Der Andersseier: Erlebnisprosa
Von Elis Katha
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Über dieses E-Book
(aus dem Abschiedsbrief)
Elis Katha
1969 in Salzburg geboren, liebt ihren Urberuf als Mutter und das Leben. "Übrigens ... Das Schreiben hilft mir. Mich zu ordnen, mich zu orten, mich zu finden, mich kennenzulernen."
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Buchvorschau
Der Andersseier - Elis Katha
„Ich gehe ohne Groll und Zorn, geläutert betrete ich nun ein neues Reich, entspringe meinen Fesseln und neue Zauber treten an die Stelle alter."
(aus dem Abschiedsbrief)
Sein Leben als „Andersseiender" aus Sicht der langjährigen Gefährtin, Ehefrau und Mutter seiner Kinder.
ELIS KATHA
1969 in Salzburg geboren,
liebt ihren Urberuf als Mutter und das Leben
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Provokation, Outing − die Antwort?
Du und ich
Nachwort
Vorwort
An einem Tiefpunkt angelangt, formte sich in mir der Drang zu schreiben. Nur so konnte ich diesen Lebensabschnitt als Prozess einer Traumatherapie verarbeiten. Einzig und allein dazu dient dieses Buch und ist meine eigene Interpretation des Erlebten.
So kann ich diesem Teil meines Lebens seine Bedeutung geben, seine Besonderheit, und nun auch Abstand nehmen.
Nicht nur zum Schutz für die Beteiligten, sondern auch für meinen Mann, habe ich ein Pseudonym gewählt.
Die Autorin
Provokation, Outing − die Antwort?
„Ich warte schon lange, um darüber zu sprechen, sagt mir die Ärztin. „Wissen Sie, wie ich die beiden vorgefunden habe?
„Von der Bestatterin wurde mir gesagt, dass beide nackt, aller Kleidung entledigt, am Boden lagen und sich hielten." Dieses für mich tröstliche Bild formte sich bisher so: Zwei Menschen liegen auf dem Rücken nebeneinander, halten sich an den Händen und sind ihren letzten Weg gemeinsam gegangen. Zwei einsame Seelen, die sich gefunden haben, weil jeder für sich alleine nicht den Mut hatte für diesen endgültigen Schritt aus dem Leben, den Freitod.
„Sie waren nicht ganz nackt", erzählt mir jetzt die Ärztin. „Jeder hatte sein T-Shirt an, nur die Unterkörper waren frei. So lagen sie einander eng umschlingend in Löffelstellung* neben der Badewanne. Gibt es in der Familie Geheimnisse?", fragt mich die Ärztin nun. Ich verneine. Dass es einen Suizid großmütterlicherseits meines Mannes gab, ist für mich ja kein Geheimnis. Die Ärztin erklärt mir ihre Ansicht. „Für mich ein eindeutiges Bild. Hier handelt es sich entweder um Provokation oder ein Outing, eine bisher unterdrückte Neigung, die im Leben nicht gelebt werden konnte. So legt man sich nicht zum Sterben hin! Denn es war heiß im Badezimmer, wieso behielten die beiden dann ihre T-Shirts an? Ist das für Sie schlüssig, können Sie damit etwas anfangen?, fragt sie mich. „Ja, es ist für mich schlüssig. Ich weiß um die feminine Ader meines Mannes. Allerdings hat er diese nach außen hin stets kaschiert mit Härte zu sich und anderen.
„Kann es sein, dass hierin der Vater-Sohn-Konflikt Ihres Mannes mit seinem Vater gelegen hat? Ich erzähle Ihnen das, weil es für Ihre beiden Söhne wichtig sein wird, das zu erfahren. Denn wenn Ihr Mann auch Ihren beiden Söhnen ein schwieriger Vater war und sich dann aus deren Leben vertschüsst, einfach so."
... So einfach war es eben nie mit Dir!
