Der letzte Ausweg einer Mutter: Die Klinik am See 11 – Arztroman
Von Britta Winckler
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Über dieses E-Book
Britta Winckler ist eine erfahrene Romanschriftstellerin, die in verschiedenen Genres aktiv ist und über hundert Romane veröffentlichte. Die Serie "Die Klinik am See" ist ihr Meisterwerk. Es gelingt der Autorin, mit dieser großen Arztserie die Idee umzusetzen, die ihr gesamtes Schriftstellerleben begleitete.
Susanne Brühl starrte auf ihren Teller. Sie konnte den Brechreiz kaum noch unterdrücken. Ihre Augen füllten sich nun mit Tränen. Sie hatte sich so auf diesen Ausflug gefreut. In den letzten Wochen hatte Ralf sich kaum noch um sie gekümmert. Sie hatte allein im Zimmer gesessen und nicht gewußt, wie sie die Zeit totschlagen sollte. Ihr Kopf sank tiefer. Sie konnte Ralf ja verstehen. Er mußte viel unterwegs sein, die letzten Vorbereitungen für die Schallplattenaufnahme mußten getroffen werden. Daß er sie jetzt, wo ihr Zustand schon deutlich zu erkennen war, nicht gern mitnahm, war verständlich.
»Warum ißt du denn nicht? Schmeckt es dir nicht?« Wie häufig in den letzten Wochen klang Ralfs Stimme gereizt.
»Es ist ausgezeichnet.« Susanne hob den Kopf, sie versuchte zu lächeln.
»Warum ißt du dann nichts? Ich wollte dir eine Freude machen.« Ärgerlich zuckte Ralf Klein die Achseln. »Du hast dich beklagt, daß du kaum noch aus dem Haus kommst. Deswegen sind wir an den See gefahren. Ich hätte wirklich etwas anderes zu tun.«
Susanne sah in sein Gesicht. Jede Linie dieses Gesichtes konnte sie nachzeichnen, wenn sie die Augen schloß. Sie liebte ihn so sehr, seine Augen, die so zärtlich blicken konnten, sein unbeschwertes, fröhliches Lachen. Jetzt jedoch stand über seiner Nasenwurzel eine tiefe Falte. Seine Lippen waren zusammengepreßt, seine Mundwinkel nach unten gebogen. Rasch senkte Susanne wieder den Blick. Da waren auch wieder die Tränen, sie brannten hinter ihren Augenlidern.
»Gefällt es dir hier nicht?« hörte sie ihn fragen. Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten, setzte er
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Buchvorschau
Der letzte Ausweg einer Mutter - Britta Winckler
Die Klinik am See
– 11–
Der letzte Ausweg einer Mutter
Sie wollte nur das Beste für ihr Kind
Britta Winckler
Susanne Brühl starrte auf ihren Teller. Sie konnte den Brechreiz kaum noch unterdrücken. Ihre Augen füllten sich nun mit Tränen. Sie hatte sich so auf diesen Ausflug gefreut. In den letzten Wochen hatte Ralf sich kaum noch um sie gekümmert. Sie hatte allein im Zimmer gesessen und nicht gewußt, wie sie die Zeit totschlagen sollte. Ihr Kopf sank tiefer. Sie konnte Ralf ja verstehen. Er mußte viel unterwegs sein, die letzten Vorbereitungen für die Schallplattenaufnahme mußten getroffen werden. Daß er sie jetzt, wo ihr Zustand schon deutlich zu erkennen war, nicht gern mitnahm, war verständlich.
»Warum ißt du denn nicht? Schmeckt es dir nicht?« Wie häufig in den letzten Wochen klang Ralfs Stimme gereizt.
»Es ist ausgezeichnet.« Susanne hob den Kopf, sie versuchte zu lächeln.
»Warum ißt du dann nichts? Ich wollte dir eine Freude machen.« Ärgerlich zuckte Ralf Klein die Achseln. »Du hast dich beklagt, daß du kaum noch aus dem Haus kommst. Deswegen sind wir an den See gefahren. Ich hätte wirklich etwas anderes zu tun.«
Susanne sah in sein Gesicht. Jede Linie dieses Gesichtes konnte sie nachzeichnen, wenn sie die Augen schloß. Sie liebte ihn so sehr, seine Augen, die so zärtlich blicken konnten, sein unbeschwertes, fröhliches Lachen. Jetzt jedoch stand über seiner Nasenwurzel eine tiefe Falte. Seine Lippen waren zusammengepreßt, seine Mundwinkel nach unten gebogen. Rasch senkte Susanne wieder den Blick. Da waren auch wieder die Tränen, sie brannten hinter ihren Augenlidern.
