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Manche nennen es Karma
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eBook323 Seiten4 Stunden

Manche nennen es Karma

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Über dieses E-Book

Kennen wir uns aus einem früheren Leben?

Die 26-jährige Sophie hat gerade ihre inneren Dämonen im Griff, als sie auf einer Gala in München den attraktiven Alexander kennenlernt. Sophie beginnt ein Praktikum in seinem Unternehmen und fühlt sich stark zu ihm hingezogen, was nicht nur auf Alexanders Charisma zurückzuführen ist, sondern auch darauf, dass die junge Frau immer häufiger Bilder aus einem längst vergangenen Jahrhundert sieht. Unerklärlicherweise tauchen dort sie selbst und Alexander auf. Auf einer Geschäftsreise nach Florida begreift die Studentin schließlich, dass zwischen ihnen weit mehr zu existieren scheint, als in einem einzigen Leben entstehen kann und Sophie wird klar, dass man vor der Liebe und der eigenen Schicksalsaufgabe nicht flüchten kann. Mögen auch noch so viele Epochen zwischen zwei Liebenden liegen.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum1. Feb. 2018
ISBN9783746027784
Manche nennen es Karma
Autor

Mina Arnstett

Mina Arnstett, 1994 im Sternzeichen Wassermann geboren, studiert Jura, Medienwissenschaften und Soziologie. Wenn das Studium mal wieder zu wissenschaftlich wird, lässt sie ihrer Kreativität freien Lauf und schreibt über das, wonach sich die Menschen im Leben am meisten sehnen - die Liebe.

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    Buchvorschau

    Manche nennen es Karma - Mina Arnstett

    Laden.

    Kapitel 1

    Wann wir wohl endlich da sind? Ich sehe aus dem Fenster des Beifahrersitzes und blicke auf die strahlenden Lichter in der ansonsten bereits dunklen Stadt. Papa fährt und erzählt etwas von der Arbeit. Er lacht. Ich lache ebenfalls, obwohl ich in Gedanken ganz woanders bin. Er kreist so um sich selbst, er wird den Unterschied ob ich zuhöre, oder nicht, ohnehin nicht bemerken und ich bin einfach zu aufgeregt. Mein Vater, der Fernsehmoderator Roman Tander und ich sind heute Abend unterwegs zum Münchner Presseball.

    Papa konzentriert sich jetzt auf den dichten Verkehr und ich bin froh nicht länger den Anekdoten seiner letzten Talkshows lauschen zu müssen. Mein Vater ist ohne Zweifel ein brillanter Moderator, jedoch redet er entschieden zu viel von sich und seiner Karriere. Das ist auch alles, wofür er sich interessiert. Meine Mutter hat sich mit diesem Umstand in der Form arrangiert, dass sie sein Geld verprasst. Er nimmt es hin, dafür hält sie eine Ehe aufrecht, die meiner Meinung nach seit Jahren nur noch von Illusionen lebt. Aber das ist ein anderes Thema. Ich seufze. Ich hatte mich eigentlich vehement gesträubt und wollte meine Mutter mit meinem Vater auf diese Veranstaltung schicken. Ich hatte damit gerechnet, dass meine Mutter mit Begeisterung in die nächste Boutique eilen würde, um endlich wieder einen Anlass zu haben ein neues Cocktailkleid zu kaufen, denn „die Ehefrau von Roman Tander, darf keinesfalls zweimal im gleichen Kleid gesehen werden". Wenn ich nicht so aufgeregt wäre, müsste ich angesichts der Szene, wie meine Mutter sich in den Boutiquen wichtig gemacht hätte, schmunzeln. Oder weinen? Mein Widerstand war allerdings zwecklos. Sie hat diesmal darauf bestanden, dass ich meinen Vater begleite. Natürlich nicht, ohne mir noch ihre selbstlosen Motive unter die Nase zu reiben.

    „Du wirst dort von hochrangigen Personen begrüßt werden. Das ist gut für dein soziales Standing, mein Kind. Ich würde ja selbst gehen, aber für dich ist das in Anbetracht deiner eher schleppend vorangehenden Karriere wichtiger."

