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LENA HALBERG - NEW YORK '01: Thriller
LENA HALBERG - NEW YORK '01: Thriller
LENA HALBERG - NEW YORK '01: Thriller
eBook343 Seiten4 Stunden

LENA HALBERG - NEW YORK '01: Thriller

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Über dieses E-Book

Fassungslos starrt der Beamte der New Yorker Terrorabwehr im Block 7 auf die beiden brennenden Türme des World Trade Centervor ihm. Minuten später wird sein Büro evakuiert und er entgeht nur knapp dem sicheren Tod.

Die Journalistin Lena Halberg entdeckt Hinweise auf Zahlungen an die Attentäter. Wieder war der Auftraggeber Arthur Bronsteen, einer der größten Rüstungsproduzenten. Im Zuge der Nachforschungen stößt Lena auf seine geheime Entwicklung von Neuro-Transmittern für Soldaten im Kriegseinsatz und auf aktuelle Verbindungen zum russischen Nachrichtendienst. Braucht Bronsteen einen neuen Konflikt um seine heimtückische Entwicklung zu testen und war der Anschlag auf das World Trade Center in New York nur der Anfang eines unfassbaren Komplotts?

Die Recherchen führen Lena bis nach Moldavien und in die Ukraine wo sie sich zwischen korrupten Kriegstreibern und der lokalen Mafia wiederfindet.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum26. Feb. 2016
ISBN9783868411294
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    Buchvorschau

    LENA HALBERG - NEW YORK '01 - Ernest Nyborg

    Ernest Nybørg

    Lena Halberg

    NEW YORK ‘01

    Thriller

    Edition AV

    Zum Buch

    2001 – Fassungslos starrt Hawk auf die brennenden Türme des World Trade Centers in New York. Im letzten Augenblick rettet er ein rätselhaftes Dokument aus dem Chaos, dann flüchtet er vor dem sicheren Tod.

    Die Fersehreporterin Lena Halberg entdeckt einige Jahre später einen Hinweis auf getarnte Zahlungen der Waffenlobby an die Attentäter und die illegale Lieferung von Kriegsgerät in ein afrikanisches Krisengebiet. Lena vermutet, dass einer der größten Waffenproduzenten Amerikas hinter der Sache steckt. Bei den Recherchen in New York, Rom und Marseille, wo ein Killer der Afrikaner sein Unwesen treibt, gerät sie selbst ins Visier des gefährlichen War Lords und seines Bankers.

    War der New Yorker Anschlag nur ein Teil eines unfassbaren Komplotts und ist Hawks Dokument der Schlüssel, um den Kriegstreibern endgültig das Handwerk zu legen?

    Zum Autor

    Ernest Nybørg studierte Musik und Literatur. Als Drehbuchautor schrieb er viele Jahre erfolgreich für Film und Fernsehen. Mit spannungsgeladenen Thrillern, die reale Geschehnisse als Hintergrund verarbeiten, erweiterte er seine schriftstellerische Tätigkeit auf das Gebiet der Kriminalliteratur. Hier erkennt man seine Leidenschaft für menschliche Abgründe und eine sichere Hand für das Genre.

    New York ‘01 ist der zweite Teil der Lena Halberg Trilogie, über die Verflechtungen von Politik, Geheimdiensten und den Rüstungskonzernen. Der erste Teil, Paris ‘97, ist ebenfalls im Verlag Edition AV erschienen.

    Nähere Infos unter www.ernestnyborg.com

    Inhalt

    Cover

    Titel

    Zum Buch/Zum Autor

    Impressum

    Zitat

    Prolog

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    Epilog

    Facts

    Weitere Bücher

    Cip-Titelaufnahme der deutschen Bibliothek:

    Nybørg Ernest; Lena Halberg: New York ‘01

    ISBN 978-3-86841-129-4

    Die Spekulationen rund um den Anschlag auf das World Trade Center in New York liegen der Idee zu diesem Buch zugrunde. Trotzdem handelt es sich um ein rein fiktionales Werk, das keine tatsächliche geheime Verschwörung enthüllt. Sämtliche Figuren und Ereignisse sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen oder Geschehnissen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

    1. Auflage

    © 2016, Copyright by Verlag Edition AV, Lich/​Hessen

    © 2016, Copyright by Ernest Nybørg, Wien

    Literar-Mechana Austria, Reg.: 2016/​7174

    Alle Rechte vorbehalten

    Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf fotomechanischem Weg (Fotokopie, Mikrokopie usw.) zu vervielfältigen oder in elektronische Systeme einzuspeichern, zu verarbeiten oder zu verbreiten.

