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Sammelband 4 Mitternachts-Thriller: Nur der Tod lebt ewig und andere Romane
Sammelband 4 Mitternachts-Thriller: Nur der Tod lebt ewig und andere Romane
Sammelband 4 Mitternachts-Thriller: Nur der Tod lebt ewig und andere Romane
eBook485 Seiten6 Stunden

Sammelband 4 Mitternachts-Thriller: Nur der Tod lebt ewig und andere Romane

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Über dieses E-Book

Sammelband 4 Mitternachts-Thriller: Nur der Tod lebt ewig und andere Romane

Dieses Buch enthält folgende Romane:

Ann Murdoch: Im Namen des Teufels

Ann Murdoch: Wächter der Totenruhe

Ann Murdoch: 13 Eichen

Ann Murdoch: Nur der Tod lebt ewig

Seit einiger Zeit hat das irische Clydesdale eine neue Bewohnerin, Sophie Cochrane. Die Werbegrafikerin hat ein altes Anwesen, das Spensers Lodge, von ihrem Vater geerbt und will es renovieren, um es dann zu verkaufen. Als aufgeklärte Frau glaubt sie nichts von den Spukgeschichten, die sich um den alten Besitzer des Anwesens drehen. Doch als der eines Nachts an sie herantritt und sie auffordert das Anwesen zu behalten und den Bau einer Brücke zum Festland zu verhindern, muss sie ihre bisherige Weltanschauung überdenken..

Cover: Firuz Askin

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum15. Juni 2019
ISBN9781386893141
Sammelband 4 Mitternachts-Thriller: Nur der Tod lebt ewig und andere Romane

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    Buchvorschau

    Sammelband 4 Mitternachts-Thriller - Ann Murdoch

    Seit einiger Zeit hat das irische Clydesdale eine neue Bewohnerin, Sophie Cochrane. Die Werbegrafikerin hat ein altes Anwesen, das Spensers Lodge, von ihrem Vater geerbt und will es renovieren, um es dann zu verkaufen. Als aufgeklärte Frau glaubt sie nichts von den Spukgeschichten, die sich um den alten Besitzer des Anwesens drehen. Doch als der eines Nachts an sie herantritt und sie auffordert das Anwesen zu behalten und den Bau einer Brücke zum Festland zu verhindern, muss sie ihre bisherige Weltanschauung überdenken..

    COVER: FIRUZ ASKIN

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © Cover: Firuz Askin

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Im Namen des Teufels

    von Ann Murdoch

    Ein CassiopeiaPress E-Book

    © by Author

    © der Digitalausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Der Umfang dieses E-Book entspricht 102 Taschenbuchseiten.

    Die junge Anwältin Harry Beagle hat einen seltsamen Fall übernommen, bei dem der Angeklagte behauptet, sein Opfer sei vom Teufel besessen gewesen. Zusammen mit dem Journalisten Steve geht sie der Sache näher auf den Grund. Dabei ahnen die beiden aber noch nicht, dass sie schon bald dem Teufel höchstpersönlich gegenüberstehen werden.

    1

    Harry hatte doch etwas Herzklopfen. Sie wusste nicht, ob sie alles richtig machte, viel zu seltsam war die ganze Sache. Aber sie atmete tief durch, schaute noch einmal in die Runde und reckte dann energisch das Kinn nach vorn.

    Es war nur der Crown Court und nicht Old Bailey, das traditionsreiche Gericht, vor dem dieser etwas merkwürdige Prozess stattfand. Angeklagt war David Allister, er sollte versucht haben seinen Partner zu töten, weil dieser einen Pakt mit dem Teufel abgeschlossen hätte. Die Verteidigerin Harry Beagle, die als Barrister vor diesem Gericht zugelassen war, hatte diese Behauptung von Anfang für übertrieben gehalten und versucht, ihren Mandaten auf eine vernünftige Linie zu bringen. Doch Allister hatte darauf bestanden und von ihr verlangt, seinen Namen reinzuwaschen. Er hätte nur das Böse selbst bekämpft. Irgendwann hatte sie seinem Verlangen nachgegeben und sich gefragt, wie sie dem Gericht diese Umstände erklären sollte. Sie war selbst nicht der Meinung, dass ihr das bisher gut gelungen war.

    „Euer Ehren, dieser Mann hat völlig absurde Vorstellungen, die er selbst jedoch für absolut wahr hält. Es ist traurig, dass ein anerkannter Psychologe ihm dennoch Normalität attestiert. Ich beantrage ein erneutes psychiatrisches Gutachten, das von einem unabhängigen Experten erstellt werden sollte." Staatsanwalt Ronald Greene trug wie alle Beteiligten eines englischen Gerichtshofes den langen schwarzen Talar mit unendlich vielen Falten und eine unglaublich altmodische weiße Perücke aus Rosshaar. Tradition hatte gerade vor Gericht einen hohen Stellenwert, und so gab es strenge Regelungen. Das galt auch dafür, in welcher Position sich der Anwalt befand, der den Angeklagten verteidigte. Ein junger Anwalt hatte nicht das Recht, vor dem Gericht zu erscheinen, er hatte zunächst eine Art Lehrzeit abzuleisten. In diesen Jahren lernte ein Anwalt nicht nur den Umgang mit den Mandanten, auch die korrekte Verhaltensweise vor Gericht und die komplizierten Systeme gingen ihm in Fleisch und Blut über.