Ich schreibe in diesem Moment von meinem Mann, der sich vor zwei Jahren zusammen mit einem Freund in dessen Wohnung geplant und gut vorbereitet das Leben genommen hat. Die Todesursache lautete: Kohlenstoffmonoxidvergiftung. Auf die genaueren Details will ich hier nicht näher eingehen.
* Löffelstellung
Bei der Löffelstellung liegen die Partner auf der Seite, und der aktive Partner dringt von hinten in den Anus oder die Vagina des passiven Partners ein. Der Name der Stellung rührt von der Ähnlichkeit mit zwei ineinander liegenden Löffeln her. Ein Vorteil der Stellung ist die hohe Intimität, die vom möglichen großen Körperkontakt ausgeht, da der eine Partner sich an den anderen schmiegen kann. Beide Partner können sich zusätzlich an den erogenen Zonen stimulieren, da die Arme nicht zum Abstützen gebraucht werden.
Warum ich zur Ärztin gegangen bin an diesem Tag? Mein Hausarzt war in Urlaub, meine Söhne sind bereits ihre Patienten und ich wusste, dass sie damals den Totenschein für die beiden Männer ausstellte. Sie würde mich verstehen. Ich brauchte sie jetzt, weil ich gerade dabei war, mich aufzulösen, zu verlieren ... Und ich schildere ihr, warum ich gekommen bin. Dass ich dem Druck meiner Loyalität, der Verantwortung, dem „Gefüge der Schwiegerfamilie nicht mehr gewachsen bin. Dass ich mich morgens zwingen muss aufzustehen, dass mir schlecht ist, wenn ich in die Arbeit gehe, ich mich ständig zusammenreiße, obwohl ich jeden Moment in Tränen ausbrechen möchte, schreien möchte. Meine Tochter Sorgen um mich hat, glaubt Anzeichen von Magersucht zu erkennen. Ja, ich will mich auflösen, „verdünnisieren
und habe Angst, es auszusprechen. Dass ich mich lösen muss von Euch, von der Firma, in der mich täglich alles an meinen Mann erinnert, weil es der Familienbetrieb ist, in den ich mich eingefügt habe. Und in die Familie, die mich liebevoll aufgenommen hat, und in die ich mich vollkommen integriert habe, dass ich eine von Euch geworden bin. Daher fällt es mir so verdammt schwer, mich nun zu lösen. Ich muss! Weil ich bereits auf demselben Weg wie mein Mann bin, ich kann dem Anspruch nicht mehr gerecht werden. Ich funktioniere nur noch, rotiere nur noch, mein Leben besteht aus toten Gewohnheiten. Gewohnheiten, die mir einerseits Sicherheit geben, die mich andererseits mürbe machen, weil sie mich automatisieren, ich nicht mehr Mensch bin, mich nicht mehr fühle. Mein Körper reagiert, weil mein Innerstes sich nach außen stülpt, es wird offensichtlich. Doch der Verstand muss erst noch bezwungen werden.
Die Ärztin versteht, es ist kein Burnout, sie diagnostiziert „Anpassungsstörung nach Suizid des Gatten und schweren Familienkonflikten" und schreibt mich unbefristet krank. Eine Überweisung für eine von ihr empfohlene Psychiaterin bekomme ich gleich mit.
Haben wir denn Konflikte miteinander? Wir tragen keine offen aus. Wir reißen uns ja zusammen. Doch unterschwellig brodelt Ungesagtes, wir schweigen uns aus, haben Angst vor Worten! Wir tun einfach weiter, das Leben geht ja weiter. Für mich ist es nicht so leicht, denn wir arbeiten täglich miteinander, mein Schwiegervater und ich. Aus großem Respekt und aus Achtung vor ihm bemühe ich mich, ihn in seiner Arbeit, die er sich unerschöpflich aufbürdet, so gut es mir möglich ist zu unterstützen. Ihm loyal zur Seite zu stehen, das bin ich ihm schuldig, dazu fühle ich mich verpflichtet.
Doch mir geht die Kraft aus und ich fange an mich zu fragen, ob ich diese Schuld jemals