    Korrektorat: Dorothea Schuy, Rosemarie Fürst

    Umschlag, Buchgestaltung, Satz: Ernst Kaufmann

    1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016

    Das Buch wurde vermittelt durch die Literaturagentur erzähl:perspektive, München (www.erzaehlperspektive.de)

    Krieg ist nicht das Kaufen von Waffen,

    sondern die Bereitschaft zu töten.

    Prolog

    Der Widerschein des Feuers ließ die Wolken über Warschau an diesem kalten Spätfrühlingstag wie blutgetränkte rote Fetzen über den Himmel ziehen. Dazwischen stiegen dunkle Rauchsäulen hoch und verbreiteten einen übel beißenden Geruch – ein Gemisch aus brennendem Holz, angesengten Kleidern und Leichengeruch.

    Von allen Seiten das metallisch hackende Gebell von kurzen ungezielten Salven aus Maschinenpistolen, laut hallende Stiefelschritte, die auf Asphalt, Müll und Kinderhände traten. Immer wieder Schreie von verzweifelten Menschen, um eine letzte Gnade wimmernd, die ihnen niemand gewährte. Sie wurden entweder an Ort und Stelle erschossen oder von den Stiefelmännern mit den Totenköpfen auf der Kappe zu Lastern gebracht und abtransportiert. Manche von ihnen, die nicht mehr weiterkonnten oder zu langsam waren, stieß man seitlich gegen Hauswände, prügelte sie aus reiner Lust zu Krüppeln und ließ sie einfach liegen. Zehntausende wurden so zusammengetrieben, irrten suchend durch die dichtgedrängte Menge, um ihre Kinder oder Angehörige zu finden, die in diesem Albtraum aus Gewalt, Not und Aussichtslosigkeit verlorengegangen waren.

    Zwei Stunden später würde der

    SS-Brigardeführer

    Stroop voll Stolz melden, dass das jüdische Ghetto nun endlich aufgelöst sei und mit der Sprengung der Warschauer Synagoge die tagelange Großaktion erfolgreich beendet wurde. Dazu berichtete er noch von sechsundfünfzigtausend nachweislich vernichteten Bewohnern und dem beispiellosen Kameradschaftsgeist seiner Männer.

    Seit vielen Tagen säuberte er mit seinen Untergebenen Straßenzug um Straßenzug des Wohnbezirks von den unliebsamen Gestalten, die verzweifelt versuchten sich vor dem erbarmungslosen Zugriff zu verbergen. Er fand sie alle. Nun war endgültig Schluss, auch der letzte Widerstand, den dieses dreckige Pack in einem letzten Aufbäumen noch versucht hatte, war endgültig gebrochen.

    Der schüchterne, zarte Szymon stand zitternd am Fenster im zweiten Stock eines Wohnhauses in der Ulica Dzielna und starrte auf die Straße unter ihm. Die Wohnung lag an der Ecke des Blocks, nur einen Steinwurf von der Synagoge entfernt. Er wusste nichts von dem zerstörten Gotteshaus, er wusste nicht, dass er einer minderen Rasse angehörte, er wusste nicht, was die Totenköpfe vor dem Haus wollten. Er war vor einer Woche drei Jahre alt geworden und seine Eltern schenkten ihm ein hölzernes, rotlackiertes Schaukelpferd, das der Vater aus einem alten Türflügel mühsam herausgeschnitten und mit erbettelter Farbe einigermaßen angestrichen hatte.

