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Der Mestize: BsB_Schicksalsroman
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Der Mestize: BsB_Schicksalsroman
eBook415 Seiten5 Stunden

Der Mestize: BsB_Schicksalsroman

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Über dieses E-Book

Dies ist die Geschichte Juan Anayas, der in den Slums von Veracruz aufwächst und bereits als Kind sein Leben auf Lüge und Gewalt, Raub und Kampf ausrichten muss. Getroffen vom Tod seiner indianischen Mutter und verfolgt vom Hass seines mexikanischen Stiefvaters, hat er nur einen Wunsch: er will seinen Vater finden, von dem er nichts weiß, nur, dass er aus Deutschland stammt und sich auf einer Tropenreise in die vierzehnjährige Isabel Anaya verliebte.
„Ich will wissen, wie ich zusammengesetzt bin“, sagt Juan einmal zu Vicente, dem alten Gärtner, der sein Freund ist und der ihn von seinen Plänen abbringen will. Doch den Menschen zu finden, der für die andere Hälfte seines Wesens verantwortlich ist, treibt den jungen Mestizen durch die halbe Welt.
Es wird aber auch die Geschichte dessen erzählt, der von Juan Anaya gesucht wird. Sein leiblicher Vater, der hanseatische Notar Paul Hamken, der in seinem altehrwürdigen Haus an der Alster plötzlich von der Vergangenheit eingeholt wird, empfängt den Sohn auf seine Weise. Und schließlich steht Vincent, der Gärtner noch im Mittelpunkt des Geschehens. Wenn das Maß der Liebe im Leben von Juan das Wichtigste ist, dann ist er sein eigentlicher Vater.
Hinrich Matthiesen, der selbst ein Indianerkind in seine Familie aufgenommen hat, der ein sinnreicher Beobachter, minuziöser Beschreiber und Kenner Südamerikas ist, hat als Hauptschauplatz dieses Romans ein Land gewählt, in dem er lange gelebt hat – Mexiko. Er erzählt vom Zauber dieses Landes, aber auch von seinen Elendsvierteln, und er lässt uns Vertrautes erleben mit den Augen eines Fremden. Ein Roman voll harter Realität und romantischer Zärtlichkeit.
SpracheDeutsch
HerausgeberBest Select Book
Erscheinungsdatum2. März 2016
ISBN9783864663574
Der Mestize: BsB_Schicksalsroman

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    Buchvorschau

    Der Mestize - Hinrich Matthiesen

    Hinrich Matthiesen

    Jahrgang 1928, auf Sylt geboren, wuchs in Lübeck auf. Die Wehrmacht holte ihn von der Schulbank. Zurück aus der Kriegsgefangenschaft, studierte er und wurde Lehrer, viele Jahre davon an deutschen Auslandsschulen in Chile und Mexiko. Hier entdeckte er das Schreiben für sich.

    1969 erschien sein erster Roman: MINOU. Dreißig Romane und einige Erzählungen folgten. Die Kritik bescheinigte seinem Werk die glückliche Mischung aus Engagement, Glaubwürdigkeit, Spannung und virtuosem Umgang mit der Sprache. Die Leser belohnten ihn mit hohen Auflagen.

    Immer stehen im Mittelpunkt seiner Romane menschliche Schicksale, Menschen in außergewöhnlichen Situationen. Hinrich Matthiesen starb im Juli 2009 auf Sylt, wo er sich Mitte der 1970er Jahre als freier Schriftsteller niedergelassen hatte.

    »Zum literarischen Markenzeichen wurde der Name Matthiesen nicht zuletzt durch die Kunst, in eine pralle Handlung Aussagen zu verweben, die außer dem aktuellen stets auch einen davon unabhängigen Bezug haben. Gedankliche Strenge, sprachliche Disziplin und ein offensichtlich unauslotbarer verbaler Fundus lassen Matthiesen zu einem Kompositeur in Prosa werden.«

    Deutsche Tagespost

    »Matthiesen ist zu beneiden um seine Fähigkeiten: Kompositionstalent, menschliche Einfühlung, scharfe Beobachtungsgabe – und vor allem um seinen Stil«

    Deutsche Welle

    »Matthiesen ist für seine genauen Recherchen bekannt. Seine Bücher weichen nicht einfach in exotische Abenteuer aus, sondern befassen sich immer wieder mit deutscher Vergangenheit und Gegenwart. Unterhaltsam sind sie allemal.«

    FAZ-Magazin

    Werkausgabe Romane Band 08

    Herausgegeben von Svendine von Loessl

    Der Roman

    Dies ist die Geschichte Juan Anayas, der in den Slums von Veracruz aufwächst und bereits als Kind sein Leben auf Lüge und Gewalt, Raub und Kampf ausrichten muss. Getroffen vom Tod seiner indianischen Mutter und verfolgt vom Hass seines mexikanischen Stiefvaters, hat er nur einen Wunsch: er will seinen  Vater  finden, von dem er nichts  weiß, nur, dass er aus Deutschland stammt und sich auf einer Tropenreise in die vierzehnjährige Isabel Anaya verliebte.

