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Just one night in Rome: Liebe kennt keine Distanz
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Just one night in Rome: Liebe kennt keine Distanz
eBook338 Seiten4 Stunden

Just one night in Rome: Liebe kennt keine Distanz

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Über dieses E-Book

Reicht ein unvergesslicher Abend aus, um das Leben zweier Fremder für immer miteinander zu verknüpfen, obwohl sie am anderen Ende der Welt voneinander wohnen?

Als Josie ihre Italienreise bucht, will sie vor allem eins: ihrem Ex und der Männerwelt im Allgemeinen entfliehen. Im schönen Rom teilt sie sich ihr Hostel-Zimmer ausgerechnet mit dem Weltenbummler Leo. Der Chilene sieht nicht nur unverschämt gut aus, er bringt Josie mit seinen hartnäckigen Fragen auch so aus dem Konzept, dass sie ihre Lebensentscheidungen hinterfragt. Leo lädt sie auf das Abenteuer ihres Lebens ein: eine magische Nacht durch die Straßen Roms. Die Funken sprühen gewaltig, doch Leo wohnt am anderen Ende der Welt und Josie weiß nicht, ob sie ihn je wiedersehen wird. Ist eine Nacht voller Abenteuer genug, um ihr ganzes Leben umzukrempeln?
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum30. Juni 2023
ISBN9783757842550
Just one night in Rome: Liebe kennt keine Distanz
Autor

Tiziana Olbrich

Tiziana Olbrich ist eine deutsche Autorin und Lektorin. Sie hat Kulturmanagement und kreatives Schreiben an der Universität in Hildesheim studiert. Nach ihrem Studium arbeitete sie einige Jahre als Marketingmanagerin im Brandbuilding und im Bereich der neuen Medien, bis sie 2019 nach Südamerika auswanderte. Seitdem hat sie bereits in sechs Ländern gelebt und nimmt die Inspiration für ihre Geschichten aus den Erfahrungen mit den verschiedenen Kulturen. Ihre Geschichten sind ebenso vielfältig, wie die Orte, an denen sie bereits gelebt hat. Inspiriert von den Erfahrungen in der Ferne, schreibt sie Romane über die Liebe und das Leben. Dabei ist es ihr ein Anliegen, wichtige Themen des Heranwachsens in amüsante und leicht zugängliche Erzählungen einfließen zu lassen. Jugendbücher, Liebesromane und Cozy Crime sind hierbei ihre bevorzugten Genres. Wenn sie keine Wohlfühlbücher schreibt, erkundet sich am liebsten mit ihrem Backpack andere Länder, geht mit ihrem Partner wandern oder verliebt sich in ihrem Erkerfenster lesend in einen neuen Book-Boyfriend.

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    Buchvorschau

    Just one night in Rome - Tiziana Olbrich

    Kapitel 1

    Jakob: Verdammt noch mal, geh endlich ans Telefon!

    Verpasster Anruf um 18:37.

    Verpasster Anruf um 18:41.

    Jakob: Was ist nur in dich gefahren? Einfach so abzuhauen … Bist du jetzt vollkommen verrückt geworden?!

    Jakob: Ach, komm schon, Josie. Es ist nicht so, wie du denkst. Rede mit mir.

    Verpasster Anruf um 19:52.

    Jakob: Wo zum Teufel steckst du? Ich steh vor deiner Haustür. Mach auf!!

    Verpasste Anrufe (13).

    Jakob: Dann ignorier mich halt, aber heul mir später nicht die Ohren voll, ich hätte es nicht versucht. Du baust gerade richtigen Mist.

    Verpasster Anruf um 22:54.

    Jakob: Das sieht dir doch gar nicht ähnlich …

    Wie konnte ich es bloß für eine gute Idee halten, den Tag mit einem Blick aufs Handy zu starten? Den irrsinnigen Entschluss bereue ich sofort. Eine Vielzahl von Nachrichten leuchtet mir vom Handydisplay entgegen. Nachrichten, auf die ich nach über einer Woche noch immer keine Antwort geben kann. Mein Herz hämmert immer schneller in der Brust. Dabei bewältige ich gerade keinen Sprintlauf, sondern liege im Bett. Mein Magen windet sich, krampft sich zusammen und wird hart. Allein Jakobs Namen auf dem Display zu lesen genügt, um Übelkeit in mir auszulösen. Obwohl der Eingang der letzten Mitteilung schon einige Tage zurückliegt, habe ich mich noch immer nicht an ihren Anblick gewöhnt.