    Im Geiste verdrehe ich die Augen. Meine Eltern hätten gerne gesehen, dass ich mich bereits während meiner Schulzeit in den Jugendgruppen bestimmter Parteien engagiere, um eine Karriere in der Politik anzustreben. Ich stattdessen hatte meine Reitstiefel geschnappt und war von früh bis spät im Stall gewesen. Nebenbei hatte ich Abitur gemacht und nun studiere ich Kommunikationswissenschaften. In den Augen meiner Mutter eine „brotlose Kunst", denn die Medienbranche sei so überlaufen und eine vorbildliche Karriere, wie die meines Vaters, sei für mich ohnehin unmöglich. Ich ließ mich nicht beirren und folgte meinen Talenten und meiner Intuition. Nach den ersten vier Semestern mit fantastischen Ergebnissen, hatte meine Mutter schließlich ihre spitzen Bemerkungen eingestellt. Seitdem habe auch ich unterlassen ihre Art der Eheführung zu kritisieren. Ein stiller Handel, der mir nur leider vor Augen führt, wie fremd wir einander sind.

    Was mich wohl heute erwartet? Um mich abzulenken, sehe ich an mir hinab und überlege, ob ich an meinem Make-Up noch irgendetwas auffrischen muss. Ich trage ein dunkelgrünes, bodenlanges Kleid. Der Ausschnitt ist gerafft und zaubert ein wenig mehr Fülle, als ich mit meinem knappen B-Körbchen zu bieten habe. Die drapierte Seite wird von einem goldenen Lorbeerblatt zusammengehalten. Ich trage goldene High Heels und eine goldene Clutch dazu. Mein dunkles Haar ist geglättet und fällt seidig und glänzend über meine Schultern. Es ist endlich wieder lang geworden. Nach den schlimmen Ereignissen in den vergangenen Jahren, hatte ich es abgeschnitten. Ein kurzer Bob sollte alles verändern, jedoch hatte ich bereits nach ein paar Tagen gemerkt, dass ich auch durch einen neuen Haarschnitt die bedrückenden Gefühle nicht loswerden konnte, die ich in der Vergangenheit durchlebt hatte. Ich schüttle leicht den Kopf, als könnte ich dadurch die dunklen Dämonen verscheuchen. In solchen Momenten wünsche ich mir, meine Gefühle kontrollieren zu können. So wie damals, als ich einfach alles abgetötet habe.

    Ich erschrecke, weil ich plötzlich einen stechenden Schmerz im Unterarm spüre. Ich hatte ohne zu bemerken was ich tat, den spitzen Verschluss der Abendhandtasche in meinen Unterarm gedrückt. Ein kleiner Blutstropfen läuft geradewegs meinen Arm hinunter. Um Gottes Willen, hör auf damit! Das ist vorbei! Ich beeile mich ihn wegzuwischen, bevor Papa es sieht. Zum Glück ist er so mit der Straße beschäftigt, dass ich in Ruhe meinen Arm reinigen kann, ehe es mein Kleid beflecken würde.

    „Du siehst wunderschön aus", sagt er plötzlich. Dass du das bemerkst? „Danke Papa." Ich sehe ihn überrascht an, aber kann nicht verhindern,

    dass Freude über das Kompliment in mir aufsteigt. Mein Vater geht nicht besonders großzügig mit Lob und Gefühlsäußerungen um. Er erwartet von jedem um ihn herum Huldigung seiner großartigen Leistungen, seiner beeindruckenden Interviews und seiner einflussreichen Kontakte. Doch ist Wertschätzung nichts, das er anderen zuteilwerden lässt. Immer geht es nur um ihn. Seine Feststellung beruhigt mich dennoch ein wenig, denn ich spüre in Gegenwart anderer Menschen häufig Unsicherheit.