    „Ich will wissen, wie ich zusammengesetzt bin", sagt Juan einmal zu Vicente, dem alten Gärtner, der sein Freund ist und der ihn von seinen   Plänen abbringen will. Doch den Menschen zu finden, der  für die andere Hälfte seines Wesens verantwortlich ist, treibt den jungen Mestizen durch die halbe Welt.

    Es wird aber auch  die Geschichte dessen erzählt, der von Juan Anaya gesucht wird.  Sein leiblicher Vater, der hanseatische Notar Paul  Hamken, der in seinem  altehrwürdigen Haus an der Alster plötzlich von der  Vergangenheit eingeholt wird, empfängt   den  Sohn auf seine Weise. Und schließlich  steht  Vincent, der Gärtner noch im Mittelpunkt des Geschehens. Wenn  das Maß der Liebe im Leben von Juan das Wichtigste ist, dann ist er sein  eigentlicher Vater.

    Hinrich Matthiesen, der selbst ein Indianerkind in seine Familie aufgenommen hat, der ein sinnreicher Beobachter, minuziöser Beschreiber und Kenner Südamerikas ist, hat als Hauptschauplatz dieses Romans ein Land gewählt, in dem er lange gelebt hat – Mexiko. Er erzählt vom Zauber dieses Landes, aber auch von seinen Elendsvierteln, und er lässt uns Vertrautes erleben mit den Augen eines Fremden. Ein Roman voll harter Realität und romantischer Zärtlichkeit.

    Titelverzeichnis der Werkausgabe in 31 Bänden am Ende des Buches

    Hinrich Matthiesen

    Der Mestize

    Roman

    :::

    BsB_BestSelectBook_Digital Publishers

    Werkausgabe Romane

    Herausgegeben von Svendine von Loessl

    Band 08

    Alle Rechte vorbehalten

    © 2016 by BestSelectBook_Digital Publishers München

    ISBN 978-3-86466-357-4

    Das Vorspiel

    Die junge Indianerin hatte den ganzen Morgen im Schutz der Kathedrale von Veracruz gestanden. Dann war die Sonne so hoch gestiegen, dass ihr Licht fast senkrecht auf die Stadt fiel und von den großen Schattenflächen neben den Gebäuden nur noch schmale, undienliche Streifen übrigblieben.

    Mein Bruder muss mir eine Markise machen, dachte das Mädchen; weiß oder rot; eine, die zugleich schützt und leuchtet.

    Sie holte weiße Papierservietten unter ihrem Tisch hervor und breitete sie über das klägliche Warenangebot, um die Glut abzuwehren. Und da nun die Maiswickel, die tortillas und die länglichen amerikanischen Kaugummipäckchen nicht mehr zu sehen waren, rief sie: »Hay tamales, tortillas, chicles! Hay tamales, tortillas, chicles!«

    Sie hatte ein trauriges Gesicht, und auch ihre Stimme klang traurig. Die Armen kauften bei ihr, und in ihrer Zigarrenkiste sammelten sich viele kleine Münzen; Fünfer, Zwanziger, wenige Fünfziger. Manchmal kauften auch Männer bei ihr, die nicht ihre Ware lockte, sondern ihr schönes, trauriges Gesicht. Ihre Augen leuchteten dunkel, und ihre Haut hatte die Farbe und Glätte von reifem Mais. Die schmale Nase war nach Indianerart leicht gebogen. Die vollen Lippen schimmerten dunkelrot, beinahe bläulich. Das tiefschwarze Haar, das wie Lack in der Sonne glänzte, war zu dicken Zöpfen geflochten.

    Ihr Wuchs unterschied sich von dem der anderen Indianerinnen, die zum Straßenbild der Stadt gehörten. Sie war zwar auch klein, aber nicht untersetzt und breithüftig wie jene. Sie hatte einen schlanken Leib, und ihre nach vorn herabhängenden Zöpfe waren nur wenig herausgebogen von der Wölbung der Brüste.

    Sie war kein Kind mehr, denn sie war vierzehn Jahre alt, und in ihrem Volk gab es Mütter, die nicht älter waren als sie.

    Ein barfüßiger Junge trat an ihren Tisch und verlangte ein Päckchen Kaugummi. Sie gab ihm eines, aber er reichte es zurück.

    »Ein rotes möchte ich!«

    Sie tauschte die Päckchen aus, und als sie nun dem Jungen das rote hinhielt, sah sie den Mann auf dem Bürgersteig, sehr nah. Er lächelte sie an, und sie lächelte zurück, so wie Fremde sich zulächeln, wenn sie gemeinsam eine Szene kindlicher Eigenwilligkeit beobachten; ein flüchtiges, unverbindliches Lächeln.

