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Peter Salomon: Porträts, Lesarten und Materialien zu seinem literarischen Werk
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eBook301 Seiten3 Stunden

Peter Salomon: Porträts, Lesarten und Materialien zu seinem literarischen Werk

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Über dieses E-Book

Eine umfassende Gesamtdarstellung des literarischen Werks von Peter Salomon.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum21. Juli 2016
ISBN9783741244889
Peter Salomon: Porträts, Lesarten und Materialien zu seinem literarischen Werk

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    Buchvorschau

    Peter Salomon - Books on Demand

    Inhalt

    Porträtskizzen, Widmungen, Würdigungen

    Tina Stroheker

    Oswald Burger

    Bruno Epple

    Rainer Stöckli

    Peter Ludewig

    Wolfgang Brenneisen

    Mario Andreotti

    Zzuzsanna Gahse

    Walter Neumann

    Arne Rautenberg

    Michael Kiesen

    Klaus Isele

    Wulf Kirsten

    Jochen Kelter

    Christoph Spielberg

    Jürgen Stelling

    Helmut Hirsch

    Siegmund Kopitzki

    Markus Bundi

    Peter Blickle

    Ulrike Längle

    Johanna Walser

    Peter Engel

    Wolfgang Brenneisen

    Dialog

    Peter Salomon im Gespräch mit Manfred Bosch

    Literaturkritik 1: Rezensionen

    »Einer denkt sich was«

    »Abgang Juhnkuhns«

    »Kaufhausgedichte«

    »Gegenfrost«

    »Wind kriegen«

    »Der Herr am Nebentisch«

    »Die Natur bei der Arbeit«

    »7 Gedichte«

    »Kleine Pannenhilfe für Schöngeister«

    »Autobiographische Fußnoten«

    »Die Jahre liegen auf der Lauer«

    »Poesie-Quadriga Nr. 4«

    ANTHOLOGIEN Dialektliteratur

    Auto-Gedichte

    Konstanz-Gedichte

    EDITIONEN Reinacher: »Bohème in Kustenz«

    Meyer: »Berlin«

    Literaturkritik 2: Gedichtinterpretationen

    Wulf Segebrecht

    Hermann Kinder

    Ernst Köhler

    Wulf Segebrecht

    Jochen Kelter

    Christoph Spielberg

    Literaturkritik 3: Essays, Aufsätze, Überblicke

    Jürgen P. Wallmann

    Josef Hoben

    Willy Adam

    Tobias Engelsing

    Walter Rügert

    Peter Frömmig

    Michael Lünstroth

    25 Fragen an Peter Salomon

    Peter Salomon: Eine Fotogalerie

    Bibliographie

    Editorische Notiz

    Über die Autoren

    Textnachweise

    Porträtskizzen, Widmungen, Würdigungen

    Tina Stroheker

    Lieber Peter, alter Freund!

    Aufgefordert, mich an diesem Band zu beteiligen, fiel mir zunächst unsere Korrespondenz ein. Ich weiß nicht, wie ordentlich ich früher Post aufbewahrt habe, jedenfalls ist mein erster Beleg für Peter, den Briefschreiber, vom 24. Oktober 1994 (aufzufinden in einem ›Salomon‹-Ordner!). Zwanzig Jahre also, viel … nicht viel … (Zwanzig weitere müssen es unbedingt werden!) Warum dachte ich zuerst an unsere Briefe? Ich glaube, weil Du nicht zuletzt dank dieser Korrespondenz mein »alter Freund« geworden bist. Deshalb schreibe ich auch jetzt wieder einen Brief (der ausnahmsweise gedruckt werden wird). Ich finde es schön, »alte Freunde« zu sein, die müssen sich nicht gegenseitig wichtig machen, klappen immer wieder einmal das Visier hoch und zeigen Verwundbares oder Verwundetes und wollen sich treu bleiben. Formal ›gilt‹ in solcher Korrespondenz alles – die postalischen handgeschriebenen und maschinengetippten Briefe (Du hast früher als ich die Schreibmaschine durch den PC ersetzt), oft mit Beigelegtem, die Ansichtskarten von Reiseorten, die Kunstpostkarten (mit bewußt gewähltem sujet, darunter eine Serie ›Lesende Frauen‹), und natürlich inzwischen ebenso die E-Mails von petsalo, die sämtlich ausgedruckt werden.