    Ich beiße mir auf die Innenseite meiner Wange, um den Schmerz einzudämmen. Warum quäle ich mich selbst, indem ich sie immer wieder lese? Als hoffe ich darauf, dass sich die Bedeutung mit genügend Abstand ändern würde.

    Schnell schließe ich das Nachrichtenfach von Jakob und überfliege den Mitteilungseingang der übrigen Kontakte. Mein Blick huscht sofort hoffnungsvoll zum Namen meiner besten Freundin, doch sie straft mich weiterhin mit Funkstille. Kein Foto, kein Emoji, nicht ein verdammtes Sterbenswörtchen. Es kränkt mich, dass Sara nicht einmal versucht, die Wogen zu glätten. Erwartet sie etwa, dass ich den ersten Schritt mache? Gar, dass ich mich entschuldige?

    Heiße Tränen brennen in meinen Augen. Ich schließe sie ebenso schnell, wie ich das Handy verriegle. Sekunden später reiße ich sie wieder auf. Zu schmerzhaft ist die Szene, die sich in mein Gedächtnis gebohrt hat. Scharf gestochen, wie die Umrisse eines Tattoos, brennt ihr Anblick in meinen Augenlidern. Sara und Jakob – ausgerechnet meine beiden Lieblingsmenschen –, die sich innig küssen. Wie konnten sie mir das nur antun?! Wie viele Tränen ich auch vergieße, ich werde die Silhouette des umschlungenen Paares nicht los.

    Ein kehliger Laut entweicht meiner Kehle. Schnell drehe ich mich beschämt zur Seite. Kehre dem Raum den Rücken zu und streiche meine feuchte Wange über den muffigen Kissenbezug. Verdammt, reiß dich zusammen! Du bist hier nicht allein. Ich drücke das Gesicht ins Kopfkissen und dämpfe das Schluchzen. Wie viele Tränen dieses Kissen wohl schon aufgefangen hat? Mit Sicherheit Tausende, bei all den Menschen, die auf ihm genächtigt haben.

    Meine Nerven flattern, genau wie mein lädiertes Herz. Wie ein nasses Handtuch fühlt es sich an. Schwer und klobig. Egal, wie sehr ich versuche, es auszuwringen, die giftige Säure meines Zusammenbruchs bekomme ich nicht raus. Den Anblick des lügenden und betrügenden Mistkerls ebenfalls nicht.

    Ich wünsche mir einen meiner Lieblingsmenschen herbei, ihren Zuspruch und eine Umarmung. Obwohl mir meist die Luft wegbleibt, wenn meine beste Freundin mich etwas zu stürmisch in die Arme schließt und anschließend eine dicke Duftwolke von Miss Dior an mir klebt, sehne ich mich nach ihr. Ich vermisse die Sara, mit der ich seit Schultagen befreundet bin und die mir für gewöhnlich bei Kummer zur Seite steht. Mich behutsam mit ihren großen Apfelbäckchen-Wangen anlächelt und die mit ihrem Blondschopf und den strahlend grünen Augen glatt als mein Zwilling durchgehen würde, wenn sie nicht einen guten Kopf kleiner wäre. Zierlicher von der Statur, dafür vom Charakter her um einiges bestimmender.

    Sara, auf die ich mich immer verlassen und der ich so viele Geheimnisse anvertraut habe – vor allem über die Beziehung mit Jakob. Sie kennt all unsere Schwachstellen im Detail. Ob sie die bewusst gegen mich verwendet hat, um ihn mir auszuspannen?

    Und Jakob, dessen Aufgabe es als mein Partner wäre, mich bei Kummer zu trösten. Mich in den Arm zu nehmen und mir Mut zuzusprechen. Nicht, dass er das in den letzten Monaten, in denen wir ein Paar waren, je getan hätte. Dafür gab es keine Gelegenheiten, wir hatten nie Zoff in unserer Beziehung. Und mit Familiensorgen oder Arbeitsstress wollte ich ihn nicht belasten.