    Der Junge entfernte sich, und auch der Mann ging weiter, zögernd, sich umwendend, so als wollte er noch etwas sagen, aber er sagte nichts. Die Indianerin sah, wie er sich, auch noch aus der Ferne, mehrmals zu ihr umwandte. Als er den Rand der plaza erreicht hatte, verlor sie ihn aus dem Blick.

    »Hay tamales, tortillas, chicles! Hay tamales, tortillas, chickles!«

    Eine Viertelstunde später kam der Fremde zurück. Sie erkannte ihn sofort wieder. Er fiel auf zwischen den anderen Passanten. Er war groß und blond. Ein gringo, dachte sie.

    Diesmal trat er noch dichter an ihren Stand heran, und sein von der Sonne gerötetes Gesicht zeigte jene liebenswerte Verlegenheit, die verrät, dass man etwas sagen möchte, aber die Sprache nicht beherrscht. Schließlich besann er sich doch auf ein einzelnes Wort und sagte:

    »Bella!«

    Und sie antwortete:

    »Ja, sie sind schön.« Dabei hob sie eine der Servietten und zeigte auf ihre Maiswickel.

    »No, no!«, sagte der Mann und wies auf ihre Zöpfe. »Bella!«, sagte er noch einmal.

    Sie schwieg, und sie sahen sich an. Beider Augen sprachen viele Worte.

    Die schwarzen sagten:

    …Sie kommen bestimmt von weit her. Mit dem Schiff? Sie sehen mich so an. Ich spüre, dass ich Ihnen gefalle. Bestimmt wissen Sie nicht, wie arm ich bin. Und wie dumm. Ich kann zum Beispiel nicht lesen. Aber vielleicht ist das gar nicht so wichtig jetzt, weil ich ja in Ihren Augen lesen kann, und ich lese darin Ihr Verlangen. Sie geben sich keine Mühe, es mir zu verbergen. Es ist der gleiche Ausdruck, den ich in Manolos Augen sehe, wenn wir allein sind. Manolo liebt mich, aber ich will nicht, denn er ist genauso arm wie ich, und wohin soll das führen? Ich kenne Sie nicht, Señor, aber ich fühle mich zu Ihnen hingezogen…

    Und die grauen:

    …Du bist schön. In meinem Land sind Mädchen in deinem Alter noch Kinder, und man darf sie nicht berühren. Ich würde dich gern berühren. Heute Abend fährt mein Schiff weiter nach New Orleans, und in vier Wochen bin ich schon wieder in Deutschland. Ich habe nur noch einen halben Tag in dieser Stadt. Ich möchte gern deine Zöpfe aufmachen. Ich möchte dich sehen ohne den beladenen Tisch vor deinem Leib. Ich möchte dich sehen ohne deine Kleider. Bei uns sind die Mädchen so blass. Um dich zu malen, würde ich Ocker nehmen. Ich glaube, das würde den Ton deiner Haut gut treffen. Kannst du diesen Tisch verlassen und mit mir kommen? Komm doch mit mir!…

    …Wenn Sie wüssten, dass ich nicht mal lesen kann, würden Sie bestimmt weitergehen. Dass ich arm bin, sehen Sie ja. Aber es gibt noch Ärmere bei uns. Die sehen Sie nur nicht. Leute wie Sie kommen nicht in solche Gegenden. Schade, dass ich nicht mein anderes Kleid angezogen habe, es ist viel schöner als dieses. Und gerade heute habe ich keine Schuhe an, aber zu Haus hab’ ich ein Paar. Mit Schuhen wäre ich ein bisschen größer…

    …In Gedanken habe ich dich schon oft gesehen. Da warst du auch barfuß. Du hattest eine ganz braune Haut, dunkler als jetzt, aber so finde ich es schöner. Womöglich bist du erst fünfzehn und kannst nicht lesen. Das wäre wundervoll…

    …Ich könnte jetzt für eine Stunde hier weg. Marisol könnte mich ablösen. Sie ist ehrlich. Aber vielleicht möchten Sie gar nicht mit mir durch die Straßen gehen, auch wenn Sie mich schön finden. Dass Sie mich mögen, glaube ich schon, sonst würden Sie nicht hier stehenbleiben und mich so lange ansehen…

    …Ich möchte dich jetzt mitnehmen, irgendwohin, wo wir allein sind, und da möchte ich dich ganz sehen, alles an dir. Und später, zu Hause in Deutschland, möchte ich mich erinnern. Und dich malen…

    Der Mann schob eine der Servietten zur Seite und zeigte auf die tamales. Er hob beide Hände, schloss sie zu Fäusten und öffnete sie dann wieder ganz schnell, indem er alle zehn Finger spreizte. Das machte er mehrere Male, und zwischendurch fragte er: »Si? Si?«

    Sie hob ihre Hände und machte seine Bewegung nach, zweimal. Darauf gab er ihr eine Zwanzig-Centavo-Münze und nahm sich einen der Maiswickel. Etwas unbeholfen hielt er ihn in der Hand, betrachtete ihn von allen Seiten. Sie reichte ihm eine Serviette und zeigte ihm, wie man die Blätter entfernt. Er aß von dem süßlichen Maisbrei. Er schmeckte ihm nicht, aber er aß weiter. Als er über die Hälfte gegessen hatte, knüllte er den Rest in der Serviette zusammen und warf ihn in den Abfallkorb unter dem Tisch.

