Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Ardeen – Band 9: Orydis Fluch
Ardeen – Band 9: Orydis Fluch
Ardeen – Band 9: Orydis Fluch
eBook628 Seiten7 Stunden

Ardeen – Band 9: Orydis Fluch

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Zunächst reisen Prinz Raiden und seine Begleiter inkognito in den Norden Ardeens, um dort geheimnisvolle Mordfälle aufzuklären. Doch kaum nach Naganor zurückgekehrt, streckt Orydis Fluch seine Fänge nach Prinz Raiden und Meister Ador aus. Im Violetten Turm Lioveen treffen diese außerordentlichen Magier dann als Rivalen aufeinander.

Aber wer kann Orydis Fluch noch brechen, wenn die klügsten Köpfe daran verzweifeln?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Okt. 2018
ISBN9783941436343
Ardeen – Band 9: Orydis Fluch

Mehr von Sigrid Kraft lesen

Ähnlich wie Ardeen – Band 9

Titel in dieser Serie (13)

Mehr anzeigen

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Ardeen – Band 9

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Ardeen – Band 9 - Sigrid Kraft

    Rückkehr

    Die Karte des Nordens

    „Ahh, kommt nur herein Meister..., wie war doch gleich der Name, werter Kartenzeichner?" Und er hat die Karte auch gleich mitgebracht, sehr schön.

    „Meister Merkyrt, Eure Hoheit. Wo soll ich das Werk denn hinlegen? Sicherlich seid Ihr im Augenblick zu beschäftigt, um einen Blick darauf zu werfen."

    „Aber nicht doch. Und keine falsche Bescheidenheit, schließlich genießt Ihr einen ausgesprochen guten Ruf. Nur zu, lasst uns zusammen Euer Werk begutachten." Diese übertrieben respektvolle Verzagtheit meiner Untertanen ist doch wahrlich unangebracht. Ich sehe die Furcht in ihren Augen, als ob ich ein böses Monster wäre, das gleich über sie herfällt. Unverständlich.

    Meister Merkyrt entrollte etwas umständlich die Karte und beschwerte die Ecken mit drei Büchern. Dann versuchte er es bei der vierten mit dem Tintenfass, welches jedoch bedrohlich schwankte, sodass sich Prinz Raiden genötigt sah, auszuhelfen.

    „Wartet, wir nehmen das hier, bevor es ein Unglück mit der Tinte gibt und sich die blaue See schwarz färbt." Tapferer Kalendermann aus schwerem Gold, jetzt endlich kannst du deinen wahren Wert beweisen. Der Kalendermann hielt wacker seine Stellung und zitterte nicht im Angesicht der Seeschlange, die sich zu seinen Füßen im Wasser wand. Und das war auch das Erste, was Prinz Raiden ins Auge stach.

    „Oh, gleich zwei drachenähnliche Seeschlangen. Meint Ihr nicht, das wirkt etwas zu überladen, Meister Merkwyrd?" Drachen und ihnen ähnliche Wesen finden absolut nicht mein Wohlgefallen.

    „Meister Merkyrt, Eure Hoheit, die Seedrachen dienen lediglich dazu, die leeren Flächen auf der Karte zu füllen. Heutzutage werden alle Landkarten so gestaltet. Sie sind Kunst und Karte gleichermaßen."

    Bitte nicht schon wieder: Karte ist Karte und Kunst kann bleiben, wo sie hingehört. Prinz Raidens Blick wanderte zum verschnörkelten Schriftzug über der Landmasse und er las laut vor:

    „Das magische Land. Was meint Ihr damit?" Irgendwie unverständlich.

    Aber Meister Merkyrt hatte durchaus eine plausible Erklärung: „Nun, Eure Hoheit, so eine Karte braucht doch einen Titel und da erschien mir ‚Das magische Land‘ als Beschreibung für das ehemalige Nimrod und heutige Mittelland sehr treffend. Findet Ihr nicht auch?" Meister Merkyrt war sehr überzeugt von dieser durchdachten Variante und ahnte nichts Böses, wohingegen die prinzlichen Augenbrauen der Düsternis sich kurz zusammenzogen. Nein, finde ich nicht! „Guter Meister Merkwyrd, aber all die anderen Länder sind doch auch magisch. Um jedoch explizit auf das Mittelland zu verweisen ist ‚magisch‘ nicht wirklich das entscheidende Argument, Meister Merkwyrd."

    „Meister Merkyrt. Mein Prinz, Eure Logik ist nicht von der Hand zu weisen. Doch ich als Unmagischer wollte mit ‚magisch‘ die urwüchsige, wilde Magie von Monstern und Drachen zum Ausdruck bringen und nicht die zivilisierte Magie, wie sie hierzulande angewandt wird."

    ‚Zivilisierte Magie‘, also das habe ich auch noch nie gehört... Aber als Unterscheidungspunkt zu primitiven Drachen hört sich diese Formulierung eigentlich sehr gut an. Das zivilisierte magische Land hebt die zwei grässlichen Seeschlangen wieder auf. „Durchaus verständlich, Meister Merkwyrd."

    „Meister Merkyrt, Eure Hoheit."

    Warum wiederholt der ständig seinen Namen? Ein merkwürdiger alter Kauz.

    Prinz Raiden beschloss einfach darüber hinwegzusehen, doch nun, da er bei der Karte ins Detail ging, da fielen ihm gleich reihenweise Fehler auf. Und wenn Seine Hoheit schon Fehler in einer Karte entdeckte, dann mochte dies etwas heißen.

    „Der Wald in Ysryn scheint mir etwas klein geraten, entsinne ich mich doch, dieses wunderbare Fleckchen Erde selbst wochenlang durchwandert zu haben. Und auch die Wälder hier unten in Ardeen scheinen mir etwas dürftig. Dabei kann ich mich an großflächige Rodungsmaßnahmen gar nicht erinnern. Oder ist dies lediglich Verkleinerung des Gehölzes durch Schwund und Abwanderung?" Den beißenden Spott ertrug Meister Merkyrt in betretenem Schweigen, während Seine Hoheit weitere Mängel aufdeckte.

    „Und die Türme sind alle mit Zinnen dargestellt. Sehr gewöhnungsbedürftig, wenn man bedenkt, dass kein einziger Turm in der Realität Zinnen hat."

    „Diese Darstellung ist nur symbolisch, Eure Hoheit. Aber wenn es Euch stört, dann können nachträglich Spitzdächer eingefügt werden."

    Aber Prinz Raidens Interesse wurde gerade von einem anderen Detail gefesselt. „Was ist das für eine Stadt schräg über Elverin? Die Schrift daneben löste das Rätsel sogleich. „Der Palast des Drachen? Also der sieht doch wirklich ganz anders aus. Und überhaupt, die Positionen von Elverin und dem Palast des Wyvernwurmes, so ganz scheinen die mir auch nicht zu stimmen. Wir kamen damals am Rande des Gebirges heraus und zogen dann nach Westen... Oder war es eher nördlich? Und von Elverin aus ging es aber mehr Richtung Nordosten, wollte man den Erhabenen in seinem Palast aufsuchen... Da bin ich mir ziemlich sicher. Prinz Raiden versuchte krampfhaft sich zu erinnern, doch sein Gedächtnis ließ ihn im Stich. Schließlich gab er das Grübeln mit einer wegwerfenden Handbewegung auf und fragte stattdessen: „Woher stammen Eure Informationen bezüglich des Mittellandes überhaupt? Habt Ihr es selbst bereist?"

