Lucia N°03: Hypnagoge Lichterfahrung und NeuroArt
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Über dieses E-Book
Winkler versteht es, seine therapeutische Arbeit ebenso wie brisante Erkenntnisse der fachübergreifenden Nahtod-Forschung so unterhaltsam und informativ zu beschreiben, dass sich Schmunzeln und Staunen gegenseitig ablösen. So ergeben sich Betrachtungen des Wesens und Wirkens von Psychotherapie, die gerade von Therapeuten nicht ohne Grund gern vermieden werden.
Als ihm schließlich jemand begegnet, der sich seit einer Reanimation selbst als lebenden Toten, als Vampir, bezeichnet, führt dies zu völlig überraschenden, nur auf den ersten Blick widersprüchlichen Antworten auf Grundsatzfragen wie: "Was ist Bewusstsein?", "Worin besteht Gesundheit?", "Warum ist jeder Mensch ein Künstler?" oder "Was geschieht eigentlich, wenn man stirbt?"
"In der radikal subjektiven Herangehensweise künstlerischen Forschens wird so auch ein Stück Bewusstseinsforschung betrieben."
Prof. Ralph Buchner betreut das Projekt "Kreativität durch LSD aus Licht" mithilfe von Lucia N°03 an der Hochschule für angewandte Wissenschaft in München.
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Buchvorschau
Lucia N°03 - Engelbert J. Winkler
Engelbert J. Winkler
Lucia N°03 – Hypnagoge Lichterfahrung und Neuro-Art
Lektorat, Satz, Covergestaltung: Textmaker Helmuth Santler
Ein E-Book vom Textmaker, erstellt mithilfe von Sigil 0.7.1., Wien, Juni 2013
Inhalt
Vorwort
LUCIA N°03
Wie alles kam
Therapeut und Klient?
DER WEG DES VAMPIRS
Tot (Wörgl, Februar 2012)
Kunst (Wien, Mai 2012)
Imaginarium (Kufstein, Februar 2013)
Dehlog (London, Dezember 2012)
Travellerunlimited – Was bleibt, ist Jetzt!
Literatur
Webadressen
Fotocredits
Vorwort
Manchmal stellt ein Wechsel der Perspektive alles auf den Kopf, was man bis dahin sicher zu wissen meinte. Manchmal ist es die Begegnung mit jemand, dessen ungewöhnliche Sichtweise dies bewirkt. Bisweilen, wie in diesem Fall, ist es beides.
Wurde mir ein unfreiwilliger Perspektivenwechsel vor langer Zeit zum Ausgangspunkt einer in jeder Hinsicht unfassbaren Entdeckung, war es erst das ausgefallene Selbstbild eines anderen, das mir dabei half, das Vorgefallene in seiner ganzen Tragweite zu begreifen.
Was schließlich dabei herausgekommen ist, wirkt umso wunderlicher, bedenkt man, womit alles begann: der Erfahrung des Sterbens.
Weil es schwerfällt, so etwas für sich zu behalten, und da ich zudem darum gebeten wurde, habe ich aufgeschrieben, was sich ereignet hat.
Engelbert J. Winkler, 3. März 2013, Devonshire House, Liverpool
LUCIA N°03
„Jesus spricht: Wer sucht, soll nicht aufhören zu suchen, bis er findet. Und wenn er findet, wird er bestürzt sein. Und wenn er bestürzt ist, wird er erstaunt sein. Und er wird König sein über das All."
Thomasevangelium (Berliner Arbeitskreis für koptisch-gnostische Schriften)
Wie alles kam
Zum Jahreswechsel 1968/69 erkrankte ich im Alter von sechs Jahren an der damals pandemisch auftretenden Hongkong-Grippe so schwer, dass der Arzt – ein Freund meines Vaters – der besorgten Mutter an meinem Krankenbett wenig Hoffnung machte. Immerhin erklärte er, dass man die Krise für die kommende Nacht erwarten dürfe und danach die Besserung einträte – so ich die Nacht überstehen würde, was – wie er ernst hinzufügte – keinesfalls sicher sei. Dass er seine Einschätzung ohne Rücksichtnahme auf meine Anwesenheit traf, zeigt nur, für wie bedenklich er meinen Zustand hielt. Zwar hatte ich seine Worte akustisch verstanden, aber das hohe Fieber verhinderte wohl die Zuordnung eines klaren Sinnes, weshalb ich später nie den Eindruck hatte, dadurch besonders beunruhigt gewesen zu sein. Eher war es schon die stumme Reaktion meiner Mutter, die – falls überhaupt – etwas von der Schwere dieses Befundes auf mich übertrug. Kurz darauf verlor ich jedenfalls das Bewusstsein. Als ich die Augen wieder öffnete, war es draußen dunkel und mein Zimmer von der Nachttischlampe in fiebriges Zwielicht gehüllt. Die Mutter saß an meiner Seite, den bangen Blick erwartungsvoll auf mich gerichtet.