    Ihm kam ein Gedanke, doch es kostete ihn Mühe, der Indianerin klarzumachen, was er wollte. Er fuhr in weit ausholender Geste mit beiden Armen über den Tisch, hin und her. Es sah aus, als segnete er die Waren.

    »Qué?«, fragte sie.

    Er machte die Geste noch einmal und ließ gleich darauf das erprobte Fingerspreizen folgen. Die Indianerin verstand nun und lachte. Flink errichtete sie fünf kleine Türme, wies darauf und zeigte ihm dann zweimal ihre zehn Finger. Sie hatte das nicht nachgerechnet, nur geschätzt; sie wusste, dass sie allabendlich ungefähr eine solche Menge Geld mit nach Hause brachte.

    »Si«, sagte er. Er sagte es begeistert. Dann klopfte er gegen den Tisch und den Korb und spreizte wieder die Finger.

    »No«, sagte sie. Aber sie lachte.

    »Si, si!«, beharrte er und zog seine Brieftasche hervor.

    Sie hob die Schultern, um ihm zu bedeuten, dass sie nicht wisse, wie teuer Tisch und Korb seien, und schüttelte den Kopf, was heißen sollte, dass sie auch gar nicht die Absicht habe, sie zu verkaufen. Es war kein richtiger Tisch, nur ein aus Kistenbrettern zusammengenageltes Gestell, und der Korb war aus grobem Bast geflochten.

    Er nahm ein paar Scheine und hielt sie ihr hin.

    »No!«, sagte sie wieder und schüttelte noch einmal heftig den Kopf.

    »Si!«, sagte er, beugte sich über den Tisch und steckte ihr das Geld in die Schürzentasche. Und dann tat er etwas, was dem Temperament eines Südländers viel eher entsprochen hätte. Er stellte sich hinter den Tisch, neben das Mädchen, und winkte von der gegenüberliegenden Straßenseite ein paar Kinder heran. Es waren drei Jungen und zwei Mädchen, und er teilte den ganzen Warenbestand unter sie auf. Verwirrt und beglückt zogen sie davon. Dann schob er den leeren Tisch gegen die Mauer der Kathedrale, stellte den Bastkorb darauf, reichte der Indianerin die Zigarrenkiste mit den Münzen, fasste sie bei der Hand und zog sie mit sich fort.

    Sie gingen kreuz und quer durch die Straßen von Veracruz, umrundeten mehrere Male die plaza, die in dieser Stunde des höchsten Sonnenstandes fast menschenleer war. Das Mädchen ging an seiner linken Seite. Über dem rechten Arm trug er seine helle Jacke.

    »Papá? Mamá?«, fragte er.

    Mit einer vagen Gebärde wies sie hinter sich und sagte:

    »Boca del Río.«

    Er nahm an, dass es ein Ort in der Nähe war, und sagte »Aha«, aber gleich darauf: »Si, si.«

    »Americano?«, fragte das Mädchen.

    »No«, antwortete er, »alemán«. Und er pochte mit dem Zeigefinger gegen seine Brust: »Paul. Pablo.« Dann zeigte er auf sie.

    »Isabel«, sagte sie.

    »Isabel«, wiederholte er, und dann etwas stockend und doch verständlich:

    »Isabel, bella muchacha

    »Gracias«, sagte sie.

    Beide lachten, und dann schwiegen sie lange, aber die ungesprochenen Worte waren wieder zwischen ihnen.

    …Wohin gehen Sie mit mir? Ich bin noch mit keinem Mann gegangen, nur mit Manolo aus meinem Dorf, aber wir haben uns nur geküsst. Ihre Schuhe glänzen, Señor, obwohl es hier staubig ist, und meine Füße sind so schmutzig…