    Meister Merkyrts Augen weiteten sich furchtsam: „Wo denkt Ihr hin, mein Prinz. Bei den vielen schrecklichen Monstern, die es dort gibt. Nein, ich habe alte Karten studiert und wagemutige Reisende befragt, die das Land durchquerten. Anhand dieser Informationen ist es mir gelungen, ein einigermaßen genaues Abbild Mittellands zu erschaffen."

    „Einigermaßen ist sehr hoch gegriffen. Allenfalls vage. Wie mir scheint, waren viele Seefahrer unter Euren Informanten, wo doch fast jede Küstenstadt verzeichnet ist. Und diese Siedlungen im ehemaligen Nimrod, Nordain, Rowelon, Kap Kylein... Gibt es die wirklich?"

    „Die Seeleute schwören Stein und Bein. Rowelon tauchte sogar in zwei unabhängigen Berichten auf. Man läuft es von Pylone aus an."

    Mit der Seefahrt scheint es der gute Meister Merkwyrd zu haben, dabei habe ich ihn damit beauftragt eine Landkarte zu fertigen und keine Seekarte. Die Leute hören einfach nicht zu. „Von den Häfen habt Ihr offensichtlich keinen einzigen vergessen, dafür fehlen ein paar der größeren Städte meines Reiches und der Weiße Turm müsste hier am Rande stehen, aber den wegzulassen ist das kleinere Übel. Und waren es auch die Seeleute, die Euch erzählten, dass der Drache ein eigenes Reich in Mittelland besitzt? Drachenland." Das klingt so falsch, dass es mich friert.

    „Äh, nein. Ich dachte nur, dass Mittelland doch das Land der Drachen sei und dabei war ich hin- und hergerissen, ob ich den Bereich nun Drachenland oder Mittelland nennen sollte. Ihr müsst wissen, dass Drachenland eine der alten Bezeichnungen ist. Letztendlich habe ich mich für einen Kompromiss entschieden und beide Begriffe verwendet. Haltet Ihr dieses Vorgehen für falsch, Eure Hoheit?"

    Mein spezieller Freund, der Drache, der sich Forscher nennt, hat nicht auch noch ein eigenes Land. Er hat einen Palast und einen Zoo und selbst das ist schon zu viel. „Werter Meister Merkwyrd, die Drachen haben kein eigenes Land wie wir Menschen unsere Königreiche. Die leben überall in Mittelland und haben allenfalls Territorien – vergleichbar mit einem Rudel Wyvern. Oder sagen wir besser Wölfe, um es für Euch anschaulicher zu gestalten. Wir haben hier in Ardeen sehr viele Wolfsrudel und dennoch würdet Ihr sicherlich nicht auf die Idee kommen, neben Ardeen auch noch Wolfland auf die Karte zu schreiben." Das hat er jetzt hoffentlich verstanden.

    Meister Merkyrts Miene war schwer zu deuten, doch dann nickte er beflissen und gab Seiner Hoheit recht. Aber der war mit seiner vernichtenden Kritik noch nicht am Ende angelangt:

    „Naganordorf, was soll das sein? Der Schwarze Turm heißt Naganor, dass es ein Dorf dieses Namens geben soll, ist mir neu. Erklärt Euch."

    Mittlerweile hatte Meister Merkyrt durchaus mitbekommen, dass die Landkarte, bei der er sich so viel Mühe gegeben hatte, Prinz Raiden nicht besonders zu gefallen schien. Dennoch kämpfte er tapfer ein Erklärungsgefecht nach dem anderen.

    „Das Dorf östlich des Turmes. Eigentlich ist es schon mehr eine Stadt als ein einfaches Dorf und mir schien es wichtig, diese Siedlung zu verzeichnen. Aber da ich den Ort nicht einfach nur ‚Das Dorf‘ nennen konnte, da habe ich es als Naganordorf bezeichnet. Nennen es die Leute doch selbst ‚Das Dorf bei Naganor‘. Das wiederum schien mir etwas zu lang geraten. Oder wollen Eure Hoheit dem Ort vielleicht selbst einen Namen geben?"

    Wahrscheinlich kann ich schon froh sein, dass er den Ort nicht Merkwyrds Weisheit genannt hat. „Ich denke darüber nach. Wenn dies das einzige Problem auf der Karte wäre, dann wäre ich durchaus zufrieden. Doch ich habe inzwischen so viele Mängel aufgedeckt und je länger ich auf dieses Machwerk blicke, umso mehr springt mir ins Auge. Warum ist die unbedeutende Burg Taegris in einer kleinen Zeichnung dargestellt, während unsere Landeshauptstadt Arvon nur durch einen simplen roten Fleck symbolisiert wird?" Solch Verhalten ist kurz vor dem Landesverrat.

    „Meister Merkwyrd, wie mir scheint, habt Ihr bei Eurer Arbeit viel zu viel Wert auf unwichtige Datails wie Seeschlangen, Boote und Schnörkel gelegt und dabei das Wesentliche aus den Augen verloren. Einzig der Nordpfeil findet meine uneingeschränkte Zustimmung, weil er zufälligerweise in die richtige Richtung zeigt.

    Darum schlage ich vor: Ihr überdenkt Eure Arbeit noch einmal, bevor ich aufgrund dieses exotischen Exemplares einer Landkarte ein sehr ungerechtes Urteil fällen müsste. Oder wie seht Ihr dies, Meister Merkwyrd?"

    „Merkyrt – genauso, Eure Hoheit. Am besten, ich nehme meinen ersten Probeentwurf gleich wieder mit. Entschuldigt, dass ich Euch damit überhaupt belästigt habe. Bitte um Vergebung, Eure Hoheit."

    „Wenn Ihr Euch jetzt gleich hinfortbegebt, so will ich diese großzügig gewähren." Dilettant!

    1. Monsterjagd

    Die Sonne schien von einem wolkenlosen blauen Himmel und von Weitem sah der einsame Landsitz inmitten der blühenden Landschaft sehr idyllisch aus. Doch der Schein trog, und die allgemeine Stimmung in Ravenors Exil war weiterhin angespannt. Zumindest was das Verhältnis Ihrer Ladyschaft zu ihrem Gatten betraf. Darum flüchtete sich Ravenor in die Arbeit, wo er die Misere seines Lebens zumindest eine Weile vergessen konnte. Die Lage besserte sich erheblich, als Hartwig Wort hielt und ein paar Tage später eine ganze Kompanie samt Sir Kerven mit einem Zug Magieranwärter in

    Ravenors Exil einrückte. ‚Auswärtige Feldübung in schwierigem und unbekanntem Gelände‘ war die offizielle Dienstanweisung dieses Manövers. Kaum waren die Männer eingetroffen, da übernahm Ravenor hochoffiziell das Kommando, auch wenn er eigentlich keine entsprechende Befehlsgewalt mehr besaß. Aber jeder kannte den ehemaligen Kommandanten der Garde und Helden des Volkes und darum stellte niemand diesen Umstand infrage. Ravenor selbst genoss es sichtlich, wieder einmal den Ton angeben zu dürfen, auch wenn diese Männer nur ausgeliehen waren. Zunächst wurden alle Soldaten sinnvoll eingeteilt und als sie loslegten, gingen die Arbeiten an dem heruntergekommenen Bauwerk viel zügiger voran als die Tage zuvor. Allgemein herrschte eine gute Stimmung, von der sich auch Ravenor anstecken ließ.