    Kennengelernt habe ich zunächst Texte des Schriftstellers, ich glaube, als ›Univers‹-Leserin. Damals hing ich noch anderen Tonlagen an, und Deine Gedichte erreichten mich kaum. Aber ich weiß noch, wie beeindruckt ich war, als ich Dich das erste Mal diese Texte vorlesen hörte (wohl beim Literarischen Forum in Wangen). Deine eher tiefe, ›runde‹ Stimme, ihr leichter Berliner sound, Deine Ruhe beim Vortragen, keinerlei Eindruck von ›Kunstanstrengung‹. Ich hatte dann in späteren Forums-Jahren jedesmal den Eindruck, wenn Du zu lesen beginnen solltest, ergriff unsere Versammlung eine angenehme Spannung, die zugleich Entspannung war. Es liest Peter Salomon! Jetzt, das wußte man, würden gleich wieder diese nur scheinbar nüchternen, subtil witzigen, unprätentiösen, dabei kunstvollen Gedichte zu hören sein, denen es so oft gelingt, ganz überraschend manchmal, in den Zuhörenden eine unsichtbare Tür zu öffnen und sie dabei klar bleiben zu lassen.

    Ja, und eines der schönsten Liebesgedichte der Weltliteratur hast Du mir geschenkt, obgleich es ›Für Frank‹ heißt:

    Für Frank

    Ich hänge die Jacke weg.

    Liebe läßt immer paar Kleider zurück.

    Seine Jacke also hängt

    Jetzt in meinem Schrank.

    Kommt er wieder, ist er froh

    Über die verloren geglaubte Jacke.

    In diesen paar Zeilen ist ganz viel Salo (bzw. petsalo) – Einfachheit und Gestaltetsein der Sprache, coolness, Lebenserfahrung, Zärtlichkeit für einen jungen Mann. Ich liebe es sehr.

    Lieber Peter, und kürzlich habe ich sogar ein Gedicht über Rosen (eigentlich, finde ich, auch über Poesie, Deine Poesie!) von Dir entdeckt! Es läuft auf eine Pointe zu, den Butterblumen huldigend, »Die im verblühten Zustand / Zu fliegen beginnen – « : Ja, toll, genauso soll es sein! Jetzt bin ich vollends hin und weg und grüße Dich dankbar und herzlich!

    Deine alte Freundin

    Oswald Burger

    Schorle im Costa del Sol

    Als Peter Salomons Gedichtband »Die Natur bei der Arbeit« mit 48 »Gedichten vom See aus 25 Jahren« erschien, kaufte ich einen Klassensatz, um in meiner Klasse seine Lyrik zu besprechen.

    Jeder meiner Schülerinnen und Schüler sollte ein Lieblingsgedicht aussuchen und begründen, warum ihm gerade dieses gefiel. Die Aufgabe lautete: »Entscheiden Sie sich für ein Gedicht von Peter Salomon. – Versuchen Sie das Gedicht zu verstehen. – Notieren Sie sich Gedanken und Assoziationen, zu denen Sie das Gedicht anregt. – Setzen Sie sich mit der formalen Gestaltung des Gedichts auseinander (Sprache, Satzbau, Wortwahl, Rhythmus, Melodie, Sinn des Zeilenbruchs, rhetorische Mittel usw.). – Formulieren Sie Fragen, die Sie dem Autor stellen wollen. – Gestalten Sie Ihre Gedanken, Ihre Analyse und Ihre Fragen in ansprechender Form.«

