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Späte Rache: Ein Aarberger Krimi
Späte Rache: Ein Aarberger Krimi
Späte Rache: Ein Aarberger Krimi
eBook196 Seiten2 Stunden

Späte Rache: Ein Aarberger Krimi

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Über dieses E-Book

«Ein Fuchs tut, was ein Fuchs tun muss!» Es scheint, als ob dieser Spruch auch auf Heiri Weber zutrifft, den einst erfolgreichen Hauptkommissar der Kripo Bern. Im letzten halben Jahr ist aus dem rüstigen Rentner ein Griesgram geworden, der seiner Frau Rita zunehmend auf den Wecker geht, bis diese ihn bei ihrem Psychiater anmeldet.
Wie verwandelt ist Heiri, als ihn Laura, seine frühere Assistentin und jetzige Nachfolgerin, um Rat und Unterstützung in einem mysteriösen Aarberger Kriminalfall bittet: Da starben kurz hintereinander drei Männer der sogenannten Aarberger Viererbande, alle vorher noch kerngesund, und immer hat die gleiche Witwe mit einer auffälligen Hexenkreuz-Tätowierung die Toten ins Krematorium begleitet.
Heiris Depression ist wie weggeblasen, als er zu ermitteln beginnt und damit weitere Ereignisse auslöst, als ob er in ein Wespennest gestochen hätte. Es geht um Rache, und Heiri kennt inzwischen das Motiv der Täter nur zu gut.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. Sept. 2018
ISBN9783907147016
Späte Rache: Ein Aarberger Krimi
Autor

Andres Muhmenthaler

Andres Muhmenthaler, geboren 1958 in Bern, unterrichtet an den Musikschulen Aarberg und Zollikofen/Bremgarten als Instrumentallehrer am Cello. In den letzten Jahren hat er sich vom Musikgeschichtenerzähler zum Roman- und Krimiautor entwickelt. Seinem Roman Zart besaitet folgten die Aarberger Krimis Der Wolf ist tot, Koste es, wen es wolle und Der Schatten des Herodes, die ihn über seine Heimat hinaus als «Seeland-Autor» bekannt gemacht haben.

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    Buchvorschau

    Späte Rache - Andres Muhmenthaler

    Vertrags.

    1

    Sprechstunde

    «Na, wie geht es uns heute, Herr Weber?» Schon in diesem gesprächseinleitenden Satz bestätigen sich die vielen Vorurteile, die Heiri, seines Zeichens Ex-Kommissar der Kripo Bern, gegenüber der Psychiatrie im Allgemeinen hegt. Anstelle einer frechen Antwort, die ihm auf der Zunge brennt («mir geht es gut, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht…»), bringt er nach einigem Zögern ein nichtssagendes «gut» über die Lippen. Wenn er mich jetzt fragt, ob wir immer noch Albträume haben, verlasse ich den Laden gleich wieder, nimmt er sich vor. Rita hat es bestimmt gut gemeint mit dieser geschenkten ersten Therapiestunde bei ihrem Psychiater. Sie hat ihn jedoch zu diesem Schritt genötigt.

    Aus dem unternehmungsfreudigen Frührentner, der den größten Teil der neuen Freiheiten mit Rita verbracht hat, ist in den letzten Monaten ein ausgepowerter, grübelnder Griesgram und Stubenhocker geworden, der beim stundenlangen Fernsehen öfter mal zu tief ins Glas schaut.

    «Ich halte das nicht mehr aus.», hat sich Rita schon mehr als einmal beschwert. «Lass dir doch helfen. Mit so wenig Schlaf wirst du nie mehr aus deinem Loch finden. Nächstens deponiere ich dich im Altersheim, verkaufe die Hütte und nehme mir irgendwo eine kleine schicke Stadtwohnung. Ich lasse mir mein Leben nicht von dir versauen!»

