Unser Glück fängt doch jetzt erst an: Die Klinik am See 33 – Arztroman
Von Britta Winckler
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Über dieses E-Book
Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Karin Wolters hatte ihre Kusine Beate Heininger zu Gast. Beate war nur auf einen Sprung zu ihr gekommen, wie sie sagte. Die Osterferien, die sie in Italien verbracht hatte, waren vorbei. Jetzt war sie auf dem Rückweg von Verona nach Würzburg, wo sie als Lehrerin arbeitete. »Ich dachte nur, ich schaue mal bei dir herein«, erklärte Beate der Kusine. »Wenn ich schon an Ingolstadt vorbeifahre, dann kann ich auch eine kleine Pause machen und sehen, wie es dir geht.« »Das war eine gute Idee von dir«, sagte Karin mit einem stillen Lächeln. »Ich bekomme so selten Besuch und freue mich darum riesig, wenn sich mal jemand daran erinnert, daß es mich noch gibt.« »Na, na!« sagte ihre Kusine. »Das klingt ja mutlos. Ist es wirklich so schlimm, Karin?« Karin wollte nicht zeigen, wie elend sie sich fühlte. Und doch konnte sie nicht verhindern, daß ihr Tränen in den Augen standen. Beate sah es mit Erstaunen. Wo war ihre lebensfrohe und heitere Kusine geblieben? »Mir scheint, ich komme gerade zur rechten Zeit. Willst du mir nicht sagen, was dich so bedrückt?«
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Buchvorschau
Unser Glück fängt doch jetzt erst an - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 33–
Unser Glück fängt doch jetzt erst an
Hab Vertrauen in die Zukunft, Karin!
Britta Winckler
Karin Wolters hatte ihre Kusine Beate Heininger zu Gast. Beate war nur auf einen Sprung zu ihr gekommen, wie sie sagte. Die Osterferien, die sie in Italien verbracht hatte, waren vorbei. Jetzt war sie auf dem Rückweg von Verona nach Würzburg, wo sie als Lehrerin arbeitete.
»Ich dachte nur, ich schaue mal bei dir herein«, erklärte Beate der Kusine. »Wenn ich schon an Ingolstadt vorbeifahre, dann kann ich auch eine kleine Pause machen und sehen, wie es dir geht.«
»Das war eine gute Idee von dir«, sagte Karin mit einem stillen Lächeln. »Ich bekomme so selten Besuch und freue mich darum riesig, wenn sich mal jemand daran erinnert, daß es mich noch gibt.«
»Na, na!« sagte ihre Kusine. »Das klingt ja mutlos. Ist es wirklich so schlimm, Karin?«
Karin wollte nicht zeigen, wie elend sie sich fühlte. Und doch konnte sie nicht verhindern, daß ihr Tränen in den Augen standen.
Beate sah es mit Erstaunen. Wo war ihre lebensfrohe und heitere Kusine geblieben?
»Mir scheint, ich komme gerade zur rechten Zeit. Willst du mir nicht sagen, was dich so bedrückt?«
Karin schenkte Tee ein und reichte Kekse dazu.
»Entschuldige, etwas anderes habe ich nicht im Haus. Ich könnte noch beim Bäcker etwas Kuchen holen.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Beate mit Nachdruck. »Du läufst mir jetzt nicht davon, sondern sagst mir, was los ist. Hast du die Trennung von Martin noch immer nicht verkraftet?«
Jetzt stürzten Karin Tränen aus den Augen.