    Ich trage noch einmal Lippenstift auf, denn ein Blick auf das Navi verrät mir, dass wir in Kürze das Schloss Nymphenburg erreichen würden. Wir fahren über die Isar direkt auf das große Anwesen zu und ich bin fasziniert von den prachtvollen Bauten. Im Tageslicht hatte ich sie schon mehrfach bewundert, doch im Dunkeln der Nacht, beleuchtet von bunten Scheinwerfern, bietet das Schloss einen Anblick, den ich so nicht mehr vergessen werde. Es ist einfach atemberaubend!

    Wir suchen die VIP-Parking Tickets heraus und passieren die Parkplatz-Security.

    „Guten Abend Herr Tander, es ist uns eine besondere Freude Sie heute Abend hier begrüßen zu dürfen. Wir haben einen Parkplatz direkt am Eingang des Gebäudes für sie reserviert. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Begleitung einen wunderschönen Abend." Die Dame trägt eine dunkelblaue Uniform mit dem Logo der Sicherheitsfirma, für die sie arbeitet. Ihr Lachen ist strahlend, aber wirkt aufgesetzt und sie sieht für meinen Geschmack viel zu neugierig ins Wageninnere. So als suche sie nur nach einem Anhaltspunkt für Klatsch.

    Ein Vorteil am Job meines Vaters ist es, dass alle immer zuvorkommend und freundlich sind. Immer! Nur bin ich mir nicht sicher, ob die Beweggründe der Leute immer selbstlos sind. Aber mir bleibt keine Zeit, um weiter über die aufgesetzte Höflichkeit nachzudenken, denn wie magnetisch angezogen, spüre ich, wie ich mich im Sitz umwende und nach hinten blicke. Ein Aston Martin DB10 passiert gerade nach uns die Passage. Ich sehe fasziniert auf das Auto, das ich vor zwei Wochen noch als James Bonds neues Spielzeug im Kino bewundert habe. Irgendetwas sorgt dafür, dass mein Blick ihm ununterbrochen folgen will. Ich sehe interessiert durch die Windschutzscheibe. Wer fährt wohl ein solches Auto? Dummerweise ist es zu schnell unterwegs, als dass ich etwas erkennen könnte. In meinem Kopf lebt die Fantasie auf. Der Fahrer ist bestimmt attraktiv. Mindestens so sexy, wie der berühmte Geheimagent! Moment, Moment, Moment! Meist fahren hässliche, übergewichtige, alte Männer teure Luxuskarossen, um ihr Ego aufzupolieren. Wahrscheinlich ist der Besitzer des Wagens also ebenfalls unattraktiv.

    Wir steigen aus, laufen auf das große Eingangsportal zu und zeigen unsere Tickets, was auch hier nicht nötig gewesen wäre, denn mein Vater wird wieder sofort erkannt.

    „Herr Tander! Ist das denn die Möglichkeit, dass Sie hier bei mir…." Ich verdrehe im Geist die Augen und sehe zu, wie das Ego meines Vaters aufblüht. Immer zieht er diese Show ab. Der Mann notiert mit Häkchen auf einer Liste unsere Anwesenheit und bindet mir ein gelbes und ein lila Bändchen um mein Handgelenk. Vor ein paar Jahren stachen hier noch deine Knochen hervor. Ich verdränge die Erinnerung daran schnell.

     „Ihre Tochter ist so wunderschön, sie können sich wirklich glücklich schätzen." Ja, das könnte er, wenn es ihm bewusst wäre.

    „Ich danke Ihnen, das ist sehr freundlich." Achtungsvoll den Kopf neigend, quittiere ich das Kompliment mit einem distanzierten Lächeln.

    Mein Vater nickt bekräftigend. „Das tue ich, das tue ich, guter Mann." Er lacht maskenhaft und wendet sich zum Gehen. Pff. Wer’s glaubt.