    «Dumme Frage, ich weiß!» Meistens kommen Menschen mit irgendeinem Problem zu mir», versucht der kleine dickliche Mann mit dem strähnigen weißmelierten Haar das Gespräch wieder in Gang zu bringen. Nicht gerade vertrauenerweckend, dieser Anblick, denkt Heiri. Auch kein Wunder, dass ihn seine Frau schon vor fast zwanzig Jahren verlassen hat, wie er von Rita weiß. Bald kommen wir zwei an den von mir viel zitierten Punkt, dass man sich beim Psychiater oft fragen müsse, wer genau jetzt wen therapiere. Bestimmt hat Rita als seine «Dauer»-Patientin ihm geholfen, sich über den Zerfall seiner Familie hinwegzutrösten. Armer Kerl!

    Was nun folgt, gleicht einem Verhör auf der Polizeistation. Im Spital würden sie einem das Krankenkassenkärtchen abnehmen und hätten die Personalien innert Sekunden in ihrem System erfasst, findet Heiri. Er gibt aber artig Auskunft über sein Alter und seine Gesundheit. Gesundheit? Ist doch gut, oder?

    «So, das hätten wir! Ihre Frau hat mir erzählt, dass Sie unter Albträumen leiden und manchmal noch den ganzen Tag das Bild einer entsetzlich entstellten Leiche mit sich tragen. Das gilt es nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. All das Unverarbeitete, Abscheuliche, drängt sich in Ihr Bewusstsein. In Ihrem Beruf bei der Kripo hätte ich keinen Tag überlebt, wissen Sie. Ich kann nämlich kein Blut sehen! Aber item. Wenn ich daran denke, dass Sie all die Jahre bestimmt noch ohne Coaching, Supervision oder anderweitige Unterstützung arbeiten mussten, bewundere ich Sie. Vierzig Jahre lang Gewalt, Schrecken, Ungerechtigkeiten und so weiter hautnah miterleben zu müssen! Unglaublich, was sich da wie eine Art Atommüll-Endlager in Ihnen angesammelt haben muss und erst jetzt in Form von Träumen durch Ihre selbst aufgebaute Schutzmauer rinnt.»

    Atommüll-Endlager? Das hat er gut formuliert, findet Heiri.

    Aus meiner Optik gibt es zwei Ansätze, wie wir in einer Therapie vorgehen könnten. Die erste wäre: Wir versuchen das Leck zu verschließen, verstärken also die Schutzmauer. Der zweite: Wir versuchen das Endlager umzulagern, es zu entgiften, um ihm sozusagen in Ihrem Denken und Fühlen einen anderen Platz zu geben.»

    Ohne es zu bemerken, nickt Heiri anerkennend und muss sich eingestehen, dass er Herrn Bühler wohl etwas falsch eingeschätzt hat. Warum nur habe ich solche Widerstände in mir, mir helfen zu lassen? Hat die Erfahrung und Devise, sich beim Ermitteln oft nur auf sich selbst verlassen zu können, zu dieser Blockade geführt? Ist dieser Schutzschild, den ich mir unbewusst aufgebaut habe, gegen innen und außen wirksam und verhindert auch den Zugang von gutgemeinten Ratschlägen?

    Hat Rita eventuell doch recht, wenn sie mich manchmal als unbelehrbar und unnahbar beschreibt? Wie hat sie mir doch heute Morgen, vor dem Gang hier in die Praxis, vorgeworfen: Keine Hilfe annehmen zu wollen, sei hochnäsig und feige. Hat sie eventuell bereits mit Herrn Bühler über meine Verhärtung gesprochen? Er scheint jedenfalls gut mit meinem Fall vertraut zu sein, grübelt Heiri und merkt nicht, dass der Psychiater mit seiner Ausführung bereits bei den nächsten Schritten angelangt ist.