    Auch Barrister Harriet Beagle hatte vier Jahre Lehrzeit als normale Anwältin hinter sich gebracht, bevor sie hier am Crown Court für ihren Mandanten das Wort ergreifen durfte. Jetzt trat sie näher an das Richterpodium heran. Unter der weißen Perücke leuchteten einige Strähnen ihres blonden Haares hervor, und das Gesicht verzog sich zu einer spöttischen Miene.

    „Ich weiß nicht, was dieser sinnlose Antrag soll, Euer Ehren. Mein Mandant wurde als geistig normal eingestuft, und das von einem anerkannten Experten. Also muss ich davon ausgehen, dass an seiner Behauptung, sein Partner Patrick Jones habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, etwas Wahres ist. Der Antrag des ehrenwerten Herrn Staatsanwalts ist nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver, mit dem er seine Unwissenheit deutlich machen will."

    Der Staatsanwalt schenkte ihr einen mitleidsvollen Blick. „Wollen Sie jetzt die Existenz des Teufels auf Erden als Tatsache in den Raum stellen?", fragte er voller Spott.

    „In dem gleichen Maße, in dem die Existenz Gottes als Tatsache gilt", gab sie zurück.

    „Das können Sie doch gar nicht vergleichen, Gott ist ..."

    „Was ist Gott?, fragte sie herausfordernd. „In diesem und jedem anderen Gerichtssaal schwören wir bei Gott, das bedeutet seine Existenz anzuerkennen. Wie können Sie dann die Existenz seines Gegenspielers leugnen?

    „Das können Sie doch gar nicht vergleichen", fuhr Greene auf.

    „Und warum nicht? Nur weil es nicht in Ihr Konzept passt?", fragte sie provozierend.

    „Die Anwälte bitte sofort zu mir", unterbrach der Richter mit Unheil verkündender Stimme. Er sprach leise, als beide Anwälte dicht vor ihm standen.

    „Ich werde hier keine theologische Diskussion dulden, ist das klar? Wir sind hier, um über einen Mordversuch zu richten. Es wird keine weitere Untersuchung geben, Herr Staatsanwalt. Ich nehme an, Sie haben Zeugen, mit denen Sie Ihre Anklage untermauern können. Die Existenz von übergeordneten Kräften auf Erden steht hier nicht zur Diskussion, das gilt auch für Sie, Frau Anwältin. Fahren Sie bitte fort." Dem ehrenwerten Richter war klar, dass er diese Diskussion nicht ganz unterbinden konnte, dafür war dieser Fall einfach zu absurd. Doch an diesem Montag, dem zweiten Tag der Verhandlung, war es noch üblich, mit endlosen Anträgen die Grenzen abzustecken.

    David Allister, der Angeklagte, saß ruhig und fast teilnahmslos auf seinem Stuhl, neben ihm befand sich einer der Anwälte, der Harry Beagle die ganze Vorarbeit abgenommen hatte. Auch im englischen Recht war Schuld nicht gleich schuldig, und aufgrund der komplizierten Rechtsprechung konnte ein kluger Anwalt selbst bei klarer Beweislage mildernde Umstände herausholen.

    Harry war gut, sie wusste das, und der Staatsanwalt wusste das auch.

    Der Prozess nahm seinen formellen Fortgang, und wäre da nicht diese absolut verrückte Behauptung des Angeklagten gewesen, wäre die Sache von der Öffentlichkeit wohl kaum beachtet worden.

    Im Saal bei den Pressevertretern befand sich auch Steven Dunbar, ein Reporter von der Weekly News, der für drei Monate aus Edinburgh ausgeliehen war. Dunbar würde später einmal seinem Vater folgen, dem in Edinburgh eine Zeitung gehörte. Bis dahin wollte er jedoch so viele Erfahrungen wie möglich sammeln, und dazu gehörte auch ein Praktikum in London. Er liebte die Arbeit als Journalist, aber hier vor Gericht war er sonst nicht zu finden. Doch ein Kollege war krank geworden, und Steven hatte sich bereit erklärt einzuspringen. Er hielt den ganzen Fall für absurd, aber die bildhübsche Harry hatte es ihm auf den ersten Blick angetan.

    Steven verfolgte die ermüdenden Formalitäten und war froh, als der Richter endlich den Abschluss dieses Gerichtstages bekannt gab. Er drängte sich durch die Zuschauer und anderen Pressevertreter, um Harry noch zu erreichen, bevor sie in einem der vielen Büros verschwand.

    „Miss Beagle, auf ein Wort, bitte."

    Sie drehte sich um, als sie den Ruf hörte, musterte dann abweisend die Kamera und das Aufnahmegerät, bevor sie eine ergebene Miene aufsetzte. Sie wusste, dass sie die Medien brauchte, sonst wurde ihr Mandant schon vor dem Urteil von der Öffentlichkeit zerrissen.