    …Ich möchte jetzt barfuß sein, so wie du. Wohin gehen wir? Ich würde dich gern mitnehmen auf das Schiff, doch das ist unmöglich. Wir müssen irgendwohin. Ich habe schon immer davon geträumt, ein so junges exotisches Geschöpf zu umarmen. Exotisch, was ist das? Wie soll ich es dir erklären? Es ist das, was wir selbst nicht sind, aber gern für uns hätten, und sei’s nur einmal. Weißt du: Ich stamme aus Deutschland und noch dazu aus dem Norden. Da sind die Menschen groß und hellhäutig, und sie tun sich ein bisschen schwer in allem. Sie haben ihr Dasein wunderbar geordnet, und genau dadurch ist es eingeengt. Wie sie leben, erscheint mir schon seit Langem fragwürdig. Von Montag bis Sonnabend haben sie eine geregelte Arbeit, und dann dürfen sie einen Tag lang auf farblose Weise zwischen farblosen Gegenständen müßig sein. Und dahin muss ich zurück. Heute Abend geht es los. Departure: June 15th, 1957. Verstehst du, dass ich diese wenigen Stunden mit dir verbringen muss? Dann könnte ich später, wenn die Langeweile des geordneten Hauses mich traktiert, an dich denken, könnte mir dein glänzendes schwarzes Haar wieder vorstellen, mich in deinen braunen Leib hineinträumen und mich zusätzlich daran ergötzen, dass du geboren wurdest, als ich schon ein Vierteljahrhundert auf dieser Welt war. Und falls du nicht lesen und nicht schreiben kannst, wird es schön sein, diesen köstlichen Mangel so hautnah neben meiner sogenannten abendländischen Bildung erlebt zu haben. Hörst du? Du darfst mich jetzt nicht allein lassen…

    …Sie sind bestimmt etwas Besonderes. Mit diesem feinen Anzug. Und mit diesen Händen, die nicht nach Arbeit aussehen. Solche Hände haben mich noch nie berührt. Wenn Manolo mich anfasst, weiß ich: Das Schwarze unter seinen Nägeln ist noch von der vergangenen Woche, und seine Fingerspitzen sind rissig. Und er tut mir manchmal weh damit. Ihre Hände werden, wenn Sie es sich nicht doch noch anders überlegen, sehr sanft sein. Wenn Sie sich zu mir legen, werde ich alles erdulden, weil ich weiß, dass es das nie wieder geben wird für mich, nie in meinem Leben…

    Sie hatten sich müde gelaufen und waren hungrig geworden. Der Mann machte die Bewegung des Essens, und das Mädchen nickte. Sie gingen in ein kleines, von einfachen Mexikanern besuchtes Restaurant am Hafen. Er reichte ihr die Speisekarte, aber sie gab sie ihm zurück und schüttelte den Kopf. Sie hob die Schultern, öffnete die Hände, indem sie ihm die Innenflächen zukehrte, und er begriff. Der Kellner nannte einige der aufgeführten Gerichte auf Englisch, empfahl Steaks, und die bestellten sie.

    Während des Essens beobachteten sie sich gegenseitig. Sie bemühte sich, dem Mann aus Deutschland den tischgerechten Umgang mit Messer und Gabel abzugucken, und ihn rührte die Ungeschicklichkeit, mit der sie ihr Besteck handhabte. Und dann gab es tatsächlich so etwas wie ein Gespräch, wenn es auch nur in Sprachbrocken dahinstolperte und zu Missverständnissen führte.

    Der Mann zeigte auf die Indianerin und spreizte dann wieder die Finger, einmal beide Hände und dann nur die Rechte. Isabel starrte ihn an, ihr Gesicht wurde um einen Ton dunkler. Wie hätte sie wissen sollen, dass er diesmal nicht nach einem Preis fragte. Es klang böse, als sie sagte:

    »No, Señor!«

    Es dauerte eine Weile, bis er begriff, was er angerichtet hatte. »No, no!«, sagte er rasch, »Pardon!« Und dann suchte er verzweifelt nach einer Möglichkeit, ihren Irrtum aufzuklären. Er sah sich um. An einem der Nebentische entdeckte er ein Ehepaar mit zwei Kindern. Er zeigte erst auf das eine, das kleinere, und hob fünf Finger. Dann zeigte er auf den wesentlich größeren Jungen und hielt Isabel neun Finger hin. Und schließlich bedeutete er ihr noch einmal die Zahl fünfzehn, die sie so verletzt hatte. Nun verstand sie, nahm seine Rechte und bog den kleinen Finger in die Handfläche zurück. Dazu sagte sie: »Catorce«. Dann wies sie auf ihn und fragte ihn mit den Augen, und er log mit den Händen, indem er dreimal die zehn Finger spreizte.

    Nach dem Essen gingen sie zum Kai. Er zeigte ihr das Schiff.

    »Cuándo?«, fragte sie, und dieses Wort kannte er. Er zeigte auf seine Armbanduhr und hielt ihr sechs Finger entgegen.

    »Mañana?«, fragte sie.

    »No«, sagte er, streckte seinen Arm aus in Richtung auf die Sonne, führte ihn langsam im Bogen nach unten, wies auf das Schiff und dann hinaus auf den Golf.

    »Triste«, sagte sie und legte sich beide Hände auf die Brust, aber sie rechnete nicht damit, dass er sie verstand.