„Wie fühlst du dich? Bist du durstig?"
Ich sah mich um. Irgend etwas war anders … Gleichzeitig war alles beim Alten und ich so krank wie zuvor, darüber bestand kein Zweifel. Auch das Zimmer war dasselbe … und doch … irgendwie blieb mein Blick am Waschbecken schräg gegenüber hängen … vielmehr an der Wand unmittelbar darunter … die spärliche Beleuchtung zusammen mit dem Fieber erweckte den Eindruck von Grobkörnigkeit – wie auf unterbelichteten Schwarz-Weiß-Fotos … die Luft selbst schien zu flimmern … oder war es die Wand selbst, die nebelartig zu wabern begonnen hatte ...?
„Du glühst ja richtig!"
Als hätte sie sich verbrannt, zog meine Mutter ihre Hand von meiner Stirn zurück und lenkte meine Aufmerksamkeit kurz ab. Als ich wieder hinsah, hatte sich die seltsame Dynamik noch verstärkt, und es kam mir nicht mehr so vor, als würde ich von vorne auf die Wand, sondern von oben auf eine bewegte, milchige Wasserfläche schauen. Wie oft habe ich mich seither gefragt, ob ich nur deshalb hingeschaut habe, weil es dort an der Wand unter dem Waschbecken begonnen hatte, oder ob es sich gerade dort zeigte, weil ich eben hinsah. Als Nächstes kräuselte sich die Wand wie unter stärker werdendem Wellengang. Es bildeten sich Wirbel, die bald zu einem einzigen Strudel zusammenliefen, der immer schneller zu rotieren begann. Im Nachhinein war es vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der ich all das zur Kenntnis nahm, die mich faszinierte. Ich lag im Bett, meine Mutter war damit beschäftigt, mein Fieber zu messen, und ich sah zu, wie sich mir gegenüber ein Trichter öffnete und den Blick in eine Ferne freigab, wo eben noch ... Da sah ich sie: schattenhafte Silhouetten, zwei oder drei, die sich aus dem entstandenen Tunnel näherten! Wie von weit schienen sie zuerst noch in einiger Entfernung, dann rasch näher kommend, größer zu werden … ohne Gesichter … der schattenhafte Eindruck blieb, und dennoch erkannte ich sie, ohne zu wissen, wer sie waren … kein Erschrecken, keine Angst, im Gegenteil! Ich wusste ja, was sie wollten: Sie kamen wegen mir!
„Schau, da! Sie kommen, um mich zu holen!"
Mit diesen Worten brachte ich zum Ausdruck, was ich für selbstverständlich hielt und was ich empfand: Vorfreude … Diesmal war die Reaktion meiner Mutter alles andere als stumm.
„Um Gottes willen! Schau ja nicht hin! Du fantasierst …!"
Das Entsetzen meiner Mutter traf mich so unerwartet wie ein Schlag. Mit einem Mal spürte ich ihre Angst um mein Leben, als wäre es die meine. Ich erschrak und alles verschwand – alles: mein Zimmer, meine Mutter, ich selbst, alles … Ich musste also wieder das Bewusstsein verloren haben. Plötzlich hatte ich den Eindruck von hoher Geschwindigkeit, dann ein Licht, nie gesehene Farben … unfassbare Bilder … unbeschreibliche Szenen … Die ganze Welt wurde zu einer kleinen Insel … Jemand war da und dann war alles gleichzeitig, alles: Vorstellbares und Unvorstellbares, Vergangenes und Zukünftiges, Wirkliches und Unwirkliches. Alles, nur keine Unterschiede oder jemand, der welche hätte machen können … Als ich wieder zu mir kam, war die Krise überwunden und ich wurde wieder „gesund". Meine Mutter sprach nie mehr mit mir über diese Nacht und ich tat es auch nicht, weil ich nichts zu sagen gewusst hätte. Nicht, dass ich mich nicht hätte erinnern können. Ganz im Gegenteil, kam mir doch, was ich erlebt hatte, viel wirklicher vor als alles andere je Erlebte. Wirklicher und von gänzlich anderer Art – weder mit Worten, noch in Gedanken beschreibbar. Zudem war ich sechs, wieder gesund und durfte zuerst das Bett und schon nach wenigen fieberfreien Tagen das Haus verlassen. Das Leben ging weiter, es war tiefer Winter und meine Freunde warteten schon.