    „Ich bin nicht bereit, Interviews über die Beweggründe meines Mandanten zu geben", erklärte sie kühl.

    „Wirklich nicht? Ich denke, wenn die Beweggründe Ihres Mandanten verständlich dargelegt werden, könnte es auch einem breiteren Publikum begreiflich gemacht werden, warum er so und nicht anders gehandelt hat."

    „Und Sie können das?" Der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

    „Ich kann es wenigstens versuchen, gab er zurück und verschlang sie förmlich mit seinen Blicken. „Miss Beagle, ich habe die Berichterstattung meiner Kollegen gelesen, und ich wundere mich nur, dass die Bilder von Täter und Opfer nicht schon mit Hörnern und Pferdefuß geschmückt wurden.

    Sie stutzte, dann lachte sie auf, und für Steven ging zum zweiten Mal an diesem Tag die Sonne auf. Harry war allerdings auch ein Augenschmaus. Ihre schlanke sportliche Gestalt kam auch in dem weiten Talar noch immer zu Geltung, ihr schmales ausdrucksvolles Gesicht wurde von goldblonden Haaren umrahmt, die bis auf die Schultern fielen, wenn die Perücke sie nicht verdeckte. Leuchtend blaue Augen brachten die Gefühle deutlich zum Ausdruck, und im Augenblick war sie amüsiert, aber auch misstrauisch.

    „Wie würden Sie ihn denn beschreiben? Als heiligen Georg, der einen Drachen erschlägt?"

    Er wurde unvermittelt ernst. „Nein, ich möchte die Wahrheit hinter dieser Sache ans Tageslicht bringen. Selbst wir beide nehmen in diesem Gespräch das Ganze nicht ernst, wie soll erst der unbeteiligte Leser darüber denken? Deshalb möchte ich gern mehr wissen. Ich verspreche Ihnen, dass ich keine Story hinter der Story zusätzlich erfinden werde. Falls Sie es wünschen, werde ich Ihnen den Artikel vor dem Abdruck zur Begutachtung vorlegen." Er war hartnäckig, ohne unhöflich oder gar schmierig zu werden, dass gefiel Harry. Außerdem kämpfte sie selbst gegen die Vorurteile, die das mysteriöse Motiv ihres Mandanten unweigerlich hervorrief. Steven Dunbar machte einen ehrlichen sympathischen Eindruck, er hob sich von den übrigen Reportern wohl tuend ab.

    Spontan beschloss sie, einen Versuch mit ihm zu machen. Sie dachte daran, wie überrascht sie selbst bei dem Gespräch mit Allister gewesen war. Mehrmals hatte sie versucht, das Gespräch auf eine vernünftige Grundlage zu bringen und den Mann dazu zu bewegen, seine Aussage auf eine erklärbare Grundlage zu stellen, aber er hatte darauf beharrt, dass es genau so und nicht anders gewesen war. Allister war entweder ein Fanatiker oder Lügner, doch eigentlich hatte er in seinem bisherigen Leben als ausgesprochen clever und ehrlich gegolten, also musste Harry annehmen, dass er aus seiner Sicht die Wahrheit sagte. Es war ihre Aufgabe, dem Gericht klarzumachen, dass ihr Mandant zwar im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte war, aber dennoch im Kampf gegen den vermeintlichen Teufel selbst im besten Glauben gehandelt hatte.

    Vielleicht konnte eine gute Presse dabei ein wenig helfen.

    „Kommen Sie in zwei Stunden in mein Büro", bot sie an, aber Steven lächelte dreist.

    „Gehen Sie mit mir essen, dabei spricht es sich besser und klingt nicht so schrecklich förmlich. Bitte. Sieben Uhr im Passions? Soll ich Sie abholen?"

    Verblüfft hielt sie inne, so eine Frechheit war ihr lange nicht untergekommen. Doch sein Blick war treuherzig, sein Lächeln unwiderstehlich.

    „Um sieben Uhr im Passions, den Weg finde ich schon noch allein", gab sie spontan seiner Bitte nach.

    „Dann werden wir auf Teufel komm heraus der Sache auf den Grund gehen."

    „Sie sollten damit nicht scherzen, Mister ..."

    „Dunbar, Steven Dunbar von der Weekly News - zumindest für drei Monate, dann kehre ich nach Edinburgh zurück."

    „Edinburgh?"

    „Dort bin ich zu Hause, ich arbeite für den Scots Guardian."

    „Eine konservative, aber renommierte Zeitung. Also muss Ihnen London dazu im Vergleich wie ein Tollhaus vorkommen."

    Er lachte auf. „Sie haben nie meinen Vater erlebt, wenn er sämtliche Redakteure strammstehen lässt. Dagegen ist die Arbeit hier in London die reine Freude."

    „Ihrem Vater gehört der Guardian?"

    „Nur noch zu achtzig Prozent, er hat vor einigen Jahren einen Teil verkaufen müssen, um alles zu modernisieren, und das ärgert ihn heute noch. Aber er herrscht dennoch wie ein Despot. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich liebe und verehre meinen Vater, aber ich bin nicht blind gegenüber seinen Fehlern."