»Gefällt es dir hier nicht?« hörte sie ihn fragen. Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten, setzte er hinzu: »Dir kann man in letzter Zeit wirklich nichts mehr recht machen.«
Susanne schluckte und schluckte. »Es ist sehr schön hier. Ich freue mich so. Es ist lieb von dir, daß du mit mir an den See gefahren bist.« Sie stammelte es unter gesenkten Lidern. »Nur, ich kann nicht mehr essen. Bitte, sei nicht böse.« Sie legte die rechte Hand auf ihren Leib.
»Schade um das teure Essen. Billig ist es hier wirklich nicht.« Ralf sah sich um. Seine Laune hatte den Nullpunkt erreicht. Er mußte endlich Schluß machen. Es war an der Zeit, daß er Bayern den Rücken kehrte. Hamburg, dorthin wollte er schon lange, oder noch besser, gleich nach Kanada. Dort hatte er einen Schulkameraden, der es verstanden hatte, etwas aus sich zu machen. Bei dem konnte er sicher unterschlupfen.
Susannes Magen hatte sich soweit beruhigt, daß sie den Kopf heben konnte. Unsicher sah sie ihren Freund an. Sie bemerkte, daß er mit seinen Gedanken weit weg war. Zögernd legte sie ihre Hand über die seine. Ralf zuckte zusammen, da strich sie liebevoll über seinen Handrücken.
»Ralf, ich danke dir für diesen Ausflug. Es ist so schön. Alles grünt und blüht.«
Er wich ihren großen, etwas schräg stehenden grünen Augen, die ihn dankbar ansahen, aus. »Es ist Frühling«, brummte er. Dabei dachte er: Sie ist wirklich sehr schön. Schade, eigentlich hatte ich vorgehabt, diesen Sommer noch mit ihr zu verbringen. Wie dumm von ihr, sich ein Kind anhängen zu lassen!
»Ralf, ich werde dich nicht enttäuschen.« Ihre Hand kam zu ihm herüber. »Ich kann singen. Mit meinem Zustand hat es nichts zu tun. Du bist ja so oft nicht da, und da übe ich.«
Ralf lachte auf. Du ahnungsloser Engel! dachte er. Dann fing er ihren erstaunten Blick auf, und ehe sie fragen konnte, meinte er: »Schon gut! Du wirst es schon schaffen.« Er sah über sie hinweg. Es fiel ihm immer schwerer, sie zu belügen.
Susanne nagte an ihrer Unterlippe. Unsicher schob sie den Teller noch weiter von sich. Schließlich heftete sie den Blick auf sein Gesicht. Sie schluckte, dann stieß sie gepreßt hervor: »Es müßte aber bald sein. Ich meine, zu lange können wir mit der Schallplattenaufnahme nicht mehr warten.«
Ralf fuhr auf. »Ich kann nicht zaubern!«
Susannes Kopf sank auf die Brust. »Ich meine nur.« Erneut schluckte sie, nahm dann allen Mut zusammen und fuhr fort: »Schon vor Monaten hätte ich ins Aufnahmestudio gehen sollen.«
»Ja, ja! Ich habe dir doch gesagt, daß es in dieser Branche kein Kinderspiel ist. Da muß man warten können. Verstehst du, auf den richtigen Moment muß man warten.«
»Aber… allzulange kann ich nicht mehr warten.« Unwillkürlich sah Susanne an sich hinunter.
»Ich weiß«, knurrte Ralf. Bisher hatte er es nicht wahrhaben wollen, aber es war wirklich höchste Zeit, daß er verschwand.
»Ralf!« Sie drückte seine Hand. »Entschuldige, ich will dir nicht lästig fallen. Du warst doch einige Tage in München.« Sie hielt kurz inne, dann gab sie sich einen Ruck. »Wir haben noch nicht darüber gesprochen. Hast du denn nichts erreicht?«
Ralf brachte es nicht fertig, ihrem Blick auszuweichen. Ihre Augen schimmerten feucht, ihre Lippen zitterten leicht. Sie sah phantastisch aus und sie hatte Talent. Schade, er konnte ihr nicht helfen. Sekundenlang schämte er sich. Dies passierte ihm sonst nie. Er war es gewohnt, von den Frauen zu leben. Er mußte sich räuspern, und dann belog er sie ein letztes Mal.