    Er selbst stand gerade auf dem Dach des Hauses, wo sie die alten Schindeln abdeckten. Er war sich auch jetzt nicht zu fein, um selbst mit anzupacken. Außerdem motivierte sein Vorbild die Männer, ohne dass dies seine Autorität in Zweifel gezogen hätte. Ein weiterer Stapel alter Schindeln landete im Hof und Ravenor blieb aufgerichtet stehen, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Sah man von hier oben hinunter, dann kamen einem die hin und her laufenden Leute wie emsige Ameisen vor. Einen Moment noch gab sich Ravenor dieser Betrachtung hin, bevor er sein Augenmerk wieder auf die Arbeit am Dach richtete. Hier war einiges im Argen und ganze Balken würden ausgetauscht werden müssen. Darum hatte er beschlossen, in diesem Zuge den Dachstuhl auch gleich mit auszubauen. Das war nur sinnvoll, wenn man sich schon den ganzen Aufwand machte. Hier oben waren die Arbeiten schon weit fortgeschritten und sie würden bald das neue Bauholz brauchen. Darum kümmerte sich gerade Sir Kerven und Ravenor spähte in Richtung Wald. Hoffentlich kommt er bald, ich möchte keine unfreiwillige Pause einlegen müssen. Das frische Holz brauchten sie nicht nur dringend für den Dachstuhl, sondern auch für den Zaun und das neue Scheunentor. Keine Viertelstunde später war die erste Lieferung da und der Geruch frisch geschlagener Stämme lag in der Luft.

    „Sir Kerven, ein Magier soll das Holz antrocknen. In diesem Zustand ist es viel zu feucht, um es zu verbauen. Aber seid vorsichtig, damit es nicht zu stark reißt."

    „Jawohl, Kommandant. Wird sofort erledigt."

    Respekt und Diensteifer, genau das erwarte ich von einem guten Soldaten. Wie sehr habe ich das in letzter Zeit vermisst. Am Anfang war die Faulenzerei ja ganz schön, aber irgendwann fällt einem vor Langeweile die Decke auf den Kopf.

    Aus dem Augenwinkel sah Ravenor, wie einer der Männer am anderen Ende des Daches auf einen Balken steigen wollte und rief eine Warnung:

    „Vorsicht, der Balken dort ist schon durchgebrochen und hängt da nur mehr lose dran." Diese Decke fällt einem wirklich bald auf den Kopf. „Sir Kerven, kommt bitte hier herauf und stützt das Gebäude ab, während wir alles entfernen, was nichts mehr taugt. Ich hoffe wirklich, dass am Schluss überhaupt noch etwas übrig bleibt", scherzte er und die Leute um ihn herum lachten ungezwungen. Ravenor war wirklich froh, so viele andere Menschen um sich zu haben. Das tat seiner angeschlagenen Stimmung wahrlich gut. Denn auch wenn sich Ravenors Verhältnis zu seiner Frau in den letzten Tagen wieder etwas gebessert hatte, war es immer noch weit vom Zustand der Normalität entfernt.

    Mehrere Stunden wurde in straffem Tempo gearbeitet und Ravenor befehligte seine Kompanie so zielgerichtet wie in einer Schlacht. Er hatte seine Augen überall und so entging ihm auch nicht, als das Tor plötzlich zu flackern begann. Sofort war Ravenor alarmiert.

    Nanu, Besuch? Wer da wohl kommen mag? Da Ravenor niemanden erwartete, beschlich ihn ein ungutes Gefühl und er sah gebannt hinüber. Schon als lediglich die Silhouette sichtbar war, wusste Ravenor, wer ihn da mit seiner Anwesenheit beehrte und er machte ein langes Gesicht.

    Ach nö, nicht doch. Dann brüllte er auch schon mit lauter Stimme über das ganze Anwesen:

    „Achtung, zur Begrüßung Seiner Hoheit, des Prinzen von Ardeen, im Hof angetreten!"

    Wie hat er so schnell herausgefunden, dass die Kompanie hier ist? Hartwig wird es ihm wohl kaum erzählt haben und vor morgen habe ich nicht mit einer Inspektion gerechnet. Nicht einmal ein einziger Tag ist mir vergönnt. Unwillig verzogen sich seine Mundwinkel, während er einen Moment in der Bewegung verharrte. Dann gab er sich einen Ruck und stieg die Leiter hinunter. Die letzten zwei Meter sprang er hinab und kam geschmeidig unten auf.

    Ich hätte den Torstein doch besser draußen lassen sollen. Verstohlen griff er nach der Kette um seinen Hals, die er am Morgen umgelegt hatte, kurz nachdem die Kompanie angekommen war. Dieses magische Schmuckstück sollte nämlich unliebsames Gedankenlesen verhindern. In der Nähe von Magiern hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, stets solch einen Schutz zu tragen. Auch wenn Sir Kerven durchaus ein Mann seines Vertrauens war, blieb Ravenor vorsichtig. Man wusste ja nie. Außerdem waren auch noch andere Magieranwärter vor Ort und selbst die konnten spionieren. Dieses Artefakt war besser als Eryns Erstlingswerk, trotzdem war sich Ravenor nicht sicher, ob es gegen die Fähigkeiten des Schwarzen Prinzen ankam. Wieso ist er bloß so verdammt gut und obendrein auch noch furchtbar neugierig? Aber die ganz guten Artefakte sind äußerst selten und deswegen überaus teuer. Konnte ich mir früher schon nicht leisten und jetzt bin ich sowieso wieder... gänzlich verarmt.

    Wild trampelten die Stiefel der Soldaten über den Hof, als die Männer aus allen Richtungen angerannt kamen. Kurz verweilte Seine Hoheit noch am Torstein, um sich zu orientieren, und erstaunlicherweise schaffte es die Kompanie, in diesem knappen Zeitraum Aufstellung einzunehmen. Dann kam der Prinz ganz gemächlich über den Hof geschlendert.

    Ravenor gab Sir Kerven einen Wink und der befahl den Salut, während Ravenor seinem Vater entgegenging. „Ihr beehrt uns sehr unerwartet mit Eurem Besuch, mein Prinz?" Das klang etwas verhalten und tatsächlich wusste Ravenor auch nicht, was ihn und seine Helfer nun erwartete. Indessen antwortete Prinz Raiden in entspanntem Plauderton:

    „Nun, ich dachte mir nur, du freust dich über ein bisschen Unterhaltung... hier draußen in der Ruhe des Landsitzes. Aber wie ich gerade sehe, tummelt sich hier weit mehr Volk, als ich erwartet habe. Offensichtlich hat sich eine Kompanie meiner Garde in diese abgeschiedene Gegend verirrt." Sein Blick glitt über die angetretenen Männer und blieb dann an Sir Kerven haften.

    „Und Sir Kerven ist auch hier. Welch Überraschung."

    Der Angesprochene wurde rot im Gesicht und stotterte: „Jawohl, mein Prinz. Die einfachen Soldaten mochten sich noch auf die Order ihrer Vorgesetzten berufen, aber für die Offiziere war diese unerwartete Konstellation gerade keine besonders glückliche und alle hofften auf Sir Ravenors rettendes Einschreiten. Wenn es diesem gelang, die gegenwärtige Lage plausibel zu erklären, dann waren alle aus dem Schneider. Und da jeder wusste, dass Sir Ravenor nie um Worte verlegen war, ruhten nun alle Hoffnungen auf ihm. Der räusperte sich, um seinen Hals zu klären und behauptete dann mit Überzeugung: „Eine besondere Feldübung, mein Prinz. Ausbildung einer Pioniereinheit. Wenn Torag mir den Alten auf den Hals gehetzt hat und seine Finger da im Spiel hatte, dann drehe ich ihm eigenhändig den Hals um.