    Das lag zersplittert im Vorzimmer, die Stiefelmänner hatten es zertreten, als sie in die Wohnung eindrangen. Vor Angst hatte sich Szymon von der Hand seiner Mutter losgerissen und war in sein Versteck hinter der alten Wandtäfelung unter der Fensterbank gekrochen. Seine Mutter, seinen Vater und seinen Bruder nahmen sie mit. Der Bruder, er war erst eineinhalb, weinte und versteckte seinen Kopf im Schultertuch der Mutter, die mit aufeinandergepressten Lippen in Richtung Fenster schaute. Sie wusste, dass Szymon sie durch den schmalen Spalt im Holz sehen konnte. Oft hatten sie hier Verstecken gespielt. Ihr Blick ließ ihn auch jetzt still in dem Schlupfwinkel verharren, so als wäre es das Spiel und er dürfe nicht gefunden werden. Als Vater sich umdrehte, um seine Aktentasche zu nehmen, schlugen ihm die Männer mehrmals auf den Kopf. Er verlor seine Brille und strauchelte über den abgetretenen Türstaffel, als sie ihn hinaus ins Treppenhaus stießen.

    Als sich die Stimmen verloren und es in der Wohnung wieder still war, kroch Szymon unter der Verkleidung hervor. Er erschrak, denn in der Nische neben dem Fenster stand der Nachbar, ein älterer Mann aus der Wohnung darüber. Er hatte keine Arbeit, spielte aber wunderbar Klavier und half den anderen Parteien im Haus bei kleineren Reparaturen. Nun zog er Szymon an den Schultern in die Nische hinein, damit sie von unten hinter dem Fenster nicht zu sehen waren. Auch er bebte am ganzen Körper und zuckte bei jedem Geräusch zusammen, das aus dem Stiegenhaus in die Räume drang.

    Unten kamen die Männer mit seinen Eltern aus dem Haus. Vater fasste einen am Arm und wollte etwas sagen. Da schrien sie ihn an, stießen ihn zu Boden, aber Vater rappelte sich wieder auf und brüllte zurück. Da nahm einer von ihnen seine Pistole und schoss Vater ins Gesicht. Mutter versagten die Beine und sie sank daneben nieder, so als wäre sie selbst getroffen worden. Da rissen sie die Stiefelmänner hoch und zerrten sie fort.

    Szymon schrie vor Schmerz auf. Der Nachbar schlug ihm die Hand vor den Mund, damit nur ja kein Geräusch nach außen dränge. Der Dreijährige stand, sah seinen Vater sterben und schluchzte in die Hand des fremden Mannes.

    Komm, deutete der Nachbar, als die Männer vor dem Haus weg waren, wir müssen fort. Er nahm Szymon bei der Hand und zog ihn fort von dem Schreckensbild. Vorsichtig, um möglichst kein Geräusch zu verursachen, gingen sie die Treppe hinunter. Sie drückten sich dabei eng an die Wand. Der Nachbar spähte immer zuerst um die Ecke in die langen Gänge hinein, ob auch niemand zu sehen sei, bevor sie zum nächsten Treppenabsatz huschten. Sehr gefährlich war es dann im Flur des Hauses, denn das Eingangstor stand weit offen – jemand hatte einen der Türflügel mit einem Holzstück verkeilt und der andere war aus den Angeln gerissen worden und lag in der Einfahrt. Draußen hetzten Menschen vorbei, die durften sie nicht sehen. Einige davon waren aus der Straße, die liefen nur vorbei, dann kamen wieder Stiefelmänner, die stehenblieben und in die Einfahrt schauten, ob das Haus auch ordnungsgemäß geräumt sei.

    Irgendwann fasste sich der Nachbar ein Herz, hob Szymon hoch und rannte, ohne sich umzudrehen, nach hinten in den Hof. Sie kamen an Gerümpel vorbei und an einigen seltsam verdreht liegenden Körpern mit offenen Augen. Einen kannte Szymon – es war der kleine alte Mann vom ersten Stock. Er starrte sie stumm an, den ganzen Weg, bis Szymon im Arm des Nachbarn die kleine Tür an der hinteren Seite des Hofes erreichte. Der Nachbar trat dagegen, sie sprang auf und die beiden verschwanden dahinter. Schwer atmend blieb er stehen und ließ Szymon wieder hinunter auf den Boden. Vor ihnen lag eine Treppe, die in den Keller führte. Szymon hatte Angst vor dem dunklen Loch, in dem sich die Stufen verloren. Er fasste instinktiv nach der Hand des Mannes – sie war groß und fest. Langsam stiegen sie die Tritte hinunter, die feucht und glitschig waren, vorsichtig tastend, um nicht zu stolpern. Halbblinde Lampen warfen ein diffuses Licht gegen die Mauern. Sie erreichten einen muffigen Gang, der anscheinend endlos alle Häuser untereinander verband. Dort trafen sie einige andere Männer, die es aus den umliegenden Wohnblocks bis hierher geschafft hatten. Gemeinsam gingen sie ein Stück weiter, dann verschwanden die Männer wieder in verschiedene Richtungen.

