Klaben, Tod und Pfeffernüsse: Weihnachtskrimis aus Bremerhaven
Von Prolibris Verlag
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Buchvorschau
Klaben, Tod und Pfeffernüsse - Prolibris Verlag
Betreuung.
Verruchte Weihnachtszeit
Torben starrt ungläubig auf das Handy, das nicht ihm gehört. Antje hat es aus Versehen vertauscht, als sie nach einer leidenschaftlichen Nacht Hals über Kopf losgestürzt war. Fraktionssitzung. Ihr politisches Amt steht stets an erster Stelle. Antje strebt nach Höherem. Der Bundestag ist das Ziel ihrer Begierde, und dem wird alles untergeordnet.
Wenn er ehrlich ist, hat er längst geahnt, dass sie ihre gemeinsame Beziehung nicht so ernst nimmt, wie er es sich wünscht. Sie kommt und geht, wie es ihr gefällt. Und er immer auf Abruf. Die Nachrichten auf ihrem Handy sind der endgültige Beweis, dass er nach Strich und Faden ausgenutzt wird. Er ärgert sich schwarz über seine Gutgläubigkeit und noch viel mehr über seine grenzenlose Dummheit. Die Texte sind eindeutig und lassen keinen Zweifel aufkommen.
Die anfängliche Enttäuschung hat dem Gefühl blinder Wut und dem Wunsch nach Vergeltung Platz gemacht. Innerlich aufgewühlt steht er mit geballten Fäusten am Fenster und sieht in das Schneetreiben hinaus. Warum tut sie das? Warum spielt sie mir die große Liebe vor? Wenn sie ehrlich gesagt hätte, dass er nur eine Affäre in ihrem Leben ist, hätte er sich darauf einstellen können und nicht sein Herz an sie verloren. Er hat sich so viel gebotene Chancen entgehen lassen, an denen es ihm bei den Frauen noch nie gemangelt hat. Vor der Zeit mit Antje, war er der Jäger und nicht die Beute. Wie bekloppt ist er nur? Je länger er darüber nachdenkt, desto mehr kommt er zu dem Schluss, dass es genug Anzeichen dafür gegeben hat, dass sie es nicht ernst meint. Dass sie in ihm den nützlichen Idioten sieht, geht klar aus einer SMS an ihre beste Freundin Barbara hervor. Das also ist er für sie. Ein Toy-Boy, von dem sie sich nach Lust und Laune verwöhnen lässt. Und nur dann, wenn es ihr passt. Ich bin so ein Trottel, schimpft er vor sich hin und schmeißt wütend den Adventskranz, den er von ihr geschenkt bekommen hat, samt Kerzen in den Abfalleimer.
Das ist eine seiner größten Niederlagen. Und Niederlagen kann er ganz schlecht verkraften. Vor Antje war er als Aufreißer unterwegs. Hatte die Frauen gewechselt wie seine Unterwäsche. Soll das jetzt die Strafe sein? Unsinn. Diesen Gedanken lässt er nicht zu, an solch einen Quatsch glaubt er nicht.
Antje ist mit Leib und Seele Politikerin. Es zieht sie nach Berlin, auf die große Bühne. Wie oft hat sie ihn versetzt, weil eine Sitzung länger dauerte als erwartet, ein Interview wichtiger war oder ein Besuch in der Parteizentrale in Berlin auf gar keinen Fall verschoben werden konnte. Aus der SMS geht eindeutig hervor, dass es in Berlin ebenfalls einen Trottel gibt, der in einsamen Nächten für sie parat steht. Jetzt sieht er klar. Und das Versprechen, einen beschaulichen Weihnachtstag mit ihm zu verbringen, ist auch gelogen.
Keine Träne wird er ihr nachweinen. Aber er wird es ihr heimzahlen. Wenn er mit ihr fertig ist, wird sie den Tag verfluchen, an dem sie ihn kennengelernt hat. Keiner wird mehr ein Stück Brot von ihr annehmen. Große Polit-Karriere ade. Er muss nur noch überlegen, wie er das anstellt.
