehe eine Grimasse. „Nein."

    Ein Schweigen folgt, in dem wir uns gegenseitig betreten anstarren. Die Luft fühlt sich schwer an, die Wolken hängen tief über unseren Köpfen, dunkel wie Blutergüsse.

    „Ich bin gerade erst angekommen, sage ich und bin mir nicht sicher, wieso ich das Gefühl habe, mich erklären zu müssen. „Heute.

    Er nickt, blickt flüchtig ins Innere des Ladens zurück. Die Brise ist eiskalt. „Wie lange wirst du diesmal bleiben?"

    „Das kommt ganz darauf an."

    „Auf was?"

    „Ob ich einen Job finde." Und auf Ash, aber das werde ich nicht mit Zane besprechen.

    Ein weiteres Schweigen.

    „Denkst du darüber nach, dir ein Tattoo stechen zu lassen?", fragt er.

    „Vielleicht."

    „Komm rein. Sich dich mal um."

    Ich will gerade ablehnen, weil ich mir nicht sicher bin, ob das so eine gute Idee ist, als dicke Regentropfen herunterprasseln. Sie platschen auf meinen Kopf und eisiges Wasser tropft meinen Hals herunter. Verdammt.

    Es kann nicht schaden, einen Blick auf seine Designs zu werfen, oder?

    Er geht hinein und ich folge ihm, während die Wolken ihren eisigen Inhalt entleeren, der die Ränder der Straße und der Gebäude verschwimmen lässt. Tropfend trete ich in die Stille des Tattoostudios. Es gibt einen hohen Empfangstresen, hinter dem ein hübsches Mädchen steht, ihr langes dunkles Haar ist zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Haut hat die Farbe von Milchkaffee.

    Separate Kabinen reihen sich am hinteren Ende des Ladens, der geräumiger ist, als seine kleine Straßenfront vermuten lässt. Das Surren von Tätowiermaschinen und leiser Musik liegt in der Luft. Ein Tisch, vollgepackt mit Zeitschriften, steht an einer Wand, flankiert von einem Paar knalloranger Sessel aus den Sechzigern.

    „Hier. Zane wirft mir ein blaues Handtuch zu und ich fange es reflexartig auf. Er deutet auf mein tropfendes Haar. „Trockne dich ab.

    Eine Pfütze formt sich um meine abgenutzten, schwarzen Stiefel herum. Ich zögere eine Sekunde lang, bevor ich mir mit dem Handtuch über den Kopf reibe. Es gab mal eine Zeit, in der ich kein Handtuch anrührte, von dem ich nicht wusste, ob es gründlich gewaschen wurde – aber jetzt geht es mir besser.

    Ich muss mir das nur immer wieder sagen, auch wenn ich in letzter Zeit wieder Rückfälle zu haben scheine. Etwas, das ich mir nicht leisten kann. Ich sollte mittlerweile in Ordnung sein, verdammt. Ich muss es sein.

    „Schau dir mal die Kataloge an. Zane winkt mit der Hand zu einigen dicken Ordnern auf dem Tresen. „Meg kann dir bestimmte Designs zeigen, die dir vorschweben.

    Das hübsche Mädchen, das allem Anschein nach wohl Megan heißt, schenkt mir ein Lächeln – ein vorsichtiges Anheben ihrer Lippen – und ihre dunklen Augen sehen mich neugierig an.

    Mit dem Handtuch in meiner Hand gehe ich zu ihr rüber und öffne wahllos den ersten Ordner. Ich sollte gehen. Es ist nicht so, als hätte ich im Moment das Geld für ein Tattoo, oder dass ich mir überhaupt sicher bin, ob ich eins will. Sicher, ich habe daran gedacht – es gibt viel, was ich unter Mustern und Farben verstecken will, aber jetzt ist nicht die Zeit dafür.

    Aber bevor ich mein Fluchtmanöver einleiten kann, stellt sich Zane in meinen Weg und lehnt sich mit der Hüfte gegen den Tresen, späht in die Kataloge.

    „Hast du schon Tattoos?", fragt er und auch wenn sein Blick weiterhin auf den Designs liegt, habe ich das Gefühl, als mustere er mich aus den Augenwinkeln.

    „Ein paar." Tattoos und Narben. Ein Name, ein Wort, ein Bild. Ich reibe meinen Bauch und dann meine Brust.