    Nach mehreren Abzweigungen, die meisten Gänge lagen im Stockdunklen, erreichten sie unbehelligt den Keller eines Hauses. Hier schob der Nachbar Szymon in einen kleinen Raum, in dem Licht von außen durch ein schmales Fenster unter der Decke fiel. Er zeigte auf eine Gartenbank, die an einer der Wände lehnte.

    »Bleib hier«, flüsterte er, »ich komme bald wieder.«

    Der Junge wollte ihn zurückhalten, die schützende Hand nicht hergeben, doch der Mann drückte ihn sanft auf die Bank und verschwand hinaus.

    Szymon saß still in dem Halbdunkel des Kellerraumes. Langsam beruhigte er sich und nach einer Weile versiegten seine Tränen. Die Bilder der letzten Stunde sollte er jedoch behalten und sie würden ihn sein weiteres Leben begleiten.

    Irgendwie roch es eigenartig in dem Raum. Muffig abgestanden, nach Staub und Holz, aber auch noch anders – seltsam süßlich. Der Kleine schaute sich um und entdeckte unter dem schmalen Fenster eine Stellage mit mehreren dunklen Brettern, auf denen flache Kisten aus Holz standen. Über den Rand der Kisten schaute etwas hervor, das wie rote Kugeln aussah. Szymon lauschte – in dem Keller und draußen vor dem Haus war es still. Angezogen von dem Duft und der Farbe stand er vorsichtig auf und ging hinüber zu dem Regal. Nun war es eindeutig, der Geruch kam von den roten Dingern. Szymon nahm eines von ihnen heraus. Es fühlte sich gut an, so wie rohe Kartoffeln, nur glatter. Der Duft stieg Szymon unmittelbar in die Nase. Hungrig und durstig wie er war, wischte den Staub von der Schale und biss hinein. Es schmeckte wie noch nichts in Szymons jungem Leben – säuerlich und süß zugleich, saftig und doch fest. Der Duft war nicht nur in seiner Nase, den konnte man sogar schmecken. Gierig aß er weiter.

    »Sind gut, die Äpfel«, sagte der Nachbar hinter ihm.

    Szymon fuhr herum und ließ die Frucht fallen. Er war so vertieft in seine neue Erfahrung gewesen, dass er das Kommen des Mannes überhört hatte. Der hob den Apfel auf und gab ihn Szymon wieder in die Hand.

    »Du kannst ihn gerne essen. Der Keller gehört Freunden, guten Menschen, die sicher nichts dagegen haben.« Er nahm Szymon bei der freien Hand und sie gingen aus dem Keller hinaus auf die Straße.

    Hier sah es ganz anders aus als zu Hause in der Dzielna. Alles wirkte sauberer und ruhiger. Doch die Menschen, die in der kleinen Gasse unterwegs waren, benahmen sich anders. Sie gingen rasch aneinander vorbei, schauten auf den Boden und grüßten einander nicht. In ihrer Sprachlosigkeit machten sie Szymon Angst.

    »Ich bringe dich zu einer ganz lieben Frau und ihren beiden Kindern, damit sie sich um dich kümmert«, sagte der Nachbar im Gehen. »Ich habe gerade mit ihnen gesprochen, sie wohnen nur einen Block entfernt am Fluss und warten bereits.«

    »Und du?«

    »Ich kann leider nicht bleiben, ich muss fort, muss mich verstecken. Die Männer mit den Uniformen suchen mich.«

    »Ich will mit dir gehen«, sagte Szymon verzagt.

    »Das geht leider nicht«, antwortete der Mann, »und bei der Familie hast du es sicher viel besser.«

    Szymon drückte sich im Gehen eng an den Nachbarn. Er verstand nicht, warum ihn der einzige Mensch, den er auf dieser Welt noch kannte, nun auch verließ.