    Uns werden die Türen aufgehalten und wir treten ein. Ein langer Gang mit lilafarbenem Teppich beflockt, tut sich vor uns auf. Vater bietet mir galant seinen Arm und wir laufen auf einen großen Spiegel am Ende des Ganges zu. Er trägt einen Smoking und sieht für seine fünfundfünfzig Jahre wirklich sehr attraktiv aus. Dies scheinen auch die älteren Damen an der Garderobe zu bemerken. Sie lächeln ihn zuvorkommend an und versuchen zu flirten. Ich lächle ebenfalls. Wenn meine Mutter diese Blicke bemerkt hätte, hätte sie sicherlich einen Weg gefunden, eine scheinbar beiläufige Bemerkung einzustreuen, um deutlich zu machen, dass dieser berühmte, gutaussehende Mann zu ihr gehört.

    Wie gut ich selbst aussehe, wird mir erst bewusst, als wir in den großen Ballsaal laufen und ich die begehrlichen Blicke der Männer und die bösen der Frauen, auf mir spüre. Ich kümmere ich nicht weiter um die Anfeindungen und sehe mich um. Es ist edel und festlich dekoriert. An den Seiten des großen Raumes, in dem gut 500 Leute Platz haben und bequem tanzen können, hängen Satin Gardienen akkurat zusammengerafft von den deckenhohen Fenstern. Draußen auf dem Balkon stehen die vornehm gekleideten Gäste, halten ihre Champagnerflöten in den mit Ringen, Armbändern und Uhren geschmückten Händen und genießen den Ausblick auf den Nymphenburger Schlosspark. Im Hintergrund vernehme ich sanfte Walzerklänge, die vermischt mit den einzelnen Tanzpaaren auf dem Parkett, für ein stimmiges Ambiente sorgen. Ich genieße den Anblick so sehr, dass ich den livrierten Kellner neben mir gar nicht bemerke.

    „Entschuldigen Sie, ein Glas Champagner die Dame?"

    Ich fahre erschrocken herum und blicke in das Gesicht eines farbigen, sehr gepflegten jungen Mannes. Wie die um ihn herumschwirrenden Kollegen, trägt er eine schwarze Anzughose, ein blütenweißes Hemd, wie es für Servicepersonal üblich ist und eine dunkelrote Weste, scheinbar das Markenzeichen der Cateringfirma. Ich finde ihn auf Anhieb attraktiv und auch er sieht mich deutlich interessierter an, als es sich für den Service gehört. Ich schmunzele und mir ist nach einem Flirt. Um mein Selbstbewusstsein steht es, nach der Anerkennung durch die Blicke der anwesenden Männer, recht gut und ich beschließe die Wirkung meines Aussehens ein wenig auf die Probe zu stellen. Ich vollführe einen perfekten Augenaufschlag und versuche von unten zu ihm aufzusehen. Das ist angesichts meiner 1,77m Körpergröße schon eine Herausforderung. Dazu setze ich mein schönstes Lächeln auf und werfe meine langen, braunen Haare zurück. Mein Gebaren scheint seine Wirkung nicht zu verfehlen, denn der junge Mann versucht nach einem Glas auf seinem Tablet zu greifen, greift aber zweimal ins Leere. Anstatt den Blick von mir zu wenden, starrt er mich weiter an. Ich bin fast schon belustigt, dass man einen Mann so schnell aus dem Konzept bringen kann und kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

    Bevor ich das Verhalten des Kellners dadurch brüskieren kann, wird der Versuch meine Wirkung auf das männliche Geschlecht zu testen je gestoppt. Eine leicht gebräunte Hand, in einem Hemd, dessen Ärmel mit silbernen Manschettenknöpfen besetzt sind, greift um mich herum nach einem Glas, gefüllt mit der perlenden Flüssigkeit. Da er um mich herumgreift, spüre ich seine Präsenz zuerst im Rücken. Anders als der Service-Junge, ergreift er das Glas zielsicher. Mir wird heiß und es beginnt angenehm in meinem Bauch zu ziehen. Obwohl ich den Mann noch nicht gesehen habe.