Die WhatsApp-Unterhaltung kennt er inzwischen auswendig.
Barbara: Deinen Toy-Boy in Fishtown hast du ja voll im Griff. Gratuliere.
Antje: Logo, der frisst mir aus der Hand. Ein nützlicher Idiot. Aber ein guter Liebhaber.Der liegt mir zu Füßen.
Barbara: (Smiley) Und dein Adonis in Berlin? Noch am Start?
Antje: (Smiley) Klar. Weißt du, wie einsam die Nächte in Berlin sein können?
Barbara: Hast du mal ein Foto?
Antje: Kommt sofort …
Barbara: Woah, das nenn ich mal einen gestählten Körper.
Antje: Leider musste ich das Bild überm Bauchnabel abschneiden, du verstehst? (grins)
Barbara: Luder! (grins) Und dein Fishtown-Lover, glaubt er dir wirklich, dass du einen Weihnachtstag mit ihm verbringen wirst? Du fährst doch mit deinem Mann in den Skiurlaub.
Antje: Klar, glaubt Toy-Boy mir das. Er glaubt auch, dass wir nach meiner Scheidung im nächsten Jahr zu Weihnachten ein Traumpaar sind. (grins)
»Überm Bauchnabel abschneiden, Du verstehst …«
Immer wieder durchkreuzt dieser Satz seine Rachepläne. So wird das nichts. Cool bleiben, mahnt er sich. In ihrem Handy findet er diverse Namen im Telefonbuch, die ihm nichts sagen, wobei eindeutig die männlichen Vornamen überwiegen. Tim, Patrick, Henner … Alles Liebhaber? Welcher von ihnen ist der Berliner Adonis? Zunächst war er versucht, die Nummern zu kontaktieren, ein wenig zu recherchieren, verwarf den Gedanken gleich wieder. Die für ihn so demütigenden Nachrichten, die sie mit Barbara ausgetauscht hat, sind die einzigen aufschlussreichen auf dem Handy. Pech für sie, dass sie das Löschen vergessen hat.
Wenn er es recht bedenkt, weiß er so gut wie nichts über ihr privates Umfeld. Sie spricht immer nur über ihren Beruf: Wie erfolgreich sie ist, wen sie bei einer Redeschlacht über den Tisch gezogen, wen sie wann reingelegt hat. Letzteres scheint sie bestens zu beherrschen. Diese Frau strotzt vor Selbstverliebtheit und Selbstüberschätzung. Dumm nur, dass er das erst jetzt erkennt. Über Freundinnen hat sie nie gesprochen. Hat sie überhaupt andere als diese Barbara, die sie ihm nie vorgestellt hat? Mit ihrem Mann führt sie angeblich eine offene Ehe. Nach der Wahl werden sie sich scheiden lassen, sagt sie. Langsam bezweifelt er das. Viel näher liegt, dass sie dem genauso Hörner aufsetzt wie ihm. Dass sie ein solch durchtriebenes Luder ist, hatte er nicht im Entferntesten geahnt.
»Jetzt siehst du mal, wie das ist, wenn man verarscht wird.« Rieke ist bekannt für klare Worte.
In seiner Verzweiflung und in blinder Wut hat er seine ältere Schwester angerufen und um Rat gebeten. Sie ist wie gewohnt sofort für ihn da. Mit dieser Reaktion hatte er jedoch nicht gerechnet.
»Auf dumme Sprüche kann ich augenblicklich gut und gerne verzichten. Ich will einen Rat von dir.«
»Du bist gut, was soll ich dir raten? Du bist doch der erfolgreiche Frauen-Checker. Wer hat denn immer die große Klappe nach dem Motto: Ich kriege sie alle? Einmal musste das schiefgehen. Was willst du von mir hören?«
»Ihr Frauen seid erfindungsreicher, wenn es um Rache geht.« Er hat gehofft, dass seine Schwester ihn versteht, einen infamen Vorschlag parat hat. Hohn und Spott ist in seiner Situation nicht angebracht. Das bringt ihn nur noch mehr auf die Palme.