    Jakob, der für meinen Geschmack zwar etwas zu oft Playstation zockt, statt in der Realität einen Ball zu kicken, aber dafür allerhand andere Qualitäten hat. Zuverlässig ist er, hat immer angerufen, wenn er es versprochen hat. Außerdem gibt er keine blöden Machosprüche von sich und teilt im Kino bereitwillig sein Popcorn mit mir. Was mir am meisten imponiert hat, war, dass er meine beste Freundin stets miteinbezogen hat. Doch jetzt frage ich mich, ob er das überhaupt für mich tat oder nicht vielmehr, weil er sich zu ihr hingezogen fühlte. Wann es wohl zwischen den beiden angefangen hat?

    Tausend Fragen.

    Ein Gefühl, das bleibt: Verrat.

    Obwohl ich sonst stolz auf meine Eigenständigkeit bin, sehne ich mich nach Beistand. Danach, dass mir jemand anderes die Entscheidung abnimmt, was ich als Nächstes unternehmen soll. Wie ich den heutigen Tag überstehe und endlich dem Taschentuch-Verbrauch der letzten Tage Einhalt gebiete.

    Vor Hilflosigkeit schaue ich abermals auf mein Handydisplay, aber natürlich hat sich nichts an meiner Situation geändert. Keine neue Nachricht, keine Entschuldigung und erst recht kein Lösungsvorschlag. Ich würde es niemals zugeben, doch insgeheim leide ich am meisten darunter, dass niemand kommt, um nach mir zu sehen. Es hilft alles nichts. Ich dränge meine Gefühle zurück. Schließlich bin ich nicht allein in diesem Zimmer, indem ich vor Einsamkeit vergehe. Ich atme tief ein, um klarer zu denken.

    Ich schaffe das. Ich habe schon ganz andere Dinge geschafft, einfach einatmen und ausatmen. Einatmen und ausatmen. Einatmen und ausatmen.

    Der Druck in meiner Brust lässt allmählich nach und das pochende Herz schlägt wieder in gewohnten Bahnen. Ich seufze erleichtert auf und drehe mich wieder auf den Rücken. Ich blicke an die von schmalen Rissen durchzogene Zimmerdecke, die nur einen knappen Meter über mir endet, gerade genug, dass ich mich, ohne den Kopf anzustoßen, aufrichten kann. Das Stockbett knarzt und wackelt unangenehm. Gott, wie sehr ich dieses Metallgerüst mit seiner mickrigen Matratze hasse. Selbst mein altes Kinderbett ist breiter gebaut. Zudem fehlt ein Sicherheitsgitter, sodass ich die schmalen neunzig Zentimeter nur zum Teil nutzen kann und mich jede Nacht, aus Angst in die Tiefe zu fallen, gegen die Zimmerwand presse.

    Nicht weit von mir erklingt ein Gähner und eines der anderen Betten knarzt. Ich richte mich entschlossen auf und winde mich aus dem dünnen Tuch, welches zum Deckenersatz dient. Sogleich greife ich mir in den verspannten Nacken. Nicht zum ersten Mal bereue ich die Entscheidung mein kuschliges Bett, das gute eintausendvierhundertfünfzig Kilometer nördlich von mir liegt, gegen dieses klapprige Gestell mit durchgelegener Matratze ausgetauscht zu haben. Ich hatte gehofft, mit wachsender Entfernung würde auch der Schmerz nachlassen. Wer mag schließlich keinen Urlaub?

    Allerdings hatte ich nicht bedacht, dass Liebeskummer einen nicht gerade in eine Stimmungskanone verwandelt. Mein innerer Sparfuchs hat von Deutschland aus blöderweise ein Vierbettzimmer in einem Hostel gebucht. Aber keiner weint gerne, während ihm drei Fremde dabei zugucken.

    Obwohl mir danach ist, mich unter der Bettdecke zu verkriechen und die ganze Welt auszublenden, zwinge ich mich dazu die Leiter hinunterzuklettern. Ich kann kaum den Großteil meines Tages auf dem mir zugewiesenen Hochbett verbringen, Schokoladenmassen verdrücken und einen Serienmarathon veranstalten. Allein schon wegen des schlechten WLAN-Empfangs. Die Vorstellung, was meine Zimmergenossen von mir denken könnten, treibt mich voran.