    Dominik entschied sich für »Unsere schöne Welt«, ein schon 1974 entstandenes postmodernes Naturgedicht, in dem die Ratlosigkeit des lyrischen Ichs über die Veränderungen der Natur zum Ausdruck kommt. Philip fand die »Ode auf Konstanz 1944« so interessant, dass er die zeitgeschichtlichen Zusammenhänge eruierte, die darin antönen, und die Suche nach dem »Café zum Frieden« aufnahm, das darin erwähnt wurde. »Der Schwimmer« hatte es Daniela angetan, der frühmorgens hinausschwimmen kann, wenn der See noch keine »trübe Brühe« ist – heute darf ich beobachten, wie Daniela als Lehrerin ihren ausländischen Schülern die deutsche Sprache und Kultur nahe bringt. Florian erklärte »Besuch bei den K.’s, am See«, Georg das Gedicht »Der Bodensee«. »Ein Urlaubserlebnis« gefiel Marek und Eva, weil Segelboote drin vorkamen. Viktor, der selber Gedichte schrieb, wenn ich mich recht erinnere, hatte es das titelgebende kurze Gedicht »Die Natur bei der Arbeit« angetan. Die Beobachtungen aus einem ausgestorbenen Dorf »Notizen aus Markelfingen« erläuterte Karl, der selbst aus einem derartigen Schlafdorf kam. Die konsumkritischen Bemerkungen über »Das Döbele« gefielen Claudia und Rebekka. »Stimmungsbild« kontrastiert die Natur mit der Gewalt, die in den Medien vorkommt; Marco gefiel der Satz »Hier blutet Deutschland tief grün«. Halilibrahim, den ich jahrelang beim Erwachsenwerden begleiten durfte, entschied sich für »Winter am See«. Und ein Gedicht fand drei Liebhaberinnen: Julia M., Julia R. und Melanie fanden »Auf der Brücke« so interessant, dass sie mit dem Autor darüber reden wollten. Auch ich als Lehrer entschied mich für ein Gedicht, das war »Schorle im Costa del Sol«. Ich hatte viele Abende schon als Student im Costa del Sol verbracht, kehrte aber auch als Lehrer immer wieder dort hin zurück, um eine »Comida del dia« zu essen, einen andalusischen Eintopf, dessen Zutaten wechselten, der mal gelb und ein anderes Mal rot war, mit einem gekochten Suppenhuhn heute oder weich gekochten Rindfleischbrocken morgen. Dazu trank ich einen einfachen roten Rioja, als man auch noch angetrunken Auto fuhr. Am Stammtisch saß der einzige Kommunist, der dies jahrzehntelang blieb, während wir anderen schon längst Revisionisten geworden waren. Und irgendwo muss da immer wieder der einsame Herr gesessen haben, der in Peter Salomons Gedicht vorkam.

    Als der Dichter in den Unterricht kam, erzählten wir ihm, was die Gedichte für uns bedeuteten. Und er war überrascht, dass die Gedichte bei uns Lesern andere Assoziationen hervorriefen, als er beim Schreiben gehabt hatte.

    Leider habe ich die Aufsätze nicht mehr, weil ich sie den Schülern zurückgab. Und wo der Klassensatz mit den Gedichten landete, nachdem ich pensioniert wurde, weiß ich nicht.

    Bruno Epple

    So was in Konstanz

    Soignierter Herr, der da

    in Würde (muss man schon sagen)

    schreitet dahin die Seestraße

    unterm Dach der Platanen,

    oh, so ist zu vermuten,

    sicherlich, ja bestimmt

    geht’s diesmal zum Spielkasino,

    trägt Hut, trägt

    seriös am angewinkelten Arm

    den Schirm, im Mund

    steckt kühn die Zigarre,

    was denn Zigarre! eine mit

    Banderole und Namen: eine

    Romeo y Julieta Carona

    zumindest

    oder eine Rafael Gonazles Panetela,

    mannomann! man ist sich das schuldig

    als Berliner, zumal von Familie.

    Die Damen, die Herren, die da

    auf schattengesprenkeltem Wege

    unter Platanen flanieren,

    grüßen manierlich, ein Paar

    tritt heran:

    Gu’n Tach, Herr Rechtsanwalt,

    auch des Weges, wie schön,

    Sie wohlauf zu wissen, und:

    An was sind Sie gerade, wann

    kommt Ihr Nächstes heraus, Ihr,

    wissen Sie, na was Sie da

    immer so schreiben, reizend!