    »Si, triste«, wiederholte er, und obwohl es ihm kindisch vorkam, ergänzte er: »Pablo triste

    »Cuándo Veracruz?«, fragte sie und hob nun ihrerseits den Arm, wies hinaus aufs Meer und führte ihn zurück, langsam, bis er auf den Anlegeplatz gerichtet war.

    »Never«, sagte er und wusste doch, dass es unsinnig war, ›never‹ zu sagen.

    Aber sie hielt dieses Wort für ein abgefälschtes spanisches ›nieve‹ und dachte an den Schnee in der Sierra und glaubte, er kehre im Winter zurück.

    Ein Mann mit einem Fotoapparat kam heran.

    »Una foto, Señor? Un bonito recuerdo?« Und schon postierte er die beiden am Rand der Kaimauer, mit dem Heck des Schiffes im Hintergrund. Der Deutsche legte seinen Arm um die Schultern der Indianerin. Es war eine Sofortbild-Kamera, und sie hatten das Bild in wenigen Minuten. Isabel steckte es in ihre Schürzentasche.

    Sie verließen den Hafen, und gegen vier Uhr am Nachmittag betraten sie das Foyer des Hotels Diligencias. Hier konnte der Mann das Englische benutzen, und er verlangte ein Doppelzimmer. Aber der Clerk an der Rezeption schüttelte den Kopf und erwiderte: »Das geht nicht, mein Herr.« Seine abweisende Handbewegung richtete sich gegen Isabel, und zu ihr sagte er:

    »Fuera! Hinaus!«

    »Dann möchte ich zwei Einzelzimmer«, beharrte der Deutsche, aber der Clerk ließ nicht mit sich reden. Auch auf das Angebot eines reichlichen Trinkgeldes ging er nicht ein.

    »Es tut mir leid, mein Herr, aber der Ruf unseres Hauses lässt das nicht zu.«

    Er schrieb etwas auf einen Zettel und reichte ihn dem Deutschen. Es war eine Adresse.

    Sie nahmen ein Taxi und fuhren zehn Minuten durch die Stadt. Der Fahrer setzte sie vor dem Eingang eines schäbigen Hauses ab.

    Und dann hatten sie plötzlich den Raum, den sie brauchten. Seine Hässlichkeit nahm ihnen nichts. Nachdem sie die Tür verschlossen hatten, blieben sie lange stehen. Er musste sich weit hinabbeugen bis zu ihren Lippen. Dann hob er sie auf und legte sie auf das Bett. Er nahm sich viel Zeit, ihre Zöpfe zu lösen.

    …Ich habe noch nie so schwarzes Haar berührt!…

    …Nie haben so helle Hände mein Haar berührt!…

    …Ich bin sicher, dass ich Barbara künftig mit dir betrügen werde; und es ist wohl der schändlichste Verrat, den ein Mann an seiner Frau begehen kann, wenn er sich Bilder aus einer anderen Begegnung borgt. Aber wer will darüber richten?

    Wer kann es, da es doch immer tiefstes Geheimnis bleibt? Dein brauner vierzehnjähriger Leib wird sich einbrennen in mein Gedächtnis…

    …Wie sanft Ihre Hände sind! Heute Abend geht Ihr Schiff, und ich bin sicher, dass Sie im Winter zurückkommen. Wahrscheinlich sehen wir uns nie wieder. Vielleicht denken Sie schlecht von mir, weil ich gleich mit Ihnen gegangen bin, hierher, in dieses Zimmer, wo klar ist, was Sie mit mir machen wollen. Ich hab’ es Manolo immer verboten, viele Male, aber bei Ihnen ist es anders. Das wusste ich schon, als wir noch an meinem Tisch standen und Sie plötzlich alles kauften und verteilten. Die ganze Zeit über, als ich barfuß neben Ihnen ging und immer zwei Schritte brauchte, wenn Sie nur einen machten, und nachher beim Essen und auch in der Hotelhalle, wo man mich nicht haben wollte, die ganze Zeit über habe ich gewusst, was Sie mit mir machen wollen. Und nun liege ich hier und will dasselbe und weiß noch nicht einmal, wie es sein wird. Marisol sagt, es tut weh. Aber ich bin sicher, einen Behutsameren wird es nie geben für mich…

    Das Haar war nun ausgebreitet über das weiße Kissen. Es war kräftiges Haar, und der Mann dachte einen Augenblick an eine vom Wind zerspellte Pferdemähne. Er nahm Isabel die Schürze ab und genoss es; denn nie vorher hatte er einer Frau die Schütze abgenommen. Kleider schon oft. Kostbare Abendkleider dabei. Manchmal einen langwierigen Ski-Dress. Häufiger einen Badeanzug. Ein paar Dutzend Kleider in seinem Leben, und hin und wieder war ihm die Nestelei abgenommen worden, was ihn umso mehr gestört hatte, je älter er geworden war. Er küsste den bläulich schimmernden Mund. Es war nur wenig, was die Indianerin am Leibe trug, aber das hatte nichts zu tun mit leichtfertiger Bereitschaft, sondern mit der Armut und auch mit der Sonne.