    „Dann wollen wir hoffen, dass Sie genauso offen an die Fehler meines Mandanten herangehen. Bis heute Abend." Sie ließ ihn einfach stehen und ging davon.

    Von hinten schlug ihm jemand krachend auf die Schulter. „Na, hast du eine Eroberung gemacht? Sieh dich nur vor, diese Frau ist kälter als ein Eisberg. Sie wird dich benutzen und dann fallen lassen." Dan McClure vom Mirror lachte laut.

    „Hast du es bei ihr schon versucht?", fragte Steven.

    „Alle haben es versucht, aber sie hat jeden abblitzen lassen. Es grenzt an ein Wunder, dass sie überhaupt so lange mit dir gesprochen hat."

    Steven sagte nicht, dass er mit Harry sogar zum Essen gehen würde. Journalisten waren Klatschtanten, auch im privaten Bereich, und diese Neuigkeit würde mit der Geschwindigkeit eines Buschfeuers die Runde machen. Er freute sich im Stillen und blieb eine Weile unauffällig an der Wand stehen, um anderen Kollegen zuzuhören, die eifrig über den Fall diskutierten. Die einhellige Meinung war klar, Allister wurde für verrückt oder besessen gehalten. Nun, vielleicht würde er schon bald mehr darüber wissen.

    2

    Das Passions war ein gutes und recht teures Restaurant. Steven hatte den Vorteil, nicht allein von dem leben zu müssen, was ein kleiner Journalist als Gehalt bekam, sonst hätte er sich diese Einladung nicht leisten können. Er war vor Harry da und hielt ungeduldig Ausschau nach der hübschen jungen Anwältin. Dann blieb ihm der Mund vor Überraschung offen stehen.

    Natürlich gehörte zu einem Restaurant dieser Klasse eine gewisse Kleiderordnung, aber Harry verschlug ihm den Atem. Sie trug ein bodenlanges tief dunkelrotes Kleid, hoch geschlossen bis zu einer Krause am Hals, die Arme waren weit, und um die Taille funkelte ein Gürtel aus goldenen Kettengliedern. Die junge Frau wirkte etwas unsicher, was Steven sehr verwunderte. Sie machte sonst einen eher burschikosen Eindruck. Er stand auf und ging ihr rasch entgegen, dann begriff er plötzlich. Harry war zum ersten Mal in einem Lokal dieser Preisklasse. Auch wenn sie im täglichen Leben so tat, als wäre sie durch nichts zu erschüttern oder zu beeindrucken, so zeigte sich jetzt jedoch, dass sie auf diesem Parkett nicht zu Hause war – noch nicht. Sie lachte ihn an und schaute sich um.

    „Ich hoffe, ich bin nicht übertrieben angezogen – aber ich wollte unbedingt dieses Kleid tragen, es ist ein Geschenk meiner Eltern."

    Er küsste ihr formvollendet die Hand. „Ihre Eltern sind doppelt gesegnet, mit einer schönen intelligenten Tochter und gutem Geschmack. Ich habe nicht zu hoffen gewagt, dass Sie mich so überraschen." Dabei sah er selbst auch beeindruckend aus, sein eleganter dunkler Anzug mit dem hellen Hemd und der Clan-Krawatte unterstrich das etwas kantige Gesicht. Er geleitete sie zu ihrem Stuhl.

    „Warum das Passions?, fragte sie jetzt kühl. „Sie mussten doch wissen, dass das nicht meine Wahl gewesen wäre. Aber trotzdem, Mr. Dunbar, ich bestehe auf einer getrennten Rechnung.

    „Wie Sie wünschen. Mit einer so schönen Frau streite ich nicht. Was möchten Sie trinken?"

    Harry lachte auf. „Sie sind seltsam, Steven Dunbar. Jeder andere Mann hätte versucht, mir beizubringen, dass er mich eingeladen hat. Sie akzeptieren meine Worte ohne Diskussion."

    „Wer bin ich, dass ich mit einer erfolgreichen Anwältin streiten würde? Da könnte ich doch nur verlieren."

    Lautlos erschien ein Kellner, die beiden gaben ihre Bestellung für Getränke auf und vertieften sich in die Speisekarte, dann wählten sie auch hier.

    „Was wollen Sie über meinen Mandanten wissen?", fragte sie schließlich sachlich.

    „Lassen Sie uns nach dem Essen darüber reden, bat er. „Die Mahlzeiten hier sind ein Erlebnis, das wollen wir uns nicht mit der Arbeit verderben. Erzählen Sie mir von sich. Wie kommt eine so hübsche Frau dazu, einen derart trockenen Beruf auszuüben? Anwalt ist sicher nicht der Wunschtraum eines jungen Mädchens.