    Hilfe zur Selbsthilfe sei die wichtigste Doktrin in der Psychologie. Er habe höchstens eine Beraterfunktion. Schon Freud habe… Eigentlich sehe er nur bei der zweiten Variante eine Chance, also indem man den Sondermüll aufarbeite und nicht versuche, noch dickere Mauern…

    Ja, hier liegt das Grundproblem, spürt Heiri, und auf einmal sieht er sich unwillentlich in die Therapie einsteigen: «Genau hier, Herr Bühler, habe ich große Ängste.» Der sonst eher wortkarge Heiri beginnt nun zu debattieren. Beginnt, wie zuvor Herr Bühler, Vergleiche heranzuziehen. Anstelle des Sondermülls hält er es eher mit dem Zauberlehrling: «Die Kräfte, die ich rief, werde ich nie mehr los. Wie bei allem im Leben, gibt es auch in mir zwei Seiten. Meine erlernte Einstellung, im Beruf schreckliche Anblicke und Erlebnisse zu ertragen, indem ich sie zwar aufnahm, um sie aber nüchtern und möglichst ohne eigene Emotionen in meiner Schublade abzulegen, wirkt sich jetzt wie ein überfüllter Magen aus. Mein Ich sträubt sich dagegen, loszulassen, so quasi den Finger reinzustecken, um erleichterndes Erbrechen zu bewirken.»

    Diese Selbstanalyse beeindruckt Herrn Bühler offensichtlich. «Sehr treffend, aus Ihnen wäre ein guter Psychologe geworden. Ja, Sie haben Angst davor, dass die Aufarbeitung dieser bösen Geschichten diese reanimiert und dadurch ihrer Psyche noch mehr Schaden zufügen könnte. Das verstehe ich. Es mag sein, dass Sie schlimme Momente nochmals durchleben müssen, doch nur, wenn es uns gelingt, sie aufzuwecken, können wir den Kampf gegen sie aufnehmen. Sie müssen sichtbar werden, erst so werden sie auch fassbar. Es ist Ihnen offensichtlich nicht gelungen, in Ihren drei Rentnerjahren genügend Distanz zu finden. Die Zeit heilt leider nicht alle Wunden, wenn Sie verstehen, was ich meine.»

    Heiri ist beeindruckt, obwohl er diesen Lösungsansatz des Aufarbeitens irgendwie auch erwartet hat. Zum ersten Mal scheint ihm, dem kritischsten aller Patienten, die Hilfestellung dieses Mannes als mögliche Option. Längst hat er sich nämlich eingestehen müssen, dass er die Horrorträume nicht einfach ausblenden kann. Und wie er sie loswerden könnte, weiß er nicht. Langsam hat er auch vom Gedanken Abschied genommen, dass sie sich eines Tages von allein verflüchtigen würden. Die Schlafqualität hat immer mehr gelitten, ist er sich bewusst, und hat als Folge oft negativen Einfluss auf seine Laune. Es ist eine Beeinträchtigung von Ritas und seiner Lebensqualität, das muss er sich eingestehen. Also lieber wenigstens den Strohhalm packen und den Schritt wagen, als sich damit abzufinden. Im besten Fall lebe ich noch zwanzig Jahre, und die möchte ich, verdammt nochmal, glücklicher leben.

    «Gut, einverstanden! Einen Versuch ist es mir wert, wenn Sie mir jederzeit die Möglichkeit gestatten, auszusteigen, bin ich bereit für eine Therapie!», hört er sich sachlich und schon beinahe locker sagen.

    «Gut, dann starten wir doch gleich mit einem ersten Meditationsversuch! Welches Bild verfolgt Sie am meisten, Herr Weber?»

    Erstaunlicherweise erzählt Heiri bald von diesem fassungslosen, aber auch vorwurfsvollen Blick einer jungen Frau. Zu keinem Wort fähig, starre sie ihn an und irgendwie auch durch ihn hindurch ins Leere. Die Mischung aus Entsetzen, Wut und Ohnmacht lasse ihn erschauern und meist auch mi einemSchuldgefühl aufwachen. «Wenn sie wenigstens geschrieen hätte, mir die Leviten gelesen, mich gepackt oder geschlagen hätte, aber dieser Blick!», fügt Heiri mit angespanntem Gesichtsausdruck hinzu. «Wenn ich in der Lage gewesen wäre, sie auf ihren Blick anzusprechen. Der Traum geht nie weiter, Herr Bühler? Und so lange werde ich ihn auch nicht los, das spüre ich! Verstehen Sie?»