    Als er ihr das einfache weiße Baumwollkleid abgestreift hatte, waren ihre Brüste gleich da, klein und fest und nicht ganz so dunkel wie ihr Gesicht. Seine Hände bebten leicht, als sie darüber hinstrichen, und wieder, wie bei den Zöpfen, ließ er sich Zeit, glitt immer wieder mit Augen und Händen und Lippen über die kleinen, straffen Wölbungen hin.

    Seine Rechte tastete nach ihrem Leib. Er spürte den derben Stoff auf seinem Handrücken, dachte für einen Augenblick an Barbaras seidige Dessous und ordnete sie in einem Anflug von Ungerechtigkeit der Kategorie der Hilfsmittel zu. Dann, plötzlich, war alles Zögern zu Ende. Mit wenigen Griffen entblößte er Isabels Schoß, warf seine eigenen Kleider auf den Fußboden und tat schließlich das, woran er schon seit dem ungewohnten Verzehr des Maiswickels gedacht hatte.

    Die Indianerin warf in einer abrupten Bewegung den Kopf zur Seite, zerrte sich mit der verkrampften Rechten einen Zipfel des Kissens vors Gesicht, biss hinein. Eine ganze Weile verharrte sie so, presste das Kissen gegen den Mund, um sich den Schmerz zu verbeißen, der ihrem Leib widerfuhr.

    »Por Dios!«, stöhnte sie einmal. Doch langsam löste sich die Verkrampfung. Das Kissen entglitt ihren Zähnen, ihrer Hand. Sie blickte auf, sah in die grauen Augen über sich und fand sie um eine Spur härter als vorher. Aber was er sagte, klang sehr zärtlich; den Sinn seiner Worte erfasste sie nicht.

    Sie blieben sehr lange in dem Zimmer. Einmal, zwischendurch, verließ der Mann das Mädchen. Er ging ein paar Straßen weit und kaufte etwas zu essen. Als Isabel sich unterdessen wusch, hatte sie Schmerzen, aber sie ertrug sie mit einem seltsam widersprüchlichen Gefühl aus Scham und Würde, ja sogar Stolz, und sie dachte an Manolo wie an einen Gefährten aus Kindertagen. Und dann befiel sie die Angst, der Alemán könne fortbleiben. Er hatte ihr, bevor er gegangen war, Geld gezeigt, mit einer Geste den Vorgang des Essens angedeutet und mit Hilfe seiner Armbanduhr verständlich gemacht, dass er in wenigen Augenblicken zurück sei. Obwohl er sie am Abend verlassen würde, wahrscheinlich für immer, war es wichtig für sie, dass er jetzt zurückkehrte, damit sie gemeinsam aus diesem Zimmer gingen, aus diesem Haus.

    Als er eintrat, ging sie ihm die wenigen Schritte bis zur Tür entgegen. Sie hielt ihm den Mund hin. Er warf, was er eingekauft hatte, auf den Tisch, küsste sie und hob sie empor. Sie war immer noch nackt, und er presste sein Gesicht gegen ihren Leib. Als er sie wieder auf die Füße gestellt hatte, nahm sie ihre Schürze vom Stuhl, holte das Foto hervor, reichte es ihm, zeigte auf die Rückseite des Bildes und machte die Bewegung des Schreibens. Er setzte sich auf das Bett, legte das Foto auf den Nachttisch und schrieb auf Deutsch:

    »Pablo liebt Isabel.«

    Und darunter:

    »Veracruz, 15. Juni 1957.«

    Dann las er ihr den Satz vor, sie sprach ihn nach, fünf-, sechsmal. Aber sie sagte ihn danach noch viele Male mehr, immer wieder, während des Essens, während sie sich ankleidete und auf dem Weg zum Hafen. Und als sie die Worte zum letzten Mal sagte, kurz bevor er an Bord ging, da weinte sie. Er küsste ihre Augen, und ihn kümmerte es nicht, dass die Leute ihn vom Deck des Schiffes aus beobachteten.

    Es war noch hell, als das Schiff ablegte. Der Mann stand auf der Brücke und sah zum Ufer hinüber. Der Kapitän reichte ihm ein Fernglas. Er wollte es nicht, aber aus Höflichkeit nahm er es.

    Er sah Isabel auf dem Kai stehen. Sie winkte. Er winkte zurück. Er konnte Einzelheiten erkennen. Die dunklen Füße. Kinderfüße, dachte er; Kinderfüße nach einem langen Spieltag auf staubigen Plätzen. Die Zigarrenkiste. Die Schürze. Durch das scharfe Bordglas sah er sogar die Tasche, in der er das Foto wusste. Die Zöpfe. Er dachte daran, dass er sie in gespielter Umständlichkeit aufgelöst und dass Isabel sie später, als er einkaufte, neu geflochten hatte.