»Du willst Rache? Das ist ja lächerlich. Sei doch nicht kindisch. Du bist nicht der Erste, dem das passiert.«
Er hätte es wissen müssen, was kann er von einer eingefleischten Emanze schon erwarten?
»Wusste gar nicht, dass du so empfindlich bist. In deiner Wut willst du sie also fertigmachen, sie am Boden sehen. Richtig?«
Er nickt und hebt zur Bestätigung stumm den Daumen. Sie hat es erfasst. »Ungestraft soll sie mir jedenfalls nicht davonkommen.«
»Oh, ist dein Selbstbewusstsein so angekratzt? Einen Torben Berger hintergeht man nicht? Das muss gerächt werden? Wie armselig ist das denn?« Diese Antje muss ihm ja total den Kopf verdreht haben. Eine große Portion Eitelkeit ist auch verletzt. Auf der einen Seite tut er ihr leid, auf der anderen Seite gönnt sie ihm mal eine Niederlage. So wie er mit den Frauen bisher umgesprungen ist, hat er sich in ihren Augen eine kalte Dusche redlich verdient.
»Ich hatte von dir wirklich mehr Unterstützung und Verständnis erwartet. Du enttäuschst mich.« Inzwischen ärgert er sich schon, dass er seiner Schwester das Fiasko anvertraut hat. Einen guten Rat für einen Rachefeldzug braucht er jetzt. Keine Schmähungen und keine Häme.
Rieke nimmt seine Hand und streichelt sie. So am Boden zerstört, wie er ist, braucht er doch ein bisschen Trost. »Zugegeben, wenn das alles so stimmt, dann ist das fies von ihr. Ich kenne sie ja nicht. Aber man muss mit Niederlagen fertigwerden, kleiner Bruder. Sieh es sportlich.«
Er entzieht ihr seine Hand und reagiert ärgerlich. »Sportlich? Sehr lustig. Was würdest du denn unternehmen, wenn man dir so übel mitspielen würde?«
»Ich würde die Handys tauschen, ihr sagen, was ich herausgefunden habe und tschüss. Auf Nimmerwiedersehen. Wenn du ehrlich bist, ärgerst du dich weniger über den Typen in Berlin, als darüber, dass sie dich als Toy-Boy und nützlichen Idioten bezeichnet hat. Klar, das ist gemein und tut weh. Aber dass du dich rächen willst, finde ich, wie gesagt, mehr als kindisch.«
»Ich nicht«, bockt er und gießt sich einen Whisky ein. »Und die Versprechung, einen Weihnachtstag mit mir zu verbringen? Ich höre sie noch: Ein kleiner Vorgeschmack auf nächstes Jahr, mein Schatz. Nach der Scheidung haben wir jedes Weihnachtsfest ganz für uns. Du glaubst gar nicht, wie ich mich darauf freue«, äfft er sie nach. »Ich traue ihr inzwischen zu, dass sie da schon in St. Moritz ein Hotel gebucht hat.«
Rieke zeigt auf die Flasche. »Der hilft dir auch nicht. Sprich mit ihr. Vielleicht löst sich das Ganze als großes Missverständnis auf.«
»Wie kann man das missverstehen? Lies selber.« Aufbrausend schiebt er Antjes Handy über den Couchtisch und sieht Rieke auffordernd an.
»Ich gebe zu, das klingt nicht gut. Aber ein Weltuntergang ist das nun auch gerade nicht. Gut, du hast dich vermutlich in ihr getäuscht und die Zeichen nicht erkannt. Jetzt weißt du, wo du mit ihr dran bist. Wenn du aber Rache übst, zeigst du ihr, wie sehr du dich ärgerst. Du könntest dich lächerlich machen.«
Du hast gut reden, denkt Torben. Ich werde mich rächen. Mir fällt garantiert eine Retour-Kutsche ein, die sich gewaschen hat. Antje, du musst dich ganz warm anziehen.