    „Wir wollen doch nicht, dass der jungen Dame die Kehle trocken wird." Der Satz wird von einem ironischen, spöttischen Unterton begleitet und ich komme nicht umhin zu vermuten, dass dies eine Anspielung auf mein Kokettieren sein soll. Was nimmt sich der Mann heraus? Seine Stimme ist tief und kehlig, als hätte er schon ein wenig mehr Gläser intus als ich. Während ich mich umdrehe, registriere ich, dass mir die Stimme irgendwie bekannt vorkommt, doch ich kann sie keiner Person zuordnen. Als ich mich dem Mann gegenübersehe, verschlägt es mir augenblicklich die spitze Erwiderung, die ich auf der Zunge hatte. Ich sehe direkt in die Augen des Mannes, mit dem ich vor Wochen in der Maximilianstraße zusammengestoßen bin. Er sieht mich ob meines erstaunten Blickes belustigt an. Gott, er sieht wirklich gut aus, noch besser als ich ihn in Erinnerung behalten habe. Ich bin erneut wie gebannt von der Art und Weise wie er mich ansieht, von der Intensität mit der er mich aufzunehmen scheint. Wir sehen uns nun schon länger an als üblich und die Zeit, die meinem Empfinden nach stehen geblieben schien, beginnt langsam wieder voranzuschreiten. Sich hier erneut zu treffen muss Schicksal sein! Erschrocken von dem Gefühlsaufruhr, den ein simpler Blickkontakt hervorzurufen vermag, löse ich mich aus meiner Starre und greife nach dem Glas, dass er mir immer noch entgegenreicht.

    „D-D-Danke", stottere ich und so holprig wie meine Ausdrucksweise, ist auch das Verhalten meiner Fingerspitzen, als ich nach der Flöte greife. Zu meinem Leidwesen verstärkt sich das Zittern, als meine die Seinen bei der Übergabe leicht streifen.

    „Steht‘s zu Diensten, er lächelt charmant. „Ich glaube, der junge Freund hier wäre dazu nicht mehr in der Lage gewesen. Mit diesen Worten stellt er sein leeres Glas, was meine These über den Ursprung seiner kehligen Stimme bestätigt, auf das Tablett des Kellners. Dieser steht perplex dreinblickend, mit einem mittlerweile dunkelrot angelaufenen Gesicht, bedröppelt neben uns. Als der attraktive Fremde ihn mit hoch gezogenen Augenbrauen streng ansieht, setzt er sich schnell wieder in Bewegung.

    Der Fremde sieht nun wieder mich an. Er mustert mich eingehend.

    Ich verziehe die Lippen zu einem Lächeln und hebe fragend die Augenbrauen. Er sieht wieder an mir nach oben und lächelt nun ebenfalls. Das Lächeln sorgt dafür, dass seine Gesichtszüge weniger streng wirken und sich in meinem Bauch etwas verlangend zusammenzieht. Ein bisher ungekanntes und zugegebenermaßen verwirrendes Gefühl...

    „Nicht alle Kellner durcheinanderbringen, die haben hier heute Abend noch einen Job zu erledigen." Er zwinkert mir zu und geht mit einem angedeuteten Diener in meine Richtung und seinem interessanten Lächeln auf den Lippen davon.

    Ich sehe ihm sprachlos nach und zu meinem Leidwesen, dreht er sich nicht noch einmal um. Diesmal hat eindeutig ER mich stehen gelassen.

    Die Leute, eilen nach und nach auf meinen Vater zu, der etwas entfernt mit einem Freund spricht. Im Stillen nenne ich sie Speichellecker. Er bemerkt diesen Umstand nicht und falls doch, ist es ihm egal. Er sonnt sich in der Bewunderung und Aufmerksamkeit der Menschen um ihn herum und saugt die Bestätigung förmlich auf.