    Doch bald, als die Lotsenkommandos über das Deck schallten und die harten schnürenden Geräusche der gequetschten Fender von den Bordwänden der Schlepper heraufdrangen und die Indianerin immer noch dastand und winkte, war er schon mit Erinnerungen beschäftigt, die er wie eine heimlich gehütete Trophäe mitnahm auf die Reise.

    Teil 1

    1.

    Juan Anaya saß nun schon drei Stunden in der pulquería El hogar, Julios armseliger Schenke, einem unter der Tropensonne verwitterten Schuppen, in dem man Tequila und Mescal bekam und natürlich pulque, das ›Bier‹ der Mexikaner, den vergorenen trübweißen Saft der Agave.

    Es waren nur zwei Gäste da an diesem Abend, außer Juan Anaya ein älterer Mann, ein Vanillezüchter aus Papantla.

    Der stand gegen die Theke gelehnt und unterhielt sich mit Julio, dem Wirt.

    Juan Anaya interessierte sich nicht für den Fremden, und mit Julio verstand er sich so, dass sie einander schon manche Stunde mit zwanglosem Schweigen wohlgetan hatten.

    Juan war zwanzig. Die Tequila-Flasche, aus der er sich an diesem Abend nur zweimal bedient hatte, und das mehr um Julios als um seinetwillen, stand etwas abseits auf dem rohgezimmerten Tisch. Er brauchte Platz.

    Vor ihm lag eine Zeitschrift. Es war ein mehrere Monate altes deutsches Magazin. Er hatte es in einer Buchhandlung in Veracruz gekauft und sechzehn Pesos dafür bezahlt, den Lohn für achtmal Schuhputzen.

    Ausländische Magazine sind für den einfachen Mexikaner Bilderbücher zum Blättern, aber Juan Anaya hatte sein Exemplar schon zum dritten Mal mitgebracht in die pulquería; er las. Neben der Zeitschrift lag ein Wörterbuch. Er nahm es nicht oft zur Hand, ein dutzend Mal vielleicht an diesem Abend, denn er beschäftigte sich schon zehn Jahre mit der deutschen Sprache und benutzte sie sicherer als mancher Abiturient vom Colegio Alemán in der Hauptstadt.

    Vor zehn Jahren hatte er einen Leguan, ein ausgewachsenes Exemplar von respektabler Hässlichkeit, gegen eine deutsche Kinderfibel getauscht. Die blonde Schülerin, die mit ihren Eltern am Golf Ferien machte und der er das zuckende Tier bis zum Hoteleingang hatte tragen müssen, war zunächst nicht einverstanden gewesen mit dem Preis, den sie für das Reptil zahlen sollte. Sie hatte dem Jungen zehn Pesos geboten, dann ihre Kaufbereitschaft um fünf Pesos gesteigert und schließlich mit ihren fast neuen italienischen Sandalen gelockt, doch Juan hatte auf dem Buch bestanden, das neben ihr im Sand gelegen hatte.

    Er war über diese Fibel glücklicher gewesen als über alle Geschenke, die er je zu Weihnachten oder zum Namenstag bekommen hatte. Aber er musste sie, nachdem er sie seinen Eltern gezeigt hatte, verstecken. Die Mutter wollte ihn fernhalten von allem, was mit Deutschland zu tun hatte, und der Stiefvater, schon damals sein Feind, hatte nur eines im Sinn: den Jungen auf den Maisacker zu schicken, damit er dort nützliche Arbeit leiste. Nur Vicente, ein alter Mann, der die Hütte neben der seiner Eltern bewohnte, war damals, wie auch jetzt noch, sein Vertrauter. Mit seiner Hilfe stahl er sich davon, oder er traf sich heimlich mit ihm im Strandschuppen des Hotels Mocambo, wo der Alte, wenn er nicht Küchendienst hatte, die Liegestühle an die Gäste ausgab. Und dort lernte er. Es war ein erbärmlicher Anfang.

    Dora und Käte wollen Kaffee kochen.

    Sie holen einen Kessel.

    Sie holen Wasser. Sie laufen in den Keller.

    Sie wollen Kohlen holen.

    Sie wollen auch Holz holen…

    Vicente staunte, wie schnell der junge die sechs Zeilen im Kopf hatte. Aber er merkte doch, dass solche Übungen sinnlos waren. Er meinte:

    »Wenn uns jetzt einer sagt, das ist aztekisch, dann müssen wir’s ihm glauben. Ich finde, niño, du müsstest noch einmal zu deiner kleinen gringa gehen.«

    »Vielleicht ist sie gar nicht mehr hier.« Der Junge war betrübt. Vicente sah es, und ihm war klar, dass ihm etwas einfallen musste.

    »Dann such dir andere Deutsche. Im Hotel gibt es immer welche und auch am Strand. Du kannst ihre Liegestühle tragen oder ihre Kleider bewachen,

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