    Seine Hoheit sah erstaunlich gelassen aus und das machte es schwer, seinen wahren Gemütszustand zu deuten. Eine Windbö ließ seinen dünnen Mantel flattern und der Prinz strich ihn nach hinten, dann wandte er sich wieder Ravenor zu:

    „Mir scheint eher, diese Männer werden zu privaten Baumaßnahmen herangezogen. Es mag dir vielleicht entgangen sein, aber in der Zeit, als du im Tiefen Schlaf versunken warst, ist ein Gesetz erlassen worden, welches derlei Dinge unter Strafe stellt."

    Ravenor tat, als höre davon zum ersten Mal:

    „Wirklich, mein Prinz. Das ist mir allerdings neu. Dabei schien es mir lediglich zweckmäßig, den Soldaten die Kunst des Zimmerhandwerks an diesen maroden Gebäuden zu zeigen. Schlägt man so doch zwei Fliegen mit einer Klappe. Das wird wieder in Schuss gebracht und gleichzeitig erlernen die Soldaten die nötigen Fähigkeiten für einfache Konstruktionen. Mir kam es stets als große Verschwendung vor, wenn man mit kostbarem Bauholz im Nirgendwo ein Gebäude errichtet, welches die Magier dann lediglich für ihre Schießübungen verwenden. Und am Ende bleibt nichts anderes übrig als verkohltes Holz. Für simple Zielübungen würden es ja auch einfache Illusionen tun, meint Ihr nicht auch, mein Prinz?"

    Er weiß sehr wohl Bescheid und ich weiß, dass er es weiß. Was bin ich doch für ein leidgeplagter Mann. Und ich sehe hier schon wieder eines dieser endlosen Palaver über die korrekte Einhaltung der Gesetze von Ardeen am Horizont auftauchen. Dabei bin ich aus einem ganz anderen Grund hier herausgekommen. Allerdings könnte ich ihn jetzt leicht überführen, indem ich ihn frage, wer ihm überhaupt das Kommando über die Männer übertragen hat? Da würde er ins Schlingern kommen, denn ich war es mit Sicherheit nicht... Das hätte mir nämlich mein Kalendermann sonst erzählt.

    Blink, blink: ‚Wichtige Mitteilung – Termin nicht übersehen – Ravenor hochoffiziell mit Staatsakt sein altes Kommando zurückzugeben – Ende wichtige Mitteilung!‘

    Ach, was soll’s, resignierte Prinz Raiden schließlich und befahl großmütig: „Weitermachen, Soldat!"

    Das hatte Ravenor am allerwenigsten erwartet und der seltene Fall trat ein, dass er tatsächlich sprachlos war. Dann rutschte ihm ein sehr unpassendes „Hä?" heraus.

    Prinz Raiden seufzte hörbar: „Was gibt es daran nicht zu verstehen?" Aber als Ravenor nicht gleich reagierte, verdrehte der Herrscher von Ardeen nur kurz die Augen und gab dann seinen Worten einen Unterton von Selbstmitleid:

    „Muss ich wie immer alles selber machen? Also, Sir Kerven, Ihr übernehmt jetzt das Kommando über diesen genehmigten Arbeitseinsatz, während du deinem Regenten einen Platz anbietest und dich zu mir setzt. Am besten dort drüben im Schatten." Prinz Raiden zeigte hinüber zu einem ausladenden Baum, während sich die Bank vor dem Hauseingang bereits aufmachte, um dort die entsprechende Sitzgelegenheit bereitzustellen.

    „Sir Kerven, den Tisch bitte auch noch", befahl Prinz Raiden, wobei er sich schon halb umgedreht hatte, um der Bank zu folgen.

    Kerven sah Ravenor irritiert an, als wolle er sagen: „Was ist denn mit dem heute los?" Aber Ravenor zuckte nur mit den Schultern, denn ihm war dieses unerwartete Verhalten genauso ein Rätsel:

    „Sir Kerven, Ihr habt den Prinzen gehört. Schafft den Tisch dort unter den Baum und dann: Weitermachen!"

    Das Kommando nahm die Befehlskette nach unten und die Soldaten verteilten sich wieder zu den ihnen zugewiesenen Arbeiten, während Ravenor seinem Vater folgte. Da Sir Kerven so aufmerksam war, auch noch die zweite Bank zu der Sitzgruppe zu befördern, konnte sich Ravenor Prinz Raiden gegenübersetzen. Aber noch bevor sie sich in ein Gespräch vertiefen konnten, tauchte Magieranwärter Traebyn auf.

    „Eure Hoheit, ich möchte nur betonen, dass ich Sir Ravenor darauf hingewiesen habe, dass Euch dieses Treiben hier missfallen könnte. Schließlich soll sich Sir Ravenor doch weiterhin ausruhen und sich um... andere Angelegenheiten kümmern."

    „Ich bin sicher, Sir Ravenor kommt seinen Verpflichtungen nach." Wenn keine anderen Frauen um ihn herum sind, dann bleibt ihm schließlich keine Wahl und Enthaltsamkeit war noch nie eine seiner herausragenden Tugenden. „Und nun stört uns nicht länger, Anwärter Traebyn."

    Während Traebyn das Weite suchte, amüsierte sich Ravenor insgeheim: Ha, recht so. Dieser Plapperhans geht mir inzwischen dermaßen auf die Nerven und den Versuch, mich zu verpetzen, nehme ich ihm auch übel. „Mein Prinz, dieser Traebyn – könnt Ihr da keinen anderen... Aufpasser finden? Dabei möchte ich bemerken, dass mich Euer unbegründetes Misstrauen durchaus verletzt."

    „Tja, ich war nicht immer so, aber die Erfahrung über die vielen Jahre hinweg hat mich so einiges gelehrt, und deine Schwächen kenne ich nur zu gut. Darum führe ich dich auch gar nicht erst in Versuchung, sodass du weiterhin der unbescholtene Held des Volkes sein kannst. Du solltest mir für meine Weisheit dankbar sein."

    Dankbarkeit war nicht unbedingt das, was Ravenor empfand, und er blickte etwas säuerlich drein, doch sein Vater störte sich nicht daran, denn seine Adleraugen hatten etwas anderes von Interesse entdeckt. Jemand anderen, um genau zu sein.

    „Was tut der denn hier?"

    Ravenor drehte sich ruckartig um und sah noch, wie Airyn in einiger Entfernung mitten in der Bewegung zusammenzuckte.

    Hat er ihm jetzt für nichts eine Kopfnuss verpasst? Ja, ja das kenne ich auch noch von früher. Der arme Junge. Airyn änderte seine ursprüngliche Richtung und kam nun geradewegs auf sie zu.

    „Der Junge träumt nur vor sich hin. Kein Wunder, dass er sich bei einer simplen Telepathie fast zu Tode erschreckt", entkräftete Prinz Raiden ahnungslos Ravenors geheime Anschuldigung.

    In respektvollem Abstand blieb Airyn stehen und verbeugte sich, als er Prinz Raiden begrüßte. Der nickte väterlich wohlwollend mit dem Kopf. „Sieh an, der junge Herr Airyn. Was machst du denn hier? Hast du denn daheim in Naganor nichts zu tun?"

    „Ja. Äh, nein, mein Prinz."