    Sie sind eigentlich ja schon

    berühmt so als Dichter, Ihre Sachen,

    sie sind, wie soll man sagen,

    sie sind, erlauben Sie, echt cool,

    wir haben grad neulich groß

    von Ihnen gesprochen, draußen beim

    Fünfsterne-Sieber.

    Sie sind auf dem Wege dorthin?

    Lassen Sie sich nicht aufhalten,

    ein Dichter, wir wissen, will

    allein sein, wenn er an einem Tag

    mit dieser Fernsicht wie heute

    Schönem nachsinnen muss.

    Also tschüss denn, Herr Salomon!

    So er, und sie, spitzbübischen Blicks

    vor sich hin: Salü, Salomönchen!

    Und ab, weitab: Sag, Dickerchen,

    ist er nicht süß, unser Dichter?

    Rainer Stöckli

    Wieder ans Licht! Ans Tageslicht! Unter die Leselampen!

    Versuch, Peter Salomons frühes Gedichtwerk zu würdigen, in zwölf Sätzen

    ERSTER SATZ: »LEBT ALS RECHTSANWALT IN KONSTANZ«

    Daran haben wir uns gewöhnt: dass Peter Salomon in der Bodenseeregion lebe, arbeite, schreibe. Gibt Jochen Kelter Ende der achtziger Jahre ein (sein!) Bodensee-Lesebuch heraus (worin 18 Autoren »sich vorstellen«, unter ihnen die Schriftstellerinnen Maria Beig, Helen Meier, Christel Neidhardt, Johanna Walser), so ist Salomon einbezogen. Vereinnahmt (»Bodensee-Dichter« o. ä.) ist er nicht. Aber des Berliners sukzessive Bewegung vom Norden herwärts/südwärts macht solche Selbstpräsentation deutlich: Gymnasium noch in der Geburtsstadt – Studium dann in München und Freiburg – »jetzt [1990] Rechtsanwalt in Konstanz«. Kein Wunder, wenn und dass der Lyriker dem ebenfalls an den See zugezogenen Erzähler Hermann Kinder eine Gedichtsequenz widmet: »Sechs Spaziergänge« (mit Anspielungen auf Regiographisches, welche nur Ortskundige verstehen, etwa »Oberes Edelfrauengrab«).

    ZWEITER SATZ: »GEBOREN 1947 IN BERLIN«

    Wo unsereiner die »sechs Spaziergänge« finde? Gelegentlich im Heft, das zur Feier von Kinders Fünfzigstem erscheint, 1994. Aber davor? Für einen gebürtigen Berliner konsequenterweis in einer »Berliner Zeitschrift für Literatur«, nämlich in Litfass, in deren oder dessen Heft 53 (1992). Eigenartige Strophen übrigens, sechszeilig, gern im Gedankenstrich mündend, mit schnell einmal auffallender Inachtnahme von Botanik / Weichgetier / Ornithologie.

    Aus der Grossstadt hergebracht? Im sog. Bodenseeraum gelernt?

    DRITTER SATZ: »DEMNÄCHST ERSCHEINT« / »LETZTE [MEINT: JÜNGSTE] VERÖFFENTLICHUNG«

    Beides, die Voranzeige und die Erfolgsmeldung, stammt aus der »zeitschrift für literatur« namens univers. Das Versprechen im Sommer 1979, im Heft 15/16; die Publikations-Info im Heft 17, Frühjahr 1980. Angesagt ist der und hingewiesen wird auf den Band Gegenfrost. 67 Gedichte. Darin wollen wir im schliesslichen »Satz 12« lesen – wollen wo nicht zeitlose, so doch zeitentrückte Texte finden, wollen innehalten, Wertungen probieren …

    VIERTER SATZ: »SECHS AUTOREN STELLEN SICH VOR«

    Wieder diese Formel, wie in Kelters Bodensee-Lesebuch: das reflexive und umständehalber auch reziproke »sich vorstellen«. Nebst Kelter verantworten das Kuno Betzler, Wolfram Glaser. Fürs Heft 14 von UNIVERS (bis und mit dieser Nummer: in Versalien) zeichnen ausser den Genannten auch Rainer Happel und Karin Reschke. Sie (zu fünft) präsentieren oder stellen vor – denn das Heft ist durchaus organisiert – einen zwiefältigen Salomon: den Lyriker und den Rezensenten. Die Kritik gilt, nein trifft Jürgen Theobaldys frühste/r Prosa.