    »Du bist also der kleine Hawkinski«, sagte die junge hübsche Frau ein wenig später freundlich, »keine Angst, du kannst gerne bei mir und meinen beiden Töchtern bleiben.«

    Szymon ahnte, dass dies nun seine neuen Leute waren und er die vertraute Familie für immer verloren hatte. Nicht nur seinen Vater, der vor seinen Augen im Dreck des Ghettos verblutet war, auch seine heißgeliebte Mutter und seinen Bruder sollte er nie wieder sehen.

    Erst in vielen Jahren, als er nach dem Abschluss seines Studiums an einer amerikanischen Universität hierher zurückkehrte, würde er ihnen wieder begegnen – als Eintrag in einem Buch der Stiefelmänner.

    *

    Derselbe Simon Hawk, so nannte er sich, seit er in den Vereinigten Staaten lebte, stand nun ebenso fassungslos bei einer der großen dunklen Glasflächen in der fünfundzwanzigsten Etage im Block 7 des New Yorker World Trade Centers. Er blickte auf das Chaos draußen vor den Fenstern – schwarze Feuerfahnen, Staub, der den Himmel verdunkelte, verzweifelt herumirrende Menschen.

    Alles, was er glaubte seit langem verdrängt zu haben, schwappte vehement an die Oberfläche seines Bewusstseins. Er hatte keine geordneten Erinnerungen an die Geschehnisse im Warschauer Ghetto vor fast sechzig Jahren – dazu waren die Eindrücke zu chaotisch und er noch zu jung gewesen –, gefühlsmäßig erkannte er jedoch die Gleichheit der Bilder. Ein wenig zitterte er auch, denn die Angst kehrte zurück. Wieder waren Stiefelmänner am Werk, das spürte er deutlich.

    Hawk kam nur durch Zufall am Morgen dieses 11. Septembers 2001 in das New Yorker Bürohaus. Er lebte in Washington, wo er bereits lange Jahre für das Weiße Haus als historischer Berater arbeitete. Für ihn als scharfen Beobachter von politischen Vorgängen war es eine perfekte Position, die seinem Interesse an der Welt sehr entgegenkam. Ein so unauffälliger Job im Hintergrund des Geschehens, bemerkte er oft scherzhaft, dass man unbemerkt blieb und auch einige Regierungswechsel überleben konnte. Aufgrund seiner Nähe zu den Kreisen der Mächtigen baten ihn öfter Journalisten im Bekanntenkreis oder Freunde von der Universität, an der er gelegentlich Vorträge über Geschichte hielt, um Unterstützung bei ihren Recherchen zu aktuellen Geschehnissen. Hawk half gerne, so wie er auch stets seine Beziehungen bis in die höchsten politischen Kreise pflegte. Manchmal versuchte er auch selbst Dingen auf den Grund zu gehen, wenn er vermutete, dass mehr hinter einer Sache steckte. Das befriedigte seine angeborene Neugierde und schien ihm außerdem eine gerechte Art zu sein, ein wenig Wissen umzuverteilen.

    Aus diesem Grund war er auch gestern von Washington an die Ostküste geflogen. Als Opernfan benützte er die Gelegenheit eine Vorstellung in der Met zu besuchen und kam heute pünktlich zu Dienstbeginn um acht Uhr früh ins New York Office des

    US-Departments

    of Defense, um sich mit einem langjährigen Bekannten zu treffen. Für das Verteidigungsministerium war das Büro im World Trade Center die Nahtstelle zum Katastrophenstab der Stadt New York und zu den hiesigen Repräsentanten der CIA und des Secret Service. Sie alle hatten ihre Büros hier in dem Nebengebäude der Twin Towers, genauso wie die Steuerbehörde und die Börsenaufsicht.

    »Guten Morgen, herzliche Gratulation«, begrüßte er Major Piet Palmer, den er seit der Operation Wüstensturm, dem amerikanischen Eingreifen zur Befreiung Kuwaits, kannte. Damals kümmerte sich Hawk für das Weiße Haus um die Presseanliegen der befreundeten Koalitionstruppen und Palmer bekam als junger Offizier sein erstes Kommando. Die Feuertaufe im Feld – ein Muss für den Sohn eines Commanders der

    US-Navy

    . Es sollte sein einziger Einsatz mit Feindberührung bleiben, den er als verwöhnter Absolvent der elitären Militärakademie von West Point nur widerwillig absolvierte. Er hasste nichts so sehr wie verschwitzte Tarnkleidung und den derben Umgangston der Mannschaft. Lieber trug er seine Galauniform, traf schöne Frauen oder plauderte mit Gleichgesinnten bei einem Glas Champagner über klassische Musik. Das war auch der Punkt, wo sich seine Interessen mit denen Hawks überschnitten. So verschieden sie in ihren Ansichten und von ihrer Herkunft waren, sie teilten die gleiche Vorliebe für gepflegte Umgangsformen und italienische Opern – vor allem wenn James Levine sie an der Met dirigierte.