    „Was denn nun? Ja oder nein?"

    „Ich habe gerade keine Arbeit in der Zitadelle, mein Prinz. Demon hat Ordonnanzdienst, Ani ist mit den Kindern unterwegs und da dachte ich, es wäre eine gute Idee, Sir Ravenor zu besuchen, wo ich doch frei habe."

    „Du hast also frei. Offensichtlich ein Planungsfehler..." Junge Männer in seinem Alter kommen nur auf dumme Gedanken, wenn sie sich selbst überlassen sind. Aber wo er schon hier ist, kann er mir auch gleich nützlich sein. „...den man allerdings leicht korrigieren kann, da mir zufälligerweise gerade eine Ordonnanz fehlt. Und siehe da, schon hast du wieder Dienst."

    Das Missfallen darüber konnte man Airyn deutlich ansehen, doch Prinz Raiden tat großzügig so, als sähe er dieses Zeichen des Unwillens nicht.

    „Nun, dein König wünscht etwas zu trinken. Ich nehme mal an, Sir Ravenors Weinkeller ist gut gefüllt."

    „Links neben der Tür geht es hinunter zu den Kellerräumen. Unten, gleich rechts, findest du zwei Kisten. Das sind leider meine gesamten Vorräte." Ravenor betonte dies, denn zwei Kisten waren in seinen Augen nicht besonders viel, und er wollte das Vorurteil, ein Säufer zu sein, damit entkräften.

    Airyn machte sich wertungsfrei daran, der Anweisung Seiner Hoheit nachzukommen und trottete Richtung Haus davon, während Ravenor sich jetzt über eine ganz andere Sache wunderte:

    „Führt Ihr nun den Titel König offiziell, mein Prinz? Ich dachte immer, diese Amtsbezeichnung missfällt Euch?"

    „Wenn man ständig mit diesem Wort konfrontiert wird, klingt es nicht mehr ganz so befremdend. Doch ich bin nicht hier, um über mein leidiges Amt zu reden. Was macht die werte Frau Gemahlin? Ich habe sie heute noch gar nicht gesehen."

    Über dieses ebenfalls leidige Thema wollte Ravenor wiederum nicht reden, doch nun befand er sich in der Verlegenheit, einen Rapport abgeben zu müssen, und er versuchte zumindest das Bild einer heilen Welt zu zeichnen. Denn nichts anderes wollte Seine Hoheit jetzt hören. Aber noch bevor anschließend ein peinliches Verhör beginnen konnte, kam glücklicherweise Airyn zurück und sorgte für eine Unterbrechung dieses misslichen Gespräches. Er hatte eine bereits geöffnete Flasche und zwei Becher dabei, die er auf dem Tisch abstellte. Mit einer geübten Bewegung schenkte er ein, dann wartete er schweigend auf weitere Anweisungen. Seine Hoheit beachtete Airyn nicht weiter und widmete sich zunächst der Verköstigung des Weines. Er nahm einen kleinen Schluck und bewegte ihn eine Weile im Mund hin und her, bevor ihn dann herunterschluckte.

    „Etwas zu säuerlich für meinen Geschmack und ein bisschen holzig. Doch zur Not ist dieses Gebräu trinkbar, zumal ich gerade durstig bin."

    Ich zwinge Euch nicht, meine Vorräte zu dezimieren. Ravenor schwieg. Nachdem Prinz Raiden einen weiteren, diesmal großen Schluck genommen hatte, begann er, über den wahren Grund seines unerwarteten Besuches zu sprechen:

    „Weswegen ich eigentlich hierhergekommen bin... Es geht um ein Monster. Tatsächlich bin ich auf dem Weg, mich dieses Untiers persönlich anzunehmen, und da dachte ich mir, du würdest mich vielleicht gerne begleiten wollen."

    Für eine gute Jagd war Ravenor immer zu haben und sofort fragte er sehr interessiert:

    „Um was für ein Monster handelt es sich denn?" Ein handfestes Abenteuer ist genau das, was ich jetzt brauche, und wenn er mich mitnimmt, dann komme ich außerdem von hier fort. Zwei Fliegen mit einer Klappe – perfekt, kam es Ravenor in den Sinn, während er den Ausführungen seines Vaters lauschte.

    „Über das Monster ist leider nur wenig bekannt und mir liegen lediglich vage Beschreibungen vor. Was da in den Reihen der Unmagischen wütet, scheint über gewisse Kräfte zu verfügen. Das lässt sich alleine daraus schließen, dass die Unmagischen ihre Unkenntnis aus Angst vor dem Unverständlichen mit wilden Spekulationen vermischen. Zwar gibt es in dieser Gegend dort auch einige Magier, die sich an diesem Fall versucht haben. Doch auch diese mäßig begabten magischen Leute konnten keine wirklich brauchbaren Angaben machen. Darum scheint mir dies ein Fall für den wahren Könner zu sein. Und da ich es hasse, mit einem Tross von unfähigen Leuten zu reisen, dachte ich nur an wenige Auserwählte, die mich auf dieser Jagd begleiten werden."

    „Eine Monsterjagd." Der Nervenkitzel auf die bevorstehende Gefahr ergriff sofort von Ravenor Besitz und zauberte ein breites Grinsen auf sein Gesicht. Er liebte solche Herausforderungen und auch Airyns Augen hatten vor Begeisterung zu strahlen begonnen, darum ließ er sich auch zu einer Äußerung hinreißen:

    „Mein Prinz, ich möchte Euch auch begleiten." Airyn selbst sah sich schon als großen Helden, der das Monster ganz alleine zur Strecke gebracht hatte. Prinz Raiden hingegen warf ihm einen geringschätzigen Blick aus den Augenwinkeln zu, bevor er das Ansinnen gnadenlos abschmetterte:

    „Es ist schon ausreichend, wenn ich mich um den Schutz eines Unmagischen kümmern muss. Du jedoch, halbe Portion, hast bei solch einer Jagd keinerlei Nutzen für mich. Allenfalls könnten wir dich als Köder auslegen, um das Untier anzulocken." Wieder einmal machte Prinz Raiden seine Späße auf Airyns Kosten, der hier, nicht ganz zu Unrecht, beleidigt reagierte:

    „Ich habe schon oft gejagt. Schließlich bin ich im Wald aufgewachsen, Eure Hoheit."

    Der patzige Tonfall wurde mit einer Kopfnuss gewürdigt und Prinz Raidens Bemerkung wurde daraufhin deutlich schärfer:

    „Sieh ihn dir an, unseren kleinen Helden. Meint, Fische, Hasen und Rehe wären vergleichbar mit einem ausgewachsenen Monster aus dem Nimrod, das inzwischen schon über zwanzig Menschen auf dem Gewissen hat. Solch eine Herausforderung ist eine Aufgabe für den Helden des Volkes und für den Herrn des Schwarzen Turmes, aber nicht für einen Frischling, der sich einzig in unangemessenen Widerworten gegenüber seinem König hervortut." Der Aufstand in den eigenen Reihen wird im Keim erstickt. Man weiß schließlich nie, wohin das am Ende führt. Der Funke, der die Rebellion entzündet...

    Airyn schmeckte diese Zurechtweisung gar nicht, aber mit wütend aufeinandergepressten Lippen schluckte er sie. Prinz Raiden, der sich gerade in einem Zustand der Unzufriedene-Untertanen-Paranoia befand, missfiel selbst dieser stille Protest und darum gab es noch einen Nachtrag:

    „Und damit du nicht auf dumme Gedanken kommst, gehst du jetzt sofort durch das Tor dort drüben und meldest dich in Naganor umgehend in der Küche. Die brauchen immer helfende Hände. Dort machst du dich nützlich, bis ich wieder zurück bin. Verstanden!"