    Ich hingegen bin freundlich, aber halte die Leute auf Distanz. Im Gegensatz zu meinem Erzeuger, weiß ich um die Falschheit und Ausgesetztheit der Schleimer. Dankend nehme ich die Komplimente, was mein Vater doch für eine tolle Tochter hätte, entgegen und registriere mit einem kleinen Stich im Herzen sein Desinteresse an diesen Bekundungen. Als kleines Mädchen verstummte ich immer, hielt mich still im Hintergrund und bewunderte meinen Vater, der sich so gewandt, so kosmopolitisch mit Jedermann zu unterhalten schien. Mittlerweile habe ich erkannt, dass er ein Verhalten an den Tag legt, das einstudiert ist und keinesfalls seinem wahren Wesen entspricht. Wie eine Rolle, die sich ein Schauspieler zu eigen gemacht hat. Die Umstehenden bemerken dies nicht. Sie sind damit beschäftigt die Aufmerksamkeit dieser großen, besonderen Persönlichkeit zu gewinnen. Dabei ist alles nur Fassade! Im Stillen seufze ich und beteilige mich an der Konversation. Mein Selbstvertrauen ist mittlerweile stark genug, um meine Sichtweise kundzutun und wo nötig auch zu widersprechen.

    So vergehen die nächsten 30min wie im Flug. Es ist schon 20:00 Uhr, als das Buffet nach einer kurzen Rede der Gastgeber eröffnet wird. Wir gehen mit Programmchefs und Fernsehdirektoren zu einem der festlich dekorierten Tische. In der Mitte befindet sich ein riesiges Buffet, auf dem appetitlich angerichtet, die leckersten Speisen arrangiert sind. Ich spüre Panik aufwallen, angesichts des großen Angebots an Essen und der vielen Menschen, in deren Gesellschaft ich jetzt würde essen müssen. Ich sehe viele Gerichte, die mich ansprechen. Wie gerne ich all das essen würde: Pasta, Überbackenes, Dessert. Aber ich kann nicht! Meine Dämonen haben mich von einem Moment auf den anderen wieder fest im Griff. Selbst jetzt, nach meiner Therapie.

    Ich lasse, während ich mich gezwungenermaßen in die Schlange am Buffet einreihe, den Blick über die umliegenden Tische schweifen und sehe einige bekannte Vertreter der Medienwelt. Pasquale Di Roggi, der Chefredakteur einer bekannten Wochenzeitung und seine Ehefrau, die ehemalige Moderatorin eines bayerischen Boulevardmagazins, stehen neben einem Minister, den ich aus dem Fernsehen kenne. In einer anderen Ecke, entdecke ich einige bekannte Moderatoren und die Vorsitzende eines Kinderhilfswerkes. Ein Wohltätigkeitsverein, den auch meine Eltern jährlich unterstützen. Ich drehe mich um und erstarre in der Bewegung. Ich sehe direkt in die Augen des Mannes, der mir vorhin so galant das Champagnerglas reichte. Mein Maximilianstraßen-Mann. Er steht am anderen Ende des Raumes und sieht ebenfalls zu mir herüber. Durchdringend fixiert er mich und ich kann nicht sagen, wie lange wir uns ansehen. Unter seinen Blicken, verliere ich jedes Mal das Zeitgefühl. Er sieht so verdammt attraktiv aus! Das dunkle Haar und die markante Nase lassen ihn Patrick Dempsey ähneln. Er strahlt Erfahrung und Ruhe aus und wirkt deutlich älter als 30. Wie alt er wohl ist?

    Ich habe Angst, dass er zuerst wegsieht. Es ist mir unerklärlicherweise extrem wichtig, was er über mich denkt und ob er mich ebenso anziehend findet, wie ich ihn, denn es ist mehr ist als sein attraktives Äußeres, das mich fesselt. Es ist das Gefühl, dass unser Blickkontakt in mir auslöst. Mir wird heiß und wie ein Magnet, zieht es mich zu ihm. Verunsichert über diese Wirkung, senke ich schnell den Blick und drehe mich wieder dem Buffet zu. Ich greife nach einem der großen, angewärmten Teller. Meine Hände zittern und ich bin wütend auf mich selbst, dass er mich so aus der Fassung bringen kann. Reiß dich zusammen, Sophie! So wie er aussieht, hat er an jedem Finger fünf Frauen. Konzentrier dich und komm wieder zu dir. Die Strategie mit mir selbst zu sprechen, hat mir meine Psychologin damals ans Herz gelegt und sie scheint auch heute zu wirken. Mein Puls verlangsamt sich wieder.