    FÜNFTER SATZ: »SICH BEKANNT MACHEN«, UM »BEKANNT ZU WERDEN«

    Im zuletzt genannten UNIVERS-Heft gibt Salomon sechs Gedichte ans Licht:

    über ein »flach-/gewordenes Rosenbukett auf der morgendlichen Fahrbahn«

    über eine Jugenderinnerung des Grossvaters, welche langhin den Tod, die zum Schluss aber der Tod verschluckt

    übers Frappante einer Fernseh-Reportage aus der Karlsruher Münzanstalt

    über einen Grenzwächter, in dessen Überwachungs-Abschnitt der Schusstrichter modifiziert worden ist

    über Wohnungsnachbarn, die Abend für Abend simultan fernsehen, sich später im »Münsterhof« treffen zum Besprechen der Lage und sich (und einander)

    »paar Bier« gönnen

    über einen deutsche Geschichte nachspielenden Film (Vergegenwärtigung u. a. von Baader und Meinhof, dialogisiert von Peter Paul Zahl).

    Die sechs Texte – Beobachtungen und Berichte mit nicht eben lauter Neigung zum Aufmerkenlassen – haben sich oder sind überlebt. Weniger sicher bin ich, ob man auch das eingeheftete blaue Dossier in ebendieser Nummer 14 als überstanden, ja überholt beurteilen solle, Thema Kontrolle / Einmischung / Zensur. Aus dreieinhalb Jahrzehnten Abstand ist hingegen, unverfänglich, Walter Helmut Fritz’ Gedicht-Beitrag als erhaben zu loben.

    SECHSTER UND SIEBTER SATZ: »IHRE BEITRÄGE AN PETER SALOMON / POSTFACH 5251 / 7750 KONSTANZ«

    Neben Salomon also Walter Helmut Fritz (Poesie), Peter Renz (Erzählprosa), Gerold Späth (eine längere, eine kurze Geschichte). Keiner berlinert, man stammt aus Karlsruhe, Weingarten, Rapperswil. Nur einer berliniert. Er darf. Salomon lässt seine Figur »’n / Moment im Dunkeln stehen«, lässt sie »’n paar Meter zurück« weichen, lässt sie entspannt kucken, lässt sie »mal ’n bisschen« lachen, lässt sie Stullen schmieren, zuletzt »paar Bier« trinken. Sowieso weiss da ein Gedichtautor Bescheid über die Kälte der Nachkriegswinter, über die Blockade der Stadt Berlin, über Trockenmilchpulver – und übers Distanzgewinnen/Distanzverdienen, nämlich zu den evozierten endvierziger Jahren.

    Etabliert und mit Vorweis solcherart gekonnter Gedichte, belesen und an jederlei Literatur interessiert, inbegriffen mundartliche, ist Peter Salomon am Bodensee bald Instanz und Administrator. Die heutzutage historisch anmutende Anschrift – mit Postfach und vierstelliger Postleitzahl – belegt des Lyrikers und Buchkritikers Mitarbeit in der Gruppe der UNIVERS/univers-Verantwortlichen – und tatsächlich ist Salomon unterwegs zum Mitherausgeber und Mitredaktor. Nicht nur dieser Zeitschrift – auch von Anthologien.

    ACHTER UND NEUNTER SATZ: EINER DENKT SICH WAS

    So lautet der Titel von Salomons erster Veröffentlichung. Bevor mir – unverzüglich nach 1980 – der Gedichtband Gegenfrost unters Aug und vor die Bleistiftspitze gelangt, hat Salomons konfidenzähnlich einen Feind benannt und souverän Kindheitserinnerungen angedeutet resp. taxiert. Ich kenne diese frühen Texte (auf 1969 datiert bzw. 1974) bloss dank Manfred Bosch – dank dessen »Porträt des Dichters« aus dem Jahr 1997, aus Anlass von Salomons Fünfzigstem. Zeitpunkt, wo Klaus Isele in Eggingen schon länger des Konstanzer Rechtsanwaltes Verleger ist.