    „Jawohl, mein Prinz." In einer Mischung aus Scham und Wut stapfte Airyn davon, während die beiden erwachsenen Männer ihm nachsahen.

    „Meint Ihr nicht, dass Ihr etwas zu hart mit ihm umspringt, mein Prinz?", ergriff Ravenor Partei für seinen jüngeren Halbbruder, doch Prinz Raiden war in diesem Punkt anderer Meinung:

    „Nur eine harte Hand schmiedet gute Männer. Und gerade Airyn leidet des Öfteren unter einer immensen Überschätzung seiner Fähigkeiten. In der freien Wildbahn wäre er schon längst tot und ich hätte ein junges Leben mehr auf dem Gewissen." Und schon wieder eine Ordonnanz weniger. Das kann ich nicht riskieren.

    „Hm?" Aber der Junge ist doch im Wald aufgewachsen und findet sich dort sicherlich besser zurecht als unsereins. Ich zumindest konnte der Wildnis nie etwas Gutes abgewinnen. Doch Ravenor sah davon ab, die Ansicht seines Vaters laut infrage zu stellen und ging wieder zum eigentlichen Thema über: „Dieses Monster, was weiß man darüber?"

    Prinz Raiden zog einen zusammengefalteten und etwas zerknitterten Zettel aus der Tasche.

    „Hier, sieh selbst."

    Der Brief kam aus Brieg, einer Hafenstadt weit oben im Norden Großardeens. Ravenor überflog die Zeilen. Darin war von einem dunklen Schatten die Rede und einem seltsamen Heulen. Es hieß, zwanzig Menschen seien diesem unsichtbaren Wesen bereits zum Opfer gefallen. Allerdings war nicht auszuschließen, dass es noch bedeutend mehr waren. Denn stets suchte sich dieser geheimnisvolle Mörder einzelne Personen inmitten der ausgedehnten Waldfläche zwischen Braithall und der Nordgrenze des Reiches aus. Bei allen Leichen hatte man die gleichen seltsamen Spuren gefunden. Eine Linie feiner Löcher, die sich um den Hals der Opfer zog. Aber nicht diese seltsamen Bissspuren hatten zum Tode geführt, sondern die Opfer waren allesamt erwürgt worden. Als abschließender Vermerk war noch notiert, dass die späteren magischen Untersuchungen auch keine weiteren Hinweise ergeben hätten.

    „Die Morde sind ja gar nicht in der Nähe von Brieg verübt worden, sondern in einem sehr abgelegenen Gebiet nahe der Berge", bemerkte Ravenor beiläufig. Prinz Raiden wischte ein Blatt vom Tisch, welches gerade vom Baum gefallen war, und meinte dann süffisant:

    „Und auch dort leben Untertanen meines Reiches. Brieg ist jedoch die erste größere Anlaufstelle für die verängstigten Leute, und von dort wiederum erging Nachricht an Meister Werge. Der hielt es daraufhin für wichtig, mich über diese Begebenheiten zu informieren. Manchmal scheint es mir, als hielte der gute Meister Werge jede Nachricht für derart wichtig, dass er sie mir zutragen müsse. Prinz Raiden, der Retter in der Not, möge tausend Entscheidungen am Tag treffen und so der Götter Wohlgefallen erlangen."

    Prinzliches Selbstmitleid. Mit dieser knappen Feststellung hakte Ravenor die Jammertirade seines Vaters ab und beschäftigte sich dem Fall: „Operieren wir von Braithall aus?"

    „Nein. Die Burg des Verräters birgt zu viele schlechte Erinnerungen, außerdem möchte ich in Brieg zuerst mit den zuständigen Männern sprechen. Vielleicht haben sich ja inzwischen neue Erkenntnisse ergeben."

    „Dann ist die Garnison dort wohl unsere erste Anlaufstelle. Sir Haerkin ist meines Wissen der Kommandant." Ob diese unsinnige Regelung immer noch gilt? Habacht bis an unser Lebensende. Die Geschichte ist nun schon so lange her, da könnte man das wirklich getrost vergessen. Und außerdem war es Eryn, der ihm auf die Stiefel gekotzt hat und nicht ich. Aber Ravenors Bedenken waren unbegründet.

    „Nein, wir reisen inkognito als einfache Monsterjäger im Dienste Seiner Hoheit, des Prinzen von Ardeen." Selbstgefällig grinste Prinz Raiden. Ich agiere geheim in meinem Namen und behaupte dann: „Der Prinz selbst hat mir den Auftrag erteilt das Monster zu töten, hier, seht sein Schreiben mit dem königlichen Siegel darunter." Und der Gedanke, seine Untertanen derart zu täuschen, gefiel Prinz Raiden und er sah die Szene schon bildlich vor sich.

    Ravenor hingegen konnte seinen Unwillen kaum verbergen: Er ist der Monsterjäger und ich bin dann sein: Diener, Kuli, Depp vom Dienst. Inkognito ist eine blöde Idee und was soll uns das überhaupt bringen – außer keinerlei Annehmlichkeiten. „Mein Prinz, warum inkognito? Jedermann wird Euch sofort behilflich sein wollen, wenn Ihr Brieg als Herrscher des Landes besucht und wir erhalten obendrein jede erdenkliche Unterstützung, ohne dass wir auf irgendwelche Probleme stoßen."

    Prinz Raiden rollte mit den Augen und tat Ravenors Bedenken sogleich ab:

    „Die bekommen wir auch so. Der große Magier macht es nämlich möglich. Außerdem sind die Leute viel entspannter und ehrlicher in ihrem Auftreten und auch in ihren Gedanken, wenn sie sich nicht vor der Macht des Schwarzen Prinzen fürchten. Aber immer wenn sie wissen, wer ich wirklich bin, füllen sich ihre Gedanken stets mit einer Mischung aus Angst und Heuchelei... oder sie fangen an, Backsteine zu zählen. Außerdem liebe ich diese Art zu reisen – fernab von allen Verpflichtungen."

    Sehr schön. Und ich liebe das überhaupt nicht. Das vergällt mir diese Monsterjagd regelrecht und wäre somit kaum eine bessere Alternative als mein Aufenthalt hier in diesem Exil.

    Prinz Raiden räusperte sich vernehmlich: „So, so."

    „Ihr wolltet doch ehrliche Gedanken von Euren Untertanen hören. Nun, ich habe mich nicht zurückgehalten", warf Ravenor entschuldigend ein und Prinz Raiden stellte das sogleich richtig:

    „Nicht von dir. Dein aufrührerisches Gedankengut kenne ich zur Genüge. Ich will ehrliche Gedanken von treuen und dankbaren Untertanen hören, wie sie vollauf zufrieden sind und vorbehaltlos anerkennen, wie gut ich dieses Land regiere."

    Weltfremd. Ravenor riss sich am Riemen und zwang sich, seine Gedanken auf die Monsterjagd zu richten: „Also inkognito, als kleine Gruppe. Dürfte ich vorschlagen, Sir Kerven mitzunehmen? Sozusagen als Ersatz für Eryn. Wir sollten wenigstens zu dritt sein, falls wir in die Verlegenheit kommen sollten, Wachen aufstellen zu müssen. Zu viert wäre eine solche Reise sogar noch besser. Sir Aeris ist ein erfahrener Soldat, wenn ich bemerken dürfte."