    „Warum nicht?, fragte sie herausfordernd. „Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und hatte all die üblichen Wunschträume wie meine Freundinnen auch. Das änderte sich, als ich miterleben musste, wie der Vater eines Freundes wegen Raub angeklagt und verurteilt wurde, weil er einen Anwalt besaß, der kaum in der Lage war, bis zum Mittagessen nüchtern zu bleiben. Und unser Rechtssystem mit all seinen komplizierten Auslegungen und Schlupfwinkeln hat nicht zugelassen, dass dieser Mann, obwohl unschuldig, seine Unschuld auch beweisen konnte. Er musste ins Gefängnis, und erst rund sieben Jahre später fand die Polizei den wahren Täter. Ich nahm mir immer vor, als Anwältin etwas dafür zu tun, dass jeder zu seinem Recht kommt. Das heißt für mich, dass ich Unschuldige vor einem Urteil bewahren will, aber die Schuldigen auch dazu bringen möchte, für ihre Taten geradezustehen.

    „Sie übernehmen also auch eindeutig Schuldige als Mandanten?"

    Ein erstaunter Blick traf ihn. „Selbstverständlich. Die Welt besteht doch nicht nur aus unschuldig Angeklagten, Mr. Dunbar. Allerdings habe ich einen Grundsatz, ich will die Wahrheit wissen. Wer mich anlügt, kann nicht damit rechnen, dass ich den Fall übernehme."

    „Und das wissen Sie immer ganz genau? Ich meine, ob jemand Ihnen die Wahrheit sagt?"

    Sie stutzte, dann lachte sie. „Nein, schließlich kann ich keine Gedanken lesen. Aber ich versuche es."

    Das Essen kam, und eine ganze Weile waren beide damit beschäftigt, die Köstlichkeiten auf den Tellern zu genießen.

    Schließlich schob Harry den leeren Teller ein Stück zurück und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab.

    „Du meine Güte, das war wirklich ein Erlebnis und wahrscheinlich jeden Schilling wert, den wir dafür auf den Tisch legen werden."

    Steven schmunzelte in sich hinein, während der Kellner flink abräumte und eine andere Bedienung einen Kaffee brachte. Auch Dunbar lehnte sich zurück und betrachtete noch immer voller Entzücken die schöne Frau. Welch ein Unterschied zu der formellen schwarzen Kleidung im Gerichtssaal oder den geschäftsmäßigen Kostümen, die sie im Büro trug.

    „Ich freue mich, dass es Ihnen gefällt. Dann lassen Sie uns jetzt vielleicht auf unser ursprüngliches Thema zurückkommen, David Allister. Staatsanwalt Greene war einigermaßen irritiert darüber, dass Ihr Mandant als voll zurechnungsfähig gilt. Aber ein Pakt mit dem Teufel kommt auch mir seltsam vor. – Ja, ich weiß, Sie haben es bereits gesagt, das ist nicht seltsamer als ein Eid vor Gott. Nur dass Gott höchst selten auf der Erde erscheint, um den Schwur persönlich abzunehmen."

    „Gut gekontert, gab sie zu. „Ich will Ihnen erzählen, wie der Fall David Allister in meiner Kanzlei gelandet ist. Sie berichtete im Grunde nicht viel Neues, das alles deckte sich mit dem, was auch im Gericht schon zur Sprache gekommen war.

    „Warum haben Sie den Fall angenommen?, fragte er. „Ein solches Motiv hat vor Gericht keine große Chance, oder?

    „Das kommt darauf an, wie der Richter denkt."

    „Haben Sie eigentlich selbst mal mit dem Opfer gesprochen?"

    Sie schüttelte den Kopf. „Ich besitze nur die schriftliche Aussage, die Jones vor der Polizei abgelegt hatte. Er ist ein Zeuge der Anklage, ich habe kein Recht dazu, ihn vor dem Prozess zu befragen. Und natürlich wird in der Aussage ein solcher Vertrag energisch bestritten. Im Übrigen heißt es, Patrick Jones wäre noch so schwer verletzt, dass man ihn nicht weiter vernehmen könnte."

    Steven runzelte die Stirn. „Das lässt sich mühelos herausbekommen. Sie können ihn vielleicht nicht fragen, ich schon."

    „Was? Das ist nicht Ihr Ernst, protestierte sie ungläubig. „Sie wollen doch nicht ins Krankenhaus gehen und dort in das Zimmer eindringen?

    „Warum nicht? Ein guter Journalist wird sich immer darum bemühen, beide Seiten der Geschichte ausfindig zu machen. Weshalb also sollte ich nicht versuchen ein Gespräch mit Patrick Jones zu führen?"

    „Weil man Sie vermutlich gar nicht bis zu ihm vorlassen wird", prophezeite sie.

    „Ich wette darauf, meinte er spontan. „Was setzen Sie?

    „Sie sind ein unmöglicher Mensch, Mr. Dunbar, wie kann man darauf wetten?"

    „Ich heiße Steven. Ich setze die Kosten für ein weiteres Essen hier im Passions."

    „Also gut – Steven. Unter einer Bedingung. Sie berichten mir, was Sie in Erfahrung bringen können, auch wenn ich es vor Gericht nicht benutzen darf. Aber es könnte mir helfen, meine Strategie zu planen."

    „Einverstanden."