    Ich tapse durch den halbdunklen Raum zum Fenster, sammle dabei mit meinen Füßen Krümel und Staubpartikel auf. Igitt. Mit einem klirrenden Geräusch lässt sich der schwere Fensterknauf drehen. Ich lehne mich aus dem Fenster, um der stickigen Zimmerluft zu entkommen. Gierig sauge ich die florale Mailuft ein. Ich inhaliere den Duft von frischem Gebäck, der sich mit den Aromen von Kaffee und Pinienbäumen vermischt. Mein Blick wandert die kleine Gasse entlang auf der Suche nach etwas Sehenswertem, bis mich ein Laut zusammenfahren lässt. Ein kehliger Gähner erklingt hinter mir.

    »Morning Sunshine!«

    Das hat mir gerade noch gefehlt.

    Ich brauche mich nicht einmal umzudrehen, ahne auch so, dass es sich nur um die größte Nervensäge dieses Zimmers handeln kann. In einer zügigen Drehung wende ich mich dem Raum zu und sehe, dass mein Verdacht sich bestätigt. Mein Bettgenosse – oder vielmehr derjenige, der im unteren Teil meines Hochbetts liegt – ist aufgewacht.

    Nathan gähnt ungeniert und streicht sich über den gebräunten Bauch. Er zwirbelt mal wieder seine Bauchhaare, die, im Gegensatz zu seiner hellen Mähne, in einem dunklen Braun sprießen und lässt mich dabei keine Sekunde aus dem Blick. Mit seinen Haarbüscheln zu spielen, scheint zu seiner Lieblingsbeschäftigung zu zählen, kurz nach Oben-ohne-Herumlaufen, versteht sich.

    Er hält sich für unwiderstehlich, stößt bei mir aber eher auf Unverständnis. Wer so mit seinen äußeren Merkmalen protzt, hat nicht viel anderes zu bieten. Und in einem gemischten Schlafsaal könnte er mehr Rücksicht auf die weiblichen Mitbewohner nehmen, finde ich zumindest. Wobei ich mit der Ansicht, als derzeit einzige Frau, wohl allein dastehe.

    Am liebsten würde ich ihm zur Antwort den Mittelfinger entgegenstrecken, um ihn auf Abstand zu halten. Da das gegen meine Anstandsregeln geht – meine Mutter wäre stolz auf mich, zumindest in dieser Hinsicht – ignoriere ich seinen Gruß und widme mich stattdessen dem Metallkorb, der unter seinem Lattenrost steht. Ich hocke mich hin und wühle durch meine Sachen. Unterwäsche, Kosmetikartikel, Bücher – alles liegt wild durcheinander. Der auf vier Rollen montierte Korb ist zu klein, um Ordnung zu bewahren. Flink greife ich nach einem blauen Sommerkleid und presse es mir vor die Brust, um zu verhindern, dass Nathan ungewollten Einblick in den Ausschnitt meines Schlaftops erhält. Das hält meinen Bettgenossen allerdings nicht davon ab, mich weiterhin mit seinem penetranten Blick aufmerksam von oben herab zu mustern.

    »Du kannst auch gerne noch näherkommen, Suze.« Er zwinkert mir zu. »In meinem Bett ist reichlich Platz.«

    Ich funkle ihn an und verschwinde mit mehr Elan ins angrenzende Badezimmer als gewöhnlich. Die Tür scheppert, als sie hinter mir ins Schloss fällt, und kurz darauf ertönen die Stimmen der anderen Zimmergenossen, die durch meinen lauten Abgang aus ihrem Delirium zum Leben erwachen.

    Suzy Sunshine, so nennt mich der Vollidiot. Da mein Gemüt in letzter Zeit alles andere als sonnig ist, tippe ich darauf, dass er mir den Spitznamen aufgrund meiner hellen Haare zugeteilt hat. Nicht zum ersten Mal wünsche ich mir, ein wenig kecker wie Sara zu sein, die stets einen flotten Spruch auf den Lippen hat und ungewollten Anmachen gekonnt Einhalt gebietet.