In meiner Praxis als Kinder- und Jugendpsychologe bestaunte ich später immer wieder die Selbstverständlichkeit, mit der junge Menschen auch außergewöhnliche Sachverhalte als gegeben hinnehmen – im Guten wie im Schlechten. Damals erfuhr ich das am eigenen Leib und ebenfalls im Guten wie im Schlechten. Denn, dass es zuerst eine gute Erfahrung war, stand außer Frage – aber eben auch eine selbstverständliche, weil sie ja stattgefunden hatte. So machte ich mir gar nicht mehr viele Gedanken über die ganz und gar überwältigenden Eindrücke, denen ich wohl irgendwo zwischen Leben und Tod ausgesetzt gewesen war, und freute mich auf meine Freunde. Ob ich jemandem davon erzählen wollte? Ich glaube nicht. Was hätte ich denn auch sagen, wie es beschreiben sollen? Ich nahm mein Leben wieder auf, als wäre die Krankheit nur ein lästiger Boxenstopp gewesen … Dabei kam es mir eher so vor, als hätte das Leben mich wieder aufgenommen, um mich mit sich zu führen als wäre nichts geschehen. So wurde die Selbstverständlichkeit, mit der dies geschah, mit der die Erde sich weiterdrehte, der normale Tagesablauf sich mit allen Pflichten wiedereinstellte, schließlich zu meiner Selbstverständlichkeit, zur Sicherheit, dass eben doch wieder alles beim Alten und nichts Schlimmeres geschehen war. Vorerst. Bis es mich einholte. Und das geschah bereits bei meinem ersten Ausgang zu einem nahe gelegenen Hügel, der besonders den kleineren Kindern der Stadt noch heute im Winter zum Schlittenfahren dient.
Es war ein grauer, wolkenverhangener Tag. Für den Abend waren weitere Schneefälle angesagt. Ich zog meinen Schlitten über ein ausgedehntes Schneefeld zum Fuß des Hügels und konnte in der Entfernung bereits die eine oder andere vertraute Gestalt eines Freundes ausmachen. Vermutlich hatte ich nichts Wichtigeres im Sinn als die Frage, ob ich mich schon gleich als Erstes bis zum Denkmal auf der Spitze des Hügels wagen sollte, von wo man den besten Schwung für den Sprung über eine der aufgeschütteten Sprungschanzen im unteren Streckenverlauf bekam. Da geschah es: Es war die kalte Selbstverständlichkeit, mit der es eintrat, die mir augenblicklich jede Sicherheit nahm. Gerade war ich noch an einem gewöhnlichen Wintertag mit dem Schlitten unterwegs und plötzlich, ohne Vorwarnung war … nichts mehr … NICHTS! Nichts hatte sich geändert, nur wusste ich jetzt, was mir eine Sekunde zuvor noch nicht aufgefallen war. Denn genauso war es: Ich wusste es, weil es mir mit einem Mal aufgefallen war. Und weil es sich wie bei allem, was einem auffällt, auch in diesem Fall so verhielt, dass mir unmittelbar bewusst wurde, dass es immer schon so gewesen und mir nur noch nie aufgefallen war … nämlich dass alles – ALLES! – nicht wirklich ist: alles, die Wiese, der Hügel, der wolkenverhangene Himmel, meine Freunde, der ganze Tag … Alles war so unwirklich wie ein Traum, und da ich ein Teil dieses Traumes war, konnte ich auch nicht wirklich sein. Aber es waren nicht meine Gedanken, die mich mit einer derartigen Betrachtungsweise quälten, denn sie waren durch die Evidenz der empfundenen Erkenntnis ohnehin zum Stillstand gekommen. Was hätte ich auch bedenken sollen, wenn nichts wirklich war? Mein Geist blieb stehen wie eine Uhr, wie Windräder, denen von einem Augenblick zum anderen der Wind abhandengekommen war. Was blieb, war eine Leere … eine? … DIE LEERE! So umfassend, so absolut, so sinnlos, so ohne jede Alternative ... Sie hatte meine ganze Welt verschlungen … nein, nicht verschlungen, denn dann hätte es sie