    Das Gespräch wandte sich jetzt allgemeineren Themen zu, und Harry stellte fest, dass sie sich so gut unterhielt wie schon lange nicht mehr. Ausgerechnet mit einem Journalisten, unglaublich. Er bestand darauf, sie nach Hause zu bringen, Steven hielt Londons Straßen um diese Uhrzeit für nicht sicher genug. Aber er machte keine Anstalten, sie zum Abschied in die Arme zu nehmen oder gar zu küssen, er wusste, dass er damit das dünne Band an Vertrauen sofort zerstören würde. Er verabschiedete sich mit einem Lächeln, und Harry fühlte sich plötzlich sehr einsam. Gut gelaunt machte sich der Journalist auf den Heimweg.

    3

    „Wer sind Sie? Was wollen Sie hier? Sie gehören nicht zum Personal." Patrick Jones saß in seinem Krankenbett, hielt einige Blätter und Listen mit Zahlen vor sich und machte durchaus keinen kranken Eindruck. Wären da nicht der Verband um die linke Schulter und eine Schlaufe, in der eigentlich der linke Arm liegen sollte, gewesen, hätte man ihn für völlig gesund halten können. Er wirkte ungehalten, doch tief in seinen Augen war ein Flackern, das Dunbar nicht so recht erklären konnte.

    „Mein Name ist Steven Dunbar, und ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten."

    „Ich wüsste nicht, worüber. Was sind Sie? Einer von diesen Sensationsreportern, die auch vor einem Schwerkranken nicht haltmachen? Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Und nun gehen Sie, sonst muss ich um Hilfe rufen."

    Steven machte keine Anstalten dieser Aufforderung zu folgen. Er kam weiter in den Raum hinein, lehnte sich gegen die Tür und schloss sie mit dem Rücken, wobei er den anderen Mann nicht aus den Augen ließ. Sein Instinkt hatte angesprochen, ein Instinkt, den jeder gute Journalist besaß, um einer guten Story auf der Spur zu bleiben. Dieser Mann hatte panische Angst vor irgendetwas, und vermutlich schon deswegen würde er auf keinen Fall die Schwester oder sonst jemanden rufen.

    „Mr. Jones, ich bin tatsächlich Journalist, aber ich habe nicht vor, einen sensationslüsternen Aufmacher zuschreiben. Ich will die Wahrheit hinter dieser Anklage und der Aussage herausfinden."

    „Meine Aussage hat die Polizei aufgenommen, ich habe dem nichts hinzuzufügen."

    „Richtig, ich habe Ihre Aussage gelesen, Sir. Aber nicht einmal das Gericht wird sich mit diesen wenigen Fakten zufriedengeben. Und schon gar nicht die Öffentlichkeit, die diesen Prozess mit Interesse verfolgt. Ich bin gern bereit, Ihre Zimmernummer hier im Krankenhaus oder Ihre Privatadresse zu veröffentlichen. Sicherlich wird der eine oder andere Leser Ihnen gern selbst ein paar bohrende Fragen stellen."

    „Sie sind ja verrückt, stieß Jones hervor. „Haben Sie eigentlich nicht begriffen, dass ich das Opfer bin? Gehen Sie und zerreißen Sie Allister in der Luft, aber lassen Sie mich zufrieden. Raus hier!

    Dunbar wollte nicht so einfach aufgeben, er vermutete längst mehr hinter diesem Vorfall, und das Verhalten von Jones bestätigte ihn in dieser Annahme.

    „Mr. Allister wurde schon genug zerrissen, erklärte der Journalist. „Liegt es nicht auch in Ihrem Interesse der Öffentlichkeit ein klares Bild zu vermitteln? Sie haben mit Ihrem Partner eine Finanzagentur geführt, die auch weiterhin darauf angewiesen ist, mit Kunden zusammenzuarbeiten. Sie werden kaum neue Kunden finden, oder höchstens noch welche aus der Hölle.

    Erneut flackerte Angst in den Augen des Mannes. „Mit diesem Thema sollten Sie, verdammt noch mal, keine Scherze treiben, fuhr Jones auf. Regelrechte Panik spiegelte sich in seinem Gesicht. Abwehrend streckt er die Hände aus. „Sie haben ja keine Ahnung, wovon Sie reden. Nehmen Sie den Namen des Unheiligen nicht in den Mund.

    „So beruhigen Sie sich doch, Mr. Jones, ich habe wirklich nicht vor, Sie in die Pfanne zu hauen, ich will nur die Wahrheit – oder das, was für Sie die Wahrheit ist."

    „Die Wahrheit?, rief Jones mit erstickter Stimme und kämpfte um seine Fassung. „Was stellen Sie sich denn unter der Wahrheit vor, Sie Narr? Aber gut, kommen Sie her, ich erzähle Ihnen etwas von der Wahrheit, so unglaublich sie in Ihren Ohren auch klingen mag.

    Eine Viertelstunde später verließ Dunbar das Krankenzimmer. Er hatte im Grunde keine Neuigkeiten erfahren, doch für ihn machte es schon einen Unterschied, die ganze Geschichte aus erster Hand erfahren zu haben. Das änderte nichts daran, dass es in seinen Ohren noch immer unglaublich klang, aber vielleicht würde dieses Wissen Harry helfen. Er hatte bis jetzt noch kein Wort für seinen Artikel geschrieben, aber die ganze Sache interessierte ihn jetzt persönlich so sehr, dass er alle Fakten zusammensammeln wollte. Er rief Harry im Büro an, und nachdem sie ihre Überraschung überwunden hatte, sagte sie einem weiteren Abendessen zu, schließlich hatte er die Wette gewonnen.