    Erstaunlich, wie ausgesprochen höflich er sich jedes Mal ausdrückt, wenn er etwas von mir will. Aber ganz unrecht hat er nicht. „Sir Kerven ist genehmigt. Aber einen vierten Mann halte ich für überflüssig."

    Ravenor begann zu handeln: „Und wie wäre es dann mit einem halben?"

    „Willst du Sir Aeris etwa zweiteilen?", fragte Prinz Raiden seinen Sohn, wobei er ungläubig die Augen aufriss. Abwehrend hob Ravenor die Hände und erklärte:

    „Nein, ich dachte an Airyn. Bis nach Brieg kann er doch ruhig mitkommen, und wenn wir in die Wälder aufbrechen, dann bleibt er eben in der Herberge, in der wir Quartier bezogen haben und bewacht unsere Sachen."

    Immer dieses unmagische Denken. Meine kostbaren Sachen bewacht ein Bann, den kein Magier geringer als Stufe sechs durchbrechen kann. Der Junge mit seinem begrenzten Denkvermögen wäre doch nur Ballast.

    Ravenor hingegen brachte tapfer weitere Argumente vor:

    „Airyn ist doch ein aufgeweckter junger Mann, und es würde ihm auch mal guttun, wenn man ihn zur Abwechslung so behandeln würde. Ich meine, Ihr lasst ihn kleine Kinder hüten. Das macht ihn unter seinesgleichen doch nur zum Gespött. Dabei nennen sie ihn überall schon Eisenfresse, weil er dieses magische Metall auf seinen Zähnen hatte. Der kriegt noch einen Knacks fürs Leben weg, wenn er irgendwann nicht auch einmal Männerarbeit tun darf."

    Nachdenklich richtete Prinz Raiden seinen Blick in die Ferne. So schlimm, wie Ravenor das alles gerade ausmalt, kann das für den Halben auch nicht sein. Allerdings hatten die Worte durchaus gewisse Zweifel in Prinz Raiden gesät.

    „Und wenn er uns ungewollt verrät? Er plappert gerne eine Menge Mist, wenn man ihn frei reden lässt, gab Seine Hoheit zu bedenken, doch auch dafür hatte Ravenor schnell eine Lösung parat: „Webt halt einen Schweigebann und schon ist dieses Problem gelöst. Ein stummer Junge als Begleiter – warum nicht.

    Warum nicht? „Also gut. Aber er soll mir nicht auf die Nerven gehen. Dann erteilte Prinz Raiden aus alter Gewohnheit heraus den Befehl: „Und nun, Kommandant, kümmert Euch um die Vorbereitungen. Wir brechen in spätestens einer Stunde auf.

    „Jawohl, mein Prinz!" Hochmotiviert sprang Ravenor auf die Beine und freute sich: Ich habe wieder eine Position.

    Nach Brieg reisten sie erst einmal auf dem ganz offiziellen Weg durch das Tor in der Garnison. Sir Kerven meldete sich und drei Begleiter an. Dabei trat Sir Kerven als er selbst auf, Airyn als sein Bursche und zwei angeblich niedere Offiziere begleiteten ihn. Ihre Decknamen waren Sir Aland und Sir Runor. Sie mussten es so machen, weil der Illusionszauber beim Durchschreiten des Tores erlosch und erst danach wieder aktiviert werden konnte. Deswegen ging Sir Kerven als Erster hindurch, um sofort die Wachen abzulenken. Der kurze Moment reichte aus, damit aus Prinz Raiden der grauhaarige, aber immer noch stattliche Aland wurde und auch Ravenor wieder seine magische Verkleidung erhielt. Prinz Raiden hatte seinen Sohn etwas grobschlächtiger gestaltet und seinen Rumpf noch verbreitert. Dafür hatte Ravenor gut zehn Zentimeter seiner Größe eingebüßt, womit er nun deutlich kleiner als sein Vater wirkte. Nur bei Airyn musste man sich keine Mühe machen, denn wer kannte den Jungen schon außerhalb der Mauern Naganors.

    Sir Kerven legte den Wachen die Papiere vor und diese begannen die Schreiben pflichtbewusst zu prüfen. Der Soldat machte seine Aufgabe sehr gewissenhaft und fragte:

    „Sir Kerven, Ihr seid Magier?"

    „Ja", bestätigte dieser, während Aland schon ungeduldig von einem Fuß auf den anderen zu treten begann.

    „Und Ihre Begleiter sind Ihr Bursche, Sir Aland und Sir Runor?"

    Mittlerweile telepathierte Seine Hoheit bereits an Sir Kerven: „Was hat der für ein Problem? Steht doch alles auf dem Wisch. Ich möchte die Garnison verlassen, bevor wir von der ganzen Kompanie gesehen werden, und ich noch alle bezaubern muss. Vergesst nicht, ich will so wenig Aufmerksamkeit wie möglich erregen. Wir reisen inkognito."

    „Ja, das ist korrekt", antwortete Sir Kerven zunächst dem Wachmann und telepathierte dann seine Antwort an Prinz Raiden: „Mein Prinz, das sind die üblichen Formalitäten. Laut Vorschrift hat der Mann die Angaben der Reisenden zu prüfen."

    „Und was ist der Zweck Ihrer Reise?", wurde der Fragenkatalog nun abgearbeitet. Da beschwerte sich Prinz Raiden schon wieder: „Was soll das denn für eine Prüfung sein? Er liest doch nur von dem Papier ab und stellt dumme Fragen. Tatsächlich könntet Ihr ihm erzählen, was Euch gerade in den Sinn kommt und er würde es nicht einmal merken."

    Diese doppelte Konversation zu führen war schwierig und nötigte Sir Kerven einiges an Konzentration ab. „Es dauert nicht mehr lange, mein Prinz." Der Wache gegenüber erklärte er stattdessen:

    „Order Seiner Hoheit, des Protektors von Großardeen. Ich soll mich um das Monsterproblem kümmern. Seine Hoheit erwartet eine baldige Lösung in dieser Angelegenheit."

    Allerdings!

    Der Soldat drehte sich zu seinem Kameraden um und wies diesen an:

    „Ergänze das für den Bericht. Hier steht nur ‚Dringende Angelegenheiten‘ und das ist für die Unterlagen nicht ausreichend." So fing Wachmann Nummer zwei brav an zu schreiben, während Prinz Raiden langsam die Geduld verlor. Doch der Soldat hatte durchaus noch weitere Fragen:

    „Und durch welches Tor seid Ihr hierhergereist? Plötzlich blinzelte der Mann irritiert und sagte dann: „Alles in Ordnung, Ihr könnt jetzt gehen. Wartet, da fällt mir noch etwas Wichtiges ein: Die Angelegenheit mit der Monsterjagd besprecht Ihr am besten direkt mit Meister Heidmar vom Stadtamt. Der leitet dort die Untersuchung. Und vielleicht sollte ich Euch gleich zum Haupttor der Garnison begleiten, damit Ihr nicht noch einmal unnötig aufgehalten werdet.

    Der freundliche Wachmann begleitete sie noch hinaus und dann lag die Garnison auch schon hinter ihnen.