    Die Köche lächeln mir freundlich und zuvorkommend zu, als ich an ihnen vorübergehe und scheinen nur darauf zu warten, dass ich an einer ihrer Stationen ein Gericht auswähle. Jeder scheint um ein Lächeln von mir zu wetteifern, doch ich bleibe reserviert, denn mit meinen Gedanken bin ich woanders. Bei ihm. Ich hatte die Begegnung vor einigen Wochen nicht vergessen. Das, was ich empfunden hatte, war zu stark, zu außergewöhnlich, um es einfach abzutun.

    Ich nehme mir von den Gerichten, von denen ich guten Gewissens essen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu verspüren. Verdammt, Verdammt, Verdammt! Immer diese Kontrolle. Die Therapie hatte dazu geführt, dass ich leichter in Gesellschaft anderer essen konnte und meine damals untergewichtigen 50kg Körpergewicht, um ca. 13kg erhöhen konnte. Ich bekomme meine jahrelang ausgebliebene Periode wieder regelmäßig und bin körperlich gesund und leistungsfähig, aber soweit mir einfach so Gerichte zu nehmen, die damals auf meiner verbotenen Liste standen, bin ich noch lange nicht. Ich lasse mir einige kohlehydratfreie Vorspeisen, sowie Spinat und Schwertfischfilet geben. Mein Vater und sein Gefolge steuern gerade auf den Tisch zu, hinter dem vorhin der Maximilianstraßen-Mann mit einer Gruppe von Männern stand. Doch die Plätz sind nun frei. Schade. Ich schließe mich ihnen an, greife nach Messer und Gabel und verspüre einen Kloß im Hals. Ich zwinge mich kein Aufsehen zu erregen, doch der forschende Blick meines Vaters ist Warnung genug. Er würde mir nie verzeihen, wenn ich das nach außen sorgsam gepflegte Bild der perfekten Familie Tander ins Wanken bringen würde. Also zwinge ich mich zu essen. Mit jedem Bissen wird es leichter und mein Vater scheint zufrieden, denn Minuten später nimmt er, wie so oft, keine Notiz mehr von mir.

    Nach dem Essen, begibt sich die Festgesellschaft in den großen Ballsaal. Ein Streichquartett spielt und ich verspüre das dringende Bedürfnis zur Toilette zu gehen. Ich entschuldige mich und laufe eilig durch die langen Gänge nach draußen. Ich spüre die Musterungen der Mädchen und Frauen, die mir auf meinem Weg entgegenkommen. Die Männer sehen mich deutlich freundlicher und interessiert an. Ich wende zwar jedes Mal den Blick ab, aber meinem Selbstbewusstsein tut es dennoch gut. Aber trotz der Dankbarkeit darüber, dass ich mit einem ansprechenden Äußeren beschenkt wurde, verspüre ich eine tiefe Sehnsucht anstelle von oberflächlichen Äußerlichkeiten, über mein Inneres definiert zu werden. Nicht sofort in irgendeine Schublade gesteckt zu werden, sondern meines Geistes, meines Intellekts und meiner Persönlichkeit wegen gemocht zu werden.

    „Vielleicht ist das gar nicht möglich, weil du einfach nicht liebenswert bist. Du kannst nur durch dein hübsches Aussehen bereichern. Mehr hast du nicht zu bieten." Die Stimme ist fies. Einschmeichelnd leise versucht sie die Worte nachdrücklich in meinen Kopf zu pflanzen.