    4

    Dieses Mal war die Anwältin nicht bereit, bis nach dem Essen zu warten, obwohl sie sich schon sehr auf die Mahlzeit freute.

    „Also gut, ich gestehe zu, dass Sie ein findiger und kreativer Reporter sind, Steven. Nun spannen Sie mich bloß nicht auf die Folter. Ich will alles wissen, und zwar sofort."

    Sie trug an diesem Abend ein einfaches schwarzes Cocktailkleid, das in dieser Umgebung absolut angemessen war. Ihre Augen leuchteten, und er hätte sie am liebsten in die Arme gerissen, doch er beherrschte sich.

    „Nun gut, Harry, fangen wir ganz von vorn an. Patrick Jones und David Allister führten ihre Finanzagentur ziemlich lange auf konventionelle Art. Dabei gab es offenbar nicht genug zu verdienen, jedenfalls nach Jones‘ Meinung. Ohne es seinem Partner zu sagen begann er riskante Warentermin- und andere Geschäfte zu machen. Das ging eine Weile gut, bis Allister dahinterkam. Er machte Jones Vorwürfe und forderte, so schnell wie möglich alles rückgängig zu machen. Es kam zu einem heftigen Streit zwischen den beiden, und die Auflösung der Partnerschaft war eigentlich schon beschlossene Sache. Am nächsten Tag geschah dann das Schreckliche, alle Papiere, in die Jones investiert hatte, erfuhren einen rapiden Abfall, so dass sie praktisch nichts mehr wert waren. Die beiden Männer hätten die Verluste niemals ausgleichen können, und Jones stand praktisch schon am Fenster, um aus dem Hochhaus zu springen. Dann hat sich alles geändert."

    „Halt, Moment mal." Harry unterbrach die Erzählung. Der Kellner kam mit dem Essen, und die junge Frau dachte über das bisher Gehörte nach, während sie die wiederum gute Mahlzeit genoss.

    „Ich habe Jones bisher nicht kennengelernt, sagte sie, nachdem die Teller abgeräumt waren. „Ich kann demnach bis jetzt auch nicht sagen, ob er glaubwürdig ist. Aber ich verstehe das so, dass er ziemlich labil wirkt. Zu feige, um sich der Verantwortung zu stellen für das Unheil, das er angerichtet hat. Das perfekte Opfer für einen Betrüger.

    „Sie sind schnell mit Ihrem Urteil bei der Hand, meinte er nachdenklich. „Aber es deckt sich durchaus mit meiner Einschätzung. Nun gut, weiter. Er war bereit für den Selbstmord, als wie aus dem Nichts ein Mann in seinem Büro stand.

    „Wie aus dem Nichts?", fragte sie zweifelnd.

    „So hat es Jones gesagt. Offenbar hatte nicht einmal die Sekretärin jemanden gesehen. Nun gut, dieser Mann bot ihm aus heiterem Himmel ein Geschäft an, wollte aber nicht im Büro darüber sprechen. Jones sollte am Abend in ein Haus in Belgravia kommen. Das ist eine ziemlich teure und vornehme Gegend, warum also hätte er misstrauisch werden sollen bezüglich der Adresse? Misstrauisch war er nur über das Auftauchen und das unverhoffte Angebot. Doch er hatte nur diesen Strohhalm, also griff er danach. Es handelte sich um ein älteres Haus und machte nicht wirklich einen gepflegten Eindruck. Jones wurde von einem Butler empfangen und in einen Salon geführt. Dort kam der Hausherr ziemlich schnell zum Kern der Sache."

    „Und der Hausherr ist also der Teufel selbst?", fragte sie ungläubig.

    „Das weiß ich doch nicht, Harry, ich gebe nur weiter, was Jones mir erzählt hat. Dieser Mann bot ihm einen Vertrag an, der merkwürdig und doch einfach klingt. Jones bekommt durch seine Spekulationsgeschäfte alles Geld, das er sich wünscht, im Gegenzug ist er verpflichtet, mindestens drei Seelen durch Selbstmord in die Hölle zu treiben. Wie er das macht, ist seine Sache, am einfachsten geht es sicher durch geschäftlichen Ruin."

    „Absurd, völlig absurd", sagte Harry spontan.

    Steven zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht. Jones erzählte jedenfalls, dass er so verzweifelt war, dass er darauf einging und den Vertrag mit Blut unterschrieb."

    Harry nahm einen Schluck von dem hervorragenden Wein. „Und dann?", forschte sie.

    Dunbar beugte sich vor. „Bereits am nächsten Tag gingen die Kurse für die Papiere steil in die Höhe, und zwei Broker, die dagegen gewettet hatten, begingen in der Tat Selbstmord, was Jones aber nicht zugeschrieben wurde, wie er zornig erklärte. Es stand in allen Zeitungen, auch die seltsamen Sprünge der Wertpapiere, die fast die Börsenaufsicht auf den Plan gerufen haben. Das habe ich schon überprüft."