    Auf ihrem Weg in das Stadtzentrum konnte sich Prinz Raiden nicht zurückhalten, auf seine gekonnte magische Intervention hinzuweisen:

    „Habt Ihr gesehen, Sir Kerven, so macht man das. Dabei ist mir absolut unbegreiflich, warum Ihr Euch als Magier überhaupt auf dieses Frage- und Antwortspiel eingelassen habt. Ihr hättet die beiden doch genauso leicht manipulieren können?"

    „Eure Hoheit, äh, Sir Aland, Ihr wisst doch sicherlich selbst, dass es verboten ist, bei einer Kontrolle magisch zu manipulieren. Derlei Vergehen wird streng bestraft."

    „Eselhaftes Verhalten auch", entgegnete Prinz Raiden ärgerlich und Sir Kerven kam in den Genuss einer dieser Ermahnungskopfnüsse zur Förderung des Denkvermögens. Dem unmagischen Airyn hingegen ging erst jetzt ein Licht auf, dass vorhin nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein konnte und da er es genau wissen wollte, fragte er ganz unbedarft nach:

    „Mein Prinz, habt Ihr die Wachen vorhin etwa bezaubert?" Airyn kam sich dabei richtig klug vor, weil er das Treiben durchschaut hatte. Doch jeder andere in der Runde bedachte ihn daraufhin mit einem mitleidigen Blick, während sie allesamt dachten: Merkt er das tatsächlich jetzt erst?

    „Das war doch offensichtlich, blaffte ihn Prinz Raiden an und tadelte: „Und außerdem hast du dich gerade mit meinem Namen verplappert – wie ich es übrigens nicht anders erwartet habe. Darum wird der Schweigebann sofort in Kraft treten. Pha, nennst mich da in aller Öffentlichkeit ‚mein Prinz‘, da denken die Leute entweder, wir sind ein Haufen Narren oder sie schöpfen Verdacht, und schon ist unsere kleine Maskerade vergebens gewesen.

    Schweigend gingen sie eine Weile nebeneinander her und nahezu alle Leute, denen sie begegneten, musterten die Gruppe mit eindringlichen Blicken. Weswegen sich Prinz Raiden zu einer Änderung seines Planes veranlasst fühlte und er telepathierte an alle:

    „Wir erregen selbst als niedere militärische Ränge noch weit mehr Aufsehen, als mir lieb ist. Außerdem erweist sich Sir Kerven als angeblicher Anführer unserer Gruppe als ungeeignet. Ich habe nachgedacht, und da ich das Zepter lieber selbst in der Hand halte, müssen wir etwas ändern."

    Prinz Raiden hatte alle Kanäle offen gelassen und wurde daraufhin gleich mit drei hilfreichen Gedankengängen belohnt:

    „Jawohl, mein Prinz. Oder soll ich Euch in der Telepathie auch mit Eurem Decknamen ansprechen?"

    „Wenn wir nicht auffallen wollen, dann sollten wir als einfache Glücksritter auftreten, die sich mit der Monsterjagd etwas verdienen wollen. Schließlich ist inzwischen schon ein beträchtliches Preisgeld auf das geheimnisvolle Untier ausgesetzt."

    „Ob ich jemals wieder sprechen kann?"

    Sofort wurden die Beiträge ausgewertet und eine Beurteilung vorgenommen:

    Trottel – sinnvoller Vorschlag – junger Trottel.

    „Und genau darum nehme ich Sir Ravenor gerne als meinen Begleiter mit, weil wir oft zu denselben klugen Schlüssen kommen... wenn er auch stets ein paar Sekunden nach mir."

    „Darum ist Aland auch unser Anführer, weil er es einfach draufhat." Ravenor grinste und freute sich diebisch darüber, wie er gerade gekonnt Spott in seiner Heuchelei verpackt hatte. Dafür gab es die hochgezogene prinzliche Augenbraue, die bei Alands Gesicht nicht halb so bedrohend wirkte wie bei Prinz Raidens tatsächlichem Aussehen.

    Um die Verwandlung in gewöhnliche Glücksritter vorzunehmen, zogen sie sich in einen unbeobachteten Winkel in einer Seitenstraße zurück und dann wurde kräftig gezaubert. Die militärische Standardausrüstung wurde von allen Rangabzeichen befreit und so verändert, dass sie zusammengewürfelt und etwas heruntergekommen aussah. Dann bekam auch Sir Kerven ein neues Gesicht, denn besagter Meister Heidmar kannte Sir Kerven flüchtig.

    „Kann ein anderer Magier diese Illusionen nicht leicht durchschauen?", fragte Ravenor, doch sein Vater verneinte dies:

    „Nicht so, wie ich den Zauber wirke. Bei mir und... Numbus wird man die Illusion für die Kraft der Adern halten. Ich gebe uns den Anschein einer geringen magischen Begabung. Bei dir allerdings musste ich mir wie immer mehr Mühe geben. Aber ein mittelmäßiger Magier, so auf Sir Kervens Stufe, wird meinen kleinen Trick nicht durchschauen. Und Airyn bleibt Airyn. Hat auch etwas für sich, ein unbekanntes Würstchen zu sein, stimmt’s?", witzelte Prinz Raiden, doch Airyn konnte über der Spaß nicht wirklich lachen und sah sehr missmutig drein. Dann stieß er einen undefinierbaren Laut aus, was Seine Hoheit zu einer weiteren Feststellung veranlasste:

    „Ach ja, daran muss ich mich auch erst wieder gewöhnen. Airyn ist jetzt erneut auf jene Entwicklungsstufe zurückversetzt worden, in der er sich nicht richtig artikulieren kann. Doch um der Höflichkeit Genüge zu tun, reicht mir in deinem Fall, als armer, stummer Bursche, auch eine einfache Verbeugung als Zustimmung."

    Mein Plan, die zwei anderen mitzunehmen, war mehr als gut. Die bekommen jetzt alles ab, was sonst mich getroffen hätte. Das nötigt mir ja fast etwas Mitleid ab. Allerdings sah Ravenor nun die Notwendigkeit, auf einen Denkfehler hinzuweisen:

    „Aland, einfache Leute bedienen sich einer einfachen Sprache und gehen offener miteinander um. Eine höfische Verbeugung würde da äußerst fehl am Platze wirken. Aber wenn dir dies zu unangenehm ist, dann könnten wir diesen Plan mit der Verkleidung auch gänzlich verwerfen."

    Dieser Einwand stimmte Prinz Raiden nachdenklich und man konnte regelrecht sehen, wie er darüber nachgrübelte. Schließlich aber entschied er sich doch für die Verkleidung.

    „Schon gut. In diesem speziellen Fall werde ich über eine gewisse Ungebührlichkeit hinwegsehen und besagten rüden Ton bekomme ich sicherlich problemlos hin, dringt er doch schließlich oft genug an mein Ohr. Also... Airyn, wenn du nicht spurst, dann fängst du eine und glaub bloß nicht, ich habe Mitleid mit dir, weil du stumm bist. Und du, Numbus, steh nicht so verschlafen rum! Wir sind schließlich hier, um ein Monster zu töten und die Belohnung einzustreichen. Also, auf geht’s!"

    Daraufhin ging Seine Hoheit mit straffem Schritt voraus und der zusammengewürfelte Haufen Abenteurer folgte seinem Anführer die Straße entlang, bis sie schließlich das Gebäude der Stadtverwaltung erreichten. Dort machten sie sich auf die Suche nach Meister Heidmars Büro. Aber schon in einem Vorzimmer wurden sie von einem niederen Beamten abgefangen und höflich gebeten, zunächst einmal zu warten.

    Besagter Beamte verschwand anschließend durch die Tür in der

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1