    Das fensterlose Badezimmer ist so winzig, dass ich so wenig Zeit wie möglich darin verbringen will. Es müffelt leicht und auch, wenn es regelmäßig von den Reinigungskräften geputzt wird, ist klar zu erkennen, dass die vergilbten Fliesen ihren Zenit schon vor Jahrzehnten überschritten haben. Den ranzigen Duschvorhang würde ich nur mit einer Pinzette anfassen. Normalerweise bevorzuge ich die Duschen im Gemeinschaftsbad am Flurende. Nathans Kommentar hat mich jedoch dermaßen aus dem Konzept gebracht, dass ich nicht nachgedacht habe. Und jetzt möchte ich mir meine Kurzschlusshandlung nicht anmerken lassen. Ich streife mir gerade die Kleider vom Körper, da werden die Stimmen von nebenan lauter.

    »Und ist sie gestern Abend endlich ausgegangen?«, dringt eine tiefe Stimme an mein Ohr und ich halte für einen Augenblick inne.

    Der lateinamerikanische Akzent verrät mir, dass es sich dabei um den Typen im Hochbett gegenüber handeln muss, der wie ich auch, im oberen Bett schläft. Wir haben bislang nur wenige Worte miteinander gewechselt, was vor allem daran liegt, dass wir kaum zur selben Zeit im Zimmer sind. Mit seiner verwuschelten Mähne, dem kleinen Kinngrübchen und den buschigen schrägen Augenbrauen erinnert er mich stark an Diego Boneta. Auch wenn ich nicht weiß, ob er ebenso gut singt. Seine samtige Stimme lässt es zumindest vermuten. Fest steht, er ist eine Nachteule und unsere Tagesrhythmen könnten nicht konträrer sein.

    »Dude, sie ist wie immer früh ins Bett«, spottet eine wesentlich hellere Stimme, die Nathan gehört.

    »Wir sollten sie mal auf einen Drink mitnehmen«, gibt der Latino nachdenklich von sich.

    »Hübsch ist sie ja, aber so ´ne Spaßbremse? Nee, lass mal!« Nathan lacht auf. Am liebsten würde ich ihm etwas Schweres an den Kopf werfen. Meine Harry-Potter-und-der-Orden-des-Phönix-Ausgabe käme nicht schlecht, schließlich ist sie der mächtigste Band der Reihe. Wobei die viel zu schade für sein blödes Gesicht wäre. Also murmle ich stattdessen nur Silencio und stelle mir vor, wie ihm die Spucke im Hals stecken bleibt. Den Rest ihres Gespräches übertönt zum Glück der warme Wasserstrahl der Dusche. Nervige Idioten, die sollen mich besser in Ruhe lassen. Ich lege keinen Wert auf neue Kontakte und auf so unsympathische schon gar nicht!

    Hostel-Bewohner sind ein Griff in die Glückskiste: Man weiß nie, was man bekommt. Der Kanadier Nathan zum Beispiel hält sich für unsagbar heiß. Ich schätze ihn auf Anfang zwanzig, und sein oberstes Ziel scheint es zu sein, in so vielen Bars wie möglich zu trinken. Zumindest vermute ich das. Denn er kam in den letzten Nächten stets volltrunken ins Zimmer getaumelt, stürzte jedes Mal erneut über einen der Stühle in der Zimmermitte und machte rücksichtslos das grelle Deckenlicht an. Um fünf Uhr morgens. Am unangenehmsten war es mir, als er vor zwei Tagen so betrunken war, dass er die Tür zum Badezimmer offenließ und wir Zeuge seines Urinier-Konzerts wurden. Vielen Dank Nathan, echt großartig. Also wir werden sicher keine Freunde.

    Der Latino ist ebenso lange unterwegs und kam die eine Nacht sogar gar nicht zurück. Bislang ist mir nur aufgefallen, dass er nachts leise schnarcht und ein Faible für langes Duschen hat. Was er da wohl derart lange anstellt? Entweder er nutzt den im Hostelleben kostbaren Moment des Alleinseins für ein wenig Selbstliebe oder hat eine Haarpflegeroutine, die mit einem Beauty-Blogger mithalten könnte. Letzteres würde mich bei seinen glänzenden Haaren nicht einmal überraschen. Ich schätze ihn als ebenso partyaffin ein wie Nathan. Ansonsten scheint er ganz okay zu sein. Nicht, dass ich das tatsächlich beurteilen könnte. Mehr als zwei Sätze habe ich mit keinem meiner Zimmergenossen gewechselt. Wobei ich ihnen zugutehalte, dass sie nicht allzu unordentlich sind.