    Nun war Palmer endlich die Karriereleiter hinaufgefallen und gerade dabei seinen Vater in Rang und Einkommen zu überholen. Er hatte für das Ministerium die administrative Leitung des New Yorker Büros übernommen. Für den auch politisch längst etablierten Offizier war dies der erste Schritt zu einer entsprechenden Position im Pentagon. Es war nur mehr eine Frage der Zeit, wann er im leitenden Stab landen würde.

    Palmer bedankte sich für die Gratulation und bot Hawk Platz auf einem der bequemen Lederstühle am gemütlichen Besprechungstisch an. Im Übrigen war das Büro militärisch zweckmäßig eingerichtet. An den Wänden hingen verschiedene Ernennungen Palmers, eine Medaille für Verdienste im Einsatz auf dunkelblauem Samt und zwei große Fotos von der Truppe in schmalen Silberrahmen. Hinter seinem ausladenden Schreibtisch fand man die übliche Einsatzkarte, flankiert von den Flaggen der USA und seiner Einheit in der

    US-Army

    .

    Die beiden plauderten eine Weile, tranken Kaffee, den die Ordonanz auf einen knappen Wink hin brachte. Hawk probierte höflichkeitshalber von den angebotenen staubtrockenen Keksen.

    »Ich habe da noch eine kleine Bitte für einen Dozenten unserer Universität«, lenkte er nach einer Weile das Gespräch auf den eigentlichen Grund seines Besuches. »Er arbeitet an einer Studie über die Kommunikation der Geheimdienste.«

    »Und?«

    »Es gab da vor kurzem in den täglichen Informationen des CIA an den Präsidenten am 6. August ein Memo, in dem das Weiße Haus vor der Gefahr eines Anschlags gegen die USA gewarnt wird.«

    »Aber das hast du doch sicher bei euch aufliegen«, sagte Palmer vorsichtig. Er wusste nicht, worauf Hawk hinauswollte.

    »Ja, aber eben nur das Memo selbst und für die Studie wäre es interessant, die Originaltexte zu kennen, also die ursprünglichen Nachrichten, die zu diesem Memo geführt haben. Damit wäre zu erkennen, wie sich Informationen im Zuge der Weitergabe verändern.«

    Palmer schüttelte den Kopf, stand auf und ging zur Glaswand, durch die man die Twin Towers und die südliche Spitze Manhattans sah.

    »Professoren, Journalisten … Es ist wirklich unglaublich, wer alles an unserer Arbeit interessiert ist! In den wenigen Wochen der Leitung dieses Büros hier hatte ich derart viele Anfragen zu solchen Dingen, damit könnte man ein einträgliches Geschäft machen.« Er lachte kurz auf, drehte sich dann zum Fenster und schaute hinunter auf den Hudson River.

    Hawk fand die Bemerkung etwas befremdlich und für einen hochrangigen Offizier äußerst unpassend.

    »Aber Spaß beiseite«, fuhr Palmer rasch und wieder in sachlichem Ton fort, »ich würde dir selbstverständlich gerne behilflich sein, aber die Memos gehen direkt von der CIA ins Büro des Präsidenten, da habe ich auch nicht mehr Informationen als das Weiße Haus. Ich hoffe, du verstehst das?«

    »Aber natürlich! Nur bisher war es doch üblich, dass ihr vom Verteidigungsministerium die heiklen Unterlagen im Original bekommt, wenn es um nationale Sicherheitsfragen geht«, sagte Hawk beiläufig. »Hat sich das Prozedere in diesem Punkt etwa geändert …?«

    Palmer war das Gespräch mit einem Mal unangenehm. Hawk kannte die Abläufe genau, ihn konnte man nicht so einfach abspeisen wie einen der Journalisten. Er überlegte nach einer passenden Antwort, um sich aus der Situation herauszuwinden. Im gleichen Augenblick huschte ein Schatten über den Himmel und Sekunden später explodierte ein Feuerball am Nordturm der Twin Towers. Palmer prallte von der Glaswand zurück und auch Hawk sprang auf.