»Unsere Ehe war ja schon lange am Ende, als wir uns vor zwei Jahren scheiden ließen«, schluchzte sie. »Aber ich denke noch immer an Martin. Ich werde mit der Einsamkeit nicht fertig, es gibt finanzielle Probleme, und die alleinige Verantwortung für Oliver ist auch nicht immer leicht zu tragen.«
»Moment mal«, sagte die resolute Beate. »Du bist unglücklich, das kann ein Blinder sehen. Aber die Gründe dafür sind nicht stichhaltig. Einsam warst du auch während deiner Ehe. Dein Mann war zehn Monate im Jahr nicht zu Hause. Er schwirrte in der Weltgeschichte umher«
»Er hatte Aufträge von seiner Presse-Agentur. Er wurde als Foto-Reporter zu den Brennpunkten des Weltgeschehens geschickt. Er konnte sich das nicht aussuchen…«
»Jetzt verteidigst du ihn auch noch. Dabei hast du am meisten unter seinen Reisen gelitten. Man kann auch in Deutschland fotografieren und damit Geld verdienen. Ich glaube, ihm hat dieses Leben sehr gut gefallen.«
»Er war ein sehr charmanter und liebenswürdiger Mann.«
»Das werden seine zahlreichen Freundinnen in allen Enden der Welt auch so sehen. Ich glaube fast, du trauerst ihm noch nach.«
»Versteh mich doch!« sagte Karin gequält. »Wir haben uns aufrichtig geliebt. Aber ich konnte seine ständige Abwesenheit und seine Untreue nicht mehr ertragen. Darum habe ich die Scheidung eingereicht. Jetzt allerdings…«
»Jetzt siehst du, daß die Freiheit auch nicht so schön ist, wie du dachtest. Karin, denk nicht so viel an die Vergangenheit. Denk vorwärts, denk an die Zukunft! Erzähl mir mehr von deinen Plänen.«
»Ich werde wieder arbeiten müssen. Martin zahlt mir nur einen kleinen Unterhalt für Oliver.«
»Aber er verdient doch gut.«
»Er verdient viel Geld im Ausland. Man kann ihm die genaue Höhe seiner Einkünfte nicht nachweisen. Ich habe auch nicht sonderlich um eine Unterstützung gekämpft. Ich wollte Olivers Rechte wahren, mehr nicht. Gleich nach den Sommerferien werde ich wieder in einer Apotheke als pharmazeutische Assistentin arbeiten.«
»Warum nach den Sommerferien? Du bist doch nicht auf die Ferientermine angewiesen?« fragte Beate verwundert.
»Oliver wird Mitte September eingeschult. Bis dahin möchte ich noch Zeit für ihn haben. Wir haben sogar eine kleine Reise vor.«
»Wirklich? Das finde ich ausgezeichnet. Neue Eindrücke, neue Menschen… das wird dich ablenken.«
»Es wird keine große Sache, Beate. Wir fahren an den Pilsensee und zelten dort. Der Pilsensee liegt südwestlich von München, zwischen dem Starnberger See und dem Ammersee. Man kann auf dem Campingplatz Zelte mieten. Die Fahrt dorthin ist nicht weit und darum billig, die Zeltmiete ist erschwinglich, und das Leben kostet nicht mehr als daheim. Oliver freut sich schon riesig. Er macht viele Pläne und hat tolle Erwartungen. Hoffentlich kann ich sie ihm erfüllen.«
»Das ist ein ausgezeichneter Plan, Karin. Viel Spaß und gute Erholung wünsche ich euch dort! Vielleicht besuche ich euch für ein paar Tage am Pilsensee.«
»Ich hatte anfangs ein schlechtes Gewissen, als ich mich angemeldet habe. Ich lebe doch vorwiegend von meinen Ersparnissen, da sollte man das Geld zusammenhalten. Aber es ist vielleicht für Jahre die letzte Möglichkeit, zusammen mit Oliver Ferien zu machen. Jetzt haben wir noch Zeit, wenn auch wenig Geld. Später ist es vielleicht umgekehrt.«
»Wenn ich dir mit Geld aushelfen darf? Du weißt, ich tue es gern.« Karin wurde rot.
»Auf gar keinen Fall, Beate. Ich weiß, du meinst es gut. Aber diese ganze Sache muß ich allein durchstehen.«
»Gut, Karin. Ich verstehe dich. Aber du sollst wissen, daß ich immer für dich da bin, wenn die Lage mal verzweifelt ausschaut. Versprich mir, daß ich dir dann helfen darf.«
Karin antwortete nicht. Sie bot der Kusine Tee und Kekse an und hoffte, sie damit abzulenken. Doch hatte sie nicht mit Beates Hartnäckigkeit gerechnet. Sie wollte jetzt alles über die Scheidung wissen.