    Und seit gestern ist da noch ein Inder, der ähnliche Schlafgewohnheiten hat wie ich. Aber so ist das halt. Hostel-Bewohner wechseln alle paar Tage, und man weiß nie, ob es sich lohnt, sich mit jemanden anzufreunden. Was rede ich denn da? Zum Freundefinden bin ich ohnehin nicht hier.

    Ruhe ist alles, wonach ich mich momentan sehne. Und da Jakob nach einigen Stunden vor meiner Tür kampierte, blieb mir nichts anderes übrig, als abzuhauen.

    Dank meiner Kurzschlussentscheidung bin ich nun um eine Erkenntnis reicher: Wer sich, aus welchem Grund auch immer, in heftigem Selbstmitleid suhlen möchte, sollte lieber zuhause bleiben, anstatt in den Urlaub zu fahren. Zwar gibt es in Rom allerlei Ablenkungsmöglichkeiten, jedoch wird es auch jedes Mal kommentiert, wenn ich mich gegen eine Aktivität entscheide. Vor mich hinvegetieren, ist demnach keine Option.

    Komm schon Josie, tu es für dich selbst! Wenn Jakob dich so sehen könnte …

    Der Gedanke schafft es, meinen Elan zu wecken. Ein betrügender Ex-Freund ist es nicht wert, ihm hinterher zu trauern und dadurch den schönen Ort vor meiner Tür zu verpassen.

    Kurz darauf schnappe ich mir meine Sachen, wünsche meinen Zimmergenossen einen angenehmen Tag und mache mich auf den Weg zum beeindruckendsten Denkmal der Stadt. Wenn ich es schon nicht geschafft habe, meinen Herzschmerz zu lindern, will ich wenigstens einen gebührenden Abschluss für meine Reise finden.

    Kapitel 2

    Über den Dächern Roms sitze ich auf einer Balustrade im Petersdom, lasse die Beine baumeln und den Blick über den Vatikan schweifen. Mit beeindruckenden Altarbildern im Kopf sowie zahlreichen Eindrücken, die helfen mich abzulenken. Immer in Bewegung bleiben, ist mein Motto. Seit meiner Ankunft in Italien takte ich meine Tage durch und laufe von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Die Kontrolle gibt mir Halt.

    Ich starre imposante Deckengemälde an, auf der Suche nach etwas, das die Leere in meiner Brust zu füllen vermag. Doch so viele überwältigende Bauten ich in den letzten Tagen auch besucht habe, im Gedächtnis ist mir keins geblieben, geschweige denn ihre Namen. Dafür werde ich die fünfhundert Stufen, die ich die kleine Wendeltreppe zum Petersdom hochgestiegen bin, ganz sicher nie wieder vergessen. Meine Beine sind überhitzt und schwer, die dünnen Sandalen nicht für ein stundenlanges Umherwandern ausgelegt. Am liebsten würde ich zurück ins Hostel, aber das käme einer Niederlage gleich.

    Ich habe Rom als Reiseziel in Hommage an meinen Mentor ausgewählt. Mein ehemaliger Literaturprofessor hat stets von der Ewigen Stadt geschwärmt und unzählige Male erzählt, wie schon Goethe seine Wiedergeburt hier erlebte. Dass dieser erst in Rom zum ersten Mal in seinem Leben glücklich gewesen sei, genauso wie mein Professor. Eine Wiedergeburt, ein Neuanfang – vielleicht habe ich zu hoch gepokert? So faszinierend eine Stadt auch sein kann, sie hat keine magischen Heilkräfte.