    Sie schüttelte den Kopf, das alles klang unglaublich. „Und dann hat Allister ihn erneut zur Rede gestellt?"

    „Richtig, das alles kam Ihrem Mandanten sehr seltsam vor, es gab einen weiteren Streit, und Jones erzählte, was er getan hatte. Daraufhin muss Allister förmlich ausgerastet sein, er griff jedenfalls nach dem Brieföffner und stach auf seinen Partner ein."

    Beide schwiegen eine Weile und dachten darüber nach.

    „Ich finde das seltsam, begann Harry, und Steven sprach im gleichen Moment seinen Satz: „Was mich nachdenklich macht ... Beide brachen ab und lachten sich an. Er fühlte sich noch stärker zu ihr hingezogen. Die gedämpfte Beleuchtung im Restaurant und die Kerze auf dem Tisch ließen ihre Lippen verführerisch schimmern, ihre Augen leuchteten wie blaue Neonreklamen, und wieder einmal kämpfte Dunbar darum, nicht die Beherrschung zu verlieren.

    „Können Sie mit diesen Informationen etwas anfangen?", fragte er betont sachlich.

    Sie nickte langsam. „Ich werde es versuchen, wenn ich beim nächsten Mal mit Allister rede. Was ich sagen wollte, ich finde es seltsam, dass Allister offenbar keinen Gedanken daran verschwendet hat, wie absurd und lächerlich das Ganze auf einen normalen Menschen wirkt. Ich frage mich, ob er nicht vielleicht selbst in Versuchung war und aus moralischen Skrupeln abgesagt hat. Ich glaube, der Mann verschweigt mir etwas."

    „Etwas Ähnliches ging mir durch den Kopf, gestand er ein. „Sagen Sie, Harry, würden Sie mir gestatten, Allister selbst ein paar Fragen zu stellen? Ich meine, können Sie mich mitnehmen, wenn Sie ihn das nächste Mal im Gefängnis besuchen?

    „Das mache ich normalerweise gar nicht selbst. Aber Sie haben Recht, Steven. Es ist an der Zeit ihm ein paar persönliche Fragen zu stellen. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie mich begleiten, aber ich warne Sie. Er muss Ihnen nicht antworten, wenn er das nicht will, das ist doch klar, oder?"

    Steven nickte zustimmend und war froh. Unter normalen Umständen wäre es für ihn unmöglich gewesen, den Mann zu treffen.

    Bis Steven Dunbar und Harry Beagle zum Gefängnis gehen konnten, dauerte es noch zwei Tage. Sie hatte eine Menge zu tun, und der nächste Gerichtstag würde auch erst in der nächsten Woche stattfinden.

    Steven saß an seinem Schreibtisch und versuchte die bisherigen Informationen in Worte zu fassen, die für den Leser nicht völlig unglaubwürdig klangen. Das erwies sich als relativ schwierig, denn er hatte kein Interesse daran, einen Artikel abzuliefern, der mit unhaltbaren Sensationen gespickt war, mit dem nur die Leute angesprochen wurden, die ohnehin alles kritiklos glaubten, was die Presse ihnen vorsetzte. Nein, er wollte auch diejenigen ansprechen, die kritisch durch das Leben gingen. Er hatte schon lange keinen derart anspruchsvollen Artikel mehr niedergeschrieben und musste nach mehr als zwei Stunden eingestehen, dass er daran verzweifelte. Zum Glück hatte er seine normale Arbeit schon fertig, es lag also kein Termindruck vor.

    „Kommst du mit zu Gino, etwas trinken?, rief einer seiner Kollegen und klopfte an die Scheibe der Arbeitsplatzabtrennung. Steven schrak aus seinen Gedanken auf. „Ich komme gleich nach, geht ruhig schon mal vor, gab er zurück. Noch einige Minuten lang formulierte er die Sätze neu, schaltete dann aber den Computer ab und beschloss den Kollegen zu folgen.

    Draußen auf der Straße schaute er sich um, ging dann weiter und dachte noch immer nach. Ein Aufschrei von jemandem ließ ihn innehalten. Eine Frau stand da und strecke erschreckt den Arm nach oben aus, um etwas zu zeigen.

    Wie in Zeitlupe fiel aus einem Fenster über ihm ein Fernseher. Es war das langsame Tempo, das ihn erschreckte, mehr noch als das schwere Gerät selbst und die Tatsache, dass es überhaupt geschah. Er sprang zur Seite, gerade noch rechtzeitig, bevor der Fernseher ihn treffen konnte. Das Gerät schlug auf dem Bürgersteig auf und versprühte seine zahllosen Einzelteile in alle Richtungen, derweil die Bildröhre selbst mit einem satten lauten Knall implodierte. Ein Hagel von kleinen Geschossen ging auf die wenigen Passanten nieder, aber Steven bekam davon das meiste ab. Er schützte den Kopf, indem er die Arme

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