    Ich zucke zusammen. Ich kenne diese Momente, diese kleinen Gemeinheiten meines Unterbewusstseins nur zu gut. Während meiner Magersuchtphase hatte ich sie täglich, nun nur noch in Situationen, in denen ich unter Stress stehe. Wütend gebiete ich ihr mit einem stillen Monolog Einhalt. „Ruhe. Ich lasse mich nicht mehr manipulieren von dir. Wenn wir alle hier stünden, mit nichts bekleidet, keinen Markenklamotten, keinen Designer Heels und keinen Handtaschen, für deren finanziellem Wert andere Familien ganze Urlaube verbringen, dann hätte ich immer noch etwas, das mich ausmacht, weil es meine Talente, mein Können und meine Ausstrahlung sind, die mir keiner nehmen kann." Ich atme tief durch. Ich spüre, wie der Aufruhr in meinem Inneren sich legt und mich die taxierenden Blicke der anderen Frauen weniger belasten. Zum Glück habe ich mittlerweile Wege gefunden, wieder zu mir zu kommen, wenn ich mit mir hadere. Mit diesem Gefühl, biege ich um die Ecke und laufe auf die Toiletten zu. Die Schlange vor den WC-Räumen ist lang, aber ich reihe mich dennoch brav ein und warte geduldig. Als mein iPhone vibriert, ziehe ich es aus der goldenen Clutch. Eine WhatsApp Nachricht meiner Mutter, die sich erkundigt wie es mir gefällt und ob ich mit dem Essen zurechtgekommen bin. Eigentlich hätte sie auch nur den zweiten Teil schreiben können. Das einzige, was sie interessiert! Keine Sorge Mum, ich habe Vater und dich nicht blamiert und für Aufsehen gesorgt. Wütend, tippe ich eine zweizeilige Antwort, stecke das Smartphone genervt in die Tasche zurück und drehe mich, einem inneren Impuls folgend, um. Und sehe direkt in die Augen von Mr. Maximilianstraße. Himmel, jetzt spüre ich ihn schon quer durch Räume. Aus Angst, den Anschein zu erwecken ihn zu verfolgen, drehe ich mich schlagartig wieder weg und starre konzentriert auf die lange Schlange vor den WC-Türen. Vor meinem inneren Auge sehe ich ihn immer noch mit zwei weiteren Männern und einer sehr hübschen Blondine zusammen am Ende des Ganges stehen. Wahrscheinlich seine Freundin. War ja klar, dass so ein Mann nicht ungebunden ist! Ernüchtert will ich mich eigentlich nicht mehr umdrehen, aber meine Neugier siegt. Prompt treffen sich unsere Blicke wieder. Jemand läuft auf ihn zu und schlägt ihm auf die Schulter. Er wendet sich dem Mann zu und lacht. Ein tiefes, kehliges Lachen. Sie beginnen ein Gespräch. Ich wende mich schnell ab und versuche mich damit abzulenken auszurechnen, wie lange eine Frau durchschnittlich für den Toilettengang braucht und wie lange ich noch hier würde stehen müssen. Ich gebe nach kurzer Zeit auf, denn ich kann mich ohnehin nicht konzentrieren. Seltsam angespannt, verspüre ich ein geradezu schmerzhaftes Sehnen nach einer Person, die einige Meter entfernt steht, und unerreichbar scheint. In diesem Moment habe ich ein Déjà-Vu. Seltsam, ich kann mich an keinen Moment meines Lebens erinnern, in dem ich so etwas schon einmal empfunden habe. Ich beschließe mich noch ein letztes Mal umzudrehen. Er wendet sich im selben Moment um und es durchzuckt mich wie ein Blitz, als sich unsere Blicke zum dritten Mal treffen. Wieder ist sein Blick so intensiv und forschend, wie zuvor im Ballsaal. Ich fühle mich unbehaglich unter dieser Leibesvisitation. In dem Moment, in dem ich diesen Gedanken gedacht habe, wendet er sich seinem Gesprächspartner zu und setzt das Gespräch fort. Ich drehe mich frustriert ebenfalls um und beschließe dieses ganze „Geschaue und Wieder-Weggegucke" zu beenden, indem ich einfach verschwinde. Plötzlich wird mir auch wieder bewusst, wie dringend ich eigentlich aufs Klo muss. Schnell laufe ich in den nächsten Gang und gehe auf die Behindertentoilette. Nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe, lehne ich mich dagegen und atme tief durch. Wieviel Sicherheit das Verschließen eines Türschlosses vermittelt.

    Kurze Zeit später kehre ich in den Ballsaal zurück. Ich sehe Papa am Eingang immer noch mit einigen Geschäftsleuten reden. Zwei derjenigen, mit denen

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