    Ein frühes Gedicht suggeriert: »Ich brauche einen Feind«. Ist Dilettanten sonnenklar. Ein Jurist braucht Klienten – und Gegner. Den das Ich in ebendem Text braucht, heisst Wiemer, ist Stadtarzt gewesen, eignet sich dazu, zum Feind berufen zu werden. Gestattet die Figur das (es ist nicht gesichert, sie gilt übers Amt hinaus als Despot), so ist das Gedicht gewürzt. Gestattet Wiemer das nicht, so überbleibt uns, der pp. Leserschaft, das rare Partizip »gefahrgeneigt«; denn Wiemer hat, Eigenschaft des Feindes (nebst Kampferfahrung und Talent zum Unruhestiften), ein »gefahrgeneigtes Ohr«. Es dauert, bis die pp. Leserschaft entschieden hat, wer ihr sympathisch sei: Wiemer, der Feind, oder der hier einen Antipoden vielleicht brandmarkt, vielleicht in Verruf bringt, am Textende möglicherweis hochleben lässt.

    ZEHNTER SATZ: »… ANGST VOR DEM ALTER«

    In Gegenfrost, Salomons viertem Gedichtbuch, ist die (erste?) Spur gelegt zur verstreut gedruckten Lyrik des nunmehr dezidiert in Konstanz niedergelassenen Autors. Akzente, Allmende, drehpunkt, ensemble, Exempla, Kürbiskern, Merkur, Nachtcafé, POESIE, Schreibheft, seegfrörni, Spektrum, Tintenfisch haben Salomon-Gedichte öffentlich gemacht. Weiteres in weiteren Periodika. Dann und wann ein Aufsatz, selten ein Prosastück. Wär’s einfacher gewesen, zu notieren: wo nicht?

    Anzurühren vermocht hat mich das »1. Sonett von [Salomons] Angst vor dem Alter«, vorgelegt in Frank Geerks POESIE (Heft 4/1980, im achten Jahrgang).

    Das Gedicht-Ich ist, wie ein gedeckter Scheck, der Verfasser, 33jährig. Anders als selbstbiographisch kann man es nicht besetzen, denn man muss Grossmutter, Vater, die Tante Ellen unterbringen, im Echtlebtag fundierte Zitate und Geständnisse, endlich des Junglyrikers Kummer, dereinst in ein Kurbad gesteckt zu werden (und dortselbst dann nicht in allen fälligen Rollen zu genügen, zu reüssieren).

    Ich werde mit Liebhabern westlicher Militärmusik plaudern. Ob ich wohl einen guten Kurschatten abgebe? (S. →)

    Antizipation und Selbstbefragung. Salomon ist mittlerweile doppelt so alt. Höchste Zeit fürs diesbezüglich zweite Sonett. Vielleicht reimt es. Vielleicht ist es schon geschrieben, ich Ostschweizer jedoch, der sich aufgrund solcher und ähnlicher Thematik rührbar zeigt, hab es verfehlt.

    ELFTER SATZ: GEGENFROST – GEGEN DEN FROST

    Die Angstsonett-Zeit entspricht dem Erscheinungsjahr der Gegenfrost-Sammlung (Freiburg: Dreisam, 1979). Das Beobachten und das literarische Zuspitzen des Beobachteten zeichnen deren Texte aus. Ich erinnere mich an die Lektüre deshalb, weil ich geglaubt habe, im Buch (auch in diesem) metaphorisches Reden vermissen zu dürfen. Die zeitweiligen Poetisierungen dünkten mich der Jahreszeit verdankt, sonst, da und dort, der Leidenschaft, unterwegs zu sein, und (selbstverständlich) mancherlei, ebenfalls weitläufiger Lektüre. – In einem der Texte kommt das

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