    Aus dem Affekt heraus hatte ich den Flug nach Italien gebucht und mir geschworen, nur das zu tun, worauf ich Lust hatte. Endlich einmal mich selbst, statt einen Typen, an erster Stelle zu setzen. Wie bitterlich dieser Vorsatz gescheitert ist, immerhin habe ich es meinen Zimmerkollegen – und Nathan im Speziellen – zu verdanken, dass ich aus meinem eigenen Hostelzimmer geflüchtet bin.

    Warum bin ich bloß derart schlecht darin, für mich selbst einzutreten? Warum kann ich nicht ein einziges Mal egoistisch handeln, etwas mal nur für mich tun?

    Ich wende den Blick von der Engelsburg ab und beobachte die vereinzelten Paare, die gemächlich an mir vorbeischlendern. Händchenhaltend, kichernd, gut gelaunt. Ein Mann, nicht wesentlich älter als ich, breitet seine Arme weit aus, um die auf ihn zulaufende Frau aufzufangen. Sie quietscht begeistert auf, als er sie herumwirbelt und ihr hellrotes Kleid sich zu einem Fächerkranz um sie herum ausbreitet.

    »Ciao bella«, höre ich ihn sagen und beobachte, wie er ihr eine Locke ihrer glänzenden dunklen Haare hinters Ohr streicht. Die Frau strahlt ihn an und ich kann den Blick ebenfalls nicht abwenden. Bin fasziniert von ihrer lockerleichten Art, den verliebten Blicken, die sie einander zuwerfen. Erst als sie sich küssen, schaue ich schnell weiter zu zwei Männern mit asiatischen Zügen, die ein Selfie miteinander schießen. Abermals wende ich mich ab, nur um ein anderes Paar zu sehen. Ein älteres diesmal, aber die liebevolle Geste, wie die ältere Dame ihrem Mann eine Strähne aus dem Gesicht streift, versetzt mir einen Stich.

    Paare über Paare, nur ich scheine ganz allein zu sein. Umgeben von Zweisamkeit komme ich mir noch einsamer vor. Trotz des schönen Urlaubsortes haben die letzten Wochen es nicht geschafft, mein Herz zu heilen. Vielmehr wird mir durch die Urlaubsgespanne noch stärker vor Augen geführt, wie sehr ich unter der unerwarteten Trennung leide. Kein Partner, keine Freundin, nicht einmal ein Familienmitglied habe ich, dass mit mir in den Urlaub fahren würde.

    Ich ziehe meine Beine an den Oberkörper. So nah, dass sich Knie und Brust berühren. Den Kopf lege ich seitlich auf den Knien ab und greife mit den Händen um die Beine. Ich verschmelze mit der Umgebung und keiner nimmt mich wahr. Gäbe es einen Preis, für die unscheinbarste Person der Welt, wäre ich trotz meiner leuchtend hellen Haare die unschlagbare Siegerin. Ich brauche keinen Tarnumhang, um mich zu verstecken.

    Ich hatte eine exakte Vorstellung davon gehabt, wie es sein würde, wenn ich erst einmal in Italien wäre. Ich habe mich durch die wunderschönen Gassen schlendern sehen, mit einem Eis in der Hand, einem mit Spaghetti Carbonara gefüllten Bauch und vielleicht sogar einem hübschen Italiener, der mir einen neckischen Spruch zuruft. Ich dachte, wegzufahren und vor meinen Problemen davon zu laufen, würde sie auflösen. Dass ich mich befreiter fühlen würde oder selbstbewusster. Aber so ist es absolut nicht. Keine meiner Sorgen ist verschwunden, ich habe nur die Pausentaste gedrückt. Genauso wie ich mein Leben angehalten habe, als ich diese Auszeit angetreten bin. Doch das bedeutet nicht, dass ich mich der Realität früher oder später nicht trotzdem stellen muss. Der Gedanke an die Zukunft trübt meine Gegenwart.

    Bis auf wenige Worte des Small Talks habe ich seit Tagen mit niemandem mehr gesprochen. In der Hoffnung, Trübsal wegzublasen, habe ich jede touristische Sehenswürdigkeit abgeklappert. Bis auf ein paar Geldscheine weniger im Geldbeutel und einige neue Fotos auf dem Smartphone habe ich jedoch keinerlei hilfreiche Erkenntnisse errungen. Die Tage sind an mir vorbeigezogen und heute ist bereits mein letzter Nachmittag. Meine letzte Möglichkeit, das Ruder herumzureißen. Doch die Chance auf ein Abenteuer findet sich nicht an jeder Straßenecke und ich bin ohnehin zu ausgelaugt, um nach einer zu suchen. Wobei liegt die Magie unvergesslicher Erlebnisse nicht darin, dass sie einen findet, statt andersherum?