    Als es offensichtlich wird, dass ich nicht mehr sagen werde, zuckt Zane mit den Schultern. „Viele Kerle entscheiden sich in letzter Zeit für Comichelden. Natürlich haben die meisten, die herkommen, eine bestimmte Idee, etwas das ihnen viel bedeutet. Eine Person oder ein Symbol."

    Ich trete einen Schritt zurück. Da liegt ein Geruch in der stickigen Luft des Ladens, der mir den letzten Nerv raubt. Süß. Metallisch.

    Blut.

    Natürlich. Es ist ein Tattoostudio. In letzter Zeit fühlen sich irgendwie alle Gerüche intensiver an und plötzlich wird mir schwindelig. Ich muss hier raus.

    „Ich muss gehen."

    „Sicher, kein Problem", meint Zane und seine Stimme scheint aus weiter Ferne zu kommen.

    Scheiße. Nicht jetzt. Ich hatte seit mehr als einem Jahr keinen Anfall mehr gehabt. Aber meine Haut juckt, meine Lungen arbeiten schwer und ein Rauschen füllt meine Ohren.

    Vielleicht ist es wieder an der Zeit für mich. Zeit, mich hier zu verziehen, so schnell wie möglich.

    Aber mein Glück war schon immer unterirdisch schlecht. Durch den Lärm in meinen Ohren hindurch höre ich undeutlich die Stimme einer Frau – vage vertraut – die nach Zane ruft.

    Ich drehe mich schwerfällig um, als würde ich durch Wasser waten.

    Die Frau muss eben erst reingekommen sein, denn sie hält einen Schirm, der Wasser über den ganzen Fußboden verteilt. Das ist das Einzige, was mir auffällt; abgesehen von ihrem herzförmigen Gesicht und den großen dunklen Augen mit den grüngoldenen Farbtupfern. Augen, die sich weiten, und ein schmaler Mund, der nun offen steht.

    „Oh mein Gott, keucht sie, macht einen Schritt nach vorne und bleibt stehen. Der Schirm fällt ihr aus der Hand und schlägt auf den Boden auf. „Tyler?

    „Erin." Ein Gesicht, dass ich früher einmal besser kannte als mein eigenes, ein Körper, den ich mir mit meinen Händen und Lippen eingeprägt hatte; das alles fühlt sich an, als wäre es vor tausend Jahren passiert. Sie hat sich nicht viel verändert – auch wenn ich sehe, dass ihre Kurven praller sind. Natürlich sind sie das. In meiner Erinnerung war sie fünfzehn. Jetzt ist sie neunzehn, drei Jahre jünger als ich. Seltsamerweise sieht sie kleiner aus, aber mir wird klar, dass das an mir liegt. Ich bin in den vergangenen Jahren größer geworden.

    Jegliches Blut weicht aus ihrem Gesicht, aber sie fragt mich nichts – warum ich aus ihrem Leben verschwunden und wohin ich gegangen bin. Ich will unbedingt wissen, wie es ihr ergangen ist, aber die Frage bleibt mir im Hals stecken, als sie eine Hand auf ihren Mund presst und sich an mir vorbeischiebt, um zwischen den Kabinen zu verschwinden.

    Sie lässt mich unter dem Ansturm der Erinnerungen atemlos zurück. Ihr Geruch umgibt mich überall, süß, wie vor so langer Zeit. Ist es wirklich vier Jahre her? Dass ich sie gehalten, geküsst und mit ihr geschlafen habe.

    Und dann bin ich gegangen, fühlte mich ohne sie hohl und leer, kaum lebendig. Ich habe über die Jahre hinweg versucht, sie online zu finden, nur um sicherzugehen, dass es ihr gut geht, aber es gelang mir nicht. Entweder ist sie im Gegensatz zu allen anderen Leuten nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs oder sie benutzt ein Pseudonym, das ich nicht kenne. Jede E-Mail, die ich ihr schickte, wurde zurückgeschickt, und sie anzurufen kam nicht in Frage, dafür gab es viele Gründe. Nicht zuletzt, weil sie das nicht gewollt hätte.

    „Hey, Spinner, alles okay?" Zane wedelt mit einer Hand vor meinem Gesicht herum und ich blinzle.

    „Ja. Ich sollte gehen."

    Ohne seine Antwort abzuwarten, werfe ich das nasse Handtuch auf den Tresen und gehe nach draußen, lasse die Ladentür hinter mir zufallen.

    Es regnet immer noch

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1