    »Das gibt’s doch nicht«, entfuhr es Palmer, »ein Flugzeug. Der Pilot muss ein vollkommener Idiot sein.«

    Die Druckwelle der Kerosin-Explosion traf auch Block 7 in den oberen Stockwerken mit ziemlicher Wucht. Sogar hier im fünfundzwanzigsten gab es noch ein Geräusch, als würden hunderte Fäuste von außen gegen die Scheiben hämmern. Irgendwo splitterte Glas.

    Palmer war sofort sicher, das könne nur ein bedauerliches Unglück sein. Hawk konnte in dem Moment überhaupt nichts sagen. Er spürte aber sofort, dass er soeben ein direkter Augenzeuge von etwas Ungeheuerlichem wurde.

    Sie standen minutenlang regungslos beim Fenster und schauten auf den brennenden Turm. Unten begannen die Menschen zu laufen und schrille Sirenen von Löschfahrzeugen näherten sich.

    Palmer ging zu einem seiner Aktenschränke, nahm eine Flasche Whisky heraus und schenkte zwei Gläser ein.

    »Auf den Schrecken«, sagte er und konnte ein leichtes Zittern der Hände nicht unterdrücken.

    »Wahnsinn«, stammelte nun auch Hawk und nahm eines der Gläser mit einer mechanischen Geste. Er ließ sich langsam wieder in den Ledersessel sinken, ohne jedoch zu trinken oder den Blick von der Szenerie abzuwenden.

    Da traf es den zweiten Turm.

    Kurz danach begann die Evakuierung der Gebäude, auch die von Block 7. Palmer hatte versucht einige Anrufe zu machen, um den Stab im Pentagon zu verständigen und Weisungen für eventuelle weitere Schritte zu erhalten, aber die Telefone waren heillos überlastet. Sogar die direkte Leitung zum Armeekommando funktionierte nicht.

    Auch Hawk probierte seine Dienststelle im Weißen Haus zu erreichen, mit dem gleichen negativen Ergebnis. So blieb ihnen keine Wahl, sie mussten dem Sicherheitsdienst, der in solchen Fällen die oberste Instanz war, Folge leisten. Das Haus sollte innerhalb kurzer Zeit leergeräumt sein, angeblich um allen Eventualitäten vorzubeugen.

    Als alle das Haus verließen, ging Hawk noch auf die Toilette, um sich kurz von dem Schrecken zu erholen. Es war der private Waschraum Palmers gleich neben dessen Büro. Dort schlüpfte Hawk aus dem Sakko, lehnte sich gegen die kühlen Fliesen und wusch sich das Gesicht. Der Trubel machte ihm mehr zu schaffen, als er sich eingestehen wollte. Er wusste sofort, dass es keine Unfälle waren, die sich gerade vor seinen Augen abgespielt hatten.

    Wie immer in solchen Momenten, überkam ihn ein beklemmendes Gefühl der Ohnmacht und er spürte, das war der Anfang von etwas mit ungeheurer Dimension.

    Nach mehreren Minuten – Hawk hatte sich wieder einigermaßen gefangen – kam er aus dem Waschraum zurück in Palmers Büro. Es war leer, nur am Boden lagen einige in der Eile heruntergefallene Zettel. Anscheinend war Palmer schon nach unten gegangen und die Sicherheitskräfte hatten Hawk im entstehenden Tumult des raschen Aufbruchs übersehen. Die normalen Waschräume waren bestimmt kontrolliert worden, aber niemand dachte an einen Besucher auf der Toilette des Dienststellenleiters, nachdem dieser sein Büro verlassen hatte.

    Hawk setzte sich einen Augenblick und genoss die Ruhe nach der Aufregung, nur unterbrochen vom Läuten eines Telefons, das auf einem der Schreibtische im angrenzenden Raum ansprang. Draußen vor den Fenstern brannten die beiden Türme und stießen

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