Das Gespräch mit Rieke hat ihn noch wütender gemacht, als er schon war. Auch der dritte Whisky kann ihn nicht beruhigen. Vor einer halben Stunde hat er Uwe angerufen, der muss gleich zum Kriegsrat eintreffen. Sein Freund hat immer was auf Lager.
Was hatte er alles für diese Frau aufgegeben. Hatte so manch schöner Versuchung widerstanden, so manche Chance an sich vorüberziehen lassen. Hatte sie ihn wieder mal versetzt, war er brav zu Hause geblieben. Die Vorfreude auf ein besinnliches Weihnachtsfest mit ihr hatte ihm zuletzt über so manch einsamen Abend hinweggeholfen. Sie beide unter einem geschmückten Tannenbaum, ein schönes Essen bei Kerzenlicht. Ein wunderbares Weihnachtsgeschenk für sie hatte er bereits im Auge. Zum Glück noch nicht gekauft, tröstet er sich. Wie konnte er sich nur so zum Volltrottel machen? Während er sich langweilte, hatte sie es mit diesem Typen in Berlin getrieben und wer weiß mit wem noch. Ihm schwillt der Kamm, wenn er an Antje und ihre miesen Machenschaften denkt. Und er denkt unentwegt daran.
»Überleg mal. Was ist das Schlimmste, was ihr passieren kann? Wo ist sie verwundbar? Was tut ihr so richtig weh?« Uwe hat sich im Gegensatz zu Rieke sofort bereit erklärt, sich eine böse Schweinerei auszudenken. Feuer und Flamme ist er.
Torben muss nicht lange nachdenken. »Ihre Karriere, ihr Ansehen, ihre Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung. Sie will die Karriereleiter ganz nach oben klettern. Sieht sich bereits als zukünftige Bundeskanzlerin«, lästert er.
Uwe nickt. »Da musst du ansetzen. Mach sie politisch platt. Ich weiß auch wie.« Insgeheim freut er sich darüber, dass Torben mal am eigenen Leib erfährt, wie das ist, wenn man von einer Frau gelinkt wird. Torben hatte bereits als Jugendlicher die heißesten Mädchen klargemacht. Sie waren früher gemeinsam um die Häuser gezogen. Und wer hatte die hübschesten Mädchen abgekriegt? Torben. Für ihn fielen die ab, für die Torben kein Interesse hatte. Zu gern möchte er diese Antje kennenlernen. Eine Braut, die Torben zeigt, wo der Hammer hängt. Für ihn eine Genugtuung. Das hindert ihn aber nicht daran, den Freund auf seinen Rachefeldzug zu begleiten.
Als Antje abends ahnungslos an Torbens Tür klingelt, sind alle Vorbereitungen zur Durchführung des teuflischen Plans abgeschlossen. Elegant und taff wie immer steht sie vor ihm. Ihre blonden Haare trägt sie hochgesteckt, das dunkelblaue Designerkostüm mit der blütenweißen Bluse verleiht ihr Seriosität. Perfekt geschminkt und gestylt ist sie natürlich auch. Harmlos, als könnte sie kein Wässerchen trüben, steht sie im Treppenflur. »Überraschung. Ich habe Sushi für uns mitgebracht.« Sie strahlt ihn an.
Diese Masche zieht nicht mehr bei ihm. Das wird sie gleich spüren. »Ich habe schon gegessen. Was willst du? Du hast dich nicht angemeldet. Ich habe Besuch.« Torben tritt in das Treppenhaus, macht die Wohnungstür hinter sich zu und wehrt ihre Umarmung ab. Er hat fest damit gerechnet, dass sie heute noch aufschlagen würde. Dass sie einen ganzen Tag ohne Handy überlebt hat, wundert ihn ohnehin.
Es trifft sie völlig unvorbereitet, sie ist wie vor den Kopf gestoßen, und ihre Gesichtszüge entgleisen. »Was ist los? Ich dachte, du freust dich, wenn ich außer der Reihe komme.«
»Da unterliegst du einem Irrtum. Glaubst du, ich habe nichts