    Der Psychiater nickt. «Bestimmt haben Sie bei Ihren Ermittlungen auch Fehler gemacht. Darüber müssen wir nicht diskutieren. Hier scheint Sie eine mögliche Mitschuld zu belasten, welche eventuell auch keine war. Denn Ihr Job war die Wahrheitssuche und nicht die Suche nach Gerechtigkeit. Anders gesagt: Sie sind berufshalber erst eingeschritten, als das Böse bereits geschehen war und haben laut Ihrem guten Ruf bestimmt sehr überlegt und vorsichtig gehandelt. Vergessen Sie das bitte nicht!»

    Heiri entspannt sich ein wenig.

    «Wir können eigentlich erst mit der Therapie beginnen, wenn Sie sich an eine oder die mögliche Auslösung für den Traum erinnern, was Sie vermutlich nicht so einfach ist. Manchmal helfen Details, um dem Erlebten auf die Spur zu kommen. Zum Beispiel die Haarfarbe dieser jungen Frau, eine Halskette, Kleidungsstücke. Gut möglich aber auch, dass Sie sich die ganze Geschichte nur im wahrsten Sinne des Wortes erträumt haben und sich ihr Unterbewusstsein diesen Kurzfilm aus Gefühlen zusammengestellt hat. Am besten nehmen wir den Traum aber als Ausgangspunkt, um in die Seele zu blicken. Versuchen Sie den Blick bitte nochmals in Worte zu fassen. Was hat die Frau genau aussagen wollen, wie haben Sie den Blick verstanden? Warum hat es offenbar auch Ihnen die Sprache verschlagen?»

    Heiri ist etwas ernüchtert. Nächte- und tagelang hatte er sich ungefähr dieselben Fragen gestellt, aber mit dem besten Willen keine Antwort darauf gefunden. Warum sollte ich jetzt plötzlich in dieser Minute eine Antwort finden? Zum Glück hilft ihm Herr Bühler weiter. «Was hätten Sie dieser Frau denn sagen wollen?»

    Heiri bleibt stumm, hebt und senkt nur etwas seine Schultern. Doch Herr Bühler lässt nicht locker und spricht ihm mögliche Antworten vor. Selbst diese Hilfestellungen lösen in Heiri keine Erinnerung aus. Immerhin ist er immer mehr davon überzeugt, dass dieser Blick nichts mit seinen schlimmsten Ermittlungserlebnissen zu tun hat. Auch weil er ihn schon mehrmals mit den unauslöschlichen Szenen, die er jederzeit aus einer Ecke der Erinnerungen auftauchen lassen kann, verglichen hat.

    «Bleiben Sie dran, Herr Weber», rät Herr Bühler und entschuldigt sich dafür, hier seine Therapiestunde abklemmen zu müssen. Bereits mehrmals hat sich nämlich auch eine divenhafte Dame im Wartezimmer bemerkbar gemacht. Erst durch Hüsteln, später mit einem geräuschvollen Toilettengang, schließlich durch mehrmaliges Anklopfen und Hereinschauen.

    Penetrant, denkt Heiri. Der würde ich etwas husten… Nachdem er mit dem Psychiater den nächsten Termin – in zwei Wochen wieder – vereinbart hat und sich verabschieden will, murmelt er plötzlich das Wort «Cheerleader».

    «Was?»

    «Ach nichts!», entgegnet Heiri gedankenversunken.

    «Ja, jeder hat so seine Schwächen», meint Herr Bühler. Unsere Tochter hat da auch mitgemacht. Ich stehe dazu, SCB-Fan zu sein!», erklärt er, als er Heiris überraschten Blick auf das Poster an der Wand richten sieht. «Mir sind Diplome, also Auszeichnungen über meinen beruflichen Werdegang, nicht so wichtig! Und die Praxis oder das Wartezimmer damit zu tapezieren, wäre mir peinlich, wissen Sie!», bemerkt der Psychiater, während er Heiri die Hand zum Abschied reicht.