»Hat Martin so ohne weiteres auf Oliver verzichtet? Er war doch ganz vernarrt in den Jungen?«
»So einfach war das nicht. Aber das Gericht hat vorerst für mich entschieden. Bei einem Vater, der überall und nirgends zu Hause ist, kann ein Kind nicht leben. Das endgültige Urteil steht noch aus. Martins Mutter wollte den Jungen zu sich nehmen. Aber wenn man zwischen der leiblichen Mutter, also mir, und der Großmutter wählen muß, dann wird man eben die Mutter vorziehen. Gefahr droht nur, wenn Martin wieder heiraten sollte. Dann kann er die geordneten Familienverhältnisse vorweisen, die ein Kind für seine Entwicklung braucht.«
»Hat er die Absicht zu heiraten?«
»Es sieht so aus, Beate, ich fürchte mich vor dem neuen Kampf.«
»Dann mußt du eben auch heiraten.«
Karin seufzte.
»Als wenn das so einfach wäre. Und außerdem: Gebranntes Kind scheut das Feuer. Ich fürchte mich vor einer neuen Bindung. Weiß ich denn, ob eine neue Ehe besser wird?«
»Es sind nicht alle Männer so flatterhaft wie Martin. Es gibt viele, die sich nach einem Heim und einem glücklichen Familienleben sehnen. Aber vielleicht findet sich am Pilsensee eine aussichtsreiche Bekanntschaft.«
»Hör auf, Beate. Du sprichst davon, als wolltest du in einer Buchhandlung ein Kochbuch kaufen. Liebe kann man nicht erzwingen, und ohne Liebe kann man nicht heiraten. Wie steht es eigentlich mit dir selbst?« fragte Karin, um das Thema zu wechseln. »Wann wird die Hochzeit sein?«
Beate lachte hell heraus.
»Sie ist noch nicht in Sicht. Auch der Traummann fehlt. Ich glaube, ich bin zur Ehefrau nicht geeignet. Der Haushalt ödet mich an, während der Beruf mir Spaß macht. Ich glaube nicht, daß Männer so etwas mögen.«
»Männer vielleicht nicht, aber der eine Richtige wird es so akzeptieren.«
Beate schaute auf die Uhr.
»Es wird Zeit zur Weiterfahrt. Morgen früh fängt die Schule wieder an, und ich muß mich noch vorbereiten. Ich besuche euch demnächst mal an einem Sonntag. Und grüß deinen Oliver schön von seiner Tante Beate. Heute habe ich ihn ja nicht zu Gesicht bekommen…«
»Er ist zu einem Kindergeburtstag gegangen. Er wird sich freuen, wenn du mal kommst. Wir haben ja so selten Besuch.«
Die beiden Kusinen umarmten sich. Dann startete Beate in Richtung Norden. Sie war nicht recht bei der Sache. Mehr als einmal wurde sie von vorbeifahrenden Autofahrern angehupt, weil sie zu langsam fuhr. Aber ihr ging das Schicksal der Kusine nicht aus dem Kopf. Sie waren beide gleichaltrig, jetzt 29 Jahre alt. Seit ihrer frühen Kindheit waren sie eng miteinander befreundet gewesen, mehr als mit den anderen Kusinen. Erst als sie erwachsen wurden, hatten sich ihre Wege getrennt. Beate hatte die pädagogische Hochschule besucht, während sich Karin in den gutaussehenden Martin verliebte. Hals über Kopf hatte Karin sich in diese Ehe gestürzt, die ihr kein Glück gebracht hatte.
Aber, zum Kuckuck noch einmal! Beate stieß einen Fluch aus. Karin war doch nicht alt! Sie konnte noch immer eine neue Liebe finden, sie, die wie berufen schien, einem Mann und einer Familie ein glückliches Heim zu