    Kurze Zeit später schließe ich die Tür zum Hostel-Zimmer auf. Der Raum ist in ein Halbdunkel getaucht und zu meiner Erleichterung verlassen. Im Gegenzug zu heute Morgen ist der Boden gereinigt und von herumliegenden Chipstüten und leeren Dosen befreit.

    Wie immer ziehe ich als Erstes den durchsichtigen Vorhang, der mehr zu Deko- als Verdunklungszwecken dient, zur Seite und öffne das angelehnte Fenster weit. Frische Luft strömt ins Zimmer und ich atme tief ein. Ich könnte schon wieder eine Dusche gebrauchen, so klebrig fühlt sich das blaue Sommerkleid auf meiner rosigen Haut an, aber die Erschöpfung ist stärker. Achtlos streife ich meine Sandalen ab. Dann visiere ich das Hochbett an und klettere die knarzenden Stufen der Metallleiter hinauf. Gähnend reibe ich mir über die Augen, bevor ich endlich den Kopf aufs Kissen sinken lasse.

    Was für eine Wohltat.

    Nachdem ich mich die letzten Stunden durch Menschenmassen der Vatikanischen Museen gedrängt habe, genieße ich die Ruhe und Abgeschiedenheit des Raums. Schläfrig greife ich nach meinem Handy und suche auf Netflix nach einer passenden Ablenkung. Lieblingsserie, ich komme! Wenn mein eigenes Leben fade ist, möchte ich zumindest durch Bücher oder Serien Abenteuer aus zweiter Hand miterleben. Da das WLAN in den Zimmern zu wünschen übrig lässt, habe ich mir in weiser Voraussicht ein paar Folgen heruntergeladen. Ich kann es kaum erwarten, die neueste Episode von Emily in Paris anzuschauen, da lässt mich ein Laut innehalten. Ein Knarzen erklingt. Ich ordne es gerade den Dielen im Flur zu, da öffnet sich mit einem Klicken die Tür.

    Mein erster Impuls ist es, mich schlafend zu stellen. Meine Wangen werden heiß und Scham steigt in mir auf. Mist. Ich fühle mich wie eine Schülerin, die sich verbotenerweise vor dem Unterricht drückt. Nur, dass ich gehofft hatte, von keinem meiner Mitbewohner dabei erwischt zu werden, wie ich um fünf Uhr nachmittags lieber eine Serie auf dem Handy anschaue, statt die kulinarische Metropole vor der Haustür zu erkunden. Zu meiner Verteidigung könnte ich höchstens anbringen, dass ich nach meinem Fußmarsch fix und fertig bin. Für heute habe ich mehr als genug Menschen gesehen.

    Noch bevor ich das Handy weglegen und die Augen schließen kann, erscheint der Latino in meinem Blickfeld. Er zieht grinsend die Augenbrauen hoch. Sein forschender Blick verstärkt den Wunsch, mich in Luft aufzulösen. Vor allem, da er nicht im Geringsten überrascht aussieht. Vielmehr als hätte er damit gerechnet, mich hier zu finden. Aus irgendeinem Grund missfällt mir das. Dabei sollte es mich nicht kümmern, ob er mich für eine Langweilerin hält. Keine Ahnung, warum ich mich ertappt fühle. Ein Teil von mir verspürt den Drang, sich zu rechtfertigen. Aber nach all den stummen Tagen fühlt sich meine Zunge zu schlaff an, um direkt zu kontern. Worte tanzen in meinen Gedanken, doch keins erscheint passend und so erblicken sie nie die Außenwelt.

    Stattdessen beobachte ich angespannt, wie er auf das gegenüberliegende Hochbett klettert und seine Mähne ebenfalls aufs Kopfkissen sinken lässt. Seine Augenlider fallen augenblicklich zu. Kaum lässt das quietschende Geräusch des

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