    Heiri bleibt gedanklich abwesend vor dem Poster stehen, bis er von der ins Zimmer drängenden Patientin recht unsanft weggerempelt wird.

    Herr Bühler entschuldigt sich anstelle der forschen Dame, die schon auf dem Therapiestuhl Platz genommen hat und flüstert Heiri zu: «Danke, dass Sie ihr nicht mit einem Cross-Check geantwortet haben!»

    Benommen und mit seinen Gedanken immer noch ganz woanders steigt Heiri aufs Fahrrad. Nicht einmal der starke Verkehr auf der Lyss-Straße rüttelt ihn wach. Über die Betonbrücke fährt er ins Stedtli rein. Danach landet er nicht wie gewöhnlich im Tearoom Steffen, sondern biegt rechts in den Gerbeweg ein. Ein Schleichweg, der direkt runter zum hölzernen Fußgängersteg führt.

    Peng! Heiri fällt vor Schreck beinahe vom Fahrrad und zieht instinktiv die Bremse. Unmittelbar nach dem Schuss, dessen Knall von den Hauswänden verstärkt zurückhallt, sieht er neben sich etwas Schwarzes zu Boden klatschen. Unschwer zu sehen, dass es sich dabei um einen Raben handelt. Ein letztes Zucken, und der Vogel ist tot.

    Heiri steigt vom Fahrrad und schaut zu den Fassaden der Häuser hoch. Er kann jedoch keinen Gewehrlauf oder dergleichen ausmachen. Einzig scheint ihm klar, dass aus irgendeinem Fenster geschossen worden ist. Heiri schaut sich um, sieht aber niemanden, der Zeuge des Vorfalls hätte sein können.

    Erinnerungen an seine Kindheit werden wach. Der Nachbarsbub besaß nämlich ein ganzes Waffenarsenal an Luftgewehren. Als Knaben hatten sie auf ungefähr alles geschossen, was kreucht und fleucht. Unvergesslich bleibt ihm die Erinnerung an ihr Menschenopfer, oder besser an die peinliche, von den Eltern verlangte persönliche Entschuldigungsszene mit Handreiche und so. Chrige, die dumme Kuh, hatte einen Querschläger in die Wade abbekommen…

    Aber morgens um elf Uhr sitzen die möglichen Schützen doch bestimmt noch in der Schule und ärgern die Lehrer, vermutet Heiri und weiß nicht recht, wie er auf diesen Vorfall reagieren soll. Den Vogel einfach liegen zu lassen, scheint ihm genauso daneben, wie die Polizei oder den Wildhüter anzupeilen. Trotzdem weckt das ungewöhnliche Ereignis seine Neugier, und er entschließt sich, eine mögliche Fortsetzung der Kurzgeschichte hinter einem Mauervorsprung abzuwarten. Würde mich nicht wundern, den Schützen bald zu Gesicht zu bekommen, sinniert er.

    Und tatsächlich hört er Sekunden später in einem der Hinterhäuser des Stedtlis eine Tür aufgehen und jemanden still vor sich hin fluchend die Treppe aufs Sträßchen runterlaufen. «Muss man eigentlich alles selber machen!», schimpft die ältere Dame, als sie mit einem Müve-Sack und einer «Ghüder»-Schaufel bewaffnet aufs Sträßchen tritt. Ist das nicht die Frau Pfarrer?! Heiri traut seinen Augen nicht, und doch muss es Rebekka sein. Unweigerlich geht ihm dabei das Schwan-Lied von Gölä durch den Kopf. Wenn eine damals als Schulmädchen dem Bild des grauen Entleins entsprach, dann sie. Die dicke Hornbrille hat ihre vogelscheuchenartige magere Erscheinung damals nur noch lächerlicher gemacht. Jahrelang wurde sie zum Gespött. Gemeiner als etwa zwölfjährige Kinder ist niemand, weiß Heiri.

    Damals hätte ich

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