»Ende dieser Woche findet die Aufnahme statt.«
Er sah es in ihren Augen aufleuchten. Das Lächeln griff auf ihr Gesicht über. Dann jedoch stutzte sie. »Sagtest du, Ende dieser Woche? Machen die am Wochenende auch Aufnahmen?«
»Ich meine natürlich am Freitag oder Samstag«, wich Ralf aus. »Den genauen Tag erfahre ich, wenn ich morgen noch einmal vorspreche.«
Das Lächeln erlosch in ihrem Gesicht. »Du willst noch einmal nach München?«
»Ich muß! Es gibt noch einiges zu besprechen. Die Plattenfirma will dich gleich groß herausbringen.«
Susanne hielt die Luft an, dann stieß sie hervor: »Bist du sicher, daß es diesmal klappen wird?«
»Ganz sicher«, bestätigte er, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Ralf, warum hast du das nicht gleich gesagt?« rief sie erfreut. Sie war nur noch glücklich. Ein Jahr war es her, daß er ihr zum ersten Mal davon erzählt hatte, daß er Beziehungen zur Schallplattenbranche hatte. Er hatte bekannte Namen genannt und behauptet, daß er diese Leute gemanagt hatte. Ihr hatte er ebenfalls Hoffnungen gemacht, und sie hatte geduldig gewartet.
»Nicht so laut«, mahnte Ralf. Er lächelte. Sie war wirklich leicht zufriedenzustellen. Er tätschelte ihre Hand. Irgendwie würde sie ihm fehlen. Dann merkte er, daß Susannes Blick auf einen Mann gerichtet war, der gerade das Restaurant betreten hatte. Er runzelte die Stirn. Woher kannte Susanne diesen Mann? Seine angegrauten Schläfen verrieten, daß er die Vierzig bereits überschritten hatte. Seine Bewegungen jedoch waren jugendlich, elastisch. Das Mädchen an seiner Seite konnte man hübsch nennen.
»Kennst du ihn nicht?« fragte Susanne leise.
Ralf zuckte die Achseln. War der Kerl ein Filmschauspieler? Irgendwie kam er ihm bekannt vor.
»Das ist Dr. Lindau! Hast du noch nie von ihm gehört? Ihm gehört die Klinik am See.« Sie seufzte. »Dort möchte ich unser Kind zur Welt bringen. Hast du noch nie über ihn in der Zeitung gelesen? Er ist ein phantastischer Arzt!«
Jetzt erinnerte Ralf sich. »Sprichst du von der Klinik, die früher ein Schloß war?«
»Richtig!« Susanne nickte. »Niemand hier wußte, daß die Besitzerin die bekannte Operndiva Sonja Parvelli war. Dr. Lindau hatte sie behandelt, und zum Dank hatte sie ihm das Schloß geschenkt.«
»Wie romantisch«, spottete Ralf.
»Dr. Lindau hat bereits sehr vielen Frauen geholfen. Die Klinik am See, wie sie genannt wird, ist eine Klinik für Frauenleiden.«
Ralf interessierte dies wenig. Sein Interesse galt der Frau an der Seite des Chefarztes. »Ist sie seine Geliebte?«
Susanne lachte. »Sie ist seine Tochter und ebenfalls Ärztin, Kinderärztin. Daher wurde der Klinik auch eine Kinderstation angegliedert. Ihr Mann ist übrigens auch Kinderarzt und Leiter dieser Abteilung.«
»Schade«, entfuhr es Ralf.
Irritiert sah Susanne ihren Freund an. Dieser grinste. »Daß schöne Frauen immer so schnell heiraten müssen!«
Susanne mochte es nicht, wenn er so sprach. So drehte sie den Kopf zur Seite.
»Komm, es war doch nur Spaß«, sagte Ralf. So wie es aussah, war dies der letzte Tag, den sie gemeinsam verbrachten, und den wollte er sich nicht verderben lassen.
Zögernd wandte sie sich ihm wieder zu. »Glaubst du, daß ich in der Klinik entbinden kann?«
Ralf unterdrückte einen Seufzer. Dieses Thema gefiel ihm noch weniger. So zuckte er nur die Achseln und unterzog die Tochter des Chefarztes erneut einer Betrachtung.
Susanne nagte an ihrer Unterlippe. »Ralf«, begann sie schließlich. »Ich will dich wirklich nicht drängen, aber es wäre sicher alles einfacher, wenn wir vorher heiraten würden. Ich meine… ich bin natürlich deiner Ansicht, daß ein Ring kein Liebesbeweis ist, aber Dr. Lindau könnte doch denken…«
Mit einem Blick brachte Ralf seine Freundin zum Schweigen. Spöttisch meinte er: »Ich dachte, dein Dr. Lindau hat schon so vielen Frauen geholfen?«
»Doch nicht so!« Susannes Wangen röteten sich. Sie senkte den Kopf. »Ich dachte auch nur, es wäre einfacher…«
»Schon